Cornelius Weiss

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Herr Präsident, vielen Dank. – Ich wollte eine Erklärung zum Abstimmungsverhalten abgeben. Ich habe den vorliegenden Antrag abgelehnt, weil ich ihn im Moment nicht für sachgerecht halte.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich vom Hohen Hause zu verabschieden – dem Hohen Hause, dem ich zweimal als Alterspräsident gedient habe. Ich danke allen Angehörigen der demokratischen Fraktionen für die zumeist konstruktive Zusammenarbeit und für manches gute Gespräch.
Ich wünsche Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren aus den demokratischen Fraktionen, alles Gute für die Zukunft! Ich stelle fest, meine Damen und Herren, dass dadurch die von Frau Hermenau angekündigte Tatsache,
dass die GRÜNEN als letzte Abgeordnete das Wort ergreifen,
nicht zutrifft, ich bin kein Angehöriger der GRÜNENFraktion. Das letzte Wort hat ohnehin unser hochverehrter Herr Präsident.
Danke.
Erklärung zu Protokoll
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der FDPFraktion hat zwar, wie so oft, eine blumige Überschrift und dann doch nur wieder einen Inhalt, der weder zielführend noch umsetzbar ist.
Im Grunde genommen handelt es sich um die Aufkündigung des gerade geschlossenen Tarifvertrages. Sie, meine Damen und Herren der FDP, wollen einen Teil der zur Verfügung stehenden Gehaltsmittel leistungsbezogen verteilen. Sie wollen damit den Wettbewerb unter den Lehrern fördern und gute Arbeit honorieren. Das Letztere, also Ihre Absicht, gute Arbeit zu belohnen, will ich gern würdigen. Diese gute Absicht erkenne ich. Das Erstere aber, der Wettbewerb, führt im Zusammenhang mit Bildung immer in die Irre.
Nun ist die FDP ja bekannt für ihr Faible für Wettbewerb und freie Märkte. Wir können uns gerade davon überzeugen, wohin das im Extrem führen kann und wie schnell dann die Allgemeinheit teuer retten soll, was manchmal kaum noch zu retten ist. Das wollen Sie jetzt auch noch unseren Schulen bescheren!
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, ich unterstelle Ihnen nicht, dass Sie diese Folgen wollen, die unregulierte Märkte und Wettbewerb eben so mit sich bringen. Aber ich konstatiere, dass Sie in der Frage des Wettbewerbs an Schulen beratungsresistent sind, denn wir reden nicht zum ersten Mal über das Problem.
Was wollen Sie eigentlich mit Ihrem Wettbewerb der Lehrer und Leistungszuschlägen erreichen? Natürlich mehr Leistung im Durchschnitt. Aber haben Sie bedacht, dass es bei Wettbewerben nicht nur Gewinner, sondern immer auch Verlierer gibt? Können wir uns die an unseren Schulen wirklich leisten, und wollen Sie wirklich an
unseren Schulen statt Teamgeist und Teamverantwortung gute und schlechte Einzelkämpfer, wer immer das auch bewerten soll?
Damit bin ich schon beim nächsten Problem Ihres nur scheinbar verführerischen Ansatzes. Wer soll denn – diese Frage wurde schon von Ihnen, Frau Falken, gestellt – überhaupt beurteilen, wer mehr leistet als der andere? Die Tätigkeit eines Lehrers ist so komplex und die Bedingungen an den Schulen und in den Klassen sind so verschieden, wie es Schülerinnen und Schüler gibt. Wohlgemerkt, wir sprechen hier nicht von Funktionszulagen, die gibt es bereits. Ich lese nirgendwo in Ihrem Antrag, dass Sie diese ausweiten wollen. Wie schnell aber kann das Instrument des Leistungszuschlages zu einem Instrument der Gefügigkeit, der Angepasstheit oder der Kumpanei werden!
Sie wissen wie ich, dass dies nicht aus der Luft gegriffene Vermutungen sind, sondern dass wir an den Grundschulen einschlägige negative Erfahrungen bei der Verteilung der Aufstockungsstunden zur Teilzeit beobachten konnten. Im Übrigen gab es ähnliche Erfahrungen schon in der DDR. Die können Sie nicht kennen, Herr Herbst, das konzediere ich. Ich erwähne die Begriffe LAZ und LOZ. Das eine war der leistungsabhängige Zuschlag und das andere war der leistungsorientierte Zuschlag, der Letztere also für Versprechungen oder Wechsel auf die Zukunft und das andere für irgendwelche Berichte, die man sich aus der Schublade holte.
Herr Herbst, das hat man in den Schulen versucht, das hat man in den Hochschulen versucht, und das führte zu dem oben beschriebenen Desaster.
Sie schlagen in der Begründung einen Bewertungskatalog vor, aber nicht im Detail, sondern einfach als billige Forderung. Sie haben aber wahrscheinlich keine Ahnung von den üblichen Beurteilungen, die es bereits gibt und die doch hoch problematisch sind. Warum? Weil ein Teil einer solchen Einschätzung rein subjektiv durch den Schulleiter erfolgen muss, weil Voraussetzung für manches Engagement auch die Wahrnehmung einer entsprechenden Funktion ist, die man jedoch erst einmal bekommen muss, weil der Bildungserfolg der Schüler nicht berücksichtigt wird und wohl auch kaum eins zu eins an einem einzigen Lehrer festgemacht werden kann, kurz: weil eine solche Beurteilung zwar dienstrechtlich erforderlich ist, in der Sache aber höchst problematisch und den komplizierten Prozessen an der Schule überhaupt nicht angemessen und weil sie auch für eine gute Schule überhaupt nicht nötig ist.
Zurück zu Ihrem Antrag. Sollten wir schließlich, bevor wir über Leistungszuschläge sprechen, erst einmal dafür sorgen, dass entsprechend der erbrachten Leistung Lehrer auch gleich eingestuft werden? Wir hätten zurzeit noch nicht einmal die Basis für einen fairen Wettbewerb.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nun weist der Antrag in der Begründung erstaunlicherweise noch auf einen ganz anderen Aspekt hin, den des bundesweiten Wettbewerbs um Lehrer. Zu diesem Wettbewerb hatten wir ja heute Vormittag schon eine Debatte. Im Kontext Ihres Antrages aber konterkariert diese Begründung nun gänzlich den Leistungsgedanken, den Sie im Titel monstranzartig vor sich hertragen. Es geht gar nicht um Leistung, es geht hier um die Bewältigung von Mangel. Ist es wirklich eine Leistung, ein Mangelfach studiert zu haben und nun auf dem Markt nachgefragt zu werden? Nein, natürlich nicht. Wenn Sie vielleicht am Anfang meines Beitrages noch irritiert waren, weil ich hier vom freien Markt rede, der doch im Antrag gar nicht vorkommt – hier haben wir ihn, den freien Markt, und zwar nichts weiter als diesen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unsere Antwort auf das Problem haben wir heute Vormittag gegeben. Wir brauchen – mein Fraktionschef Martin Dulig hat das gesagt – mehr Verantwortung in den Schulen, damit attraktive Arbeitsbedingungen für Lehrer geschaffen werden, und zwar so, dass sie als Team arbeiten und sich gegenseitig ergänzen, dass die Schwäche des einen auf irgendeinem Gebiet durch die Stärke eines anderen Kollegen ausgeglichen wird, dass an den Schulen genügend Spielraum vorhanden ist, sich fehlende Kompetenzen anzueignen, dazuzukaufen oder im Austausch dazu zu erhalten, dass die Lehrer sich weiterentwickeln, ihre spezifischen Stärken ausprägen und einbringen können, ohne gegebenenfalls von irgendwelchen Schwächen behindert zu werden, und dass sie nicht nur über Unterrichtsstunden definiert und damit zu Stundenhaltern degradiert werden. Ja, all dies kann auf einer gesicherten und gleichen Gehaltsbasis auch durch besondere Vergütung besonderer Leistungen aus den den Schulen zur Verfügung stehenden Finanzmitteln durchaus ergänzt werden, aber nicht auf der Grundlage staatlichen oder Verwaltungshandelns, sondern allein durch transparente und in der Schule selbst gefällte Entscheidungen. Dafür brauchen wir aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, eine ganz andere Ressourcenverteilung an den Schulen, über die zu sprechen jetzt zu weit führen würde.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte noch aus eigener Erfahrung etwas hinzufügen: Die Motivation für einen Lehrenden – egal, ob an einer allgemeinbildenden Schule oder einer Hochschule, ganz egal wo – ist nicht plus/minus hundert Euro im Gehaltszettel. Es sind die dankbaren Augen der Schüler, es ist der Erfolg der Schülerinnen und Schüler im späteren Beruf und in der Weiterbildung, es ist der Stolz auf diese Schüler, die eine Lehrerin oder einen Lehrer motivieren.
