Jürgen Schön
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn das Oberverwaltungsgericht die Wiedereinrichtung der 5. Klasse der Mittelschule Schönfeld wegen sonst unzumutbarer Schulwege beschlossen hat, erwartet man, dass das Kultusministerium unverzüglich den Mitwirkungsentzug aufhebt und alle anderen Maßnahmen ergreift, die erforderlich sind, damit die Klasse tatsächlich wieder eingerichtet werden kann.
Die von der Linksfraktion.PDS geforderte förmliche Feststellung und Bestandsgarantie für die betroffene 5. Klasse sind auf jeden Fall dann gerechtfertigt, wenn das Kultusministerium bisher durch Missachtung des Gerichtsbeschlusses und durch entsprechende Äußerungen in der Öffentlichkeit Zweifel an der vorbehaltlosen
Bereitschaft der Staatsregierung geweckt hat, dem Beschluss nachzukommen.
Angesichts der seit dem Gerichtsbeschluss verstrichenen Zeit – über ein Monat – scheint dies auf jeden Fall dann Tatsache zu sein, wenn die betreffende Klasse noch nicht eingerichtet ist und seitens des Kultusministeriums die Angelegenheit auf dem Rücken der Kinder und ihrer Eltern noch unnötig problematisiert wird.
In diesem Fall ist es nach Auffassung meiner Fraktion selbstverständlich, dass das Landesparlament im Rahmen seiner Kontrollfunktion die Regierung zur Räson rufen muss. Wenn die vollziehende Gewalt sich weigert, der aufgrund von Recht und Gesetz erfolgten Rechtsprechung der Gerichte zu folgen, muss der Gesetzgeber eben die Regierung anmahnen.
In diesem Licht gesehen haben wir es hier nicht „nur“ mit dem Schicksal der betroffenen Schulklasse in Schönfeld, sondern viel mehr mit der Frage einer funktionierenden Gewaltenteilung zu tun. Um dies zu klären, ist jetzt vor allem Herr Minister Flath gefordert. Er muss hier im Plenum gegebenenfalls erklären, warum die Mittelschulklasse noch nicht wieder eingerichtet ist und ob und warum vom Ministerium quergeschossen wird. Das ist das Mindeste, was wir als Abgeordnete vom Minister erwarten können.
Ich möchte meine kurze Stellungnahme zu diesem Thema nicht beenden, ohne die Forderung meiner Fraktion nach einer familien- und bevölkerungspolitischen Offensive in Sachsen zu wiederholen. Wenn wir damit heute beginnen, meine Damen und Herren, müssen wir alle Schulen erhalten, weil wir sie vielleicht in etwa sieben bis zehn Jahren dringend benötigen werden.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! So wohlklingend die Formulierungen des vorliegenden Antrages der PDS zu einem verbesserten Verbraucherschutz auch sein mögen, so gehen sie doch in einigen Punkten an der Realität vorbei. Als ob mit einer Bündelung von Zuständigkeiten, mit mehr Transparenz und mit so genannten Krisenmanage
mentkonzepten die Position des heutigen Verbrauchers gestärkt werden könnte! Tatsache ist doch, dass aus dem Kunden, der einmal König war, der so genannte Verbraucher von heute wurde, der auf dem Papier zwar viele Rechte besitzt, in Wirklichkeit aber ohnmächtig in der Zeitung ab und zu lesen kann, was er vielleicht Tage oder Wochen zuvor an verdorbener Nahrung zu sich genommen hat. Daran werden weder mehr Kontrollen noch eine bessere Beratung etwas ändern.
Im aktuellen Fleischskandal, der sich nun auch auf Sachsen ausgedehnt hat, wird deutlich, dass die Kontrollmöglichkeiten nicht einmal im Ansatz dazu ausreichen, den Bürger vor schlechter Nahrung zu schützen und zu verhindern, dass Fertigprodukte sowie Frischfleisch in Umlauf gebracht werden, die nicht mehr genießbar sind.
Wenn jetzt die Kontrolleure der Landesuntersuchungsanstalt die möglicherweise noch vorhandene verdorbene Ware untersuchen, um nachzuvollziehen, an welche Geschäfte und Supermärkte ausgeliefert wurde, mag das vielleicht irgendwann eine juristische Schuldfrage klären, aber es ändert nichts an dem Umstand, dass der Abfall vom so genannten Verbraucher verzehrt wurde.
