Hermann Quien

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den ersten beiden Redebeiträgen ist bereits deutlich geworden, die Kulturpolitik ist - da kann man mit Grass sprechen ein weites Feld. Zum einen gilt das in funktionaler Hinsicht aufgrund der vielfältigen Austausch- und Wechselbeziehungen mit praktisch jedem anderen Lebensbereich und Politikfeld. Zum anderen gilt dies in struktureller Hinsicht aufgrund der unterschiedlichen Zuständigkeiten und Träger.
Während in vielen Politikbereichen der gestaltende Aspekt sich mittlerweile in den verwaltenden wandelt oder hinter den verwaltenden Aspekt zurücktreten muß, ist das bei der Kulturpolitik ganz und gar nicht der Fall.
Die Kulturarbeit wird vielmehr - der Herr Minister wies bereits darauf hin - durch eine Vielzahl von Einzelpersonen, Gebietskörperschaften, Vereinen, Gruppen, Initiativen und Kulturbetrieben mit einem hohen Maß an Eigenständigkeit, eigener Zuständigkeit und Kompetenz betrieben und gestaltet.
Die formelle Kulturhoheit liegt zwar bei den Ländern. Faktisch sind es aber die Kommunen - das möchte ich mit Nachdruck betonen -, die den Hauptanteil der Kulturarbeit bestreiten.
Dieser Umstand kommt auch in Zahlen zum Ausdruck. Bund, Länder und Gemeinden geben insgesamt 16 Milliarden DM im Jahr für die Kulturförderung aus und setzen damit Signale, die für die Entwicklung der Kultur insgesamt, aber auch die Kultur in den Ländern von entscheidender Bedeutung ist.
Aufgrund der komplexen Strukturen in der Kulturarbeit muß daher nach wie vor gelten, daß Kulturpolitik immer nur so viel wie eben nötig handelt, andererseits aber dieses Wenige unbedingt als besonders gut durchdacht und umsichtig handelnd erscheinen muß.
Das kulturelle Leben in der Bundesrepublik Deutschland gilt in bezug auf Angebot und Institutionen im Vergleich zu anderen Nationalstaaten als besonders vielfältig. Es muß sich als eine kleine Ironie der Geschichte erweisen, daß sich ausgerechnet einer der Gründe für den kulturellen Reichtum heute als eines unserer Probleme erweist, in finanzieller Hinsicht, aber auch im Hinblick auf unser kulturelles Selbstverständnis.
So liegt wohl ein nicht unwesentlicher Grund für den Reichtum des kulturellen Lebens in der dezentralen Struktur von Kulturpolitik und -förderung, durch die über Jahrhunderte an kleinen und großen Fürstensitzen Theater, Museen und wertvolle Sammlungen entstehen konnten. Die Dezentralisation in der Kultur hat dazu beigetragen, daß sehr viele kulturelle Werte entstanden sind. Die Ironie der Geschichte ist, daß es sich jetzt praktisch gegen uns wendet, weil wir große Schwierig
keiten haben, all diese Dinge zu erhalten und weiterzuführen. Diese Einrichtungen sind es, die bis heute großer Anstrengungen bedürfen. Sie sind aber wichtig, und wir müssen sie mit finanzieren.
Ich möchte noch einige Zahlen nennen. Insgesamt liegt der Anteil der Theater und Museen an den gesamten Kulturausgaben der Länder bei über 58 %. In SachsenAnhalt entfallen 52 % der Landeskulturförderung auf die Theater.
In diesen Zusammenhang fällt ein weiteres gewichtiges Problem. Aufgrund der zunehmenden Knappheit der öffentlichen Haushaltsmittel stehen Landes- und kommunale Kulturpolitik gleichermaßen vor der Herausforderung, neben den Rechtsverpflichtungen die nur noch wenigen verbliebenen Handlungs- und Gestaltungsspielräume zu nutzen und auszubauen. Wenn Landeskulturpolitik aber trotz ausbleibender finanzieller Zuwächse neue Qualitäten bzw. Schwerpunkte setzen will, kommt sie nicht umhin, über die Optimierung bei der Mittelvergabe nachzudenken und deshalb bestehende Strukturen konzeptionell zu hinterfragen. Nichts anderes ist im Grunde Sinn und Zweck einer Landeskulturkonzeption.
Die in den letzten Wochen und Monaten im Ausschuß für Kultur geführten Diskussionen um Kulturkonzeption, Kulturrahmenplanung, Kulturleitlinien können gleichermaßen als symptomatisch wie als wegweisend betrachtet werden, symptomatisch deshalb, weil sich Kulturpolitik insgesamt zur Zeit in einer Phase der Umorientierung befindet, und wegweisend, weil Sachsen-Anhalt mit einer Kulturkonzeption zu einer bundesweit einmaligen Auseinandersetzung um Kulturpolitik und Kulturförderung einlädt.