Der Leistungsgedanke, der vielleicht für die Wirtschaft taugt, ist für die Bildung absolut kontraproduktiv.
Meine Damen und Herren von der FDP, Sie werden folglich nach dem Gesagten nicht überrascht sein, dass wir Ihrem Antrag nicht zustimmen werden.
Danke.
Lieber Herr Kollege, Sie erwähnten soeben, dass man die Leistungen von Schülern wunderbar bewerten könne, und stellten die Frage, warum nicht die von Lehrern. Wollen Sie einführen, dass die Lehrer Jahresarbeiten schreiben und Prüfungen absolvieren, damit sie korrekt, leistungsgerecht entlohnt werden?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Tja, so ist das mit Modellversuchen, die nicht ganz ernst gemeint sind. Sie sind eben gerade nicht verallgemeinerungsfähig. Das ist natürlich bitter für alle die, die sich engagiert und hoffnungsfroh auf den Weg zur Ganztagsschule gemacht hatten.
Bevor ich zum Antragsbegehren der Linken direkt Stellung nehme, muss ich ein paar historisierende Bemerkungen zu diesen speziellen Modellversuchen machen, die ja in der vorigen Legislaturperiode gestartet wurden, und zwar in einem politischen Klima, in welchem nach Meinung der damals noch alleinregierenden CDU Ganz
tagsschulen doch eher des Teufels waren. Allerdings kam die CDU mit dieser Haltung langsam unter Druck,
weil sich deutschlandweit durch das Investitionsprogramm Bildung und Betreuung des Bundes, damals von Rot-Grün regiert, die öffentliche Meinung zu verändern begann. So legte denn auch in der Statistik der KMK bei der Zahl der Ganztagsschulen von einem Jahr zum anderen Sachsen erstaunlich zu. Von einigen wenigen, hauptsächlich Förderschulen und Schulen in freier Trägerschaft, wurden es gleich ein paar Hundert. Man meldete nämlich einfach alle Grundschulen mit Hort als Ganztagsschulen, obwohl dies nach der KMK-Definition nicht seriös und damit nicht zulässig war.
Denn zumindest eines der Kriterien erfüllten die meisten dieser Schulen nicht: Das Ganztagsangebot stand nicht unter der Verantwortung der Schulen. Aber die KMK verlässt sich natürlich auf die Angaben aus den Ländern, und so hatte Sachsen auf dem Papier nicht mehr die peinliche Schlusslichtposition bei den modernen und populär werdenden Ganztagsschulen inne. Erinnern Sie sich, auch Sie, Herr Kollege Colditz, dass es bereits damals von der SPD im Landtag die Forderung gab, sich nunmehr ernsthaft auf den Weg zu Ganztagsschulen zu machen, also dies den Schulen und Schulträgern zu ermöglichen und sie dabei zu unterstützen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um diesem äußeren und inneren Druck auszuweichen und um nicht als Schlusslicht in Deutschland dazustehen, wurden daraufhin zehn Modellschulen auf den Weg gebracht. Das Erstaunliche an diesem Modell war aber, dass es eigentlich gar kein Modell war, sondern dass die Schulen einfach Verschiedenes ausprobieren durften. Der unbefangene, aber über Ganztagsschulen in Deutschland und in Europa halbwegs informierte Beobachter fragte sich dann, was da eigentlich Neues erprobt werden sollte, denn die Praxis der Ganztagsschulen und Ganztagsangebote konnte schon damals vielfältiger kaum sein.
Aus unserer Sicht war das ganze Projekt zwar ein Geschenk für die Schulen, die das machen durften, insgesamt aber war es eher eine Luftblase. Das haben wir übrigens damals deutlich in diesem Haus gesagt.
Es ist ja auch klar, lediglich zwei zusätzliche Stellen pro Schule ließen eine flächendeckende Einführung so ausgestatteter Ganztagsschulen als wenig sinnvoll erscheinen. Immerhin würden dafür circa 1 300 zusätzliche Lehrerstellen gebraucht, wenn wir nur die Schulen in der Sekundarstufe I in Betracht ziehen, die Grundschulen also herausnähmen.
Das würde dann circa 80 Millionen Euro zusätzlich kosten. Uns war völlig klar, dass dies von der CDU damals keinesfalls ernsthaft geplant war.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Inzwischen haben wir natürlich alle dazugelernt. Wir konnten im
Koalitionsvertrag 30 Millionen Euro für Ganztagsangebote vereinbaren, die mittlerweile auch abfließen. Wir haben aber ausdrücklich diese 30 Millionen Euro nicht etwa für rund 500 zusätzliche Lehrerstellen, sondern als Finanzmittel eingestellt – und das aus gutem Grund. Wir wollen nämlich, dass der größere Teil dieser Mittel in die Regionen weiterfließt und so einen doppelten Fördereffekt erzielt. Wir wollen, dass die Schulen Geld in die Hand bekommen, um damit Angebote an die Schulen zu holen. Das tut den Schulen gut, und es tut den Schülern gut. Das wissen wir längst, nicht zuletzt aus den umfangreichen und detaillierten Begleitforschungen zum Bundesprogramm und auch indirekt aus der wissenschaftlichen Begleitung des sächsischen Modellversuches durch die TU Dresden. Wir hätten uns folglich eine viel stringentere Regelung in der neuen Förderrichtlinie gewünscht, zu der das Staatsministerium für Kultus leider nicht den Mut hatte. Warum sage ich das alles? Weil ich damit klarmachen will, dass wir auch heute noch den Modellversuch für grundsätzlich falsch und für eine Sackgasse halten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, trotzdem gibt es natürlich eine Verantwortung des Kultusministeriums für diese zehn Schulen. Jetzt einfach zu sagen, dass die Schulen ja gewusst haben, dass der Modellversuch 2008 ausläuft, ist doch wohl eher zynisch; denn wer sich auf einen solchen Versuch einlässt, der geht ja davon aus, dass er für andere etwas erprobt. Er muss sicher sein dürfen, dass das Ganze auch ernst gemeint ist und er somit gute Chancen hat, bei erfolgreicher Erprobung zu den Ersten zu gehören, die die Früchte ernten, die also dieses erfolgreich erprobte Modell auch umsetzen. Auch wenn die Schulen anfangs vielleicht ganz realistisch gedacht hatten: Wir nehmen für die fünf Jahre, was wir bekommen können, und später sehen wir weiter; so müsste ihnen doch die Wandlung des gesellschaftlichen Klimas Optimismus geben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was kann nun der Landtag gegenwärtig tun? Wie gehen wir mit dem vorliegenden Antrag um? Zunächst noch einmal klar und deutlich: Die Verantwortung für diese zehn – ich möchte fast sagen – in die Irre geführten Schulen hat das Kultusministerium, und wir erwarten, dass diese Verantwortung wahrgenommen wird.
Dazu auch gleich ein praktischer Vorschlag, den der Minister schon kennt: Aus unserer Sicht könnte die Lösung darin bestehen, diesen zehn Schulen übergangsweise für den Ergänzungsbereich bis zu 300 % zuzuweisen und sie, soweit dies noch nicht geschehen ist, so schnell wie möglich in das GTA-Programm nach der Förderrichtlinie GTA aufzunehmen.
Zugleich sollten wir dabei aber prüfen, ob wir nicht generell in allen Schulen mit GTA im Sekundarbereich den Ergänzungsbereich zwischen 150 und 200 % aufstocken, sofern sie wenigstens 60 bis 80 % der GTA-Mittel an externe Partner weitergeben. Dies hätte vielfältige positive Effekte und bedürfte nur einer kleinen Änderung der Förderrichtlinie. Grob überschlagen, hätten wir übrigens auch die Ressourcen dafür in den Stellenplänen, nur dass wir dann eben den Ergänzungsbereich über die 100 % hinaus nach einem klaren Kriterium vergeben müssten. Ich hoffe, dass Sie, Herr Staatsminister, nachher noch dazu Stellung nehmen.
Zum Antrag der Linken müssen wir aber klar Nein sagen, weil dieser unseren Ansatz unterlaufen würde. Wir haben wohl verschiedene Konzepte für die Ganztagsschule im Hinterkopf. Wir wollen eine offene, sich vielfältig in die Region vernetzende Schule, die Mittel zur eigenverantwortlichen, freien Gestaltung des Ganztagsangebotes – und perspektivisch des ganzen Schultages – in den Händen hält. Wir wollen eben nicht, dass das alles die Lehrer allein tun. Wir können auch nicht zehn Schulen einfach mehr Ressourcen geben, die wir anderen vorenthalten. Deshalb soll die höhere Zuweisung des Ergänzungsbereiches den Schulen die Möglichkeit bieten, in das normale GTA-Programm einzusteigen.