Die Ursachen dafür, dass man sich auf die bestehenden Kontrollmöglichkeiten ganz und gar nicht verlassen kann, muss man jedoch an anderer Stelle suchen. Viele Beispiele der Vergangenheit und auch der derzeitige Fleischskandal haben gezeigt, dass nicht die Dichte der Kontrollen entscheidend für den Erfolg ist, sondern der richtige Ansatzpunkt. Es kann beispielsweise nicht sein, dass in Bezug auf Lebensmittel bei den Bauern jeder Strohballen dreimal umgedreht und kontrolliert wird, aber bei der Verarbeitung, wo es wirklich erforderlich wäre, stärker die Herkunft und die Qualität der Erzeugnisse zu überprüfen, dies nur stichprobenartig erfolgt.
Ein zweiter Ansatzpunkt ist die Art und Weise der Bestrafung bei festgestellten Verstößen gegen die gesetzlichen Vorschriften. Ein Unternehmen mit vielen Millionen Euro Umsatz pro Jahr wird es sicherlich wenig interessieren, wenn es einmal 10 000 oder 20 000 Euro Strafe zu zahlen hat.
Angesichts dieses Umstandes ist es im Übrigen völlig unerheblich, nach welchen Kriterien der Verbraucherschutzindex der Bundesverbraucherzentrale zustande gekommen ist oder was die Auswertung und Bewertung der Ergebnisse des Ländervergleiches erbracht hat.
Wenn man in diesem Verbraucherschutzindex Sachsen die Note „mangelhaft“ gibt und insbesondere die Bereiche der Exekutive und der Arbeit der nachgeordneten Kontrollbehörden eine schlechte Beurteilung erhalten, so sind das sicher Schönheitsfehler, die abgestellt werden müssen. Aber diese Bewertung nicht wirklich wichtiger Dinge sollte nicht davon ablenken, dass der Verbraucherschutz insgesamt mangelhaft ist. Dem Verbraucher ist recht wenig damit geholfen, wenn der eine oder andere Skandal mehr aufgedeckt wird. Es ist aus unserer Sicht notwendig, mit härteren strafrechtlichen Maßnahmen die Ursachen dafür zu bekämpfen.
In der DDR war es so. Ich war 22 Jahre im Großhandel, ich könnte dazu einiges erzählen. Ich war Gütekontrolleur für Lebensmittel.
Der Verordnungsmaschine in Brüssel, deren Vorgaben hierzulande nur noch umgesetzt werden dürfen, geht es in Wirklichkeit um die Durchsetzung ganz anderer Interessen, nämlich derer des Kapitals. Dies läuft durch Länderbehörden und Beratungsstellen unbeeinflussbar oftmals einem durchaus notwendigen Verbraucherschutz zuwider.
Für unsere Fraktion steht fest, dass es keiner weiteren kosmetischen Korrektur des Kontrollsystems bedarf. Vielmehr müssen Verstöße mit einer strengeren strafrechtlichen Verfolgung in Zukunft verhindert werden.
Da es sich bei dem Antrag der Linksfraktion.PDS auch um ein Auskunftsbegehren handelt, werden wir ihm dennoch zustimmen.
Danke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich direkt an den verantwortlichen Minister wenden und zum Thema Erziehungsauftrag an den Schulen etwas sagen. Ich will einmal ein Beispiel nennen. Meine Frau und ich sind mit einer ukrainischen Familie befreundet. Sie wohnen im Nachbarhaus. Die Mutter ist zurzeit für mehrere Wochen in Hannover arbeiten. Die beiden Kinder, Mädchen und Junge, 11 und 13 Jahre, sind mit ihrem 73-jährigen Großvater – übrigens ist er Jude, und mit dem bin ich befreundet – allein. Ich habe sie besucht, weil der Großvater krank ist. Am Dienstag war ich bei diesen in der Wohnung, da saßen die zwei Kinder vor dem Computer und sahen sich ein ganz grässliches Kriegsspiel an.
Deshalb appelliere ich auch an Sie, Herr Minister, dass Sie ihren Einfluss geltend machen, dass man in den Schulen mehr aufklärt, dass man solche Spiele nicht an Kinder weitergibt.
Dort beginnt der erste Schritt zur Gewalt. – Danke.
Herr Präsident! Zur umfassenden Weiterbildung und Vorbereitung auf ein erfolgreiches Berufsleben sind Praktikumsaufenthalte im Ausland eine gute Möglichkeit für Studierende, die eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu testen und zu erwei
tern. Dabei muss die Landesregierung jedoch dafür Sorge tragen, dass im Freistaat Sachsen selbst für hoch qualifizierte Wissenschaftskader Rahmenbedingungen geschaffen werden, unter denen die erworbenen Auslandserfahrungen zum Wohle und Nutzen der inländischen Wirtschaft effektiv zum Tragen kommen.