Wir verstehen den Weg dahin als einen ergebnisoffenen Prozeß, der von der Bereitschaft und der Phantasie aller Beteiligten abhängen wird. Wie verständigen wir uns auf gemeinsame Leitbilder und gemeinsame Ziele? Wir wissen, daß das nicht einfach sein wird; denn es verlangt den Kultureinrichtungen, den Künstlerinnen und Künstlern, den Verbänden und Kulturpolitikern ab, etwas zu tun, nämlich über den eigenen Tellerrand zu schauen und in kulturpolitischen Zusammenhängen zu denken.
In den Diskussionen im Ausschuß ist zu spüren gewesen, daß fast alle den Kopf schon ein ganzes Stückchen über den Tellerrand gehoben haben. Das erfüllt mich mit Zuversicht. Weil das so ist, ist ein solches Unterfangen nur dann erfolgversprechend, wenn sich alle Beteiligten über die Parteigrenzen hinweg treffen und die Zusammenarbeit gewollt ist. Wir müssen uns die gebührende Zeit lassen, wie Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen.
Die SPD-Fraktion trägt die Landeskulturkonzeption mit. Wir bitten um Zustimmung zu der Beschlußempfehlung. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In dem Antrag der CDU-Fraktion heißt es, daß die Landesregierung den Landeschorverband bei seinen Bemühungen, langfristig stabile Rahmenbedingungen für die organisatorische Absicherung der Chorarbeit in Sachsen-An-halt zu schaffen, unterstützen solle. Dies vermag mir - auch nicht nach der ausführlichen Begründung von Professor Spotka - nicht so ganz einzuleuchten. Ich muß es hier wiederholen: Ist es denn nicht ureigene Aufgabe eines großen Verbandes, des größten Verbandes in der sachsen-anhaltischen Region, seine Strukturen dergestalt zu organisieren, daß seine Interessen optimal vertreten werden können?
Es ist von seiten des Landeschorverbandes durchaus nachvollziehbar und aus meiner Sicht auch gerechtfertigt, eine angemessene Außenwahrnehmung einzufordern. Aber - noch einmal frage ich - sollte eine Interessenvereinigung dies nicht aus eigenem Interesse heraus selber tun und leisten können? Herr Professor Spotka hat versucht darzustellen, daß das nicht der Fall ist. Ich kann mich dieser Auffassung nicht ganz anschließen. Ich will einige Fakten, die schon genannt worden sind, heranziehen:
Der Landeschorverband stellt den mitgliederstärksten Verband im Bereich der Laienmusik in Sachsen-Anhalt dar. Ich gehe davon aus, daß sich daraus auch - wir haben vorhin einige Zahlen gehört - ein nicht ganz niedriges Aufkommen an Mitgliedsbeiträgen ableiten läßt. Der Landeschorverband ist außerdem Mitglied im Lan
desmusikrat, der vom Land institutionell gefördert wird und der, wie wir erst kürzlich wieder feststellen durften - der Brief ist mehrfach erwähnt worden -, auch die Interessen des Landeschorverbandes mit großer Eindringlichkeit zu vertreten weiß. Ich mache mir also in dieser Hinsicht weniger Sorgen darum, daß die Interessen der Musik in Zukunft sang- und klanglos an uns vorübergehen müssen.
Jetzt zu meinen eigentlichen Bemerkungen, das einschränkend. Es ist auch nicht so, daß die Laienmusik in unserem Land keine Förderung erfahren würde. Die Projekte des Landeschorverbandes werden in diesem Jahr mit rund 90 000 DM gefördert, wenn man die Lotto-Mittel hinzunimmt, die wir der Landesregierung mit zu verdanken haben. Das - das sage ich ganz deutlich - ist auch gut und richtig so. Das muß sein.
Übrigens - das möchte hier einmal anmerken - beträgt der Anteil der Musikförderung am Kulturhaushalt immerhin 8 %. Zum Vergleich: Der Anteil der Museumsförderung beträgt 6 %, der der Bibliotheksförderung 2 % und der der Förderung der Soziokultur nur magere 1 %, was aber dem Umstand geschuldet ist, daß der Haushalt insgesamt nicht mehr hergibt.
Es ist wohl kein Zufall, daß ich angesichts des uns vorliegenden Antrages dazu komme, über den Kulturhaushalt insgesamt nachzudenken.
Ich möchte das nur noch in zwei Sätzen deutlich machen.
Es ist nur allzu verständlich, daß der Landeschorverband auf eine institutionelle Förderung seitens des Landes drängt, und das, Herr Schomburg, verdient unsere Aufmerksamkeit. Aber es kann nicht im Interesse der Förderung von Kunst und Kultur sein, die Spielräume im Kulturhaushalt noch weiter zu verengen. Schon jetzt stehen nur noch knappe Prozente des Kulturhaushaltes für die freie Projektförderung und damit eben auch für die Förderung der Breitenmusik zur Verfügung. Wir werden nicht umhin kommen, diese Struktur zu überdenken.
Dafür halte ich den Ausschuß für Kultur und Medien für das geeignete Gremium und plädiere daher für eine Überweisung des Antrages in diesen Ausschuß. - Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit.