Inge Kauerauf

Sitzungen

3/41 3/42 3/44 3/46 3/48 3/49 3/51 3/53 3/54 3/55 3/57 3/60 3/63 3/65 3/66 3/67 3/70

Letzte Beiträge

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Auseinandersetzung mit den von der CDU-Fraktion abgeforderten Daten und Fakten war ein willkommener Anlass zur Rückbesinnung, zur Gegenüberstellung von Erreichtem und noch umzusetzenden Zielvorstellungen. In den vergangenen Jahren fanden auf Initiative der SPD und der Landesregierung vielfältige Gesetzesreformen und innovative Gestaltungselemente Eingang in die Schullandschaft Sachsen-Anhalts. Im Mittelpunkt steht und stand dabei die optimale Vorbereitung der Kinder und Jugendlichen auf das Leben.
Die Bildungspolitik muss auf den tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel und die damit verbundenen Ver
änderungen der Lebensumstände, der Werteorientierungen und der Verhaltensweisen der Menschen reagieren. Dies haben wir getan. Dafür ernteten wir in den letzten Jahren mehr und mehr Anerkennung von Bildungspolitikern anderer Bundesländer.
Zu nennen sind an dieser Stelle das längere gemeinsame Lernen in der Förderstufe, die Schaffung der neuen Sekundarschule, die gesetzliche Festlegung, die Gesamtschulen als Regelschulen zu führen, das Modellprojekt „13 kompakt“, Projekte zur Schulsozialarbeit, die Schaffung von Möglichkeiten für eine bessere schulische Integration von ausgesiedelten und ausländischen Kindern und Jugendlichen sowie eine gemeinsame Beschulung von Kindern mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf.
Schließlich dürfen die tiefgreifenden Veränderungen im Grundschulbereich aufgrund ihrer herausragenden Bedeutung nicht unerwähnt bleiben. Gerade unter dem Eindruck der Pisa-Studie ist die eingeführte Grundschule mit festen Öffnungszeiten eine Chance, wirkungsvoll auf die festgestellten Mängel zu reagieren. Das ganzheitliche Konzept von Bildung, Erziehung und Betreuung lässt mehr Lern-, Übungs- und Festigungszeiten zu.
Mit der Einführung der Möglichkeit der flexiblen Schuleingangsphase an Grundschulen haben wir zugleich auf das immer höher werdende Einschulungsalter und die individuellen Lernbedürfnisse der Kinder reagiert. Wir sind also auf einem richtigen Weg.
Ein die Schullandschaft prägender Faktor ist die Entwicklung der Schülerzahlen im Land. Die Gesamtschülerzahl wird sich bis zum Jahr 2010 halbiert haben. Hieraus ergab sich auf der Grundlage schulfachlicher Gesichtspunkte die Notwendigkeit einer mittelfristigen Schulentwicklungsplanung, zu der es für die Schulträger keine sinnvolle Alternative gab, um eine Planungs- und Investitionssicherheit zu schaffen.
Meine Damen und Herren! Reformen, wenn sie ernsthaft in Angriff genommen werden, sind langfristige Prozesse. Sie bedürfen klarer Zielvorstellungen, deren Realisierung das Anliegen aller an der Bildung Beteiligten sein muss. Die dazu erforderlichen Rahmenbedingungen zu schaffen war und ist eine vordringliche Aufgabe.
Sehr geehrte Damen und Herren von der CDU, nun bin ich von Natur aus ein gutgläubiger Mensch und unterstelle Ihnen in Bezug auf die Große Anfrage an dieser Stelle eine Absicht. Beim Durcharbeiten und Analysieren war ich unentwegt auf der Suche, ob in dem umfangreichen Fragenkatalog Schwerpunkte zu finden sind, die im Ansatz erkennen lassen, dass Sie sich als Fraktion bzw. als Partei aktiv in den Prozess der Reform von Bildung einbringen wollen. Das Vorhaben war leider nicht von Erfolg gekrönt.
Dabei sah es am 14. Dezember 2001 während der Debatte über die Pisa-Studie für einen Augenblick so aus, als könnte der Landtag gemeinsam Wege für eine Verbesserung der schulischen Arbeit beschreiten. Sie,
Frau Feußner, sagten in Ihrem Redebeitrag unter anderem - ich zitiere -:
„Mit unseren üblichen bildungspolitischen Kategorien kommen wir an der Stelle nicht weiter. Darum meine ich, dass wir zum Beispiel die Frage nach dem gegliederten und differenzierten Schulwesen vorerst zurückstellen sollten.“
Das Wort „vorerst“ kann man sicherlich unterschiedlich auslegen. Doch die vier Tage später veröffentlichten zwölf Thesen der CDU zu Bildung und Wissenschaft betrafen im schulischen Bereich vorrangig die Rücknahme struktureller Entscheidungen der letzten Jahre. So ist dort unter anderem die Rede von der Abschaffung der verpflichtenden Teilnahme an der Grundschule mit festen Öffnungszeiten, der Abschaffung der Förderstufe, der Wiedereinführung des Hauptschulbildungsganges oder der Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur auf zwölf Jahre.
Was hat das mit einer inhaltlichen Erneuerung der Schule zu tun?
Mit den Ergebnissen der Pisa-Studie hat das schon gar nichts zu tun. Diese liefert nämlich den Beweis, dass ein stark gegliedertes Schulsystem - der Minister wies bereits darauf hin - keine Garantie für bessere Unterrichtsergebnisse ist, ganz im Gegenteil.
Ich brauche auf die vorhin genannten Länder nicht mehr einzugehen.
Ich frage Sie noch einmal, meine Damen und Herren von der CDU, insbesondere Frau Feußner: Wo sind Ihre inhaltlichen Lösungsansätze für eine Verbesserung schulischer Qualität? Auch Ihr heutiger Redebeitrag stellte eine gebetsmühlenartige Wiederholung schon oft genannter Plattitüden dar. Sie haben nicht verstanden, worum es in der Schule geht. Ihr Verständnis von Bildungspolitik war und ist rückwärts gewandt.
Meine Damen und Herren! Die Ergebnisse der bereits erwähnten Pisa-Studie haben uns klar vor Augen geführt, dass der in Deutschland mitunter absurde Formen annehmende Schulformstreit von den wahren Problemen an unseren Schulen ablenkt. Wir benötigen keine immer wiederkehrende Schulstrukturdebatte, sondern besseren Unterricht.
Dieser Maxime folgend fand sich unter dem Dach des Fachausschusses Bildung der SPD eine Gruppe aus Lehrkräften, Schulleitern, Elternvertretern, Politikern und Mitarbeitern von Behörden zusammen, um praxisnah das Problem der Qualität schulischer Arbeit unter die Lupe zu nehmen. Das Ziel war die Erarbeitung von Lösungsansätzen für eine innere Schulreform in SachsenAnhalt.
Über einen mehrjährigen Zeitraum ist ein Positionspapier entstanden, das wir vor zwei Tagen im Rahmen einer Pressekonferenz der an Bildungsfragen interessierten Öffentlichkeit vorstellten. Erste Reaktionen bestä
tigen, dass die angeregten notwendigen Veränderungen in unseren Schulen dazu beitragen können, das PisaTief zu überwinden.
Meine Damen und Herren! Mit unserem Papier geht es uns um die Konzentration auf die pädagogische und die inhaltliche Arbeit der Schulen und die Entwicklung der Qualität schulischer Arbeit. Es geht um die Schaffung eines Schulklimas, das den Lehr- und Lernprozess an den Schulen begünstigt. Es geht des Weiteren um die Ermöglichung einer weitgehenden Selbständigkeit von Schulen einschließlich der Erweiterung ihrer Entscheidungskompetenzen. Schließlich geht es um die stärkere Identifikation der Schüler, Pädagogen und Eltern mit ihrer speziellen Schule und um eine stärkere Rechenschaft gegenüber der Schulöffentlichkeit.
Zur Umsetzung der genannten Ziele bedarf es bei allen Beteiligten eines neuen Selbstverständnisses von Schule. Mit unseren aus dem Positionspapier abgeleiteten zehn Thesen zur Verbesserung der schulischen Arbeit richten wir uns an alle, die an Bildungsfragen interessiert sind.
Unserer Überzeugung nach benötigen wir Schulen, die allen Schülern eine bestmögliche Förderung zukommen lassen, die in stärkerer Eigenverantwortung pädagogische Entscheidungen treffen, die an ihrem Schulprogramm arbeiten, die mittels Schulbudgets finanzielle Mittel zielgerichteter einsetzen und die ihre Belange bei der Personalauswahl stärker mit einbringen.