Fragen an die Staatsregierung:
1. Wie viele Studenten an sächsischen Hochschulen, Fachhochschulen und Universitäten absolvierten in den letzten fünf Jahren ein Auslandspraktikum?
2. Welche Länder werden dabei für Praktika von den Studierenden bevorzugt?
Vielen Dank.
Aufgrund des Wegzuges junger, leistungsfähiger Menschen aus Sachsen infolge des gravierenden Mangels an Arbeits- und Ausbildungsplätzen verliert Sachsen an Einwohnern. Seit 1991 zogen beispielsweise aus Leipzig 16 500 Menschen fort.
Einige sächsische Städte haben seit 1990 ein Drittel ihrer Bevölkerung verloren. Dauerhafter Wohnungsleerstand, überdimensionierte Infrastruktur und soziale Vereinzelung beginnen vielerorts das urbane Bild zu prägen.
Fragen an die Staatsregierung:
1. Wie viele Quadratmeter Wohnraum wurden in den letzten zehn Jahren im Freistaat Sachsen wegen Leerstandes abgerissen?
2. Wie viele Quadratmeter Wohnraum plant der Freistaat Sachsen aufgrund der demografischen Entwicklung in den nächsten fünf Jahren abzureißen?
Schönen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn die Öffentlichkeit heute den Begriff Folter hört, denkt sie zumeist an das Mittelalter, an autoritäre Systeme oder exotische Länder. Doch gibt es auch Staaten, die sich als demokratisch und rechtsstaatlich bezeichnen und trotzdem das Mittel der Folter anwenden. Gefoltert wird, um die Wahrheit zu unterdrücken oder um sie zu erfahren. Gefoltert wird zur Abschreckung oder zur Vergeltung. Die UN-Anti-Folter-Konvention bezeichnet als Folter jede vorsätzliche Handlung, bei der die Träger staatlicher Gewalt einer Person starke körperliche oder geistig-seelische Schmerzen oder Leiden zufügen oder androhen, um eine Aussage zu erpressen, um einzuschüchtern oder um zu bestrafen. Mein algerischer Schwager Salah Youyou,
zeitweise Minister für Post- und Fernmeldewesen in Algerien, kämpfte während des algerischen Befreiungskrieges, der von 1954 bis 1962 stattfand, als Kommandeur einer Einheit der Nationalen Befreiungsfront FNL.
Aufgrund seiner Abkommandierung zum Studium in die DDR wurde sein damals 16-jähriger Bruder in Algier verhaftet und von französischen Geheimdienstleuten gefoltert. An den Folgen dieser Marter leidet er noch heute. Mein Schwippschwager Matschid hat mir erzählt, was man so mit ihm gemacht hat. Es begann also damit, dass man ihm Telefonbücher auf den Kopf schlug. Danach musste er sich nackt ausziehen und wurde mit feuchten Handtüchern geschlagen. Beide Folterarten hinterlassen keine äußerlichen Spuren. Dann stieß man ihm einen Flaschenhals in den After und er musste sich auf die Flasche setzen. Danach wurde er gefesselt, die Haare wurden ihm geschoren und tropfenweise lief ihm Wasser auf den Kopf, was zum Wahnsinn führen kann. Das Ende waren Elektroschocks. Das alles dauerte vier Monate. Er war unrechtmäßig inhaftiert worden. Nach vier Monaten haben sie ihn wieder entlassen, ohne dass ein Urteil oder Ähnliches gesprochen wurde.
Ich denke, dass nicht viele von Ihnen einen familiären Bezug zu einem von der Folter unmittelbar Betroffenen haben. Herr Schiemann hat die Folterungen – –
Das glaube ich Ihnen, würde ich nie bestreiten. Mir ist bekannt, dass im Dritten Reich Sozialdemokraten gefoltert wurden. Auch Herr Schiemann hat an die Folterungen in der Zeit des Hitlerismus erinnert. Da muss ich auch an die Leiden der von Amerikanern nach dem Krieg misshandelten deutschen Soldaten erinnern. Wer weiß von den Foltermethoden amerikanischer Führungsoffiziere, mit denen jede Art von Geständnis aus deutschen Gefangenen herausgepresst wurde? Wer weiß schon von den Qualen deutscher Gefangener, zum Beispiel auf den Rheinwiesen bei Bad Kreuznach?