Perspektivisch muss dieses Programm dazu sicher noch verändert werden. Eine schülerbezogene Zuweisung der Mittel statt der heutigen schulbezogenen erscheint uns dabei zum Beispiel unerlässlich. Wir als Fraktion wollen, dass dieser Weg beschritten wird, und lehnen deshalb den Antrag der Linken, der gerade in die andere Richtung weist, ab.
Danke sehr für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Ich möchte gern eine Erklärung zum Abstimmungsverhalten
abgeben. Ich habe mich soeben enthalten und begründe das wie folgt:
Der jetzt beschlossene Gesetzentwurf fällt in entscheidenden Punkten hinter das bisher gültige Gesetz zurück.
Erstens. Die im Zuge der friedlichen Revolution erkämpften und mühsam eingeführten demokratischen Mitwirkungsrechte der Hochschulangehörigen sind in diesem Gesetz weitgehend außer Kraft gesetzt.
Zweitens. Die vorgesehenen zentralistisch-hierarchischen Strukturen sind in der Wissenschaft – das lehren alle historischen Erfahrungen, auch in der DDR – kontraproduktiv und führen zum Niedergang der Wissenschaft.
Drittens. Die vom Gesetz geschaffenen Möglichkeiten externer Einflussnahme durch den Hochschulrat bedrohen die Freiheit der Wissenschaft und sind insofern womöglich verfassungswidrig.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Als Mann, der sein Leben lang der Wissenschaft gedient hat, konnte ich diesem Gesetz unmöglich zustimmen.
Danke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine Binsenweisheit vorweg: Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht richtig verstehen und somit auch keine Wege in die Zukunft abstecken. Der mündige Bürger, der an der Gestaltung der Zukunft partizipieren soll und will, bedarf eines ausreichenden Maßes an historischer Bildung. Die Grundlagen dafür sollen selbstverständlich an den allgemeinbildenden Schulen gelegt werden.
Eine zweite Binsenweisheit: Die Geschichtswissenschaft kann sich nicht wie etwa die Naturwissenschaften auf objektiv messbare und immer wieder exakt reproduzierbare Daten und die ewig geltenden Naturgesetze stützen; sie ist vielmehr im Wesentlichen auf schriftlich niedergelegte oder gar mündlich überlieferte Aussagen von Menschen angewiesen. Diese jedoch sind naturgemäß mehr oder weniger stark von subjektiven Faktoren geprägt. Das mögen, etwa bei schriftlichen Quellen, Nachlässigkeiten oder Vereinfachungen oder gar Fälschungen sein. Das können psychologische Effekte sein, wie etwa die Selektivität von Erinnerungen oder die Überbewertung von singulären, nicht typischen Erfahrungen, und das können vor allem persönliche oder politische Interessen sein.
Der Historiker wird deshalb beim Quellenstudium in der Regel kein einheitliches, widerspruchsfreies Bild vorfinden. Es ist dann seine Aufgabe, die Quellen so zu ordnen und zu bewerten, dass eine der Wahrheit möglichst nahekommende Beschreibung historischer Vorgänge entsteht. Dabei stellt sich immer wieder heraus, dass die Widersprüche im Quellenfundus umso größer werden, je geringer der zeitliche Abstand zum Gegenstand historischer Forschung ist, und zwar ganz einfach deswegen,
weil bestimmte subjektive Faktoren ein immer stärkeres Gewicht bekommen, bis hin zu dem Bestreben, die Historiografie zur Legitimationswissenschaft zu degradieren.
Das trifft voll und ganz auch auf die DDR-Forschung zu. Zwar sind inzwischen Hunderte von Artikeln und Büchern über die DDR geschrieben worden; aber man hat zunehmend den Eindruck, dass eine objektive Darstellung der jüngsten deutschen Geschichte noch in weiter Ferne liegt. Die offizielle wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Vergangenheit fokussiert sich auf Diktaturerfahrungen und MfS. Die Bevölkerung indes neigt – möglicherweise auch als Trotzreaktion – zunehmend zu einer nostalgischen Verklärung.
Diese extremen Pole des Umgangs mit dem historischen Subjekt DDR werden dem Leben in der DDR jedoch nicht gerecht. Lothar de Maizière, der erste frei gewählte und zugleich letzte Ministerpräsident der DDR, hat kürzlich darauf hingewiesen und ein objektiveres Herangehen eingefordert.
Nun nehmen wir zur Kenntnis, dass die sächsischen Jugendlichen deutliche Defizite im Geschichtsbild und vor allem in der Kenntnis der jüngeren Vergangenheit haben. Woran liegt das? Es liegt offensichtlich daran, dass wir viele junge Menschen in der Schule aus den oben genannten Gründen nicht erreichen, dass es zum Beispiel oft Widersprüche zwischen offiziellem Lehrstoff und den Berichten der Eltern und damit Loyalitätskonflikte für die Jugendlichen gibt. Wer aber erwartet, dass ein Geschichtsbild lediglich im Unterricht vermittelt werden kann, liegt sowieso falsch. Für jeden Lernprozess ist die Motivation, das Interesse das Wichtigste. Für die Nachhaltigkeit des Gelernten wiederum ist die subjektive Bedeutung für den Einzelnen entscheidend.
Gerade die jüngere Geschichte – und da liegt der Schlüssel – eignet sich wie kaum ein anderes Fach dazu, die Schule zu verlassen und das Umfeld zu erkunden. Was für die Wissenschaft eher ein Hemmnis ist, ist für die Schule eigentlich ein großes Geschenk, nämlich dass die Zeitzeugen noch leben. Nur wenn die Schüler mit denen sprechen, die in der DDR gelebt haben, wenn sie sie über dieses Leben befragen, wird sich Interesse ausdehnen, genauer zu verstehen, was die DDR war, wie ihr real existierender Sozialismus funktionierte und was alles nicht funktionierte. Im Übrigen ist in diesem Zusammenhang auch die neue Ringvorlesung „Wie schmeckte die DDR?“ der Konrad-Adenauer-Stiftung in Dresden zu begrüßen.
Wenn wir aber wirklich ein realistisches Bild der DDR in den Köpfen unserer jungen Menschen praktisch auch als Immunisierung gegen totalitäre Träume und Verführungen haben wollen, dann müssen wir unsere Schulen bis in den Kernprozess des Lernens hinein demokratisch gestalten.
Wir müssen bei den jungen Menschen die positive Erfahrung der Selbstbestimmung – –
Sie rauben mir die Redezeit.
der Selbstbestimmung, der Freiheit in Verantwortung durch praktisches Erleben befestigen. Dann und nur dann haben wir den richtigen Maßstab für eine korrekte und realistische Bewertung der DDR-Geschichte. Und nur dann interessieren sie sich vielleicht auch dafür.
Danke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es zeigt sich wieder einmal, dass Populismus für Politiker eine süße Verlockung ist; denn er verfängt leider bei vielen Menschen, zum einen, weil er durchaus aktuelle Probleme aufgreift, zum anderen, weil er dem Laien akzeptabel erscheinende einfache Lösungen präsentiert.
Populistische Anträge kann man deshalb auch nicht einfach zurückweisen. Das würden die Bürger nicht verstehen. Aber genau darauf baut ja der Populismus auf: sich anzupreisen, sich so darzustellen, als hätte man alle Lösungen parat. Ein Glück nur, dass man die Suppe nicht auslöffeln muss. Ein Glück nur, liebe Abgeordnete der FDP, dass man nie an der Praxis zu messen sein wird.
Nun ernsthaft. Wir müssen selbstverständlich etwas tun, um den künftigen Bedarf an Lehrern zu sichern, aber doch nicht – da geht die Oberflächlichkeit ja schon los –, um vordergründig die Unterrichtsversorgung zu sichern. Es geht doch vielmehr um die Sicherung der besten Bildung unserer jungen Menschen. Das ist ein grundsätzlich anderer Blick. Ja, wir nehmen das Ziel in den Blick, nicht nur einen speziellen Aspekt. Wenn Sie meinen, das sei spitzfindig, nein, wir verstellen uns nämlich nicht den Blick auf andere Möglichkeiten und Wege.
Aber sei der Titel Ihres Antrages, wie er sei – Sie, meine Damen und Herren von der FDP, machen eine Reihe wohlfeiler Vorschläge, die jeder im Antrag nachlesen kann und auf den ersten Blick ganz vernünftig finden wird, aber eben nur auf den ersten Blick. Populismus baut darauf, dass es keinen zweiten Blick gibt – eine clevere Taktik. Aber riskieren wir ruhig einen zweiten oder dritten Blick, analysieren wir einmal Ihr Papier.
Sie wollen also eine Bedarfsanalyse bis Ende des Jahres. Ich kann nur sagen, Sie haben entweder keinen Schimmer, welchen Aufwand, auch Zeitaufwand eine solche Analyse macht, oder Sie meinen es gar nicht ernst. Einen solchen Antrag kann ernst gemeint nur jemand stellen, der weiß, dass eine solche Prognose längst auf dem Weg ist. Natürlich brauchen wir eine solche Analyse. Ich gehe davon aus, dass im Ministerium fleißig daran gearbeitet wird, aber ich weiß natürlich nicht, ob sie bis zum Jahresende wird vorliegen können.
Aber es gibt mit Prognosen noch ein ganz anderes Problem. Eine Prognose ist eine Projektion, – –
Ja, selbstverständlich. Und wie wollen Sie, bitte schön, das Image der Lehrer durch eine Kampagne verbessern? Nachhaltig verbessert man ein Image – auch sein Image – durch eine Veränderung der Fakten oder von Verhaltensweisen, zum Beispiel der Bedingungen, unter denen an Schulen gelernt wird, oder der Art und Weise, wie Lehrer diesen Lernprozess unterstützen. Dann können wir das Geld für eine Kampagne getrost sparen. Dann haben Lehrer von allein ein ganz anderes Image. Sie sind dann zum Beispiel Helfer statt Bewerter, sie sind Experten für Lernen und Entwicklung statt Stundenhalter.
Das ist kein Haushaltsplan für die Ewigkeit, das ist der für die nächsten zwei Haushaltsjahre. Das wissen Sie genauso gut wie ich. Dafür liegen natürlich Abschätzungen vor. Stellen Sie sich doch bitte nicht dümmer, pardon, als Sie sind. Ich schätze Sie sehr.
Eine Prognose ist eine Projektion in die Zukunft. Sie setzt voraus, dass wir wissen, wie Schule in der Zukunft arbeitet. Wird der Unterricht so stattfinden wie heute oder setzt sich der Trend fort, stärker auf den Lernprozess der einzelnen Schüler zu orientieren, dem Lehrer eine neue Rolle zuzuschreiben? Ein Trend, der nicht mehr die Einszu-eins-Zuordnung von Fachlehrer und Unterricht braucht.
Ja, und schließlich wird Ihr Antrag leider skurril. „Fahrplan zur Rückkehr in die Vollzeit“ – das klingt gut, allemal in den Ohren der Lehrer, die noch gar nicht ganz in der Teilzeit angekommen sind. Aber diesen Fahrplan gibt es doch längst. Er wird geschrieben durch die Schülerzahlen im Verhältnis auch zu den Altersabgängen. Welchen anderen Fahrplan kann es jetzt geben, als hier am Beispiel der Grundschullehrer gefahren wird?
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir gehen davon aus, dass sich dieser Trend nicht nur fortsetzt, sondern dass er dramatische Veränderungen in den Schulalltag bringen wird. Mangelfächer wird es so gar nicht mehr geben, dafür mehr Flexibilität der Schulen und der Lehrer. Das müssten doch eigentlich auch Sie wollen, sehr verehrte Abgeordnete der FDP.
Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren von der FDP, Ihr Antrag wird das Problem nicht lösen; wir lehnen ihn ab. Sie werden nun der Koalition vermutlich vorwerfen, dass sie sich nicht um den Lehrernachwuchs kümmert – und das ist absurd.
Wir werden uns auch weiter mit allen Mitteln dafür einsetzen, das Problem an der Wurzel zu packen. Es geht eben nicht um Image oder Werbung; es geht um die Bildung unserer Kinder und damit um unsere Zukunft.
Nun wollen Sie den Lehrerberuf attraktiver machen und dafür leistungsbezogen entlohnen. Verraten Sie uns doch bitte, woran Sie da gedacht haben.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich habe vorhin im Eifer des Gefechts bei der Beantwortung einer Zwischenfrage der von mir verehrten Kollegin Günther-Schmidt ein etwas dämliches Wort verwendet. Ich möchte mich dafür entschuldigen und es gern durch das Wort „uninformierter“ ersetzen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Gestatten Sie mir eine Richtigstellung. Herr Gansel sagte eben einige Sätze über das Verhältnis des damaligen Rektors, also von mir, gegenüber Wolfgang Natonek. Ich möchte dazu sagen: Wolfgang Natonek, ein begnadeter Redner, ein Mann von großem Charisma, älter übrigens als der Durchschnitt der Studenten, die 1947 das Studium wieder aufgenommen haben, älter deswegen, weil er, jüdischer Abstammung, von den Nazis gehindert wurde, ein Studium im Dritten Reich aufzunehmen,
Liberaldemokrat, der immer wieder zum Vorsitzenden des Studentenrates gewählt wurde, wurde deswegen, weil er immer wieder gewählt wurde gegen den Willen der SED, kurzerhand verhaftet und zu mehreren Jahren, ich glaube, zu 15 Jahren Zuchthaus, verurteilt. Er wurde dann irgendwann freigelassen, ging nach Westdeutschland, und jetzt komme ich zur Richtigstellung.
Eine meiner ersten selbst gewählten Aufgaben als Rektor im Zuge der sogenannten Rehabilitierung war es, Wolfgang Natonek zu rehabilitieren von dem doppelten Unrecht, das ihm widerfahren ist: Er hat 1993 im Gewandhaus bei der Eröffnung des Studienjahres die Festrede gehalten und war Gast der Universität, aber auch in meinem privaten Haus.
Danke.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Gerstenberg, Sie haben natürlich recht: Ein verantwortungsvoll handelnder Staat muss für die Hochschulbildung seiner studierwilligen Bürgerinnen und Bürger solche Rahmenbedingungen schaffen, dass für jeden, unabhängig vom Geldbeutel der Eltern, ein Studium möglich ist. Zu diesen Rahmenbedingungen zählt die Studiengebührenfreiheit jedenfalls in Sachsen. Dazu gehört die kürzlich erfolgte Erhöhung der BAföG-Sätze, und natürlich zählen dazu auch die Studentenwerke. Mit der Bereitstellung bezahlbaren Wohnraums und preiswerter und gesunder Essensversorgung tragen die Studentenwerke ganz wesentlich zur Bildungsgerechtigkeit bei. Darüber hinaus geben die Studentenwerke den Studierenden, falls notwendig, Orientierungs- und Entscheidungshilfen in den unterschiedlichsten Lebens- und Studiensituationen, und sie fördern die Familienfreundlichkeit der Hochschulen. Für junge Menschen darf sich nämlich nicht die Frage stellen, studieren oder Kind, sondern es muss in dieser Gesellschaft selbstverständlich sein, dass Studium und Kind oder Kinder einander nicht ausschließen, und dazu brauchen junge Eltern während ihrer Ausbildung und ihres Studiums die ganz besondere Unterstützung durch die Gesellschaft.
Studentenwerke sind also Einrichtungen der sozialen Daseinsfürsorge der Gesellschaft und – das darf nicht vergessen werden – sie tragen mit ihren Leistungen auch zur Attraktivität der sächsischen Hochschullandschaft bei.
Für uns Sozialdemokraten war und ist es daher Ziel, den Studentenwerken eine auskömmliche Finanzierung zu sichern. Natürlich gilt auch für die Studentenwerke der Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit. Das heißt, auch Studentenwerke müssen permanent nach Möglichkeiten der Effizienzsteigerung suchen. Wir vergessen dabei aber bitte eines nicht: Studentenwerke können und dürfen nicht so agieren wie ein Unternehmen auf dem freien Markt. Das heißt, sie können und dürfen nicht einfach gewinnbringende Bereiche forcieren und
herausgreifen und andere vielleicht nicht gewinnbringende Bereiche abstoßen. Studentenwerke sind soziale Einrichtungen.
