Katrin Budde

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Gürth, zunächst herzlichen Dank dafür, dass Sie das Niveau in der Europadebatte wieder auf eine sachliche Ebene geholt haben. Bei den Beiträgen vorher, die aus Ihrer Fraktion und aus einigen anderen Fraktionen kamen, hatte ich eher das Gefühl, wir begeben uns auf das Niveau der Plakate, die von der CDU vorgeschlagen worden sind.
Eben weil Sie diese Debatte so sachlich geführt haben und weil ich weiß, was Sie eigentlich mit dem Antrag wollen, hätte ich mir gewünscht, dass Sie es genau so hineingeschrieben hätten.
- Wollen wir uns jetzt über das Thema unterhalten oder wollen Sie sich über irgendetwas aufregen? Dann kann ich gern so lange warten.
Die EU-Verträge, die die Grundlage für die Prüfverfahren sind, sind schon vor einiger Zeit gemacht worden. Darin sind auch die Spielräume festgelegt worden. Das sollte bei der ganzen Diskussion, Herr Gürth, vielleicht immer wieder Berücksichtigung finden.
Wir haben einen Änderungsantrag erarbeitet, weil wir ihn für durchaus korrekt halten, und zwar für korrekter als den Antrag, den Sie gestellt haben, mit dem Sie vielleicht das Gleiche wollen.
Der Bericht im Ausschuss umfasst natürlich auch die Einflussnahmen und die Einflussmöglichkeiten, die die Landesregierung in diesem Prozess hat. Das wissen Sie so gut wie ich. Ich bin allerdings dagegen, so etwas in populistischer Weise in einen Antrag aufzunehmen, zumal noch wesentlich mehr in einen solchen Bericht aufgenommen werden kann.
Es ist in der Tat auch so, dass wir entsprechend Ihren Vorstellungen über den Zeitraum reden wollen, der mit der Einleitung der Prüfungen begonnen hat; denn ich glaube kaum, dass Sie großes Interesse daran haben, über die Zeit davor zu reden.
Ich brauche nicht zu wiederholen, was Herr Dr. Süß gesagt hat. Den Passus kann ich aus meiner Rede streichen. Die Fehler, die gemacht worden sind, lagen in den Anfangsjahren der deutschen Wiedervereinigung. Die Dinge sind vielleicht mit guter Absicht, aber trotzdem falsch gemacht worden. Vielleicht sind sie auch mit anderen Absichten geschehen und bewusst falsch gemacht worden. Darüber streite ich mich mit Ihnen heute nicht.
Die Fehler, die wir im deutschen Einigungsprozess gemacht haben, können wir jetzt nicht auf die EU schieben; denn die Zweit- und Drittprivatisierungen, die notwendig geworden sind und die diese Prüfverfahren zum jetzigen Zeitpunkt nach sich ziehen, in einer Zeit, in der wir den Anfangsbonus verspielt haben - in den Anfangsjahren war die Europäische Kommission viel offener, was die Privatisierungen angeht -, sind die Ursache dafür und nicht die Europäische Kommission. Diese eignet sich an dieser Stelle nicht als Prügelknabe.
Ich gebe Ihnen in Folgendem Recht: Wenn es im Verfahren Verlängerungen gibt, die die jetzt mögliche Form der Privatisierung infrage stellen, die in Verfahrenswegen, in Arbeitswegen begründet sind und die in der Europäischen Kommission beeinflussbar sind, dann muss die Bundesrepublik Deutschland, das heißt zunächst der Bund und in dem Zusammenhang natürlich auch das Land, in der Mitarbeit darauf hinwirken, dass das konzentriert gemacht wird.
Wir wissen aber, dass dies getan wird. Wir waren mit dem Ausschuss dort. Wir waren bei der Europäischen Kommission; wir haben mit den Leuten direkt diskutiert. Uns ist ziemlich deutlich klar gemacht worden, welches kleine Rädchen ein Landesparlament - -
- Ich weiß, Herr Dr. Sobetzko, Sie haben in der Europäischen Kommission besondere Gönner und nur dadurch ist die Privatisierung möglich geworden. Ich finde es in Ordnung, dass Sie sich so
für einen Betrieb in Ihrer Region engagieren, dass Sie bei der EU Gehör finden und dass dort mit Abgeordneten aus dem Parlament geredet wird. Man sollte sich jedoch nicht überschätzen.
Dass wir dort mit einem Fingerschnippen großen Einfluss nehmen könnten, wie Sie das in Ihrem Antrag suggerieren, das halte ich nicht für möglich. Uns ist ziemlich deutlich klar gemacht worden, was in diesem Prozess überhaupt möglich ist. In diesem Rahmen möchte ich auch gern die Diskussion im Ausschuss halten.
Ich gebe Ihnen darin Recht, Herr Gürth, dass das deutsche Insolvenzrecht bei der Europäischen Kommission Beachtung und Berücksichtigung finden sollte und dass der Landtag dazu durchaus eine Position beziehen kann. Das kann man - wie wir es schon oft getan haben - der Europäischen Kommission mitteilen. Das sollte vielleicht im Ergebnis des Diskussionsprozesses ganz konkret und nicht populistisch nach dem Motto erfolgen: Die Landesregierung soll hier einmal berichten, was sie noch besser machen kann; denn sie ist daran schuld, dass die Verfahren so lange dauern. - Darüber sollte im Ausschuss diskutiert werden, also, wie Herr Dr. Süß sagte, an anderer, geeigneter Stelle.
Wenn wir dann einige ganz konkrete Punkte finden, dann wissen wir genau, dass wir die Möglichkeit haben, einen Antrag, den alle Fraktionen tragen, den mehrere Abgeordnete unterschreiben werden, wie wir es bei anderen Dingen auch schon getan haben, und zwar im Nachgang zu einer wiederholten inhaltlichen Debatte, im Landtag zur Beschlussfassung zu bringen und damit nicht nur die Landesregierung aufzufordern, sondern selbst eine fundierte Position des Landtages in einen Beschluss zu fassen und an die Europäische Kommission weiterzuleiten. Auch wenn ich nicht glaube, dass es große Auswirkungen hat, so helfen doch manchmal kleine Steine, die einen großen ins Rollen bringen. - Vielen Dank.
Herr Daehre, wenn Sie nicht in den anderen Debatten so unangemessen über die europäische Problematik geredet hätten, dann hätte ich mich sicherlich nicht dazu verleiten lassen, diesen Einstieg in meine Rede zu benutzen. Wenn es ein solches Plakat der SPD gibt, das
ich nicht kenne - es wird sicherlich stimmen, wenn Sie es hier hochhalten -, dann finde ich das genauso nicht in Ordnung.
Ich stelle formell den Antrag auf Überweisung in den Wirtschaftsausschuss.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Montag, ich lehne die Ausschussberatung auch ab; wir sind nämlich schon in der zweiten Beratung im Plenum und ich würde das Gesetz heute ganz gern beschließen.
Herr Becker, Herr Professor Dr. Böhmer, darf ich Sie an den Beschluss Ihrer Landesregierung über die Bildung von Bezirksregierungen vom November 1990 - das ist fast zehn Jahre her - erinnern? Ich darf einmal die Ziffer 2 zitieren:
„Die Bezirksregierungen sollen entfallen, sobald die Kreise und Gemeinden über die für eine zweistufige Landesverwaltung erforderliche Größe und Leistungskraft verfügen.“
Sie haben eben genau das Gegenteil von dem erzählt, was Sie selber ursprünglich einmal machen wollten.
- Ich habe gut zugehört. Ich habe auch alles gehört, was Sie zu dem Entschließungsantrag gesagt haben. Trotzdem war dies geltendes Gesetz.
Was wir uns jetzt vorgenommen haben, ist nichts anderes als die Umsetzung des Beschlusses, den Ihre Landesregierung damals auch hinsichtlich der Gleichzeitigkeit von Kommunal-, Funktional- und Gebietsreform gefasst hat.
Ich wundere mich, dass Sie heute nicht einmal mehr den Änderungsbedarf sehen, den Sie eigentlich schon vor zehn Jahren gesehen haben. Sie haben - ich darf Sie daran erinnern, Herr Becker - 1993 auch bedauert, dass im Süden Sachsen-Anhalts kein Großkreis möglich war, weil die freiwillige Phase nicht dazu geführt hat.
Deshalb muss es aber nicht immer bei diesen Strukturen bleiben. Die Kreise sind - das haben wir schon mehrfach gemeinsam festgestellt - zu klein. Die Größe von 120 000 Einwohnern je Landkreis aus Ihrem Leit-bild war schon bei der Beschlussfassung im Landtag in großen Bereichen nicht mehr erreicht.
Herr Professor Böhmer, Sie haben heute in Ihrem Interview mit der „MZ“ gesagt: Wenn die CDU als Opposition nur Gezänk ohne politische Inhalte veranstalten würde, würde ihr niemand Glaubwürdigkeit bescheinigen.
Ich gratuliere Ihnen von der CDU zu Ihrem Parteivorsitzenden. Das meine ich ohne Zynismus, das meine ich ernst, weil die Diagnose zutreffend ist. Jedoch glaube ich, dass an dieser Stelle noch viel zu tun ist, um es nicht noch zu dem kommen zu lassen, was Sie, Herr Professor Böhmer, auch angemahnt haben.
In Ihrer Erfurter Erklärung - vielleicht wären Sie besser nach Sachsen gegangen, dann hätten Sie vielleicht mehr Klarblick darin gehabt, denn Ihre Kollegen dort
haben schon eine kommunale Reform gemacht - zur Fortentwicklung der kommunalen Selbstverwaltung heißt es: Eine Zerschlagung der über 1 000 identitätsstiftenden Gemeinden kommt für die CDU nicht in Betracht. Das haben Sie dort einstimmig beschlossen.
Für mich ist dies nichts anderes als das etwas populistisch beschriebene Gezänk, das Ihr Herr Landesvorsitzender nicht haben wollte;
denn wir haben im Ersten Vorschaltgesetz Vorkehrungen dafür getroffen, dass gerade die Kirche im Dorf bleibt, dass die Identität gewahrt bleibt.
Die Gemeinden haben die Wahl zwischen der Bildung von Einheitsgemeinden mit inhaltlich erweiterten Ortschaftsverfassungen und der Bildung von qualifizierten Verwaltungsgemeinschaften. Beide Modelle stärken die örtliche Identität und geben den bisherigen Gemeinden entsprechenden Gestaltungsspielraum. Beide Modelle stärken die Demokratie sogar in den kleinen Gemeinden.
- Ich rede oft mit meinen Kollegen vom Dorf, was ich erst gestern Abend auf einer Regionalkonferenz der SPD in Magdeburg getan habe. Dort hat ein Kollege aus dem Dorf gesagt: Was hat denn der Gemeinderat einer kleinen Gemeinde noch zu sagen, die weder über eine Schule noch über einen Kindergarten verfügt,
wo all diese Fragen vom Gemeinderat der größeren Nachbargemeinde mit entschieden werden und ich mich um einen Hundertmarkschein für die Feuerwehr streiten muss. Da steigt sogar der Einfluss, der durch die Reform jetzt möglich ist.
Die im Vorschaltgesetz vorgesehene Ortschaftsverfassung ist ein Garant dafür. Einige Beispiele:
Die Gemeinde beschließt vor ihrer Auflösung über die Einführung der Ortschaftsverfassung. Der Ortschaftsrat ist zu wichtigen Angelegenheiten zu hören. Er hat das Recht, an nichtöffentlichen Sitzungen des Gemeinderates und seiner Ausschüsse teilzunehmen, natürlich nur, wenn es um seine Angelegenheiten geht.
Er kann eine Bürokraft zur Unterstützung behalten oder auch einstellen.
Ich gehe im Übrigen mit Ihnen, Herr Becker, gemeinsam davon aus, dass dies auf der kommunalen Ebene mit Weitsicht gemacht wird und dass sich die kommunalen Ebenen in dieser Hinsicht nicht selbst überfordern.
Es gibt ein erweitertes Auskunfts- und Akteneinsichtsrecht. Es gibt ein Vetorecht, ein Zweitbeschlussrecht, ein Zweitberatungsrecht, das auch nur die Dinge der Ort
schaft betrifft und wo wir selbstverständlich auch im Einklang die Haushaltsdinge ausgenommen haben.
Eine konstruktive Opposition würde, statt hier rumzuzanken,
mit uns gemeinsam darüber wachen, dass die Funktionalreform das gleiche Gewicht hat wie die kommunale Gebietsreform.
Mit dem Vorschaltgesetz heute wird jedenfalls die Möglichkeit eröffnet, dass sich die Gemeinden auch vor einer abschließenden Kreisneugliederung über Kreisgrenzen hinweg - das ist ein weiterer Punkt - zu Einheitsgemeinden und größeren Verwaltungsgemeinschaften zusammenschließen können. Es ist geregelt, welchem der Landkreise das neue Gebilde dann angehören soll.
Wir wissen sehr wohl, dass diese Regelung von den Landkreisen zum Teil mit Argwohn betrachtet wird, weil sie Sorgen haben, dass an den Rändern etwas passiert, was sie nicht oder zumindest jetzt noch nicht wollen.
Auch dort kann noch vieles in Bewegung kommen.
Meine Fraktion hat deshalb darauf hingewirkt, dass die Genehmigung solcher kreisübergreifenden Zusammenschlüsse nicht den beteiligten und betroffenen Landkreisen überlassen bleibt, sondern vielmehr der oberen Kommunalaufsicht zu übertragen ist. Nur so macht es Sinn.
Mir sind von einigen Kollegen auch Beispiele bekannt, unter anderem aus der Nordharzregion, wo Gemeinden aus drei Verwaltungsgemeinschaften, die bislang den Kreisen Wernigerode und Halberstadt angehört haben, kreisübergreifend eine starke Verwaltungsgemeinschaft bilden wollen.
Die beteiligten Kreisverwalter sind natürlich davon nicht begeistert; aber warum soll eine solche Verwaltungsgemeinschaft nicht bereits jetzt zustande kommen und genehmigt werden können, wenn sich klar abzeichnet, dass die Kreisgrenzen, so wie sie jetzt sind, zumindest nicht Bestand haben werden. Vielleicht können solche kreisübergreifenden Fusionsbestrebungen sogar dazu beitragen, dass sich auch die Landkreise in der freiwilligen Phase etwas mehr bewegen, als es bislang zu erkennen ist.
Herr Becker, Sie sind als eine Quelle nicht hoch genug einzuschätzen. Sie haben in der Presse angekündigt, dass die CDU, falls sie im Jahr 2002 das Sagen hat, das jetzt beschlossene Vorschaltgesetz wieder aufheben will. Ich glaube nicht, dass das Ihr Ernst ist. Es könnte sein, dass Sie von den Realitäten eingeholt werden und dass Sie dann auch den vielen Kommunalpolitikern aus Ihrer Partei zuhören müssen sowie den Bürgerinnen und Bürgern, die sehr wohl Interesse daran haben, dass sich die Gemeindestrukturen und die Gebietsstrukturen verändern.
Herr Becker, ich habe auch noch eine andere Äußerung von Ihnen im Ohr, die Sie vor einiger Zeit, wenn ich mich nicht täusche, sogar schon vor der Einbringung des Leitbildes getan haben, nämlich die richtige Feststellung, dass die Gebietsreform von 1994 „zu kurz gesprungen“ gewesen ist. Also, wie von meinem Minister noch einmal
an Sie der Appell: Helfen Sie mit, machen Sie sich bei einem solchen großen Vorhaben, das im Grunde von allen demokratischen Parteien zusammen gehebelt werden muss, nicht selbst zum Außenseiter.
Ganz zum Schluss, weil meine Redezeit zu Ende ist - sonst würde ich noch auf ein paar Details eingehen wollen -, noch einmal ein Zitat von Ihnen, Herr Becker, und zwar aus der „MZ“ vom 1. Juni 1993:
„Möglicherweise wird es in der Zukunft“
- das sind Sie im Originalton -
„auch noch Korrekturen geben, aber in diesem Jahrhundert wird es keine neue Gebietsreform geben.“
Man mag sich ja streiten, ob das neue Jahrtausend mit dem Jahr 2000 oder mit dem Jahr 2001 beginnt, aber das neue Jahrhundert hat ganz sicher schon begonnen. In dem Sinne haben Sie im Jahr 1993 schon gesagt, dass Sie im Jahr 2000 ff. bereit sein werden, mit uns gemeinsam und mit allen anderen die Gebietsreform und die Verwaltungsreform zu gestalten. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Wir haben ja einen neuen Innenminister, der Gott sei Dank auch sehr beständig in seinem Amt ist.