Ich will in diesem Zusammenhang auch an das Schicksal des bedeutenden Lyrikers der englischsprachigen Moderne, des Amerikaners Ezra Pound, erinnern, der seit 1924 in Italien lebte und der nach dem Einmarsch amerikanischer Truppen 1945 in Italien durch diese einige Zeit in Pisa in einem Affenkäfig psychisch terrorisiert und danach jahrelang in einer Irrenanstalt festgehalten wurde.
Erst die Geschehnisse auf Guantanamo, wo afghanische und andere islamische Gefangene in orangeroten Kleidungsstücken, an allen Gliedmaßen gefesselt, mit Säcken über den Köpfen kniend, gefangen gehalten werden, haben der Weltöffentlichkeit das Gesicht einer anderen USA vor Augen geführt. In dem wegen Verletzung der Genfer Konvention national heftig kritisierten Häftlingslager auf Kuba werden Gefangene der USA bis heute in Käfigen eingesperrt und zum Beispiel durch erzwungenen Schlafentzug gefoltert. Im Zusammenhang mit dem dritten Golfkrieg folterten US-amerikanische Soldaten zeitweise mit Erlaubnis des US-Verteidigungsministers Rumsfeld zwischen dem 2. Dezember 2002 und dem 16. April 2003 irakische Kriegsgefangene, Al-Qaida-Mitglieder und Taliban-Kämpfer. Rumsfeld hatte 14 Verhör
methoden genehmigt, wie so genannte leichte körperliche Misshandlungen, die nicht zu Verletzungen führen.
Ich nannte schon die Folterung mit Telefonbüchern und nassen Handtüchern, die keine Verletzung am Körper hinterlassen. Das Verharren von Gefangenen in schmerzhaften Positionen, bis zu zwanzigstündige Verhöre, Isolation von Gefangenen bis zu 30 Tagen, Dunkelhaft und stundenlanges Stehen, Bedrohung von Gefangenen mit Hunden, erniedrigende Befragungen nackter Häftlinge und weitere Ungeheuerlichkeiten werden für alle Zeit untrennbar mit dem Abu-Ghraib-Gefängnis im Irak verbunden bleiben. Zu erwähnen ist auch die Tatsache, dass die USA Gefangene in Drittstaaten verfrachten und dort foltern lassen. Die so genannte Offshore-Folter ist für die US-Behörden wichtig, da Foltern durch die US-Verfassung auf US-Territorium verboten ist.
Auch wurde der deutsche Staatsbürger Al-Massari von CIA-Agenten an der mazedonischen Grenze festgenommen und nach Afghanistan ausgeflogen, wo er wochenlang gefoltert und verhört wurde. Erst als die US-Agenten sicher waren, dass sie den falschen folterten, flogen sie Al-Massari zurück nach Europa.
Dass sich die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit diesem Antrag zur Ratifizierung und Umsetzung des Zusatzprotokolls zur UN-Anti-Folter-Konvention für die Eindämmung der Folter einsetzt, ist grundsätzlich gut. Die sächsische NPD-Fraktion begrüßt deshalb diese Initiative. Sie befinden sich damit übrigens in den Fußspuren des Staates Preußen und seines Königs Friedrich dem Großen. Preußen schaffte bereits im 18. Jahrhundert als erster Staat Europas die Folter ab. Eine weitere Form zu Beginn des 19. Jahrhunderts war die Abschaffung der Prügelstrafe, während die königlich-englische Marine die Prügelstrafe noch bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges beibehielt.
Wir werden diesem Antrag zustimmen. – Vielen Dank.
Frage Nr. 10 Umsetzung der sächsischen Polizeireform
1. Wie erklärt sich die Staatsregierung die Widersprüche in der öffentlichen Darstellung der Umsetzung der sächsischen Polizeireform, die zwischen den Aussagen von Innenminister de Maizière („kostenneutral“) und der Polizeigewerkschaft aufgetreten sind, wonach bei der Umsetzung der Reform mit Mehrkosten in Höhe von bis zu 150 Millionen Euro zu rechnen sei?
2. Auf der Grundlage welcher Untersuchungen oder Evaluationen gelangt die Staatsregierung zu ihrer Auffassung, trotz der Einsparung mehrerer hundert Stellen bei der sächsischen Polizei werde die Sicherheit der sächsischen Bürger und Bürgerinnen auch nach der Umsetzung der sächsischen Polizeireform keine Einbußen erleiden?