Auskömmliche Finanzierung heißt für uns, die SPDFraktion, daher, nicht die Zuschüsse, wie ursprünglich von der Landesregierung geplant, mittelfristig auf null zu fahren und damit einen scheinbaren Druck auf die Wirtschaftlichkeit der Studentenwerke auszuüben. Das würde nämlich in Wahrheit bedeuten, sich von den sozialen Aufgaben zu verabschieden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPDFraktion konnte in den Koalitionsverhandlungen durchsetzen, dass die Studentenwerke im Koalitionsvertrag verankert wurden, eben weil es für uns bei den Aufgaben der Studentenwerke um Studienbedingungen und den Zugang zum Studium geht. So ist auch der jetzige Finanzierungsbetrag dank des Sonderprogramms der Koalitionsregierung für Verbesserung der Studienbedingungen zustande gekommen. Trotz dieser Auffangleistung sind die Studentenwerke in Sachsen allerdings immer noch unterfinanziert. Schaut man sich allein die Betriebskosten für Mensen und Bauunterhalt an, so sind die Studentenwerke schlechter gestellt als jede beliebige staatliche Kantine. Diese Frage werden wir also noch ausführlich mit dem Koalitionspartner diskutieren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie werden sicher bemerkt haben, dass ich in meinem Redebeitrag für große Teile des Antrages Sympathie und Verständnis gezeigt habe – kein Wunder, ich bin bis in die Wolle gefärbter Hochschulmensch. Dennoch müssen wir Ihren Antrag, lieber Kollege Gerstenberg, unter Verweis und aus Rücksicht auf die bevorstehenden Haushaltsverhandlungen korrekterweise ablehnen. Wir können uns vor den Verhandlungen nicht festbinden. Dafür bitte ich um Verständnis und danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heutige Aktuelle Debatte und ihre polemische, mit Fehlinformationen gespickte Eröffnung durch den Abg. Gansel sind wieder einmal charakteristisch für die Taktik der NPD.
Sie sucht ein beliebiges – in diesem Fall kulturpolitisches – Thema, zu dem es in der Bevölkerung verschiedene Ansichten gibt, und versucht dann, den völlig normalen gesellschaftlichen Diskurs mit den üblichen abgeschmackten Versatzstücken ihrer braunen Ideologie zu infiltrieren und so ihr eigenes antidemokratisches Süppchen zu kochen.
Was ist dieses Mal der Anlass? In Leipzig gibt es seit geraumer Zeit eine intensive und kontroverse Diskussion, wie nach dem Abriss des ehemaligen Hauptgebäudes der Universität mit dem monumentalen Bronzerelief von Schwabe, Ruddigkeit und Kuhrt umzugehen sei. Es handelt sich bei dem 98 Quadratmeter großen Relief nicht etwa, wie immer wieder behauptet wird, um ein MarxDenkmal, sondern – das sagt auch der Name „Aufbruch“ – um eine allegorische Darstellung marxistischer Geschichtsphilosophie, also um eindeutig ideologisch motivierte Kunst, Agit-Prop-Kunst halt, aber um Kunst.
Sie wurde Anfang der Siebzigerjahre bewusst provokativ am Ort der südöstlichen Fassade der auf Weisung von Walter Ulbricht und seiner örtlichen Satrapen am 30. Mai 1968 gesprengten Universitätskirche Sankt Pauli installiert.
Das erste frei gewählte Rektoratskollegium hatte unmittelbar nach seiner Konstituierung diese Provokation erkannt und sich bereits seit Herbst 1991, also schon zu meiner Zeit als Rektor, mehrfach mit dem weiteren Schicksal des Reliefs beschäftigt und schließlich dem Akademischen Senat vorgeschlagen, es zu gegebener Zeit zu demontieren und an einem geeigneten Ort ebenerdig als Zeitzeugen und Mahnmal wieder aufzustellen.
Präferiert wurde damals der Hügel über den ehemaligen Etzoldschen Sandgruben am südöstlichen Stadtrand, der Ort also, wo 1968 die Trümmer der Paulinerkirche abgekippt worden waren.
Diesem Vorschlag ist der Senat 1992 einstimmig gefolgt. In der Zwischenzeit hatte sich allerdings erwiesen, dass das ursprünglich vorgesehene Gelände zu abgelegen und verwildert ist. Das Relief wäre dort allein wegen seines Materialwertes in kurzer Zeit zerstört und gestohlen worden.
Außerdem gibt es durchaus ernst zu nehmende politischmoralische Einwände dagegen, das Relief symbolisch über die zerstörte Paulinerkirche triumphieren zu lassen. Der Senat hat daher nach intensiven Konsultationen mit
der Stadt beschlossen, das Relief auf dem Uni-Campus Jahnallee aufzustellen.
Die Diskussion wurde jedoch kürzlich neu angefacht durch einen offenen Brief von Erich Loest, in dem er das Relief als Bedrohung und Schande für die Stadt Leipzig bezeichnet und seine Einlagerung fordert.
Nun kann man das Werk schön finden oder nicht,
man kann auch über seine kunsthistorische Bedeutung trefflich streiten; aber der renommierte Kunstkritiker Peter Korfmacher hat richtig gesagt: „Belastbare Geschichte, auch Kunstgeschichte spielt immer im Vorgestern und sie wird geschrieben im Übermorgen.“
Mit anderen Worten: Die Frage der künstlerischen Qualität wird jede Generation neu beantworten. Schon aus diesem Grunde wäre mehr Souveränität beim Umgang mit dem künstlerischen Nachlass der DDR dringend anzuraten, auch Ihnen, lieber Kollege Clemen.
Bilderstürmerei ist heute in jedem Fall ein Atavismus, das heißt ein Rückfall in längst überholte Denk- und Verhaltensmuster,
der eine tiefgründige Auseinandersetzung mit der Geschichte erschwert oder sogar unmöglich macht.
Die alten Ägypter haben bereits nach der Devise „Weg mit dem Götzenbild, ehe uns der Blitz trifft“ die Geschichte einfach getilgt, indem sie alle bildlichen Darstellungen ihrer ungeliebten Vorgänger in den Tempeln und Grabkammern wegmeißelten. In der Französischen Revolution wurden im Namen des Guten und Wahren Schätze von Jahrtausenden zerstört. Die Sprengmeister von Ulbricht gingen mit architektonisch und kunsthistorisch einmaligen Kirchen und Schlössern auch nicht gerade zimperlich um.
Wir als Demokraten sollten uns auf keinen Fall in diese schlechte Tradition stellen.
Da meine Redezeit abgelaufen ist, muss ich nachher noch einmal ganz kurz das Wort ergreifen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Gerstenberg, Sie haben mir voll aus dem Herzen gesprochen. Danke sehr.
Ich möchte noch einige neuere Informationen hinzufügen. Es hat vor wenigen Tagen ein Spitzengespräch zwischen der Ministerin für Wissenschaft und Kunst, Frau Stange, dem Oberbürgermeister Jung und Rektor Häuser gegeben. Dort wurde eine Einigung über den Standort Jahnallee erzielt. Diese Einigung ist vernünftig, denn sie erlaubt eine würdige Auseinandersetzung mit der Geschichte der Universität in der DDR-Zeit, und sie sollte nun endlich von allen Seiten akzeptiert werden. Die Leipziger Bürger jedenfalls haben dieser Lösung in einer Blitzumfrage der „LVZ“ mit 62 % zugestimmt.
Nun noch das gewünschte Wort an die NPD, Herr Gansel: Sie, deren geistige Ziehväter 1933
berühmte Werke der Weltliteratur johlend auf den Scheiterhaufen geworfen haben – hier in Dresden übrigens zwei Wochen früher, als der Termin im restlichen Deutschland war, am 8. März, also morgen vor 75 Jahren –, Ihre Ziehväter, die den Begriff der „entarteten Kunst“ erfunden haben, die Hunderte von Synagogen niedergebrannt haben, Sie, die geistigen Erben jener braunen Vandalen,
haben keinerlei Legitimation, sich bei kulturpolitischen Debatten zu Wort zu melden.
Nein, danke. – Also, halten Sie sich zurück! Ihre Beiträge sind peinlich und unglaubwürdig.
Und noch eines möchte ich Ihnen ins Stammbuch schreiben: Sie, meine Dame, meine Herren von der NPD, werden ganz gewiss nicht die Sieger der friedlichen Revolution von 1989 sein, so wahr ich hier stehe.
Bei allem Respekt, lieber Herr Kollege: Finden Sie diese Pseudogebote nicht etwas blasphemisch?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Tagesordnungspunkt ist wahrhaft kein Aufreger, aber er ist notwendig, denn der vorliegende Gesetzentwurf dient dazu, fristgemäß EU-Recht in unserem Land umzusetzen. Das Gesetz wird einerseits mehr Mobilität durch wechselseitige Anerkennung der Berufsbefähigung ermöglichen und andererseits einen Beitrag zur Schaffung des angestrebten gemeinsamen europäischen Bildungsraumes leisten.
Auch wenn das letztere Anliegen durch das vorliegende Gesetz nur gestreift wird, wissen wir doch aus eigener kleinstaaterischer Erfahrung, wie wichtig eine wechselseitige Anerkennung von Abschlüssen und Befähigungen ist, auch im Lehrerberuf.