Herr Daehre, ich finde das nicht merkwürdig, nein. Wenn Sie in den Ausschüssen gewesen wären, dann hätten Sie gewusst, dass wir durchaus auch konstruktiv und inhaltlich darüber gestritten haben
und dass es sogar einige Details gab, die wir gemeinsam verabschiedet haben. Sie können als Abgeordneter jederzeit in die Ausschusssitzungen kommen. Dann brauchen Sie hier keine Platitüden vorzutragen, sondern dann können Sie das Ganze auch inhaltlich nachvoll- ziehen.
Dann haben Sie die Diskussion im Lande in den letzten Wochen überhaupt nicht verfolgt oder wollen sie bewusst ignorieren.
Zu dem Zweiten: Eigentlich war ich ganz froh, dass Sie im Jahr 1990 schon so fortschrittlich und wegweisend waren und von der Zweistufigkeit und auch davon geredet haben, dass es natürlich dem Umstand geschuldet sei, dass sich gerade eine kommunale Ebene neu gebildet habe, dass dort noch nicht der ganz große Wurf möglich sei, aber dann, wenn größere Gemeinden, größere Landkreise da sein würden und dann auch die Größe dafür erreicht worden sei, eine Zweistufigkeit im Land einzuführen, sei das Ganze auch richtig.
Ich fand das an sich ganz in Ordnung, dass Sie schon damals im Voraus gesehen haben, wie das Land in Zukunft einmal aussehen soll. Sie brauchen sich jetzt dahinter gar nicht zu verstecken.
Ich freue mich, Herr Dr. Bergner, dass Sie mir Gelegenheit geben, dazu, worüber die CDU im Ausschuss diskutiert hat, noch ein paar Sätze mehr zu sagen. Das konnte ich wegen der Redezeit nicht. Ich will es jetzt gern in die Antwort packen. Sie haben unserem Gutachter, was das Erste Vorschaltgesetz angeht, so misstraut, dass wir noch einen zweiten Gutachter einschalten mussten, weil wir Sie darum gebeten hatten,
dass der Gutachter im Ausschuss für die Landesregierung vortragen kann. Das hat er dann auch.
Ich hatte bei Professor Dr. Oebbecke, der Gutachter Ihrer Fraktion war, insbesondere zu den Vorwürfen, die der GBD gegen das Erste Vorschaltgesetz vorgebracht hat, eher das Gefühl, dass er unser Gutachter sei - aber ich kann Ihnen versichern, wir hatten vorher nicht mit ihm geredet -, weil all das, was im Streit diskutiert worden ist, womit versucht worden ist, das Gesetz aufzuhalten, entkräftet worden ist.
Als es dann so weit war und Sie auch von Ihrem eigenen Gutachter bestätigt bekommen haben, dass die Vorschläge der Landesregierung verfassungsrichtig sind - ich erlaube mir die Nebenbemerkung, dass es auch nicht Aufgabe des GBD ist, die Verfassung in Frage zu stellen und politische Mehrheitsfindungen herbeizuführen; das ist im Übrigen auch noch einmal zu disku- tieren -,
da ging die Diskussion im Übrigen - das meine ich überhaupt nicht sarkastisch - ganz vernünftig weiter. Wir haben uns über die einzelnen Punkte im Gesetz unterhalten. Dass die Mitglieder Ihrer Fraktion im Ausschuss nicht bei jedem Punkt sofort ja schreien wollen oder können, das ist Ihrer Situation, in der Sie sich festgefahren haben, zuzuschreiben. Ansonsten habe ich unter den gegebenen Umständen die Beratung immer noch als sehr vernünftig empfunden.
War ich eben nicht charmant genug, wenn Sie noch eine Frage stellen?
Zum ersten Teil: Ja, Herr Becker. Ich bin eben auch der Auffassung, dass es ein neutrales Gremium ist. Überall dort, wo es um gesetzestechnische, gesetzessystematische Dinge geht, können Sie unserer Fraktion ganz sicher nicht vorwerfen,
dass wir uns nicht zusammengesetzt haben. Wir sind akribisch alle Punkte durchgegangen. Es waren auch
Fehler drin. Bei einem solchen Gesetzeswerk passiert so etwas immer, davor ist niemand gefeit. Das geben wir auch zu, auch wenn es der Landesregierung nicht immer schmeckt. Aber das muss man sich dann eben angucken und das haben wir auch gemacht.
Aber zur politischen Mehrheitsfindung hat der GBD nichts beizutragen.
- Das hat er getan. Sie können es im letzten Protokoll, wenn es vorliegt - das wird in Bälde sein -, nachlesen. Das, muss ich Ihnen sagen, geht mir als frei gewählter Abgeordneter zu weit. Darüber haben die frei gewählten Abgeordneten zu entscheiden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Niemand, Herr Becker, belächelt Sie, wenn Sie auf den Zusammenhang zwischen Kommunalreform, Funktionalreform und Verwaltungsreform hinweisen. Wenn Sie aber mit Reform meinen: Wasch mich, aber mach mich nicht nass, dann entlarven Sie allerdings nur sich selbst.
Jetzt zu dem, was Sie am Schluss gesagt haben: Sagen Sie, Herr Minister, welche Ämter abgebaut werden sollen. - Im nächsten Satz sagten Sie: Aber verunsichern Sie doch bitte die Menschen nicht dabei.
Sie sagen: Machen Sie es doch schneller, damit die Leute auf den Fluren nicht so lange darüber reden. Aber bitte nicht zu schnell, es könnte ja sein, dass es doch schneller geht. Sie sagen: Übertragen Sie die Aufgaben, aber bitte ganz ohne Personal, und verunsichern Sie doch bitte bei dem Übergang die Menschen nicht. Wo bleiben denn die Menschen bei Ihnen, liebe Landes- regierung?
So geht das weiter: Hören Sie auf die kommunalen Spitzenverbände, aber bitte ändern Sie Ihre Meinung nicht. Dabei könnte herauskommen, dass man den einen Tag etwas anderes sagt als 14 Tage danach, nachdem man mit den Spezialisten, den kommunalen Spitzenverbänden, darüber geredet hat.
Nein, ich würde meine Ausführungen gerne beenden und dann am Ende für Fragen zur Verfügung stehen.
Wissen Sie, es gibt einen gedanklichen Gesamtansatz, den Sie eingefordert haben. Der heißt aber nicht Auge um Auge oder Zahn um Zahn, sondern der heißt Zug um Zug. Verständnis für die Komplexität der Aufgabe der Reform der Kommunal- und der Landesverwaltung in Sachsen-Anhalt kann man nur entwickeln, wenn man den prozesshaften Charakter von Verwaltungsreformen anerkennt. Da mögen wir vielleicht unterschiedlicher Auffassung sein.
Die Einführung eines lehrbuchartigen Verwaltungsaufbaus auf einen Schlag, die wäre im Jahr 1990 möglich gewesen. Diese Chance ist aber vertan worden oder zumindest anders angelegt worden, nämlich in Ihrem Sinne. Meinen Gedankengängen würde das viel eher entsprechen, weil ich es von der Technik gewöhnt bin, eine Halle aufzubauen, indem ich zunächst einmal schaue, was soll dort produziert werden, wie sind die Abläufe, was brauche ich dafür.
Das geht aber an den Realitäten dieses Landes vorbei. Wir können keine Generalreparatur bei Stillstand der Anlage machen,
sondern wir müssen sie bei laufendem Betrieb machen. Es bleibt uns nichts anderes übrig. Wir können das Land und die Verwaltungen nicht einfach wieder abschaffen.
Wir müssen auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der öffentlichen Verwaltung in dem Prozess mitnehmen. Gerade das haben Sie ja eingefordert. Das geht nicht einfach so, wir malen etwas auf das Papier.
Soweit es die Rolle des Landtages betrifft, ist es nach unserer Auffassung in dieser Legislaturperiode das Ziel, diesem Prozess durch eine Reihe von Vorschaltgeset
zen Vorgaben zu geben und der Reform eine gesetzliche Grundlage zu geben. Bei Ihren ersten Reden zum Leitbild haben Sie dies noch gefordert. Jetzt ist Ihnen auf einmal alles zu viel, was an gesetzlicher Grundlage durch den Landtag beraten und beschlossen werden soll.
Der zeitweilige Ausschuss hat bereits am 7. September eine vorläufige Beschlussempfehlung zum Ersten Vorschaltgesetz zur Kommunalreform verfasst, mit der insbesondere für Planungssicherheit bei den Bewerbern für die Ämter der Bürgermeister und Landräte bei der Durchführung der Kommunalreform gesorgt wird. Ich weiß, dass Sie die noch nicht wollten, wobei das aus meiner Sicht weniger inhaltliche als taktische Gründe hatte.