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Es geht hier um Kinder, also um die Zukunft unseres Freistaates. Ich finde es beschämend, dass gerade bei dieser Debatte so wenig Abgeordnete anwesend sind. Wenn wir heute über den Gesetzentwurf der PDS zur Sicherung des Rechtsanspruchs von Kindern auf eine ganztägige Förderung in Kindertageseinrichtungen im Freistaat Sachsen sprechen, sollten wir die Einsicht beherzigen: Ein Kind ist kein Gefäß, das gefüllt, sondern ein Feuer, das entzündet werden will. Immer noch wird die Vorschulerziehung stiefmütterlich behandelt.
Gerade die Lernleistungsstudie „Pisa II“, die in den letzten Tagen vorgestellt worden ist, hat eine Diskussion über die Bildungspolitik erneut in die Gesellschaft hin
eingetragen. Dies ist gut so, da gerade die Bildung ein Gut ist, das es zu bewahren gilt. Doch greift diese Diskussion viel zu kurz, wenn lediglich über Reformen auf dem Schul- und Hochschulsektor nachgedacht wird. Bildung ist ein lebenslanger Prozess, der demzufolge schon beim Kleinkind anfängt. Da muss gerade auf dem Gebiet der Vorschulerziehung grundlegend umgedacht werden.
Gerade im Vorschulalter machen Kinder einen enormen Entwicklungsprozess durch. Das Kind lernt in dieser Entwicklungsphase, sich vor allem durch Ausprobieren die gegenständliche Welt anzueignen und sich in ihr zurechtzufinden. Zugleich werden in dieser Phase auch Identität, die Regeln, Normen und Werte durch das Kind erlernt.
Zu diesem Bildungsprozess benötigt das Kind eben auch andere Kinder. Nur in der Gemeinschaft kann letztlich die Sozialkonstruktion von Wissen stattfinden. Daher ist es notwendig, dass die beschriebene Sozialsituation des Kindes tatsächlich stattfindet. Es muss aus diesem Grunde gewährleistet sein, dass Kinder eben nicht aus diesem Reifeprozess ausgeschlossen werden.
Das bisher geltende Gesetz kann diese Anforderungen nicht in allen Punkten umsetzen. An dieser Stelle sieht meine Fraktion Handlungsbedarf. Wenn die Staatsregierung, was wir begrüßen, in der Koalitionserklärung die Lebensphase des Vorschulalters bereits als Bildungsphase begreift, dann findet Bildung dort nicht zwischen neun und zwölf Uhr statt, sondern zieht sich über den ganzen Tag hin.
Natürlich müssen sich in erster Linie die Eltern um ihre Kinder kümmern. Natürlich sind ein liebevolles Zuhause und eine gute Familie immer sehr wichtig. Aber wie die Kindertagesstätte nicht das Elternhaus und umgekehrt ersetzen kann, sind beide zusammen ein starkes Paar zur Entwicklung von kindlichem Potenzial in den ersten Lebensjahren.
Dass sich die Generationen immer weniger zu verstehen scheinen, immer weniger voneinander wissen, wird schon jahrelang propagiert, vor allem dann, wenn wieder etwas Schreckliches passiert ist. Dass es aber durchaus auch Wege aus dieser Ohnmacht geben kann, wird bei politischen Entscheidungen ausgeblendet. Wie sonst wäre zu erklären, dass Kinder- und Jugendarbeit, Kinder- und Jugendhilfe, Schulsozialarbeit durch Entscheidungen auf Landesebene in ihrer Existenz bedroht sind oder eingestellt werden mussten?
Soziale Auflösungserscheinungen in der Gesellschaft, Koalitionskonflikte haben immer noch eine längere Vorgeschichte. Wenn Kindern und Jugendlichen ein offizielles Bild über sich selbst vermittelt wird, das sie zum Problemfall werden lässt, macht es sie nicht neugierig auf ein Leben als Gemeinschaft. Junge Leute reagieren darauf völlig natürlich. Sie nehmen ihr Umfeld nicht als Gemeinwesen dar und konzentrieren sich auf ihren eigenen Lebensausschnitt. Da erleben wir heute auch die Abwanderungswelle in die westlichen Bundesländer, die uns zweifellos vor Probleme stellt.
Wir schaffen es nicht ohne die junge Generation. Deshalb muss die Botschaft sein, dass sie in unserer politischen Rangliste einen Platz ganz oben einnimmt. Wenn aber fortwährend in diesem Bereich gekürzt wird, dann sind
nicht nur die Zahlen selbst ein Problem, sondern das damit verbundene Signal.
Kehren wir wieder zur Zukunftssicherung für Sachsen zurück. Wir haben mit diesem Gesetzentwurf die Möglichkeit, hier das rechte Signal zu setzen. Nutzen wir diese Chance!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Als am 1. Januar 2002 das neue Kindertagesstättengesetz in Kraft trat, welches vorher mit der absoluten Mehrheit der CDU-Fraktion hier in diesem Plenum durchgesetzt wurde, waren die erheblichen Mängel dieses Gesetzes schon offensichtlich. Ich denke hier insbesondere an den Landeszuschuss, welcher durch die Pauschalregelung die Kommunen mit vielen Krippenkindern benachteiligt.
Ich denke an die fehlende Definition von pädagogischer Fachkraft im Gesetz, welche die notwendige pädagogische Qualität – gerade in finanzschwachen Kommunen – beeinträchtigen könnte. Ich denke an die fehlenden gesetzlich festgeschriebenen Mindestöffnungszeiten von Kindertagesstätten, welche eine Verschlechterung des Angebotes an die Eltern möglich machen.
Ich könnte noch mehr Mängel aufzeigen, will es aber bei diesen Eckpunkten belassen. Gerade in einer Zeit, in der Kreise in diesem Plenum ständig den Bildungsstandort Sachsen bemühen und ihn sichern möchten, gilt es, in die Zukunft zu investieren. Die Zukunft eines jeden Landes sind nun einmal die Kinder als die nachwachsende Generation. Die Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern müssen daher für uns zu einem politischen Thema höchster Priorität werden. Die Auffassung, dass Kindertagesstätten ausschließlich familiär ergänzenden Charakter haben, ist zu überwinden. Bildung und Erziehung des Kindes müssen ein ganzheitlicher Auftrag des Gemeinwesens sein und können nicht nur auf die Eltern abgewälzt werden.
Allerdings ist es selbstverständlich, dass das Primat der Erziehung unserer Kinder bei den Eltern liegen muss. Dies ist ein verfassungsmäßig garantiertes Recht.
Meine Damen und Herren! Kindertagesstätten sind trotzdem keine Kinderverwahranstalten. Sie sind Teil eines zusammengehörigen Systems von Bildung, Erziehung und Betreuung. In diesem Zusammenhang ist auch die außerordentliche Betreuung zu verstehen, um welche es im vorliegenden Gesetzentwurf geht. Allerdings – dies gilt es noch einmal deutlich herauszustreichen –: Wenn meine Fraktion von der Notwendigkeit der Entwicklung eines ganzheitlichen Konzepts für die Bildung und Erziehung von Kindern spricht, sind folgende Grundsätze strikt einzuhalten:
Zum Ersten muss eine politische Neutralität des Bildungswesens sichergestellt sein. Dies verdeutliche ich an dieser Stelle so explizit, weil diese eigentlich selbstverständliche Forderung leider in der Praxis nicht immer gegeben ist. Bildungseinrichtungen sind keine Orte der politischen Beeinflussung, dies muss hier einmal ganz deutlich gesagt werden! Zu guter Letzt ist auch eine religiöse Neutralität zu wahren.
Diese wichtigen Punkte müssen die Grundlage eines jeden Bildungskonzeptes sein. Wenn Teile dieses Plenums wieder einmal die Kostenfrage für die Durchsetzung des vorliegenden Gesetzentwurfes bemühen, lassen Sie sich gesagt sein: Ausgaben für Kindertageseinrichtungen sind keine verlorenen Zuschüsse. Sie sind Investitionen von hohem volkswirtschaftlichem Ertrag. Es ist immer sehr leicht, sich hinter Kostenfragen zu verstecken. Da erklären Sie außerhalb dieses Hauses den Menschen, dass sie aus Kostengründen auf Investitionen in die Zukunft verzichten sollen. Jedes betriebswirtschaftliche Unternehmen würde vermutlich mit solch einer Willkürpolitik eine kräftige Bauchlandung machen. Wir haben hier eine Verantwortung für die Menschen in Sachsen, wir haben eine Verantwortung für die Zukunft unseres Freistaates. Eine Bauchlandung können wir uns in dieser Frage nicht leisten. Meine Fraktion wird deshalb diesem Gesetzentwurf zustimmen.
Danke.