Insofern sollte vom Grundansatz her wohl kaum Dissens zum vorliegenden Gesetz bestehen, es sei denn, man frönt, Herr Gansel, nationalistischer Borniertheit und Kleinkariertheit.
Mit dem vorliegenden Gesetz öffnen wir unser Land ausgebildeten Lehrern aus anderen EU-Staaten, ohne dabei unsere bewährten Qualitätsstandards, die vielleicht andernorts nicht in der Weise bestehen, aus den Augen zu verlieren. Letzteres wäre in der Tat geschehen, wenn wir uns nicht zu einem solchen Gesetz hätten entschließen können, denn dann hätte die EU-Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen für die Berufsgruppe der Lehrer unmittelbare Rechtskraft auch in unserem Land gewonnen.
Das vorliegende Gesetz berücksichtigt dabei auch eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes über die zur Berufsausbildung notwendigen Sprachkenntnisse. Hier lag der Maßstab in dem bislang geltenden Gesetz von 1996 sehr hoch. Gefordert wurde nämlich in
§ 2 Abs. 1 Ziffer 3 das Große Deutsche Sprachdiplom des Goethe-Instituts oder ein gleichwertiger Nachweis, falls Deutsch nicht die Muttersprache ist. Dies entspricht der höchsten Stufe C 2 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens, also nahezu muttersprachlicher Sprachbeherrschung.
Nunmehr, nach dem neuen Gesetz, kann das nur noch dann verlangt werden, wenn es zur Ausübung des Berufes auch unbedingt erforderlich ist. Diese Einschränkung ist besonders interessant und wichtig für Lehrer, die in Sachsen als Muttersprachler eine Fremdsprache unterrichten. Jedermann weiß, welch Gewinn es für Schülerinnen und Schüler sein kann, wenn sie Gelegenheit haben, von und mit einem Muttersprachler zu lernen. In diesem Fall ist es sogar gut, wenn der entsprechende Lehrer nicht absolut perfekt in Deutsch ist, weil es dann nahe liegt, die Fremdsprache zumindest in diesem Fach als Verkehrssprache zu nutzen.
Aber auch jenseits des Fremdsprachenunterrichts müssen im konkreten Fall Sprachkenntnisse auf der höchsten Stufe C 2 nicht immer erforderlich sein. Man denke nur daran, dass es zum Beispiel in der gymnasialen Oberstufe längst Usus ist, in einzelnen Fächern bewusst in der Zweitsprache Englisch zu unterrichten, um die Absolventen fit für Europa und die Welt zu machen. Wer könnte das besser als ein Muttersprachler, der zugleich Fachlehrer ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit diesen Beispielen wollte ich nur deutlich machen, dass die nunmehrige Formulierung im Gesetz mit ihrem Bezug auf den tatsächlichen Einsatz vernünftig ist. Sie gibt dem Arbeitgeber, also der Kultusverwaltung in Vertretung des Freistaates, die Möglichkeit, differenziert zu entscheiden und gegebenenfalls auch Nachqualifizierungen zu fordern oder anzubieten.
Zugleich gehen wir damit einen kleinen Schritt weg vom deutschen Berechtigungswesen, welches immer meint, der formale Abschluss sei entscheidend für die Qualifikation. In vielen anderen Staaten geht es vielmehr um die tatsächlich vorhandene Kompetenz, wo und wie auch immer sie erworben wurde. Das entwertet nicht die formalen Abschlüsse, aber es öffnet auch Wege außerhalb der üblichen formalen Bildungsgänge.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten der demokratischen Parteien, ich empfehle Ihnen die
Annahme dieses Gesetzes in der vom Ausschuss beschlossenen Fassung ohne Änderung.
Vielen Dank.
Herr Gansel, Sie haben wieder einmal gezeigt, dass Sie gar nichts begriffen haben. Sie haben vor allem nicht begriffen, dass unsere Kinder nicht mehr im eng begrenzten nationalen Rahmen aufwachsen und leben, sondern dass sie als freie Bürger durch ein freies Europa dorthin gehen können, wohin sie möchten.
Aber das können Sie mit Ihrem Tunnelblick gar nicht begreifen.
In der Tat, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich war zu dieser Anhörung, die von der NPD beantragt wurde und am 30. November vergangenen Jahres stattgefunden hat. Ich war nicht nur physisch anwesend, Herr Gansel, ich habe sogar etwas mitgeschrieben und aufmerksam zugehört. Ich wollte eigentlich nur einmal wissen, wie in Ihren Kreisen diskutiert wird. Ich kann sagen: Alle meine Erwartungen an Dämlichkeit wurden weit übertroffen!
Folgendes muss ich dazu sagen: Der einzige Experte, der gekommen war – da die anderen Fraktionen auf eigene Gutachter verzichtet hatten –, hat nichts weiter von sich gegeben als akademisch verpackten – das kann ich als Professor, wie Sie vorhin sagten, gut erkennen – ideologischen Blödsinn.
Nein. – Das war ein Affront gegenüber der EU und bringt nichts, aber auch
gar nichts an neuen Erkenntnissen. Insofern war ich sehr froh, dort gewesen zu sein.
Nachdem ich das dort erleben musste, empfehle ich dringend, den Änderungsantrag der NPD abzulehnen.
Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Demokraten! Nein, ich neige nicht zu Tränenausbrüchen, schon gar nicht bei Ihren Ausführungen. Mit dem vorliegenden Antrag zur Abschaffung des § 130 des Strafgesetzbuches hat sich die NPD-Fraktion wieder einmal die senfbraune Jacke angezogen, die bestens zu ihr passt und die sie in ihrem wahren Gewand zeigt.
Worum geht es? § 130 Strafgesetzbuch lautet – ich zitiere Abs. 1: – „Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, erstens zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt oder zu Gewalt oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordert oder zweitens die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich
macht oder verleumdet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.“ – So weit der Text des Paragrafen.
Wenn Sie, die NPD, diesen Paragrafen streichen wollen, dann kann das doch nach den Gesetzen der Logik nur bedeuten, dass Sie straflos zu Hass oder zu Gewalt und Willkürmaßnahmen aufstacheln oder aufwiegeln wollen. Sie wollen straflos die Menschenwürde anderer Menschen durch gezielte Agitation angreifen.
Einerseits bin ich ja ganz froh, dass Sie mit diesem Antrag für alle sichtbar Ihre Maske fallen lassen und Ihre verfassungsfeindliche Gesinnung offenbaren, andererseits überkommt mich bei dem heutigen Antrag und insbesondere nach der hasserfüllten Rede des Herrn Apfel Abscheu und Ekel. Angesichts von Millionen Opfern der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft
verschlägt es einem fast die Sprache, wenn die NPD in diesem Hohen Hause die Abschaffung des Straftatbestandes der Volksverhetzung fordert.
Aber, meine Damen und Herren, angesichts dieser schamlosen Provokation dürfen wir einfach nicht sprachlos bleiben. So zynisch wie dieser Antrag ist auch seine Begründung. So heißt es, der Straftatbestand der Volksverhetzung sei grundgesetzwidrig, nicht mit der Meinungsfreiheit vereinbar und behindere die Artikulation gesellschaftlich legitimer Auffassungen. Das ist nun wirklich pervers, Herr Apfel!
Meine sehr verehrten Damen und Herren Demokraten! Die NPD scheut also nicht einmal davor zurück, unsere Verfassung und die Meinungsfreiheit als Kronzeugen zu bemühen, um ihre infamen Thesen von der sogenannten Auschwitzlüge und von dem angeblich falschen historischen Bild des sogenannten Dritten Reiches
gesellschaftlich und juristisch hoffähig zu machen.
Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Beschluss vom 13. April 1994 jedoch sehr deutlich die Verfassungsmäßigkeit des Straftatbestandes der Volksverhetzung bestätigt. Die Mär von der sogenannten Auschwitzlüge und die verklärende Rückschau auf das sogenannte Dritte Reich sind keine legitimen Meinungen, sondern greifen in ihrer Aussage und Zielsetzung den Schutz der Men
schenwürde in Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes fundamental an.
Der Staat ist berechtigt und angesichts der bedrohlichen Virulenz rechtsextremer Ideologien sogar verpflichtet, das Gedenken an unwiderlegbare historische Tatsachen wie den Holocaust und die Schrecken der NS-Gewaltherrschaft gegen solche Behauptungen und gezielten Legendenbildungen zu verteidigen,
die nichts anderes im Sinn haben, als zu versuchen, die Geschehnisse der deutschen Geschichte zu relativieren.
Der in Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes allen anderen Verfassungsnormen vorangestellte Schutz der Menschenwürde ist Ausdruck der konsequenten Absage des Grundgesetzes an die nationalsozialistische Gewaltherrschaft und verkörpert den personalisierten Anspruch der Opfer auf Schutz vor Diskriminierung ihres Schicksals. Wer die Verbrechen des Nationalsozialismus zu leugnen versucht, spricht den Opfern ihre Menschenwürde ab und bewegt sich außerhalb der grundgesetzlichen Garantien gegen eine Wiederholung diktatorischen Unrechts. Genau deswegen wird die Meinungsfreiheit nicht vorbehaltlos, sondern im Lichte der Menschenwürde gewährt, einer Menschenwürde natürlich, der die NPD und ihre Hetzkampagnen keinen Platz einräumen und keinen Respekt zollen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die jüngsten Schulhof-CDs und Schülerzeitungen, die von der NPD verbreitet werden, zeigen deutlich, dass die NPD den Straftatbestand der Volksverhetzung zu Recht fürchten muss. Nicht die Sorge um die Meinungsfreiheit in unserem Land, sondern das Bestreben, eine menschenverachtende Ideologie gegen das Grundgesetz und seine Werte zu stellen, sind der Antrieb der NPD, Volksverhetzungen zu legalisieren.
Dies allerdings wird eine wehrhafte Demokratie wie die unsere niemals dulden – niemals, meine Damen und Herren!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Wie Sie es von mir gewöhnt sind, werde ich mich mit meinem Redebeitrag, nachdem die Thematik bereits ausführlich in fulminantem Hin und Her diskutiert wurde, nur kurz zum Verfahren äußern.
Wer nach den – auch was die Presselage angeht – hektischen Wochen seit dem 4. Juli 2007 nüchtern über den Lauf der Dinge nachdenkt, wird zu dem Schluss kommen, dass sich alle Verdächtigungen, die SPD wolle verzögern und verhindern, in der Realität als gegenstandslos erwiesen haben. Ich halte für meine Fraktion fest: Am 4. Juli 2007 hatten wir angeboten, bei Vorlage eines überarbeiteten, nicht offenkundig verfassungswidrigen Einsetzungsbeschlusses durch die Opposition über einen
solchen Antrag bereits am Freitag, dem 6. Juli 2007, abzustimmen. Darauf sind die Oppositionsfraktionen aus mir nicht erklärlichen Gründen leider nicht eingegangen.
Sie haben uns stattdessen mit einer großzügigen Geste einen vergifteten Apfel überreicht, nämlich die Aufforderung an die Koalitionsfraktionen, selbst neue Formulierungswünsche und konkrete Änderungswünsche zu unterbreiten.
Die Koalitionsfraktionen – es blieb ihnen gar nichts anderes übrig – haben dann das getan, was das Untersuchungsausschussgesetz vorsieht: nämlich eine gutachtliche Stellungnahme des Verfassungs- und Rechtsausschusses erbeten. Diese Stellungnahme liegt seit Mittwoch letzter Woche vor und hat unsere Bedenken bestätigt. Eine Vielzahl der auch von mir am 4. Juli 2007 aufgezählten Gründe für die Zweifel meiner Fraktion finden Sie dort wieder.
Um es unmissverständlich klarzustellen: Meine Fraktion hat sich nicht hämisch auf die Seite derjenigen geschlagen, die noch einmal das Messer in der Wunde der Oppositionsfraktionen umdrehen wollten. Nein, wir haben versucht, konstruktiv zu bleiben und konstruktiv zu agieren.
Das ist Politik, Frau Hermenau! – Mit einiger Verwunderung musste ich aber zur Kenntnis nehmen, dass der Ministerpräsident und seine Regierungssprecherin die Ersten waren, die das Gutachten des Juristischen Dienstes kommentierten – ein Gutachten, dessen Befassung eben nicht der zweiten Gewalt, der Exekutive, sondern aufgrund der ureigenen Zuständigkeit der ersten Gewalt, dem Landtag, zufällt. Weniger ist manchmal wirklich mehr.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mir wäre es lieber gewesen, wir hätten diese zeitliche Schleife, von der heute schon die Rede war, nicht gebraucht, und zwar nicht nur deswegen, weil ich meinen Urlaub unterbrechen und meine geliebte Insel Hiddensee zeitweise verlassen musste; sondern uns wäre es lieber gewesen, wir hätten schon vorletzte Woche über eine mit der Verfassung konforme und nicht, wie mittlerweile bestätigt, offensichtlich verfassungswidrige Vorlage entscheiden können.
Meine Fraktion begrüßt es jedoch, dass sich die demokratischen Oppositionsfraktionen vom Kern des Gutachtens haben beeindrucken und leiten lassen und Änderungen vorgenommen haben. Erstens wurden Formulierungen gefunden, die den begleitenden Charakter des Ausschusses ausschließen. Zweitens wurden bestimmte Formulie
rungen korrigiert mit dem Ziel, die richterliche Unabhängigkeit weiterhin zu garantieren. Drittens sind auch die Formulierungen, die den Untersuchungsgegenstand bestimmen, modifiziert und schärfer gefasst worden. Ausgangspunkt sollen jetzt nicht, wie bisher, die – ich zitiere – „… medial breit reflektierten und skandalisierten Geschehnisse sein …“, sondern wohl die vom Verfassungsschutz gesammelten Erkenntnisse. Das ist etwas anderes. Ob diese Änderungen gänzlich ausreichend sind, den verfassungsrechtlichen Makel des Erstantrags zu beseitigen, vermag ich nicht zu beurteilen. Es bleiben schon gewisse Zweifel.
Dennoch werden wir – das wird Sie nicht wundern, mein Kollege Enrico Bräunig hatte das am Rande des Verfassungs- und Rechtsausschusses bereits geäußert – im Zweifel bei noch offenen Rechtsfragen dem Minderheitenrecht den Vorzug geben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist noch nicht sehr lange her, als die SPD-Fraktion als Oppositionsfraktion Anträge zur Einsetzung von Untersuchungsausschüssen formuliert hat. Diese waren offensichtlich so im Einklang mit der Sächsischen Verfassung, dass niemand auf die Idee gekommen wäre, dazu ein Rechtsgutachten anzufordern. Wir als Sozialdemokraten wissen und wussten schon immer, dass man sorgsam mit dem umgehen muss, was die Sächsische Verfassung möglich macht, aber auch mit dem, was sie vorschreibt. Wir haben die Verfassung ernst genommen und tun das heute unverändert weiter. Wir selbst haben – das will ich sehr deutlich sagen – bei der Ausarbeitung und der Verabschiedung der Sächsischen Verfassung um die Minderheitenrechte gekämpft, weil uns Sozialdemokraten bewusst ist, dass die Frage nach der richtigen Meinung, der Haltung oder der Ansicht, die Frage des richtigen Weges, des richtigen Umgangs untereinander bzw. miteinander keine Frage ist, die automatisch von Mehrheiten oder nur von der Mehrheit bestimmt wird.
Wir Sozialdemokraten unterscheiden uns gerade darin von anderen, dass wir den Einzelnen, möglicherweise eine Summe von Einzelnen und auch deren Minderheitsmeinung ernst nehmen und respektieren – besonders deren Rechte, zumal sie sogar in der Verfassung verankert sind. Wenn wir damals selbst diese Rechte in Anspruch genommen haben, dann haben wir zugleich Verantwortung für die Sächsische Verfassung getragen. Somit haben diese Verantwortung auch die Antragsteller des vorliegenden Antrages. Wer diesen Antrag so formuliert, der trägt auch das Risiko einer Verfassungsverletzung. Er muss dieses Risiko dann aber allein tragen. Gerade deshalb haben wir konkrete Umformulierungen nicht übermittelt. Wir wären im Übrigen zu Oppositionszeiten auch zu stolz dazu gewesen, solche Anregungen aufzunehmen. Dazu waren wir allein in der Lage.
Wir hatten in der letzten Woche keineswegs die Absicht zu suggerieren, dass unsere Änderungsanträge mögli
cherweise die Minderheitenrechte auf eine klare Untersuchung einschränken sollen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPDFraktion wird sich bei der Abstimmung der Stimme enthalten und es somit ermöglichen, dass dieser Untersuchungsausschuss eingesetzt wird.
Wir werden allen von den demokratischen Fraktionen vorgeschlagenen Mitgliedern unsere Zustimmung geben; bei Herrn Gansel werden wir uns verständlicherweise enthalten.
Ich wünsche allen Mitgliedern des Untersuchungsausschusses einen klaren Kopf bei der Untersuchung und unaufgeregtes Handeln und Verhandeln bei der Ausschussarbeit.
Apropos unaufgeregt: Mir als ältestem Abgeordneten dieses Hauses mag man es zugestehen, wenn ich im Zusammenhang mit den in Rede stehenden aktuellen Vorgängen um etwas mehr Gelassenheit bitte, um einen Umgang fern von persönlichen Verletzungen, getragen vom Respekt gegenüber dem anderen. Ich denke, dass diese Gelassenheit in den letzten Wochen manchem gut getan hätte.
Dabei bin ich mir mit meiner Fraktion einig, dass die Art und Weise, in der der Juristische Dienst des Sächsischen Landtages mit seinem Referatsleiter an den Pranger gestellt wurde, weder der Würde der Person noch der des Landtags als Ganzem entsprochen hat.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit – und das ist ganz unabhängig vom Ergebnis des letzten Gutachtens – noch einmal die jahrelange beratende Tätigkeit des Juristischen Dienstes positiv hervorheben.
Die dort für den Landtag tätigen Personen sind nach unserem Eindruck von unabhängigem wissenschaftlichem Sachverstand geleitet, der nur dem Recht verpflichtet ist. Nicht umsonst hat sich der Sächsische Landtag vor nicht allzu langer Zeit entschlossen, eine führende Person aus dieser Abteilung des Parlamentsdienstes mit Zweidrittelmehrheit in den Sächsischen Verfassungsgerichtshof zu entsenden. Ich denke, wir alle denken: mit Recht!
Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich möchte gleich am Anfang feststellen, und zwar aus gutem Grund, entgegen allen Verlautbarungen und Verdächti
gungen der Opposition und insbesondere der PDS: Herr Dr. Hahn, Sie haben davon gesprochen, dass wir verwässern und verhindern wollen.
Entgegen also diesen Verdächtigungen stelle ich fest: Die SPD-Fraktion ist eindeutig für eine zügige und vollständige Aufklärung all der ominösen Vorgänge, die seit Wochen das Land beunruhigen und beschäftigen. Wir halten es in dieser Situation durchaus für angemessen, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen.
Das Thema Untersuchungsausschuss und Aufklärung könnte jedoch, wenn es nach dem Willen der PDS ginge, sehr schnell an den alten Slogan erinnern: Wer nicht für mich ist, ist gegen mich.
Der heute zu behandelnde Sachverhalt wird nämlich unter der Überschrift behandelt: Wer – aus welchen rechtlichen oder sachlichen Gründen auch immer – Bedenken gegen diesen Einsetzungsantrag in der vorliegenden Fassung hat, ist gegen Aufklärung. Ich weise das auf das Entschiedenste zurück, Herr Dr. Hahn.
So einfach ist die Welt nämlich nicht, insbesondere nicht die parlamentarische. Wer wirklich das wirksamste und umfassendste Recht der parlamentarischen Kontrolle anwenden will, und zwar möglicherweise mit Erfolg, der muss schon einige Regeln beachten.
So ist erstens für eine verfassungsmäßige Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ein hinreichend klar bestimmter Einsetzungsbeschluss zwingend erforderlich, und dieser muss so präzise definiert sein, dass für den Inhalt der Untersuchung keinerlei Ermessensspielraum besteht.
Und zweitens – das ist eine Konsequenz aus dem Prinzip der Gewaltenteilung – kann ein Untersuchungsausschuss – Herr Kollege Hähle wies eben darauf hin – nur bereits abgeschlossene Sachverhalte untersuchen. Ein sogenannter ständiger Untersuchungsausschuss ist daher verfassungsrechtlich unzulässig.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sie zum Teil in dieser komplexen juristischen Materie regelrecht zu Hause sind, weil Sie Jura studiert haben, Sie wissen doch ganz genau, dass dies keine Erfindung von mir oder unseren juristischen Mitarbeitern ist, sondern dass dies höchstrichterlich so
im Bayerischen Verfassungsgerichtshof und später im Jahr 2004 sogar durch das Bundesverfassungsgericht entschieden wurde.
Warum betone ich das? Eben weil der Untersuchungsausschuss das schärfste Schwert, ich sage lieber, als Pazifist, das schärfste oder wirksamste Instrument der Opposition ist. Ich würde sogar weiter gehen und sagen, ein Untersuchungsausschuss ist nicht nur das schärfste Schwert der Opposition, sondern das wirksamste Mittel des Parlamentes zur Kontrolle der Exekutive überhaupt. Da gebe ich Ihnen recht, Herr Martens.
Ein solcher Untersuchungsausschuss ist – das sollten Sie eigentlich wissen – unter entsprechender Anwendung der Strafprozessordnung zum Zweck der Untersuchung mit umfangreichen Zwangsmitteln ausgestattet. Neben der Beschlagnahme von Unterlagen und der Möglichkeit, Zeugen unter Eid zu vernehmen, sind sogar strafrechtliche Sanktionen denkbar, und zwar gegenüber denjenigen, die meinen, es vor einem Untersuchungsausschuss mit der Wahrheit nicht so genau nehmen zu müssen.
Wenn aber einem solchen Ausschuss ein verfassungs- oder rechtswidriger Einsetzungsbeschluss zugrunde liegt, so ist nicht nur die Einsetzung unwirksam, sondern auch alle darauf fußenden Entscheidungen des Ausschusses.
Und, Herr Hahn, das habe ich mir auch nicht selbst ausgedacht – das hat der hessische Staatsgerichtshof bereits entschieden.
Das heißt, jeder Beweisbeschluss bliebe ohne Konsequenzen, wenn es nach Ihrem Dickschädel ginge. Jeder halbwegs intelligente Rechtsanwalt würde nämlich in einem solchen Fall einem geladenen Zeugen raten, entweder gar nicht zu erscheinen oder aber nicht auszusagen. Das muss doch zumindest jedem hier im Hause, der eine Anwaltszulassung besitzt, einleuchten.
Meine Frage an die einreichenden Fraktionen PDS – DIE LINKE –, FDP und die GRÜNEN lautet daher: Wollen Sie wirklich einen solchen Flop? Wollen Sie wirklich, dass ein Zeuge wahlweise die Aussage mit den Hinweisen verweigert, dass – erstens – bereits im Titel und allen danach genannten Untersuchungsgegenständen der Einsetzungsbeschluss die unzulässige Wertung vorwegnimmt, dass es kriminelle Netzwerke gibt, obwohl dies gerade durch die Staatsanwaltschaft geprüft wird? Oder er sagt – zweitens –, die Gegenstände der Untersuchungspunkte 1, 7 und 8 beträfen nicht abgeschlossene Vorgänge und stellten damit eine unzulässige verfahrensbegleitende
oder vorbeugende Kontrolle dar. Wahlweise könnte er auch – drittens – vorbringen, Gegenstand Nummer 3 betreffe auch die durch Artikel 97 Grundgesetz geschützte richterliche Unabhängigkeit und ziele darauf ab, die Spruchpraxis von Kollegialgerichten zu untersuchen bzw. zu überprüfen. Schließlich kann er auch – viertens – den gesamten Untersuchungsauftrag nicht hinnehmen, weil er nicht hinreichend bestimmt ist, da er sich bezüglich der Konkretisierung der behaupteten kriminellen Netzwerke lediglich pauschal auf die öffentliche Berichterstattung und sonstige zugängliche Erkenntnisquellen stütze.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie sind die Juristen und Sie haben zu formulieren, aber ordentlich!
Wenn ich als Chemiker so gearbeitet hätte, dann würde ich längst an der Decke kleben, Herr Bartl.
Sie verstehen vieles nicht, unglaublich.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin mir sicher: Diesen Flop kann keiner von uns wollen – jedenfalls keiner, der wirklich aufklären und wissen will; der zum Beispiel wissen will, ob es in Sachsen wirklich kriminelle Netzwerke gab oder gibt und wer dafür verantwortlich ist oder war; wer wissen will, ob es strukturelle Fehler bei der Arbeit des sächsischen Verfassungsschutzes gibt oder gab; vielleicht auch, wer wissen will, ob und warum bei der Diskussion der viel zitierten Leipziger Verhältnisse bestimmte Immobiliensachverhalte ganz außen vor gelassen werden; oder wer wirklich wissen will, ob es Fehler der Staatsregierung oder Mängel beim Umgang mit den Daten des Verfassungsschutzes gab oder gibt.
Meine Damen und Herren! Wer meiner Fraktion vorwerfen will, wir wollten verzögern und vertuschen, liegt nicht nur falsch – er handelt wider besseres Wissen, also unredlich. – Da beziehe ich mich ganz besonders auf Sie, meine Damen und Herren von der Linksfraktion.
Nicht umsonst hat meine Fraktion beim Wahlvorschlag für unsere Ausschussmitglieder schon die notwendigen und fachlich kompetenten Personalentscheidungen bei der Auswahl getroffen.