Grundsätzlich muss eine Verständigung auf die Inhalte von Bildung erfolgen. Schülerinnen und Schüler sollen in der Schule die Fähigkeit zum lebenslangen Lernen erwerben. Das wiederum macht eine zielgerichtete und bedarfsorientierte Fortbildung der Lehrkräfte erforderlich. In dem von uns vorgeschlagenen Fortbildungspass sollen verpflichtende Module nachgewiesen werden, die als Bedarf vorrangig von den Schulen angezeigt und vom Lisa entwickelt werden.
Das sind unserer Meinung nach einige der zu bewältigenden Aufgaben der Zukunft.
Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich bei der CDU, dass sie mir die Möglichkeit gab, in diesem Hohen Hause unsere Gedanken zur Bildungspolitik zu äußern. Sie alle bitte ich, in der Zukunft die innere Schulreform zum Wohle unserer Schülerinnen und Schüler und der ganzen Gesellschaft voranzubringen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Feußner, ist Ihnen klar, dass die GEW-Studie zur Belastung der Schülerinnen und Schüler in Thüringen bis zum Abitur, also nach zwölf Jahren, vor der Erhöhung der Stundenzahl, die von der KMK vorgeschrieben worden ist, durchgeführt wurde? Diese Studie ist vor dieser Zeit erstellt worden. Ist Ihnen das bekannt?
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein ganzes Land befindet sich scheinbar in einem Schockzustand. Die weltweit bisher umfangreichste und differenzierteste Vergleichsuntersuchung zum Leistungsstand von Schülern bescheinigt ausgerechnet den deutschen 15-Jährigen unterdurchschnittliche Ergebnisse.
Nicht unerwartet rief die Veröffentlichung dieser Ergebnisse vehemente Reaktionen hervor. Politiker, Fachwissenschaftler, Gewerkschafter und nicht zuletzt die Medien übertreffen sich seitdem bei der Analyse und Darstellung von Lösungsstrategien. Für die einen sind die Lehrer schuld, für die anderen die Eltern; wieder andere sehen die Politiker in der Pflicht, fordern mehr Geld oder machen das Schulsystem für die Misere verantwortlich.
Bürgerinnen und Bürger aller Altersgruppen melden sich zu Wort und äußern das, was sie schon immer mal zum Thema Bildung sagen wollten, ob es nun etwas mit den Ergebnissen der Pisa-Studie zu tun hat oder nicht.
Von dem französischen Dramatiker Jean Anouilh stammt die in diesem Zusammenhang zu beachtende These: Ehe man kritisiert, sollte man seine Kritik kritisieren.
Was wir jetzt nicht brauchen, sind Pauschalkritik, Patentrezepte und ein hektischer Aktionismus.
Hartmut von Hentig sagte in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 5. Dezember 2001:
„Eine schnelle Maßnahmenpolitik führt nur dazu, dass man wieder Maßnahmen erfinden muss, um Maßnahmen zu stützen.“
Nicht unwesentlich ist dabei sicherlich die Tatsache, dass Deutschland im Gegensatz zu anderen Staaten keine Erfahrungen im Umgang mit groß angelegten Vergleichsuntersuchungen zu Schulleistungen vor TIMSS aufweisen kann. Notwendig ist daher eine detaillierte Analyse der Ergebnisse der Studie, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht in vollständiger Form vorliegen. Auf dieser Grundlage sollten dann gezielte und effektive Maßnahmen eingeleitet werden.
Was kann und sollte nun die heutige Debatte vor dem beschriebenen Hintergrund leisten? An dieser Stelle muss klar gesagt werden, dass die vorliegenden Untersuchungsergebnisse zunächst eine Auswertung der Gesamtstichprobe der Bundesrepublik darstellen. Die Auswertung für die einzelnen Bundesländer schließt sich erst im nächsten Jahr an. Die heutige Debatte kann somit nur global geführt werden.
Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen zunächst sagen, was unsere Fraktion nicht tun wird. Wir werden an dieser Stelle keine Strukturdebatte über Schulformen führen. Einige Bemerkungen dazu erachte ich jedoch als notwendig.
Die Ergebnisse zeigen, dass das gegliederte Schulsystem in Deutschland kein Garant für eine hohe Qualität der Schule ist. Ein Großteil der Länder, die in der Studie vordere Plätze belegen, verfügt über ein integratives Gesamtschulsystem, indem entweder Niveaugruppen innerhalb der Jahrgangsklassen oder flexible Kurssysteme gebildet werden. Dieser Umstand verdient eine besondere Beachtung.
In anderen Ländern erfolgt eine Schulformzuweisung entsprechend den unterschiedlichen Anspruchsniveaus in der Regel erst ab der 7., 8. oder 9. Klasse. Über eine
noch frühere Trennung der Bildungsgänge verfügen nur ganz wenige Länder, unter anderem Deutschland.
Damit bestätigt sich, dass inhalts- und qualitätsreicher Unterricht sicherlich nicht primär eine Frage des Schulsystems ist. Guter Unterricht ist auch nicht zwingend abhängig von der Schülerzahl in einer Klasse, dem Stundenumfang oder den Finanzzuweisungen des Staates. Guter Unterricht ist viel mehr. Er ist vorrangig abhängig von der Zusammenarbeit aller in der Schule Agierenden. Dazu zählen nicht nur die Schüler und Lehrkräfte, sondern auch die Eltern und die Schulaufsicht. Kreativität, Engagement, Flexibilität und Methodenvielfalt sind wesentliche Bausteine einer guten Schule.
Die Aufgabe der Politik besteht darin, die Entfaltung dieser Merkmale zu ermöglichen und zu befördern und so zu einem Schulklima beizutragen, das sowohl leistungsstimulierend als auch leistungsfordernd wirkt.
Wir in Deutschland haben das Problem, dass Bildungspolitik ideologisiert wird. Lassen Sie uns den ideologischen Ballast abwerfen und schauen, wie zum Beispiel die finnischen, australischen, kanadischen oder japanischen Schülerinnen und Schüler zu ihren guten Testergebnissen gekommen sind. Das könnte der Schlüssel zur Lösung des Problems sein. Damit meine ich natürlich nicht, wir sollten alles übernehmen. Wir sollten vielmehr überlegen, was unter Beachtung deutscher Spezifika in die Diskussion über Lösungsansätze einbezogen werden sollte.
Aus der Sicht der SPD-Fraktion stellen sich dabei folgende grundlegende Fragen und Aufgaben:
Erstens. Worin unterscheiden sich die deutschen Prioritäten für schulisches Lernen vom international eher verbreiteten Konzept einer Grundbildung? Die Ergebnisse der Studie belegen, dass deutsche Schüler beim qualitativen Verständnis von Sachverhalten Probleme haben. Die Fähigkeit, innerhalb eines Bereiches flexibel mit unterschiedlichen Situationen umzugehen, ist bei ihnen unterentwickelt. Welche Wege können bei uns zu einer breiteren Grundbildung führen?
Zweitens. Wie sind Forderungen nach einer neuen Lehrund Lernkultur in den Schulen mit der Auslese nach unterschiedlichen Anforderungen vereinbar?
Drittens. Was kann und muss Schule leisten, um allen Schülern die Möglichkeit zu geben, entsprechend ihren besonderen Lern- und Leistungsmöglichkeiten zu lernen?
Viertens. Wie wirken sich Ganztagsschulen in anderen Ländern auf die Lernmöglichkeiten der Kinder und Jugendlichen aus? Welche Wege zum Ausbau von Ganztagsschulen müssen bei uns beschritten werden? Ein nicht unerheblicher Teil der vorn platzierten Länder verfügt über ein Ganztagsschulsystem.
Fünftens. Wie erklärt sich die eklatante Streuung zwischen den Leistungen lernstarker und lernschwacher Schüler in Deutschland? Wie soll zukünftig die Förderung lernschwacher Schüler aussehen? Wie kann im Pflichtschulbereich mehr Chancengleichheit erreicht werden? Welche Wege beschreiten andere Länder?
Sechstens. Was kann in Deutschland getan werden, um den erschreckend starken Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserwerb abzubauen? Chancengleichheit im Bildungssystem muss sich darin
widerspiegeln, dass der Zugang zu höheren Bildungsabschlüssen nicht von der sozialen Herkunft abhängt.
Siebentens. Warum gelingt die sprachliche Förderung und Integration von Schülern aus Migrantenfamilien in anderen Ländern mit vergleichbarem Ausländeranteil besser als in Deutschland? Die Pisa-Studie unterstreicht, dass das Kompetenzniveau ausländischer und ausgesiedelter Jugendlicher, die als tägliche Umgangssprache eine andere als die deutsche Sprache verwenden, im Durchschnitt weit unter dem der Deutsch sprechenden 15-Jährigen liegt.
Achtens. Wie viel Selbständigkeit benötigt eine Schule? Schülerinnen und Schüler schneiden im internationalen Vergleich umso besser ab, je selbständiger ihre Schulen arbeiten können. Die gut platzierten skandinavischen Länder haben ihre zentralistischen Systeme dezentralisiert.
Neuntens. Welchem Grad der Rechenschaftslegung muss eine Schule unterliegen? Zur Steigerung der Qualität von schulischer Leistung gehört in jedem Fall auch die Überprüfung und Bewertung. Auch in diesem Bereich sind uns einige Länder voraus.
Zehntens. Welche Förderalternativen bestehen zum praktizierten System der möglichen Zurückstellung von der Einschulung und der Klassenwiederholung? Noch immer erreichen diese Schüler in der Regel schlechtere Leistungen als ihre späteren Klassenkameraden. Andere OECD-Länder machen davon nur zurückhaltend Gebrauch. Nirgendwo sonst auf der Welt besuchen so viele 15-Jährige erst die 8. oder 9. Klasse wie in Deutschland.
Elftens. Welchen Beitrag sollen und können die Eltern leisten? Wie muss eine künftige Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus aussehen?
Zwölftens. Welche Rolle spielt die Lehreraus-, -fortund -weiterbildung bei der Bewältigung der beschriebenen Aufgaben? Benötigen wir neben einer neuen Qualität des Lernens nicht auch eine neue Qualität des Lehrens?
13. Müssen wir mit der Vermittlung von wesentlichen Lernkompetenzen früher beginnen als bisher? Welche Rolle spielt die vorschulische Erziehung? Es gibt Länder, in denen so gut wie alle Drei- oder Vierjährigen Vorschulen besuchen, Länder, in denen die Schulpflicht bereits mit vier oder fünf Jahren beginnt, und Länder, in denen die Mehrzahl der Kinder ein Jahr vor Beginn der Schulpflicht eingeschult wird.
All diese Fragen werden uns zukünftig noch stärker als bisher beschäftigen. Wir sollten uns davor hüten, für alle Fragen sofort die passenden Antworten parat zu haben. Eine dieser scheinbar passenden Antworten wird in den letzten Tagen sehr oft strapaziert. Das ist die Frage der Kopfnoten. Darauf wurde schon eingegangen.
Das Problem der deutschen Schülerinnen und Schüler, die an dem Test teilgenommen haben, bestand darin, Texte zu verstehen, in größere Zusammenhänge einzuordnen und sachgerecht zu nutzen bzw. alternative Lösungswege für mathematische Sachaufgaben zu erschließen. Es geht um die Lesbarkeit der Welt und das Handelnkönnen.
Zur Lösung dieser Defizite sind aus unserer Sicht die angedeuteten Handlungsansätze gefragt. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Meine Damen und Herren! Die heute zur Abstimmung stehende Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft ist das Ergebnis ausführlicher Beratungen des Ausschusses bzw. der Ausschussmitglieder in den vergangenen 14 Monaten.
An der Aktualität und Bedeutung der im Antrag aufgegriffenen Thematik hat sich bis zum heutigen Tag nichts geändert. Aus diesem Grund wird die SPD-Fraktion der Beschlussempfehlung zustimmen.
Die Diskussion im Ausschuss beschränkte sich jedoch nicht nur auf die Beschreibung und Festlegung möglicher Präventivmaßnahmen des Bildungsbereichs zur Bekämpfung von Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt. Im Rahmen einer Expertenanhörung verschafften wir uns auch einen Überblick über mögliche Ursachen der Entstehung von rechtsextremen und fremdenfeindlichen Einstellungen bei Jugendlichen und Erwachsenen sowie über das Bedingungsgefüge für die Anwendung von Gewalt.
Als determinierende Faktoren wurden von den Wissenschaftlern neben genetisch bedingten Persönlichkeitsmerkmalen vor allem die Kommunikation mit und das Verhältnis zu den Eltern, die Gestaltung der Sozialbeziehungen außerhalb der Familie, die materiellen und sozialen Beziehungen in der Familie und das öffentliche
Meinungsklima im Hinblick auf die rechtliche Stellung von Ausländern sowie die Verwaltungspraxis ihnen gegenüber benannt.
Die entscheidende Frage, die sich aus den dargestellten Faktoren ergab, bestand darin, welchen Beitrag die Bildungseinrichtungen leisten können, um den dargestellten Entstehungsursachen entgegenwirken zu können.
Professor Noack von der Friedrich-Schiller-Universität Jena verwies in seinem Beitrag in der Anhörung unter anderem darauf, dass der wissenschaftliche Erkenntnisstand im Hinblick auf den Einfluss der Schule eher gering ist. Es sei unklar, wie die Schule zur Einstellungsentwicklung beitragen kann. Seiner Meinung nach spielt der einschlägige Fachunterricht dabei eher eine untergeordnete Rolle.
Ausschlaggebend seien vielmehr Erfahrungen von Demokratie und Toleranz im Schulalltag. So wiesen Forschungsergebnisse darauf hin, dass Partizipations- und Mitbestimmungsmöglichkeiten, die Beobachtung demokratischer Entscheidungsprozesse und der Umgang mit Andersartigkeit in der Klasse wichtige Faktoren sein können. Diese Einschätzung schließt nahtlos an die von mir im September 2000 zu dieser Thematik gehaltene Rede an.
Die Schule muss Jugendliche frühzeitig zur Übernahme sozialer Verantwortung und zur Verinnerlichung von Prinzipien sozialer Gerechtigkeit und Demokratie erziehen.
Als praktische Beispiele nannte ich damals - das nenne ich heute noch so - unter anderem die drittelparitätische Zusammensetzung der Gesamtkonferenz, die auch Eingang in unser Wahlprogramm gefunden hat, die Ausarbeitung von Schulverfassungen sowie die Integration von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf und von ausgesiedelten und ausländischen Kindern und Jugendlichen.
Im Hinblick auf zwei Punkte gab es in den letzten Monaten parlamentarische Initiativen. Ich denke dabei an die Verabschiedung des Antidiskriminierungsgesetzes und an unseren Antrag zur Verbesserung der schulischen und sozialen Integration von Migrantenkindern.
Meine Damen und Herren! Natürlich stellte sich nach den fürchterlichen Anschlägen von New York und Washington auch für uns die Frage, ob der Antrag nicht um die Aspekte des Terrorismus und des religiösen Fanatismus erweitert werden müsse.
Vor diesem Hintergrund wurde im Ausschuss auch darüber diskutiert, den Antrag nicht auf den Rechtsextremismus zu beschränken, sondern auch den Linksextremismus aufzunehmen. Der von der CDU-Fraktion heute vorgelegte Änderungsantrag ist nicht neu. Er entspricht vollständig dem bereits mehrfach im Ausschuss diskutierten Änderungsvorschlag.
Nach ausgiebiger Beratung haben wir uns damals gegen eine diesbezügliche punktuelle Erweiterung der Antrags ausgesprochen. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Wir lehnen den Änderungsantrag ab.
Der Terrorismus stellt unserer Meinung nach einerseits ein eigenständiges Thema dar, das mit dem Kontext dieses Antrags nicht entsprechend korreliert und andererseits eine differenzierte Betrachtung erfordert, den die Schule gegenwärtig nicht leisten kann.
Die Aufnahme des Linksextremismus in den Antrag würde zu einem Rechts-links-Schema führen, das nicht der gegenwärtigen Lage entspricht.
- Bitte lassen Sie mich ausreden. - Auf einer Tagung zum Thema Jugend und Demokratie der Martin-LutherUniversität vor einigen Wochen wurde erneut betont, dass insbesondere von rechtsextremer Gewalt ein enormes Gefahrenpotenzial für die Gesellschaft ausgeht. Dies belegen alle Statistiken und Studien.
Die vorliegende Beschlussempfehlung benennt präventive Maßnahmen und Möglichkeiten, die diesen Erscheinungen und Tendenzen entgegenwirken sollen. Die Landesregierung soll den Landtag im Frühjahr 2002 darüber in Kenntnis setzen, welche Maßnahmen eingeleitet wurden, und Zwischenergebnisse vorstellen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der PDS greift in der Tat auch aus der Sicht der SPDFraktion ein Schlüsselthema der neuen Sekundarschule auf, die Frage der Abschlüsse.
Die notwendige Abschlussverordnung befindet sich gegenwärtig als Entwurf im Anhörungsverfahren. Der Minister wies darauf hin, dass er sie nach Beteiligung der Mitwirkungsgremien voraussichtlich Ende des Jahres erlassen wird.
Ist damit der Pflicht Genüge getan und der Antrag überflüssig? - Hierauf muss man mit einem klaren Nein antworten.
Zur Begründung: Es ist notwendig, sich mit den Zielstellungen der neuen Sekundarschule zu beschäftigen. Mit der Aufhebung der Trennung der Bildungsgänge
in einen Hauptschul- und einen Realschulbildungsgang zum Schuljahr 1999/2000 sollten die individuellen Anlagen, Lerninteressen und Besonderheiten der Schülerinnen und Schüler in einzelnen Fächern zukünftig stärker berücksichtigt und gefördert werden.
Anstelle einer stigmatisierenden Zuordnung zu einem Hauptschulbildungsgang erhalten die Schülerinnen und Schüler bzw. die Erziehungsberechtigten die Möglichkeit, in den Fächern Mathematik, Englisch, Deutsch und Physik entsprechend den Neigungen zwischen niveaudifferenzierten A- und B-Kursen zu wählen. Dabei sind beide Kursniveaus so angelegt, dass ein Abschluss der Sekundarschule nach zehn Schuljahren möglich ist.
Dieses Hauptziel der neuen Sekundarschule erachtet die SPD-Fraktion nach wie vor für wichtig und unterstützt die eingeleitete inhaltliche und strukturelle Entwicklung der neuen Sekundarschule. Eine Rückkehr zu getrennten Bildungsgängen stellt aus unserer Sicht keine pädagogisch sinnvolle Alternative dar.
Man muss sicherlich auch erwähnen, dass die Nachfrage nach dem Hauptschulbildungsgang vor dem Zeitpunkt der Einführung der neuen Sekundarschule derart gering war, dass nur noch an wenigen Schulen die zur Bildung von Hauptschulklassen erforderliche Mindestschülerzahl erreicht wurde.
Wie wurden die beschriebenen Ziele in den ersten zwei Jahren umgesetzt? - Hierzu muss kritisch eingeschätzt werden, dass die neue Sekundarschule den in sie gesetzten Erwartungen noch nicht gerecht wird. Leider wird die äußere Fachleistungsdifferenzierung mitunter mit den bisher getrennten Bildungsgängen gleichgesetzt. Übrigens, Frau Helmecke, so etwas gibt es auch in den alten Bundesländern.
Durch die starke Belegung der B-Kurse besteht die ernst zu nehmende Gefahr eines Absinkens der Quote des mittleren qualifizierenden Bildungsabschlusses an den Sekundarschulen. Es ist noch nicht gelungen, zunächst die Lehrer, aber auch die Eltern und die Schüler in dem erforderlichen Maß über die Zielstellungen, Möglichkeiten und Chancen dieses Systems aufzuklären.
Eine nicht unwesentliche Rolle spielt hierbei die bisher fehlende Abschlussverordnung, kommt ihr doch im Hinblick auf die Information und Beratung der Erziehungsberechtigten sowie der Schülerinnen durch die Lehrkräfte im Hinblick auf die Ausgestaltung des besuchten Bildungsgangs sowie die möglichen Abschlüsse und Berechtigungen eine besondere Bedeutung zu. Diesbezüglich kommt die neue Abschlussverordnung sehr spät. Sie kann im Hinblick auf Schulabgänger des gegenwärtig erstmals im System lernenden 9. Schuljahrgangs nur noch bedingt vorbereiten.
Im Jahr 2002 wird erstmals der Abschluss der Berufsbildungsreife vergeben werden. Bei den Lehrkräften, Eltern und Schülern bestehen Unsicherheit und Unkenntnis im Hinblick auf die Wertigkeit und die Verwertbarkeit des neuen Abschlusses.
Nichtsdestotrotz kommt die Verordnung nicht z u spät. Es kann nunmehr nur darum gehen, die zweifellos erkannten Probleme aufzugreifen und Lösungsansätze zu entwickeln. Hierbei wird die Abschlussverordnung hilfreich sein.
Aus der Sicht der SPD-Fraktion müssen vorrangig folgende Aufgaben in die Tat umgesetzt werden:
Erstens. Die Fortbildung von Lehrkräften im Hinblick auf die Zielstellungen, Möglichkeiten und Umsetzungsmodalitäten des neuen Systems der Sekundarschule muss intensiviert werden.
Zweitens. Die Information und Beratung der Erziehungsberechtigten sowie der Schülerinnen zur Ausgestaltung des besuchten Bildungsgangs, den möglichen Abschlüssen und insbesondere den sich daraus ergebenden Berechtigungen zum Besuch weiterführender Bildungsgänge muss verbessert werden.
Drittens. Die Erziehungsberechtigten müssen durch die Schulleitung und die Lehrkräfte intensiv darüber aufgeklärt werden, welche Auswirkungen die Kursbelegung für die spätere Berufswahl der Schülerinnen hat. Gerade diesbezüglich ist dringender Handlungsbedarf gegeben, da die Kurswahl derzeit noch über Erwarten zugunsten des B-Kurses ausfällt, was auch organisatorische Probleme nach sich zieht.
Viertens. Das Kultusministerium sollte die Voraussetzungen für einen Wechsel in den A-Kurs flexibler gestalten.
Fünftens. Einzelne organisatorische Hindernisse im Hinblick auf die Arbeit der Klassenleiter und die Größe der Kurse sollten beseitigt werden. Das Ziel muss darin bestehen, dass auch künftig unter Wahrung einer hohen Bildungsqualität die Anzahl mittlerer qualifizierter Sekundarabschlüsse nicht unzulässig stark sinkt.
Die SPD-Fraktion stimmt daher dem Antrag der PDS in Direktabstimmung zu; allerdings plädiert sie im Hinblick auf Punkt 5 für eine Unterrichtung des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft anstelle des Landtages und erhebt dies zum mündlichen Änderungsantrag, ergänzt durch den Terminvorschlag des Ministers im Hinblick auf zusätzliche Informationen aus einer Schülerbefragung. Den Änderungsantrag der CDU lehnen wir ab. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag der CDU-Fraktion ist unserer Meinung nach ein rechtlich und politisch ungeeigneter Versuch, das Problem der bedarfsgerechten Unterrichtsversorgung in Mangelfächern zu lösen. Wir unterstellen damit nicht, dass Sie sich keine Gedanken über die Auswirkungen Ihrer Forderungen gemacht haben. Ganz im Gegenteil, meine Damen und Herren von der CDU, Sie werden sicherlich genau wissen, dass der Tarifvertrag eine zusätzliche Vergütung über den vertraglich vereinbarten Umfang hinaus nicht zulässt und damit eine zusätzliche Vergütung von Mangelfachlehrern für Mehrarbeit auf freiwilliger Basis nicht machbar ist. Eine solche Lösung hätte nicht nur die Störung des Betriebsfriedens, sondern auch das Unterlaufen des Tarifvertrages zur Folge.
Unsere rechtlichen und politischen Bedenken gegen Ihren Antrag sind somit dargestellt. Deshalb orientiert sich unser Änderungsantrag am gültigen Tarifvertrag und beschreibt einen Lösungsansatz im Hinblick auf die Verständigung der Tarifparteien über eine Veränderung der jährlich neu festzulegenden und schulamtsspezifischen bedarfsgerechten Arbeitszeit für Lehrkräfte in so genannten Mangelfächern. Zusätzliche Arbeitszeiten müssten dann den Arbeitszeitkonten gutgeschrieben werden.
Bei der Lösung dieser gewiss schwierigen Aufgabe bedarf es der Zusammenarbeit und nicht der Konfrontation.
An dieser Stelle muss klargestellt werden, dass Unterrichtsausfall an vielen Schulen vielerlei Gründe hat. 80 % des Unterrichtsausfalls beruhen auf Krankheit der Lehrkräfte. Wenn auch jede nicht erteilte Unterrichtsstunde schmerzt, wird es aus organisatorischen Gründen nicht möglich sein, für jeden Ausfall eine adäquate Vertretung zu finden. Dies ist nicht allein ein sachsenanhaltinisches Problem, sondern ein Problem aller Bundesländer.
Verstehen Sie mich nicht falsch: Gegen Unterrichtsausfall muss das Mögliche getan werden, jedoch wird er nie gänzlich zu beheben sein.
Ich habe deshalb etwas weiter ausgeholt, weil die Antragsteller generell von einer mangelnden Unterrichtsversorgung an den Schulen sprechen und den Eindruck vermitteln wollen, dass durch die von ihnen vorgeschlagenen Regelungen das Problem der bedarfsgerechten Unterrichtsversorgung in Mangelfächern gelöst werden könnte.
Bei der Unterrichtsversorgung in Mangelfächern sind zusätzliche Erschwernisse zu überwinden. Was sind eigentlich Mangelfächer? Wir haben heute diesbezüglich bereits mehrere Definitionen gehört: moderne und alte Fremdsprachen, Kunst, Musik, Religion und Ethik. Eine Änderung des Fächerspektrums - darüber ist man sich im Klaren - ist in den nächsten Jahren zu erwarten. So zählen auch schon die naturwissenschaftlichen Fächer einschließlich Mathematik dazu.
Im Schulverwaltungsblatt des Landes vom Mai dieses Jahres wurden die Stellen für das neue Schuljahr ausgeschrieben. Zusätzlich wurde darauf hingewiesen, dass in den Fächern Englisch, Französisch, Kunsterziehung und Musik auch Bewerberinnen und Bewerber mit einer anderweitigen als der ausgeschriebenen zweiten Lehrbefähigung eingestellt würden.
Jedoch zeigen die Erfahrungen nicht nur dieses Jahres eine Diskrepanz zwischen der ausgeschriebenen Stellenzahl in diesen Fächern und der notwendigen Zahl an Bewerbern. Zwar wurden bisher erfreulicherweise - es wurde bereits gesagt - 224 Lehrkräfte eingestellt. Das Verfahren ist auch noch nicht abgeschlossen, da ein Restteil der ausgeschriebenen Stellen noch nicht besetzt werden konnte, leider aber wieder in den so genannten Mangelfächern. An dieser Stelle liegt das eigentliche Problem.
Der Ausschuss für Bildung und Wissenschaft beschäftigt sich gegenwärtig auf der Grundlage eines Landtagsbeschlusses mit der mittel- und längerfristigen Sicherung eines qualitativ und quantitativ ausreichenden Lehrkräftebedarfs an Schulen. Das wurde bereits erwähnt. Wir hatten dazu ein Expertengespräch und werden die Stellungnahmen laufend im Ausschuss auswerten, um Rückschlüsse und Handlungsempfehlungen für die weitere parlamentarische Arbeit zu gewinnen.
Ich möchte zusammenfassen: Mit unserem Änderungsantrag wollen wir dieses Problem auf der Grundlage des Tarifvertrags und einer Einvernehmensherstellung der Tarifparteien abmildern helfen. Ein klarer diesbezüglicher Auftrag des Parlaments an die Landesregierung wäre dabei sicherlich nützlich. Wir bitten deshalb um eine Direktabstimmung über unseren Änderungsantrag. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum Thema Ehrenamt und Schule ist von meinen Vorrednern eine ganze Reihe von Dingen gesagt worden. Ich möchte mich auf ein Thema beschränken, weil ich denke, dass man es auch aus einer ganz anderen Sicht sehen muss, nämlich speziell aus der Sicht der Schule, aus der Sicht der Schüler, die innerhalb der Schule Ehrenämter bekleiden.
Ich möchte mich auf eine Konferenz des Landesschülerrates beziehen, die im Mai stattgefunden hat und an der auch Abgeordnete teilgenommen haben. Dort wurden die Probleme gerade in diesem Bereich dargestellt. Damit müssen wir uns einmal ganz intensiv beschäftigen.
Der Landesschülerrat tagte in diesem Jahr in Halle. Es ging um die Anerkennung ehrenamtlicher Funktionen und um die Problemfelder bei der Ausübung dieser ehrenamtlichen Funktionen. Man beschäftigte sich
insbesondere mit der Gremienzusammensetzung an den Schulen und mit den entsprechenden Mitwirkungsmöglichkeiten ehrenamtlicher Schülervertreterinnen und Schülervertreter in den Gesamtkonferenzen. In diesem Zusammenhang möchte ich einmal Hindernisse des ehrenamtlichen Engagements an einem Beispiel belegen:
Engagiert berichteten Schülervertreterinnen über ihre Erfahrungen mit praktizierter, aber mehr noch mit nicht praktizierter Demokratie an den Schulen. Sarkastisch äußerte sich die Vorsitzende des Landesschülerrates zu diesem Bereich - ich zitiere -:
„In der Gesamtkonferenz, in der die Lehrer 50 % der Stimmen haben und Eltern und Schülerinnen die andere Hälfte untereinander aufteilen müssen und in der noch hinzukommt, dass der Direktor bei einer Pattsituation immer die richtungweisende Stimme abzugeben hat, meint man den Jugendlichen beibringen zu können, wie ein demokratisches Staatssystem funktioniert.“
Ich zitiere weiter:
„Ist es in einer Gesamtkonferenz, in welcher von vornherein Bevorteilte und Benachteiligte geschaffen werden, wirklich möglich, Schülerinnen und Schüler zu motivieren, sich zu engagieren und an Demokratie teilzuhaben, wenn sie sehen und spüren, dass sie in dieser nur einen untergeordneten Part spielen und im eigentlichen Sinne nur legitimiert sind, damit die Erwachsenen sich wieder für ein ruhiges Gewissen vor Augen führen können, sie hätten die Schülerinnen und Schüler doch zu Wort kommen lassen, sodass sie ernsthafte Veränderungen hätten erwirken können?“
Sie fragte weiter, ob es taktisch klug ist, Demokratie derart in falschen Grundzügen zu lehren. - Das war hart.
Ein anderer Sprecher fügte hinzu, dass man sich die Teilnahme von Eltern- und Schülervertretern an Gesamtkonferenzen wegen der Stimmenverhältnisse ganz sparen könnte, da die Mehrheitsverhältnisse zugunsten der immer bestimmenden Lehrerschaft sowieso gesichert seien.
Meine Damen und Herren! Es könnte schon nachdenklich machen, was von den Teilnehmern der Konferenz in Sachen praktizierter Demokratie an der Schule geäußert wurde. Die von den Schülerinnen und Schülern geforderte Drittelparität - theoretisch per Schulgesetz legitimiert - ist gegenwärtig nur möglich, wenn die Gesamtkonferenz mehrheitlich einen Antrag stellt.
Mitunter konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass gerade vonseiten derjenigen, die die junge Generation in die Grundzüge des demokratischen Miteinanders einführen sollen, wenig bis nichts getan wird, um die so genannte Politikmüdigkeit bei den jungen Menschen nicht erst aufkommen zu lassen.
Leider, so stellte sich bei einem erneuten Gespräch mit Schülervertreterinnen und Schülervertretern heraus, gibt es auch in den Landkreisen unterschiedliche Voraussetzungen für die Arbeit der Kreisschülerräte. Obwohl das Schulgesetz unseres Landes klare Aussagen zur Finanzierung macht, haben die Schüler oft große Probleme, ihre Rechte durchzusetzen. Das trifft oft auch im Zusammenhang mit der Anerkennung ihres Ehrenamtes als Schülersprecher, als Vereinsmitglied oder als Vereinsvorsitzender zu.
In diesem Zusammenhang sollte nach unserem Dafürhalten ernsthaft darüber nachgedacht werden, den Schülerinnen und Schülern verlässliche Grundlagen zum Erleben praktizierter Demokratie an die Hand zu geben. Das sollte vielleicht in geeigneten Definitionen im Schulgesetz geschehen. Die Schulleitungen sollten in geeigneter Form verpflichtet werden, den Schülervertretungen den Umgang mit ihren gesetzlich verbrieften Rechten nahe zu bringen.
Das Kultusministerium hat mit der Herausgabe des Handbuchs für Schülervertretungen einen wichtigen Beitrag zur Information der Schülervertreter geleistet. Wenn aber - wie mir Schülersprecherinnen und Schülersprecher berichteten - an einer Schule nur zwei Exemplare zur Verfügung stehen - eines für den Schulleiter und eines für die Bibliothek -, dann kann das sicher für die Schülerinnen und Schüler nicht zufrieden stellend sein.
Die in dem Antrag formulierten umfangreichen Forderungen der PDS zur schriftlichen Berichterstattung sind jedoch aus unserer Sicht bis zum Ende des Jahres nicht leistbar. Es wurde von Frau Dr. Weiher bereits gesagt, dass wir das so empfinden. Wir möchten auch eine Berichterstattung, aber im Sinne unseres Änderungsantrages. Wir halten den Wert ehrenamtlicher Arbeit für die Gesellschaft und die Entwicklung der Einzelpersönlichkeit für unbestritten und befürworten eine Beschäftigung mit der Problematik in den Ausschüssen für Bildung und Wissenschaft sowie für Gleichstellung, Kinder, Jugend und Sport. Aus diesem Grunde bitten wir um die Zustimmung zu unserem Änderungsantrag. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Nein, wir bitten um Zustimmung zu dem Änderungsantrag und natürlich um die Behandlung des Themas in den Ausschüssen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Hauptsache Musik - Musik braucht Bildung, Bildung braucht Musik“ - so heißt eine Initiative des Deutschen Musikrates, die den Stellenwert der musikalischen Bildung für den Menschen und für die Gesellschaft bewusst machen soll. Die Zielsetzungen der Initiative sind die Sicherstellung und der Ausbau der musikalischen Bildung in der Bundesrepublik Deutschland. Anlass ist ein sich ständig vergrößerndes Defizit in Bezug auf den Zugang von Kindern und Jugendlichen zur musikalischen Bildung. Erreichbar kann dieses Ziel nach Angaben des Deutschen Musikrates durch die Stärkung der vorhandenen Strukturen und den Ausbau zusätzlicher Möglichkeiten von musikalischer Bildung sein.
Wir als Sozialdemokraten befürworten im Sinne der Chancengleichheit eine ungehinderte Teilhabe an den Möglichkeiten musikalischer Bildung für alle Kinder unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern. Da seit dem Jahr 1990 laut einer Statistik der finanzielle Anteil der Eltern für die Ausbildung ihrer Kinder an Musikschulen von 38 % auf 45 % gestiegen ist, ergibt sich die Notwendigkeit, darüber nachzudenken, wie man verhindern kann, dass diese Ausbildung zum Privileg vermögender Eltern und gut situierter Familien wird.
Leider müssen wir demgegenüber an den allgemein bildenden Schulen - der Grundschulbereich ist eingeschlossen - registrieren, dass im Fach Musik eine fachgerechte Unterrichtsversorgung mit Problemen verbunden ist. Ein wesentlicher Grund besteht darin - das wurde hier bereits gesagt -, dass es immer weniger Musiklehrer bzw. Lehrer mit einer entsprechenden Lehrbefähigung gibt. Dabei ist der Beitrag der musikalischen Bildung und deren Wirkung auf die Entwicklung einer positiven Persönlichkeitsstruktur einschließlich der Ausbildung seelisch-emotionaler Kräfte, geistig-intellektueller Fähigkeiten und sozialer Kompetenzen bereits genannt wurden.
Erfreulicherweise gibt es in unserem Land schon eine Reihe von Kooperationsformen zwischen Grund- und Musikschulen. Momentan sind solche Kooperationen aber noch vom Engagement der jeweiligen Schulleitungen, den an der Schule tätigen Musiklehrern, die entsprechende Programme entwickelt haben, und den zu
ständigen wohlwollenden Schulträgern, die der Finanzierung positiv gegenüber stehen, abhängig.
Meine Damen und Herren! Ein Beispiel für eine diesbezügliche gelungene Kooperation bietet die Stadt Hamburg. Sie ermöglicht allen Schülerinnen und Schülern im Rahmen der verlässlichen Halbtagsgrundschule die Teilnahme an gebührenfreiem zusätzlichen Musikunterricht, der Bestandteil des Stundenplanes ist. Hierbei muss allerdings betont werden, dass Hamburg mit dieser Lösung als Bundesland in Deutschland noch eine Leuchtturmfunktion hat.
Verständlich ist aus der Sicht des Landesverbandes der Musikschulen die Absicht, ihre Mitgliedsschulen mehr in die Arbeit der zukünftigen Grundschulen mit festen Öffnungszeiten nach dem Hamburger Vorbild einzubinden. Die Musikschulen befürchten jedoch, dass durch Einführung der Grundschule mit festen Öffnungszeiten ihre Angebote am Vormittag in einem wesentlich geringeren Zeitrahmen wahrgenommen werden können.
Aus unserer Sicht kann es sich bei den Kindern, die zu den angegebenen Zeiten den Musikunterricht besuchen, nur um Kinder der ersten und zweiten Jahrgangsstufe handeln. Die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 3 und 4 können aufgrund der Stundentafel auch schon zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht an den Vormittagsveranstaltungen der Musikschulen teilnehmen.
Wir sehen aber eine vielversprechende Chance darin, bei einer verstärkten Kooperation zwischen Schulen, Eltern und Musikschulen das Problem nicht nur zu entkrampfen, sondern auch neue Wege einer für alle Beteiligten nutzbringenden Zusammenarbeit zu erschließen. Im Rahmen der Abschätzung des notwendigen Finanzvolumens solcher Programme sollten auch Realisierungsmöglichkeiten für den Einsatz von Musiklehrern aus der Musikschule in der Grundschule geprüft werden.
Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion stimmt dem vorliegenden Antrag zu. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Schweizer Schriftsteller Max Frisch persiflierte einst in seinen Romanfiguren das Rollenverhalten in der Gesellschaft. Die Rollenverteilung für die Protagonisten der heutigen Debatte scheint - würde man den Verlautbarungen der CDU Glauben schenken - klar vorgegeben: auf der einen Seite die dem Wohle der Allgemeinheit dienenden Einbringer des Gesetzentwurfs und auf der anderen Seite die Verhinderer dessen, was so innovativ erscheinen soll. - Ach, wenn nur alles im Leben so einfach wäre; ist es aber nicht.
Der heute zur Abstimmung stehende Gesetzentwurf der CDU mit der Wahloption für die Schulen stellt eben keine akzeptable Lösung des Problems dar. Ganz im Gegenteil: Er würde an den Schulen in Ignoranz der Rahmenbedingungen ein heilloses Chaos verursachen.
An dieser Tatsache ändern auch Halbwahrheiten verkündende Briefe an unsere Abgeordneten nichts und auch nicht Ihr Änderungsantrag, der keine neuen Erkenntnisse enthält.
Leider findet vonseiten der CDU wiederum nur eine reduzierte Strukturdebatte statt. Die sowohl in der Ausschussanhörung von Experten als auch im Bericht der Enquetekommission „Schule mit Zukunft“ geforderte Auseinandersetzung mit notwendigen Lerninhalten und Qualifikationen zur Erlangung eines Abiturs bleibt weiterhin auf der Strecke. Sie aber bildet die eigentliche Vorraussetzung für die Festsetzung der Schulzeitdauer bis zum Abitur.
Meine Damen und Herren der CDU, so kann man sicherlich einen Wahlkampf führen. Mit verantwortungsvoller Politik hat das jedoch nichts zu tun.
Nun gibt es eine Reihe politischer Grundsatzdiskussionen. Die währen schon lange. Die Frage der angemessenen Schulzeitdauer bis zum Abitur ist ein Paradebeispiel dafür. Fakt ist aber, dass nach dem Auslaufen der Übergangsregelungen zur Anerkennung unterschiedlicher Abiturzeiten im Jahre 2000 265 Wochenstunden in den Sekundarstufen I und II nachgewiesen werden müssen. Sachsen-Anhalt kam jedoch nur auf 241 Stunden. Unter Berücksichtigung dieser veränderten Rahmenbedingungen entschieden sich Sachsen-Anhalt und auch Mecklenburg-Vorpommern für eine 13-jährige Schulzeit bis zum Abitur.
Natürlich hat sich die SPD-Fraktion immer wieder der Diskussion über inhaltliche Aspekte der Abiturausbildung und Möglichkeiten der Verkürzung von Gesamtausbildungszeiten in Deutschland gestellt.
Unter Berücksichtigung der Empfehlungen der bereits genannten Enquetekommission wird seit dem Schuljahr 1999/2000 an 15 Gymnasien der Modellversuch „13 kompakt“ durchgeführt. In Rheinland-Pfalz wird dieses Abiturmodell mittlerweile sehr erfolgreich flächendeckend praktiziert.
Darüber hinaus fasste unsere Fraktion im September 2000 einen Tendenzbeschluss, in dem die Landesregierung aufgefordert wird, ein Umsetzungskonzept zur flächendeckenden Einführung des Modells „13 kompakt“ nach Abschluss des Modellversuchs zu erarbeiten. Eingeschlossen ist der Auftrag, zu prüfen, wie kürzere Schulbesuchszeiten bis zum Abitur für Einzelne und für Gruppen ermöglicht werden können. Die Wege sollen mit anderen Bundesländern abgestimmt werden.
Meine Damen und Herren! Für uns Sozialdemokraten sind die Durchlässigkeit des Bildungssystems und die Sicherung einer breiten Bildungsbeteiligung keine Wort
hülsen. Wir bekennen uns dazu. Und deshalb kann die Lösung der Frage der angemessenen Schulzeitdauer bis zum Abitur nicht ein Entweder-oder sein. Differenzierte Schulzeitmodelle, die den unterschiedlichen Erfordernissen der Schüler Rechnung tragen
und die genannten Kriterien berücksichtigen, sind besser geeignet. Darüber diskutieren wir gern. Dazu zählen auch zwölfjährige Bildungsgänge bis zum Abitur für besonders leistungsfähige Schülerinnen und Schüler.
Dies entspricht im Übrigen auch dem Kirkel-Beschluss der SPD-Bildungspolitiker aller Bundesländer vom November 2000.
Eine generelle Verkürzung auf zwölf Jahre würde nur dann Sinn machen - so ist auch der Beschluss des Landesparteitages vom November 2000 zu verstehen -, wenn mittelfristig auf der Grundlage einer Prüfung und Überarbeitung der Abiturinhalte eine gemeinsame Festlegung zur Schulzeitdauer bis zum Abitur zwischen den Bundesländern getroffen werden könnte. Dem verschließen wir uns nicht.
Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion stimmt der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft zu. Den Änderungsantrag der CDU lehnen wir ab.
Im Übrigen, Frau Feußner und Herr Bergner, wenn Sie schon in Ihren Briefen an alle SPD-Abgeordneten aus dem oben genannten Parteitagsbeschluss zitieren, dann bitte vollständig. Es wurde in erster Linie eine baldige flächendeckende Einführung des Modellversuchs „13 kompakt“ gefordert. Über den Unterschied zwischen einem noch in Gliederungen zu diskutierenden Entwurf und einem fertigen Leitantrag zu einem Bundesparteitag müssen wir hier sicher nicht sprechen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als ein wichtiger Gradmesser der Demokratiefähigkeit einer Gesellschaft muss ihr Umgang mit Ausländern, Minderheiten und sozial Schwachen betrachtet werden. Der Landtag von Sachsen-Anhalt hat im September 2000 mit dem Beschluss für Toleranz und Zivilcourage, gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit ein klares politisches Signal ausgesandt. Der Bundestag tat dies in der vergangenen Woche.
In der Landtagssitzung im September und in anschließenden Beratungen im Ausschuss für Bildung und Wissenschaft haben die Bildungspolitiker über den Beitrag der Bildung im Kampf gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt diskutiert und tun es immer noch.
Der Ihnen vorliegende Antrag unserer Fraktion beschreibt einen diesbezüglich wesentlichen Schritt vom Abstrakten zum Konkreten. Für eine offene und demokratische Gesellschaft sind gleiche Chancen für alle beim Zugang zu und beim Besuch von Bildungseinrichtungen eine konstitutive Voraussetzung. Dies gilt auch und insbesondere für Kinder und Jugendliche deutscher Spätaussiedler sowie für ausländische Kinder und Jugendliche.
Meine Damen und Herren! In den letzten Jahren haben erfreulicherweise viele ausländische und ausgesiedelte Familien ihren Wohnsitz in Sachsen-Anhalt genommen. Damit erreichen wir zwar zahlenmäßig bei weitem nicht das Niveau der alten Bundesländer, jedoch ist auch mit den zum 31. Dezember 2000 im Ausländerzentralregister geführten 50 000 ausländischen Staatsangehörigen sowie registrierten 26 400 deutschen Spätaussiedlern in Sachsen-Anhalt die Aufgabe der Integration verbunden.
Während die alten Bundesländer in den vergangenen Jahrzehnten Zeit hatten, sich mit den wachsenden Problemsituationen auseinander zu setzen und Lösungsstrategien zu entwickeln, stand und steht SachsenAnhalt als noch junges Bundesland in der Verantwortung, praktikable und effiziente Wege zu beschreiten, die den in dieses Bundesland gekommenen Aussiedlern und Ausländern eine schulische, berufliche sowie soziale Integration gestatten. Damit verbunden ist natürlich die Beschulung ihrer Kinder und Jugendlichen.
Von den 50 000 registrierten Ausländern befinden sich 9 311 im Alter von 0 bis 17 Jahren. Das sind fast 19 %. Dabei sind ausgesiedelte Kinder und Jugendliche noch nicht einberechnet. Die ausländische Bevölkerung zeichnet sich aufgrund einer höheren Geburtenrate gegenüber der deutschen durch stärker besetzte Jahrgänge in den jüngeren Altersklassen aus. Ein Recht auf Unterricht haben Kinder aller Zuwanderungsgruppen. Die Schulpflicht gilt dagegen nur für Kinder von Aussiedlern, Migranten und Asylberechtigten.
Die gegenwärtige und zukünftige Entwicklung der Bevölkerung und des Bildungsverhaltens von Ausländern und Deutschen wird dazu führen, dass die Zahl und auch der Anteil ausländischer und ausgesiedelter Schüler weiter zunehmen wird. Dies gilt auch für die neuen Bundesländer einschließlich Sachsen-Anhalts.
Laut Quellen des Statistischen Bundesamtes und des DIW erreichte die Bildungsbeteiligung ausländischer Jugendlicher im Alter von 15 bis 20 Jahren nur 64,9 % und lag damit deutlich unter der deutscher Gleichaltriger, die bei 93 % lag. Unter Bildungsbeteiligung versteht man die Teilnahme an den für diese Altersgruppen vorliegenden Bildungsangeboten an allgemein bildenden und berufsbildenden Schulen sowie an Hochschulen.
Interessant ist auch ein Blick auf die Bildungsbeteiligung der 20- bis 25-Jährigen. Für diese Altersgruppe lag sie bei den ausländischen Jugendlichen im Jahre 1998 nur bei 14,4 %, bei den deutschen immerhin bei 38,2 %. Für die 25- bis 30-jährigen Ausländer ergab sich im Jahre 1998 nur noch eine Bildungsbeteiligung von 3,7 % gegenüber 16,4 % bei Deutschen.
Diese Zahlen müssen uns alarmieren. So muss das vorrangige Ziel darin bestehen, den Anteil ausländischer und ausgesiedelter Schüler, die allgemein bildende oder berufsbildenden Schulen ohne Abschluss verlassen, zu verringern und die Übergangsraten an weiterführende Bildungs- und Ausbildungsgänge zu steigern.
Die Schuljahresendstatistik des Jahres 2000 des Statistischen Landesamtes Sachsen-Anhalt belegt, dass mehr als 30 % der ausländischen Schülerinnen und Schüler eines Jahrgangs die Schule ohne Abschluss, das heißt nur mit einem Abgangszeugnis verlassen haben. Für die ausgesiedelten Schülerinnen und Schüler lässt sich keine aussagekräftige Statistik erstellen, da sie dem Status nach als Deutsche geführt werden. Damit lässt sich diese Entwicklung zwar nicht statistisch erfassen, existiert jedoch als Problem weiter. Im Vergleich dazu verließen ca. 6 bis 7 % der deutschen Schüler die Schule ohne Abschluss.
Meine Damen und Herren! Ausgesiedelte und ausländische Jugendliche müssen einen Schulabschluss erwerben, der ihnen den Weg in das Berufsleben eröffnet. Voraussetzung dafür ist die Schaffung der notwendigen Rahmbedingungen für eine erfolgreiche schulische und soziale Integration. Das Hauptproblem der Integration besteht jedoch darin, dass ein Großteil der ausgesiedelten und ausländischen Kinder und Jugendlichen über keine oder sehr mangelhafte Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. Hier gilt es vorrangig anzusetzen; denn der Grad der Sprachbeherrschung prägt nicht nur entscheidend den schulischen, sondern auch den sozialen Integrationsprozess.
Meine Damen und Herren! Die derzeit gültigen Regelungen in Sachsen-Anhalt sehen grundsätzlich unter Berücksichtigung des Alters und des Bildungsstandes eine sofortige Eingliederung in den regulären Unterricht an allgemein bildenden Schulen vor. Dies bedeutet in der Praxis, dass auf der Grundlage des zuletzt ausgestellten Schuljahreszeugnisses und der deutschen Sprachfertigkeiten die Klassen- und Schuljahreseinstufung erfolgt.
Sehr oft werden Kinder und Jugendliche aufgrund fehlender Deutschkenntnisse mindestens um ein Jahr zurückgestuft. In Abhängigkeit von der Schülerzahl an einer Schule haben sie die Möglichkeit, an einem Förderunterricht im Fach Deutsch teilzunehmen. Gegenwärtig werden für jeweils fünf zu fördernde Schülerinnen und Schüler zwei zusätzliche Lehrerwochenstunden zur Verfügung gestellt.
Gerade für Schülerinnen und Schüler, die zwischen dem 13. und 16. Lebensjahr in den Regelunterricht eingegliedert werden, entstehen große Probleme infolge der Sprachdefizite. Das Förderstundenangebot ist für diese Schülergruppe in der Regel nicht ausreichend, um bis zum angestrebten Schulabschluss die notwendigen Kenntnisse im Fach Deutsch zu erwerben. Ein beträchtlicher Teil der Schülerinnen und Schüler verlässt die Schule ohne Abschluss und geht in ein Berufsvorbereitungsjahr oder Berufsgrundbildungsjahr. Das kann jedoch nicht unser Ziel sein.
Bildungspolitiker unserer Fraktion hatten im Juli 2000 die Möglichkeit, an einer Sekundarschule mit einem nicht unerheblichen Anteil ausgesiedelter bzw. ausländischer Kinder und Jugendlicher zu hospitieren. Dabei wurden sie auf die mit dem sofortigen schulischen Integrationsprozess einhergehenden Probleme aufmerksam. Dieser Eindruck verstärkte sich während einer im Anschluss stattgefundenen Verständigung mit Lehrkräften und dem
Schulleiter. Es entstand die Erkenntnis im Hinblick auf einen dringenden politischen Handlungsbedarf.
Weitere Erkenntnisse lieferte eine Studie der Otto-vonGuericke-Universität Magdeburg. Im Rahmen mehrerer aufeinander folgender Modellprojekte beschäftigten sich Wissenschaftler der Institute für fremdsprachige Philologien und Erziehungswissenschaften in den Jahren 1995 bis 1999 mit der schulischen und sozialen Integration ausgesiedelter und ausländischer Kinder und Jugendlicher sowie deren Perspektiven.
Im Rahmen des Projektes erfolgte eine Zustandsanalyse der Integrationspraxis an ausgewählten Schulen in Sachsen-Anhalt. Die dabei benannten Problemfelder deckten sich auch mit unseren Hospitationsergebnissen. Dazu zählen:
Erstens. Fehlende oder mangelnde Deutschkenntnisse.
Zweitens. Aufgrund der fehlenden oder mangelnden Deutschkenntnisse fällt es den ausgesiedelten oder ausländischen Schülerinnen und Schülern sehr schwer, dem Unterrichtsgeschehen in sprachbetonten und fachtextreichen Fächern zu folgen. Sie geraten in eine fachbezogene Isolation, deren Folge nicht selten Demotivation, Desinteresse oder sogar Depressionen sind.
Drittens. Eine weitere Folge ist die soziale Isolation innerhalb der deutschen Regelklassen. Dies äußert sich in der Sitzordnung im Unterricht, in Gruppenbildungen außerhalb des Unterrichts, im Spott der Mitschüler oder sogar in Diskriminierungen.
Viertens. An die Lehrkräfte werden neue didaktische und methodische Anforderungen gestellt. Sie fühlen sich teilweise in dieser Situation überfordert.
Fünftens. Es besteht eine hohe Fluktuation. Viele Schüler verziehen oder kommen als Seiteneinsteiger mitten im Schuljahr.
Sechstens. Die Familienmitglieder verfügen auch nur über mangelhafte Deutschkenntnisse. In der Regel erfolgt die Kommunikation außerhalb der Schule in der Muttersprache.
Siebtens. Die Spezifika des Lebensumfeldes.
Eingedenk der aufgezählten Problemfelder stellt sich die Frage nach Lösungsstrategien zur Problembewältigung. Hilfreich sind dabei die im Abschlussbericht genannten Empfehlungen. Wir haben uns damit auseinander gesetzt und in unserem Antrag daraus Handlungsstrategien für die politische Ebene abgeleitet. Ich möchte im Folgenden nur auf die aus unserer Sicht wichtigsten eingehen.
Erstens. Es sollte eine Verbesserung des Angebots von Fördermaßnahmen zum Erlernen der deutschen Sprache erreicht werden. Grundlage dafür sollte ein im Staatlichen Schulamt angesiedelter verbindlicher Sprachstandstest für alle neu einzugliedernden ausländischen und ausgesiedelten Kinder und Jugendlichen sein.
Entsprechen die Leistungen den schulischen Anforderungen, kann eine Aufnahme in den dem Alter und den Leistungen entsprechenden Schuljahrgang der jeweiligen Schulform erfolgen. Entsprechen sie nicht den schulischen Anforderungen, sollte bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen die Möglichkeit der Einrichtung von Deutschvorbereitungsklassen oder -fördergruppen an einer Schule oder am Schulstandort bestehen.
In den alten Bundesländern können für ausgesiedelte und ausländische Schüler, die wegen erheblicher sprach
licher Schwierigkeiten dem Unterricht nicht folgen können, entsprechend den Gegebenheiten und Möglichkeiten besondere Unterrichtseinrichtungen wie schulformbezogene Vorbereitungsklassen eingerichtet werden.
Kriterien für die Einrichtung einer Vorbereitungsklasse an einer einzelnen Schule oder an einem Schulstandort können die Festlegung einer Mindestschülerzahl bzw. ein Beschluss der Gesamtkonferenz sein. Gemäß einem KMK-Beschluss sind diese Klassen Bestandteile der deutschen Schule.
Im Rahmen des Modellprojekts konnten bei der Einrichtung solcher niveaudifferenzierter Vorbereitungsklassen sehr gute Erfolge erzielt und beobachtet werden.
Die Notwendigkeit von Förderunterricht im Fach Deutsch besteht ebenso an den berufsbildenden Schulen. Als Zielgruppe gelten hier vorrangig jene ausgesiedelten und ausländischen Jugendlichen, die bereits mit einem anerkannten Schulabschluss nach Deutschland kommen, jedoch der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig sind, bzw. für die Jugendlichen, die nur eine kurze Zeit an einer deutschen Schule verbracht haben.
Zweitens. Als Voraussetzung für die Erteilung des Deutschunterrichts bei ausgesiedelten und ausländischen Schülerinnen und Schülern sollte eine Qualifikation für Deutsch als Fremdsprache gelten. Dazu gilt es, diesen Schwerpunkt stärker als bisher in der Lehreraus-, -fort- und -weiterbildung zu verankern.
Drittens. Wir fordern die Landesregierung auf, ergänzende Gestaltungsmöglichkeiten zur Fremdsprachenvermittlung sowohl in der Sekundarstufe I als auch an berufsbildenden Schulen zu schaffen.
Ausgesiedelte und ausländische Kinder und Jugendliche, die erst ab der Klassenstufe 6 in eine allgemein bildende Schule eintreten und bisher keinen Englischunterricht hatten, haben in der Regel keine Möglichkeit mehr, diese Fremdsprache zu erlernen. Ihre Muttersprache wird ihnen als erste Fremdsprache anerkannt. Sie verlassen nicht selten die Schule nur mit dieser Fremdsprache. Auch dadurch werden ihre beruflichen Perspektiven erheblich eingeschränkt.
Viertens. Von ebenso großer Bedeutung ist sowohl eine umfangreiche Aufklärung der Schüler und der Erziehungsberechtigten über das deutsche Bildungssystem durch eine qualifizierte schullaufbahnspezifische Beratung in den zuständigen Schulbehörden, Berufsberatungszentren und an der einzelnen Schule als auch eine Qualifizierung der Öffentlichkeitsarbeit bezüglich der Integrationsproblematik im gesamten Bildungs- und Ausbildungssystem.
Meine Damen und Herren! Wir fordern mit dem vorliegenden Antrag die Landesregierung auf, erstmals bis Ende Mai 2001 über die Umsetzungsmodalitäten und Folgekosten der im Antrag genannten Handlungsstrategien im Ausschuss für Bildung und Wissenschaft zu berichten.
Ein erstes Teilziel besteht darin, die involvierten Ministerien, Behörden und die in der Schule Tätigen, aber auch die Öffentlichkeit in Sachsen-Anhalt für die Integrationsproblematik ausgesiedelter und ausländischer Kinder und Jugendlicher an allgemein bildenden und berufsbildenden Schulen zu sensibilisieren, um dann die notwendigen Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen Integrationsprozess schaffen zu können. Dazu zählt auch die Überarbeitung der derzeit gültigen Erlasslage.
Ich bitte Sie, das Anliegen der SPD-Fraktion zu unterstützen und dem Antrag direkt zuzustimmen. Eine sinnvolle Diskussion kann dann bei der ersten Berichterstattung im Ausschuss erfolgen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Abgeordnete, können Sie mir bitte sagen, was dieses Mannheimer Institut entschieden hat?
Sehr geehrter Herr Präsident! Wir als Bildungsleute haben immer das Glück, dass solche Themen am Ende einer Landtagssitzung abends oder am späten Nachmittag besprochen werden
und keiner mehr richtig zuhört. Darum will ich nur ganz wenige Bemerkungen machen.
Unser Änderungsantrag zielt darauf hin, dass eine Anhörung aus den Gründen nicht notwendig ist, die Frau Stolfa bereits nannte. Wir möchten gern, dass in der parlamentarischen Beratung die Notwendigkeit der Anhörung herausgestellt oder abgelehnt wird.
Ansonsten gebe ich meine Rede zu Protokoll.