Heute hat die Landesregierung ein Zweites Vorschaltgesetz zur Kommunalreform und Verwaltungsmodernisierung eingebracht, in dem schon Regelungsinhalte für ein drittes Vorschaltgesetz angelegt sind. Das wissen Sie so gut wie ich. Das beschreibt noch einmal den prozesshaften Charakter einer solchen Gesamtreform, die aus mehreren Teilen besteht. Weil es ein prozesshafter Charakter ist, muss auch der Landtag dem in dieser Legislaturperiode Rechnung tragen.
In der nächsten Legislaturperiode werden wir das fortschreiben müssen und natürlich zum Abschluss bringen. Darin gebe ich Ihnen Recht. Am Ende der Verwaltungs-, Kommunal- und Funktionalreform müssen ein Landesorganisationsgesetz und ein Gesetz über die Gemeinde- und Kreisgebietsreform stehen. Ich denke, an dieser Stelle sind wir uns auch wieder einig.
Aber wissen Sie, es bekümmert uns, wenn sich manche aus populistischen Motiven - insofern bin ich dankbar, heute nach Ihnen reden zu dürfen, Herr Becker - wider besseres Wissen gegen notwendige Reformen stellen. An dieser Stelle muss ich leider auch noch einmal die Aussagen des CDU-Landesvorsitzenden zum Stichwort Gebietsreform benennen. Ich möchte aus der „Bild“Zeitung vom 1. September zitieren, wo Herr Professor Böhmer gesagt hat, wenn er richtig zitiert worden ist:
„Die CDU setzt auf den freiwilligen Zusammenschluss von Gemeinden. Der Staat sollte den Kommunen nicht per Gesetz alles aufzwängen.“
Herr Professor Böhmer, dies ist eine Aussage, die nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat.
Die freiwillige Phase läuft auf gemeindlicher Ebene, rechtlich gesehen, nicht erst, seitdem die Landesregierung diese ausgerufen hat. Sie ist seit Jahr und Tag in Artikel 90 unserer Verfassung und in der Gemeindeordnung vorgesehen. Aber es hat sich in der Vergangenheit freiwillig nicht viel getan.
- Da brauchen Sie sich doch gar nicht aufzuregen. Zu dieser Einschätzung kann man als Landtag kommen. Wenn das nicht genug ist und wenn die Verwaltungskraft
in den jetzigen Gebilden nach unserer Auffassung nicht groß genug ist,
- das werde ich Ihnen gleich erzählen, wenn Sie den Gesetzentwurf nicht gelesen haben, da steht das nämlich drin - dann muss sich der Landtag darauf verständigen, eine Kommunalreform und damit im Zusammenhang eine Funktional- und Verwaltungsreform zu machen. Bei seinen Reformanstrengungen hat der Landtag nach meiner Auffassung auch Augenmaß zu wahren; denn unsere Beschlüsse dürfen auch nicht - das sollten wir nicht vergessen - zur Vollbremsung bei einer Vielzahl in der Landesverwaltung bereits angeschobener Reformprojekte führen. Ich erinnere nur an die Fortschritte bei der Reform der Umweltverwaltung, die wir auch im Ausschuss Stück für Stück mitberaten werden.
Dabei wissen wir als SPD-Fraktion auch, dass wir in einem Spannungsfeld stehen zwischen einigen aufgeschriebenen Großkreisen, die dann zu kleinen RPs führen würden, die wir nicht wollen, und einem unterstellten mutmaßlich riesigen Landesverwaltungsamt, das wir als SPD-Fraktion genauso wenig wollen. Also ist bei dem gesamten Reformprozess Augenmaß geboten.
Diejenigen, die sich auf der Überholspur wähnen, müssen genauso aufpassen. Denn wer zu viel fordert, spielt unter Umständen auch gegen seinen Willen denen zu, die den Status quo verteidigen wollen, Herr Becker.
Meine Damen und Herren! Mit dem heute vorgelegten Zweiten Vorschaltgesetz zur Kommunalreform und Verwaltungsmodernisierung werden zwei grundlegende Weichenstellungen gesetzlich festgeschrieben. Ich habe mir notiert, dass Sie gefragt haben: Wem soll man dann noch glauben? - Dem Parlament, Herr Becker! Im Parlament sitzen Sie auch und im Parlament können Sie auch mitgestalten.
Die Weichenstellungen, die im Zweiten Vorschaltgesetz vorgenommen werden sollen, sind: Erstens. Wir schaffen Klarheit über die zukünftige Struktur der Landesverwaltung. Wir schreiben nämlich den Grundsatz der Zweistufigkeit fest. Sie wissen, dass dies ein nicht unkomplizierter Diskussionsprozess war. Zweitens. Wir schreiben Richtgrößen für die Kommunen fest.
Wenn ich mich richtig erinnere, ist es doch das gewesen, was Sie angemahnt haben, als wir über das Leitbild diskutiert haben. Also bitte! Hier gibt es ein Vorschaltgesetz, in dem schon sehr weitreichende Vorgaben gemacht werden. Wir sagen weiterhin, beide Inhalte stehen in direkter gegenseitiger Abhängigkeit voneinander.
Lassen Sie mich zunächst auf den Grundsatz der Zweistufigkeit eingehen. Soweit es den Grundsatz der Zweistufigkeit betrifft, verstehen wir darunter eine weitestmögliche Aufgabenübertragung auf die Kommunen. Vom Land soll nur noch der Restbestand an Aufgaben erledigt werden, der von den Kommunen nicht zweckmäßig und wirtschaftlich wahrgenommen werden kann.
Ich glaube, dass auch Sie als CDU dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit nicht widersprechen werden. Es ist wohl von allen anerkannt, dass die Leistungsfähigkeit einer Kommune und damit die Beantwortung der Frage, welche Aufgaben von ihr zweck
mäßig und wirtschaftlich wahrgenommen werden können, entscheidend mit von der Größe der Kommune abhängig ist. Für Fachaufgaben notwendige Fachleute rechnen sich erst ab einer bestimmten Größenordnung. Je mehr Aufgaben kommunalisiert werden sollen, desto leistungsfähiger, also auch größer müssen die Kommunen sein.
Das Zweite Vorschaltgesetz ist nicht bloß ein Lippenbekenntnis, sondern es schlägt einen ganz konkreten Weg vor. Die Landesregierung wird sich mit den beiden kommunalen Spitzenverbänden - wie Sie das in Ihren Verbänden regeln, das ist Ihr Problem und nicht unser Problem - zusammensetzen und im Paket klären, welche Aufgaben zu welchem Preis, also mit welcher Effizienz und welcher Wirtschaftlichkeit, erledigt werden können. Wir wollen am Ende tatsächlich auch Ergebnisse haben, die von beiden Seiten getragen werden.
Das Gesetz nimmt diesen Gedanken mit der Formulierung auf, dass das Kriterium der Wirtschaftlichkeit dabei nicht nur von den Kosten für eine einzelne Aufgabe, sondern von der Effektivität des Gesamtkonzepts bestimmt werde. Damit ist es also auch kein Totschlagargument mehr zu sagen, es muss wirtschaftlich und effizient sein, sondern es wird im Gesamtzusammenhang betrachtet. Erste Schritte dazu werden auch schon in einer Arbeitsgruppe zwischen dem Innenministerium und den kommunalen Spitzenverbänden getan.
Die Entscheidung, welche Aufgaben auf Kommunen nicht übertragen werden sollen, soll nicht ohne Beteiligung des Landtages getroffen werden. Also sind Sie selbst auch wieder beteiligt. Der Landtag wird die Kriterien für die Aufgaben, die auf die Kommunen nicht übertragen werden können, per Gesetz regeln. Dies ist, meine ich, auch richtig so; denn die Landespolitik muss auch beachten, wo sie notwendigerweise Steuerungselemente beim Land behalten muss oder beim Land behalten will. Diese Ehrlichkeit sollte man auch an den Tag legen.
Bei der Aufgabenübertragung auf die Kommunen wird ein besonderes Augenmerk auch darauf zu richten sein, ob man eine so genannte echte Kommunalisierung vornimmt oder eine eben nicht ganz echte Kommunalisierung,
nämlich nur die eines übertragenen Wirkungskreises. - Sie brauchen dabei gar nicht zu lachen, Frau Wernicke. Ich kenne den Unterschied schon. Ich bin mir aber auch dessen bewusst, dass ich dies hier ziemlich genau und konkret beschreiben muss, weil ich weiß, dass Sie nur darauf aus sind, einen Halbsatz irgendwie falsch verstehen zu wollen.
Deshalb bin ich sehr vorsichtig, wenn ich diese Dinge hier vortrage.
Ich werde Sie auch nicht damit belästigen, dass ich Ihnen lehrbuchartig vortrage, was denn nun aus unser Sicht eine echte und eine nicht echte Kommunalisierung ist. Aber wir sagen, nach dem Subsidiaritätsprinzip gibt es das selbstverständlich. Wenn Sie etwas nur in die Landkreise hinuntergeben, es aber in der Fachaufsicht und nicht bloß in der Rechtsaufsicht des Landes behalten, ist es keine echte Kommunalisierung mehr, sondern
dann ist es das, was man im übertragenen Wirkungskreis anders regelt.
Wir sagen auch, dass eine Neuübertragung von Pflichtaufgaben zwingend per Gesetz geschehen muss. Also auch hier wird der Landtag mitreden müssen.
Aber ich möchte auch nicht vergessen, jemanden zu zitieren, nämlich meinen Kollegen Bernward Rothe - darauf lege ich sehr viel Wert -, der mir gesagt hat, ich solle doch den Damen und Herren auf der Regierungsbank noch einmal zurufen, und dies für die SPDFraktion, die Aufgabenübertragung sollte leichter fallen, wenn man sich immer wieder klar macht, dass die Kommunen ein Teil der Staatsorganisation sind, also dem Land nicht fremd gegenüberstehen. Die den Landkreisen von der bisherigen Mittelinstanz zu übertragenden Aufgaben gehen dem Land ja nicht verloren, soweit sie künftig in den Landratsämtern als unterer staatlicher Behörde wahrgenommen werden.
Meine Damen und Herren! Eine schon heute absehbare Konsequenz der Grundsatzentscheidung für einen zweistufigen Verwaltungsaufbau ist aber, dass den Landkreisen neben der kommunalen Selbstverwaltung immer mehr ein zweites, staatliches Standbein zuwachsen wird. Auch dies ist Konsequenz von konsequenter Verwaltungsreform.
Ich möchte nur in den Raum werfen, ohne dass gleich wieder alle aufschreien, man sollte einfach einmal das Stichwort staatliche Abteilung in Landkreisen in die Gedanken mit aufnehmen. Ob es am Ende so sein wird, ist völlig offen. Aber zumindest in die Überlegungen sollte man es mit einbeziehen.
Lassen Sie mich nun zu dem Thema der verbleibenden Aufgabenerledigung beim Land kommen. Ich habe vorhin gesagt, vom Land solle nur der Restbestand an Aufgaben erledigt werden, der von den Kommunen nicht zweckmäßig und wirtschaftlich wahrgenommen werden kann. Dieser Restbestand von Aufgaben soll von einem Landesverwaltungsamt und daneben von einer begrenzten Anzahl von Landessonderbehörden erledigt werden; ich möchte nur das Landeskriminalamt nennen. Ich meine, nicht bei allen Sonderbehörden werden wir unterschiedlicher Auffassung sein.
Das Ziel ist beschrieben. Während der Übergangsphase werden die bisher von den drei Regierungspräsidien wahrgenommenen Aufgaben verstärkt als Vor-Ort-Aufgaben zusammengeführt. Wer aber der Vorstellung anhängt, in dieser Überführungsphase könne man schon in größerem Umfang eine Kommunalisierung von Aufgaben verfolgen, erweckt natürlich falsche Erwartungen.
Die Übertragung der Aufgaben auf die Kommunen wird in einem Paket erfolgen. Es wird seine Zeit dauern, dieses Paket mit den kommunalen Spitzenverbänden zu schnüren, nicht zuletzt deshalb, weil es auch hier um den Finanzausgleich geht und darum gerungen werden wird.
Die Zeitschiene hat natürlich zur Folge, dass für die Übergangszeit, die bis spätestens - dieser Zeitpunkt, Herr Becker, ist festgelegt - 31. Dezember 2004 läuft, die jetzt bei den Regierungspräsidien Beschäftigten dort immer noch im Landesdienst stehen werden. Alles
andere ist unmöglich und würde auch den Stillstand von Arbeit bedeuten.
Wir dürfen nämlich, ich wiederhole es noch einmal, nie vergessen, dass wir hier keine Verwaltungsreform am Reißbrett machen, sondern im laufenden Betrieb. Auch wer knallharte Zweistufigkeit durchsetzen will, wird für einen Übergangszeitraum die Regierungspräsidien mit ihren Mitarbeiterstämmen noch in Kauf nehmen müssen. Aber diese Übergangszeit endet. Es hängt auch von der Arbeit im Landtag und von der Arbeit im zeitweiligen Ausschuss ab, ob man diesen Prozess beschleunigen und damit das von Ihnen, Herr Becker, befürchtete Chaos verkürzen kann.
Mein Wille und der meiner Fraktion ist dies jedenfalls.
Ich will mich auch nicht am Disput um die verwaltungswissenschaftlich korrekte Bezeichnung der Behörde Landesverwaltungsamt beteiligen. Betont man, dass es Zuständigkeiten für das gesamte Land haben wird, so ist die Einordnung als obere Landesbehörde nahe liegend. Betont man, dass es ressortübergreifende Zuständigkeiten hat, könnte man es glatt als Mittelinstanz bezeichnen.
Ich habe ein Zitat gefunden, dem wir uns anschließen können. Ich zitiere Professor Hesse, der gesagt hat, dass mittelfristig nur noch die großen Flächenländer eine Mittelinstanz im klassischen Sinne haben werden. Sachsen-Anhalt ist kein großes Flächenland, sondern ein kleines Flächenland.
Wir machen eine mittelfristige Reform. Wie kurzfristig es sein wird, hängt vom Landtag ab. Also dürften auch die Befürchtungen aller anderen ausgeräumt sein.
Wenn es um den Restbestand der Aufgaben für das Landesverwaltungsamt geht, ist es mir wichtig, ein Wort des Ministerpräsidenten wiederzugeben, der gesagt hat: Es gilt eine Beweislastumkehr. In jedem Einzelfall muss begründet werden, warum eine Aufgabe nicht von den Kommunen erledigt werden kann, sondern vom Land erledigt werden muss. Ich denke, das ist ein großer qualitativer Fortschritt gegenüber allen Aussagen, die auch wir am Anfang zum Leitbild getroffen haben.
Die zweite große Weichenstellung, die das Zweite Vorschaltgesetz erwähnt, sind die kommunalen Richtgrößen und die Einführung der qualifizierten Verwaltungsgemeinschaft. In diesem Zusammenhang gebührt dem Städte- und Gemeindebund großer Dank; denn seine Vorschläge haben die Diskussion ungemein befruchtet und vorangebracht. Sie haben auch in großem Umfang Berücksichtigung gefunden. Das zeigt: Wer konstruktiv mitarbeitet, findet auch Berücksichtigung in diesem Reformprozess.
Zu den Richtgrößen will ich nur zwei Aussagen aus dem Gesetz betonen, die mir besonders wichtig sind: zum einen das Ziel, pro Planungsregion maximal zwei Landkreise und eine kreisfreie Stadt zu haben, zum anderen die Ankündigung der Schaffung der gesetzlichen Grundlagen für die Einführung der qualifizierten Verwaltungsgemeinschaft bzw. der Verbandsgemeinde.
Das Ziel, zwei Landkreise pro Planungsregion vorzusehen, macht deutlich, dass es sich bei der Richtgröße von 150 000 Einwohnern pro Landkreis wirklich um eine bloße Mindestgröße handelt und dass wir uns den
Aussagen der kommunalen Spitzenverbände hinsichtlich einer dauerhaften Einwohnerzahl von 150 000 in den Landkreisen durchaus anschließen.
Meine Damen und Herren! Der SPD erschien die flächendeckende Einführung von Einheitsgemeinden als der wünschenswerte Idealfall, weil Einheitsgemeinden die effektivste Form einer Verwaltungseinheit auf gemeindlicher Ebene darstellen. Es gibt einfach weniger Reibungsverluste. Wir berücksichtigen aber auch, dass gerade in dünn besiedelten Gebieten Handlungsbedarf dahin gehend besteht, eine Alternative anzubieten. Die Einheitsgemeinden würden gerade in den Gebieten der Altmark, in denen es Streudörfer gibt, zu flächenmäßig so großen Einheiten führen, dass selbst gut qualifizierte Ortschaftsverfassungen die Bedenken hinsichtlich der Wahrung einer eigenen Identität nicht ausräumen könnten.
Deshalb ist die Fortentwicklung, die Qualifizierung - so drückt es das Gesetz aus - von bestehenden Verwaltungsgemeinschaften hin zu Verbandsgemeinden eine gute Lösung, auch für all diejenigen, die den Schritt in die Einheitsgemeinde nicht gehen wollen oder aus objektiven Gründen, nämlich Gebietsgründen, Besiedlungsgründen, nicht gehen können. Wir haben deshalb im Gesetz die Gleichrangigkeit dieser beiden Formen festgeschrieben und nicht eine von beiden betont.
Ich gebe allerdings zu bedenken, dass das Gesetz für Mitgliedsgemeinden grundsätzlich eine Mindestgröße von 1 000 Einwohnern vorsieht. Das heißt, dass sich, wenn man vom jetzigen Status quo ausgeht, ungefähr 900 Gemeinden im Lande werden bewegen müssen, so oder so.
Natürlich gilt, was der Minister gesagt hat: Es wird auch Ausnahmen vom Regelfall geben. Es wird aber nicht so sein - ich hoffe zumindest, dass ich den Mund damit nicht zu voll nehme -, dass wir es wie bei Ihrer Reform machen werden, dass nämlich die Ausnahmen der Regelfall sind. Wir werden wirklich bloß Ausnahmen vom Regelfall zulassen.
Meine Damen und Herren! Das Zweite Vorschaltgesetz soll der Verwaltungs-, Funktional- und Gebietsreform Ziel und Richtung geben. Das ist ein Prozess, der gerade in diesem Jahr ungemein an Dynamik gewonnen hat. Dies zeigt auch der vorliegende Gesetzentwurf, in den die Diskussionen der letzten Wochen eingeflossen sind.
Die Diskussion wird und muss weitergehen. Wir sollten deshalb bei der Beratung des Gesetzentwurfes in den Ausschüssen für sinnvolle Präzisierungen und Änderungen offen sein. Es sind noch längst nicht alle Fragen geklärt. Ich erinnere nur an das Stadt-Umland-Problem, das noch einer gesetzgeberischen Lösung bedarf und in dem Gesetzentwurf noch nicht aufgegriffen wurde.
Herr Becker, die Landesregierung hat Wort gehalten. Mit Beschluss vom 4. Mai dieses Jahres hat der Landtag mit den Stimmen der drei großen Fraktionen die Landes- regierung aufgefordert - ich verlese den Wortlaut -,
„baldmöglichst, jedoch spätestens im dritten Quartal dieses Jahres den Entwurf eines Vorschaltgesetzes zur Kommunalreform vorzulegen, welches verlässliche Handlungsorientierungen für eine kommunale Strukturreform bereits auch in einer freiwilligen Phase sichert, im Zusammen
hang damit ein Vorschaltgesetz zur Verwaltungs- und Funktionalreform vorzulegen, welches insbesondere die Grundstruktur des Verwaltungsaufbaus und Grundlagen und Grundsätze der Aufgabenverteilung zwischen Land und Kommunen regelt.“
Wir diskutieren heute über dieses Zweite Vorschaltgesetz. Ich möchte daran erinnern, dass auch die CDUFraktion im Mai die Auffassung vertrat, dass sowohl die Kommunalreform als auch die Reform der Landesverwaltung notwendig sind; denn sonst hätte sie nicht die Vorlage entsprechender Vorschaltgesetze von der Landesregierung gefordert. Uneins waren wir uns im Mai nur über das Wie, nicht über das grundsätzliche Ob.
Dieser Streit über die Sache war und ist zu begrüßen. Es wäre wünschenswert, sowohl die Kommunalreform als auch die Reform der Landesverwaltung im größtmöglichen Konsens durchzuführen. Ich baue dabei auf die Mitarbeit aller großen Fraktionen im Landtag. Ich hoffe, dass der Eindruck, den ich in der heutigen Debatte gewonnen habe, nämlich dass Sie doch noch einmal ein bisschen mit der Totalopposition spielen oder kokettieren, ein falscher Eindruck ist.
Ich bitte um Überweisung des Gesetzentwurfes in den zeitweiligen Ausschuss und zur Mitberatung in den Innenausschuss und in den Rechtsausschuss. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Was den Zusammenschluss von Landkreisen angeht, kann ich sagen, dass sehr wohl konkrete Rahmenbedingungen im Zweiten Vorschaltgesetz enthalten sind. Diese stehen nicht nur in dem Vorschaltgesetz, sondern auch schon im Leitbild und werden hiermit auf die gesetzliche Grundlage gestellt.
Wir sagen: mindestens 150 000 Einwohner, dauerhaft 150 000 Einwohner. Sie können sich selbst ausrechnen, dass man zum gegenwärtigen Zeitpunkt von ungefähr 180 000 Einwohnern ausgehen wird.
- Lassen Sie mich doch erst einmal ausreden, Sie wissen doch gar nicht, was ich sagen will.
Zum Zweiten sagen wir: zwei Landkreise pro Planungsregion. Die Planungsregionen werden hinterher angepasst und nicht die Landkreise innerhalb der Planungsregionen geschnitten. So viel zur Größenordnung, was die Landkreise betrifft.
Wenn man sich an diesen Zahlen orientiert, kann doch die Aufgabenkritik ganz vernünftig weitergehen. Wir haben im Ausschuss einen vernünftigen Arbeitsplan nach Vorlage der Ministerien. Diese Vorlage müssen die Ministerien, die Verwaltungen leisten. Sie können doch genauso wenig wie ich im Einzelfall entscheiden, wo die Aufgabe sinnvoll gemacht wird. Das heißt, in den Ministerien muss eine Vorarbeit stattfinden, und sie wird in den Ministerien stattfinden, nämlich Ministerium für Ministerium.
Ich gebe Ihnen Recht in Bezug darauf, dass die Umweltverwaltung schon ziemlich weit ist und dass wir uns hier sehr schnell einklinken müssen. Das wollen wir auch. Wir haben dafür einen normalen, planmäßigen Ablauf im zeitweiligen Ausschuss vereinbart, der vorsieht, wann wir darüber wieder beraten werden.
Jetzt ist klar, von welcher Größenordnung der Landkreise wir reden. Damit sind wir schon ein Stück weiter als beim Leitbild. Das wissen Sie genauso gut wie ich. Daran angepasst werden wir beurteilen, welche Vorlagen aus den Ministerien für die Aufgabenverteilung kommen müssen.
Wir haben einen zweiten Grundsatz im Gesetz festgeschrieben, der heißt: Grundsätzlich soll alles, was sachlich kommunalisiert werden kann, kommunali- siert werden, bezogen auf eine Landkreisgröße von 150 000 plus. Das Land bzw. die Landesregierung, die Verwaltung muss dann begründen, warum etwas nicht geht. Ich denke, das ist sowohl für die Strukturierung der Arbeit als auch für die Größenordnung, auf die es zugeschnitten wird, eine verlässliche Arbeitsgrundlage.
Was die Rahmenbedingungen für die Bediensteten angeht, ist doch ganz klar: Bis 2004 ist der Zeitpunkt gesetzt, und es ist auch gesagt worden, was mit den Bediensteten passiert.
Wir haben auch schon im Ersten Vorschaltgesetz die Regelung, was den Personalübergang angeht. Dass das nachher im Einzelfall problematisch wird, wenn es darum geht, einzelne Personen zuzuordnen, sowohl in welcher Region sie dann arbeiten, als auch welche Auf
gabe sie wahrnehmen, das ist auch klar. Aber ich werde einen Teufel tun, mich von diesen Totschlagargumenten schon jetzt beeinflussen zu lassen und dies an einem einzelnen kleinen Spezialfall zu diskutieren.
Wir haben als Landtag die Aufgabe, die Rahmenbedingungen festzulegen, damit die Größenordnung, die kommunale Struktur bekannt ist. Wir sagen deutlich, was die Landkreisgrößen angeht und was die Größe der Einheitsgemeinden und Verwaltungsgemeinschaften angeht.
Wir haben gesagt, welchen Grundsatz wir bei der Aufgabenverteilung haben wollen, nämlich grundsätzliche Zweistufigkeit. Wir haben gesagt, die Beweislastumkehr soll gelten, und daran werden wir - das wissen wir - im Einzelfall hart diskutieren müssen. Wir haben auch gesagt: Die Kriterien, die Ausnahmekriterien, warum etwas nicht kommunalisiert werden kann, wird ein weiteres Gesetz regeln, und darüber werden wir uns zu verständigen haben, ob wir dafür eine Mehrheit im Landtag bekommen oder nicht.
Es ist also, alles in allem, ein prozesshafter Charakter dieser Verwaltungs- und dieser Funktional- und Kommunalreform. Da gibt es nicht ein Schwarz oder ein Weiß, sondern da gibt es ganz viele Grauzonen, die im Prozess gestaltet werden müssen. Es gibt keine einfache Antwort auf eine Reform unter laufendem Betrieb.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Jeziorsky, das ist ein Leitbild der Landesregierung und nicht bloß eines des Innenministers.
Selbstverständlich hat sich die SPD-Fraktion auch im Vorfeld der Einbringung schon mit vielen Regelungen beschäftigt. Uns ist klar, daß es dazu vielfältige Diskussionen geben wird. Uns ist auch klar, daß es vermutlich die meisten Diskussionen über das geben wird, was nicht enthalten sein wird. Deshalb werde ich die beiden Problematiken, die nicht geregelt sind, zumindest benennen und ansprechen: die Stadt-Umland-Problematik und die Richtgrößen.
In bezug auf die Richtgrößen ist selbstverständlich zu beachten, daß es unterschiedliche Bevölkerungsdichten in Sachsen-Anhalt gibt. Deshalb haben wir mit besonderem Interesse die Vorstellung des Städteund Gemeindebundes zur Zukunft der Verwaltungsgemeinschaften zur Kenntnis genommen. Der Innenminister hat in diesem Punkt schon Entgegenkommen signalisiert.
In bezug auf die Vorstellungen, die sowohl die Abschaffung des Trägergemeindemodells betreffen als auch die Forderung nach der Fortentwicklung des Modells eines gemeinsamen Verwaltungsamtes, wenn es denn, wie es sich der Städte- und Gemeindebund vorstellen kann, mit der Übertragung von Zuständigkeiten funktioniert und dann im Regelfall von 1 000 Einwohnern für Mitgliedsgemeinden ausgegangen werden kann, ist ja schon ein Entgegenkommen in der Rede und in den sonstigen Beiträgen des Innenministeriums signalisiert worden.
Selbstverständlich können wir nicht davon ausgehen, daß wir bei allen Dingen schon den Stein der Weisen gefunden haben. Wir werden uns - wir sind es vom Innenministerium auch gar nicht anders gewöhnt - auf die Argumente der Verbände und Vereine nicht nur einlassen, sondern wir werden das mit ihnen konstruktiv diskutieren.
Zu den einzelnen Teilen des Vorschaltgesetzes. Ich möchte nur einige, die für uns von besonderer Wichtigkeit sind, noch einmal benennen.
Das betrifft einmal die Sicherung der lokalen Identität, die Regelungen zum Ausbau und zur Stärkung der Ortschaftsverfassung und zur Einführung von Wahlbereichen auch bei den Vertretungswahlen kreisangehöriger Gemeinden und das bundesweit einmalige Vetorecht, ebenso die Regelung über die Verwendung von hauptamtlichen kommunalen Wahlbeamten bei Neugründungen. Hierbei ist hinsichtlich der Bestimmung der zukünftigen Amtsträger eine Wahl durch die neue Kommunalvertretung vorgesehen.
Ich will auch nicht verschweigen, daß es bei uns in der Fraktion Diskussionen darüber gab, ob dies nicht im Wege des Bürgerentscheides oder der Direktwahl passieren könnte, also eine Auswahl zwischen den bisherigen hauptamtlichen kommunalen Wahlbeamten durchgeführt werden könnte. Das wäre eine interessante Idee, ist aber bei uns bisher aus verfassungsrechtlichen Gründen verworfen worden. Die Möglichkeit, so zu verfahren, ist bereits umfassend geprüft worden.
Als einen weiteren Punkt möchte ich den Wegfall der Pflicht zum Bürgerentscheid ansprechen. Dieser Punkt enthält nur das Wegfallen der Pflicht zum Bürgerentscheid. Der freiwillige Bürgerentscheid ist immer noch
möglich, so daß die Wahl in den Gemeinden und in den kommunalen Gebietskörperschaften dann selbst getroffen werden kann. Hier ist sicherlich darüber zu reden, wie dann die Mehrheiten im Gemeinderat beschaffen sein müssen, wenn sich eine Gemeinde für den Wegfall des Bürgerentscheides ausspricht.
Eine Bemerkung noch zur Regelung zum Personalübergang. Wir halten es für richtig, daß Angestellte und Arbeiter insoweit den Beamten einigermaßen gleichgestellt werden. Ich denke, daß ein solcher Umbau nur mit dem Personal vor Ort und mit den Mitarbeitern vor Ort überhaupt durchgesetzt werden kann.
Was Ihre Forderung angeht, daß das jetzige Vorschaltgesetz zur Kommunalreform erst dann im Ausschuß beraten werden soll, wenn ein Vorschaltgesetz zur Verwaltungsreform vorliegt, so kann ich mir zwar vorstellen, daß Sie auf diesem Gebiet selbst sehr bittere Erfahrungen gesammelt haben, weil Sie ja nicht mehr bis zum Gesetz über die Verwaltungsreform gekommen sind, sondern damals selbst bei der kommunalen Gebietsreform stehen geblieben sind, das andere also nicht mehr geschafft haben. Wir halten es trotzdem für sinnvoll, daß man mit der Beratung des Gesetzentwurfs zum Vorschaltgesetz zur Kommunalreform im Ausschuß durchaus schon beginnt - wir hatten uns darauf im Ausschuß bereits verständigt -, aber zumindest die Abstimmung trifft. In diesem Zusammenhang ist auch die Überweisung Ihres Entschließungsantrages zu sehen, daß das Vorschaltgesetz zur Kommunalreform diesen Landtag erst wieder erreicht, wenn das andere Gesetz, das Vorschaltgesetz zur Verwaltungs- und Funktionalreform, in den Ausschuß überwiesen worden ist. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu Recht wird die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ immer wieder als d a s Wirtschaftsförderungsinstrument des Landes benannt, aber gleichzeitig wird auch immer kritisch hinterfragt: Ihr Wirtschaftler, was mach ihr denn mit dem Geld? Wo sind die geschaffenen Arbeitsplätze? Wo finden sich die Strukturen wieder? Warum sind die Arbeitslosenquoten trotzdem noch so hoch? Was habt ihr mit den vielen Millionen Mark gemacht? Und: Ihr könnt doch das Geld gar nicht alles ausgeben!
Zumindest das letzte Argument gilt schon etwas länger nicht mehr; denn inzwischen sind wir an einem Punkt angekommen, an dem uns eher die Ausgaben einholen. Aber auch die anderen Bemerkungen sind erklärbar.
Zunächst möchte ich das Argument überhaupt nennen: Wirtschaftsförderung schafft Dauerarbeitsplätze in überregional tätigen Unternehmen auf dem ersten Arbeitsmarkt. Damit hegen wir natürlich auch die Hoffnung, zumal dies auch hochproduktive Arbeitsplätze sind, daß sich die Lohnsituation, die Einkommenssituation gerade bei diesen Arbeitsplätzen dramatisch verbessert und daß sich damit auch die finanzielle Situation von Familien positiv entwickeln wird. Das ist schlichtweg auch, wenn man jetzt von der Arbeitsplatzsituation ausgeht,
das Argument, warum wir sagen: Diese Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt sind uns das wichtigste.
Zum anderen ist es auch so: Wirtschaftsförderung hat geholfen und hilft weiter, die Wirtschaftsstruktur selbst zu entwickeln und zu verbessern. Erst kürzlich war Herr Professor Pohl vom IWH wieder einmal in unserer Fraktion. Er hat noch einmal unterstrichen, daß man nicht unterschätzen sollte, was für eine wettbewerbsfähige Wirtschaftsstruktur sich entwickelt hat, daß es durchaus sehr viele wettbewerbsfähige Unternehmen gibt, daß aber, wenn man insgesamt die Wirtschaftsstruktur betrachtet, die Decke noch zu dünn ist, daß es eigentlich noch zu wenige sind und daß das eigentliche Problem für Sachsen-Anhalt darstellt.
Deshalb wird auch in Zukunft Förderung notwendig sein. Da aber auch Geldnot herrscht - wir brauchen nur an die Aufstellung der letzten Haushalte zu denken, und ich will jetzt noch gar nicht an die Aufstellung des Haushalts für das Jahr 2001 denken -, sind die Mittel der öffentlichen Hand immer sehr knapp. Das heißt, daß zweite, was Professor Pohl und auch andere gefordert haben, nämlich eine Differenzierung der Förderung, eine stärkere strukturfördernde Ausrichtung der Förderung, wird ein Thema sein.
Deshalb möchten wir gern im Vorfeld der Haushaltsverhandlungen - dem soll auch unser Antrag dienen - in einer Fachdiskussion in den Ausschüssen, die sich das Thema Arbeitsplätze und Wirtschaftsstruktur auf die Fahne geschrieben haben, ganz ruhig über dieses Thema reden. Sie sehen das vielleicht auch schon an den Fragen, die wir in dem Antrag aufgeworfen haben.
Die meisten Zahlen wird mein Minister, denke ich, hinterher aufführen; aber lassen Sie mich als Einbringerin wenigstens auch einige Zahlen nennen. Wenn man den Zeitraum 1991 bis 1999 ansieht, sind mit der Gemeinschaftsaufgabe 5 799 Projekte der gewerblichen Wirtschaft mit einem Investvolumen von 46 066 Millionen DM gefördert worden und dadurch 127 249 Arbeitsplätze geschaffen und 126 728 Arbeitsplätze gesichert worden. Das ist, meine ich, eine ganz beachtliche Leistung, die in diesen Jahren vollbracht worden ist.
Es wird weiter kritisch hinterfragt: Wofür ist das Geld ausgegeben worden, für welche Arbeitsplätze? Es kommt auch oft das Argument: Da wird ein Betrieb das erste, das zweite, das dritte Mal gefördert, und am Ende sind es noch weniger Arbeitsplätze. Das ist in einigen Fällen natürlich richtig, aber die Gemeinschaftsaufgabe ist auch dafür eingesetzt worden, die Produktivitätslücke zu schließen, den Rückstand, den wir hatten, aufzuholen. Nachdem dieser Produktivitätsrückstand nun überwunden ist, gehen auch die Wissenschaftler davon aus, daß wir mit den jetzt eingesetzten Geldern einen höheren Beschäftigungseffekt erzielen, weil wir nämlich auf einen niedrigen, aber relativ gefestigten Sockel aufsetzen können.
Man darf sich gar nicht vorstellen, wie wenig Arbeitsplätze wir hätten, wenn dies in den letzten Jahren nicht gemacht worden wäre. Die von mir erwähnten Arbeitsplätze gäbe es dann nicht. Es ist auch klar: Nur durch diesen Einsatz der Wirtschaftsförderungsmittel konnte der Rest einer industriellen Basis erhalten werden.
Wenn man sich über die Arbeitsmarktförderung unterhält, ist klar - das bestätigen im Grunde alle Fraktionen und ebenso die Institute und die Arbeitsämter -, daß die Arbeitsmarktförderung, der zweite Arbeitsmarkt noch auf längere Zeit notwendig sein wird, weil sich die Differenz
zwischen Arbeitslosenquote, die sehr negativ für das Land aussieht, und der Erwerbstätigenquote, die wiederum, wenn man den Bundesdurchschnitt betrachtet, sehr normal für das Land aussieht, nicht so einfach beseitigen lassen wird.
Allerdings sagen auch hier alle übereinstimmend und seit einiger Zeit auch das Landesarbeitsamt, vertreten durch Herrn Dr. Hess, man müsse sich in diesen Bereichen noch mehr auf Zielgruppenförderung konzentrieren. Den Zielen, mit denen die Arbeitsmarktförderung im Grunde überlastet wird, in dem man von ihr verlangt, sie solle gleichzeitig die Wirtschaftsstruktur verbessern, die Unterbeschäftigung abbauen, die Infrastruktur verbessern und die Zielgruppen auch noch nachhaltig in den ersten Arbeitsmarkt integrieren, kann die Arbeitsmarktförderung gar nicht gerecht werden.
Wir waren vor kurzem mit dem Wirtschaftsausschuß in Brüssel und haben dort auch mit der neuen Direktorin im Bereich Regionalisierung, mit Frau Slavkov, sprechen können. Sie hat uns in einem Nebensatz unmißverständlich klargemacht, daß auch die Europäische Union in Zukunft noch sehr viel deutlicher darauf sehen wird, was mit den Fördergeldern geschieht. Sie hat etwas lax formuliert: Es ist genug qualifiziert worden in den neuen Ländern; jetzt muß konzentriert auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze orientiert werden.
Das mit der Qualifizierung muß man schon differenziert sehen, weil wir das auch oft als Instrument genutzt haben, um auf eine bestimmte Ansiedlung hin zu qualifizieren. Deshalb würde ich das nicht in Bausch und Bogen irgendwie ablehnen wollen; aber man sollte auch den Halbsatz nicht unterbewerten, daß noch stärker darauf geachtet werden wird - wir haben die Landesmittel, die Bundesmittel und die europäischen Mittel ja miteinander verkoppelt -, daß es um die Schaffung neuer Arbeitsplätze gehen wird.
Dies deckt sich auch mit den Einschätzungen der Wissenschaft bezüglich der Frage, wofür in den kommenden Jahren die Gemeinschaftsaufgabe noch stärker genutzt werden wird und worauf sie sich konzentrieren wird. Das heißt, ihre Bedeutung für den Bereich der kleinen und mittelständischen Unternehmen sowie auch als Förderinstrument für Gründungsinvestitionen und Erweiterungsinvestitionen wird zunehmen.
Wir sollten das Ganze im Ausschuß vertiefen, sollten dort auch noch einmal darauf eingehen, welche Struktur, wenn man sie nach Branchen betrachtet, durch die Wirtschaftsförderung geschaffen worden ist und ob man das in den nächsten Jahren noch zielgerichteter ausrichten kann. Auf dieser Basis würden wir gern in einen konstruktiven Dialog mit allen Fraktionen eintreten. Dem soll der Antrag dienen. Ich bitte also im Namen meiner Fraktion um Annahme dieses Antrages.
Herr Weich, ich finde es schon interessant, daß Sie feststellen, daß die Wirtschaft in Sachsen-Anhalt seit 1998 bergab geht. Das ist exakt der Zeitpunkt des Eintritts ihrer ehemaligen Fraktion in den Landtag. In der Tat hat Wirtschaftspolitik mit etwas Außenwirkung zu tun. Dann sollten Sie sich vielleicht mal überlegen, wenn Sie das so feststellen, woraus das resultiert.
Daß Eheschließungen und Ehescheidungen ein entscheidender Wirtschaftsfaktor sind, das kann ich auch nur begrenzt nachvollziehen. Im Bereich der Gastronomie kann ich das verstehen,
der eine feiert die Eheschließung, der andere die Ehescheidung.
Aber das hat nun auch wieder nicht sehr viel mit Wirtschaftsförderung zu tun. Es wäre mir auch neu, daß wir in Sachsen-Anhalt falsche Arbeitsplatze schaffen und woanders echte Arbeitsplätze geschaffen worden sind.
Aber jetzt möchte ich zu den konkreteren Dingen kommen.
- Frau Fischer, in gewissem Sinne haben sie recht, wir thematisieren die Gemeinschaftsaufgabe und die Wirtschaftsförderung sehr oft. Aber es hat schon eine neue Qualität, die - wenn auch nur ganz vorsichtig - vom Wirtschaftsminister angedeutet worden ist.
Um zu vermeiden, daß wir im Ausschuß erst wieder darüber reden, wenn die Entscheidungen schon gefallen sind, würde ich doch sagen, wir sollten den Satz, den er gesagt hat, ziemlich ernst nehmen. Es geht um die Differenzierung der Förderung, und es geht eher um die Frage, was können wir nicht mehr fördern und was können wir noch fördern. Das ist, denke ich, schon ein ganz entscheidender Richtungswechsel, wenn es um Wirtschaftsförderung geht. Daran sollte der Wirtschaftsausschuß durchaus beteiligt sein.
Der Antrag ist ein wenig eine Krücke, das ist richtig. Aber wieviel Anträge haben wir denn, die eine Krücke dafür sind, ein Problem in den entsprechenden Ausschüssen zu thematisieren? Man muß ja nicht alles nur im Rahmen der Selbstbefassung machen.
Aber die Beschäftigung mit den Rahmenplänen hat nun wieder nur beschränkt etwas damit zu tun. Das ist eine jährlich wiederkehrende Beschäftigung mit der Ausdifferenzierung der Förderung und eine Konkretisierung, was die Landesrichtlinien angeht und was die großen Linien angeht, die wir in die Rahmenpläne der Gemeinschaftsaufgabe mit aufzunehmen empfehlen. Da trifft das zu das korrespondiert natürlich ein wenig mit dem Antrag -, was Herr Dr. Süß gesagt hat, daß wir diesmal darauf achten müssen, rechtzeitig mit einbezogen zu werden.
Aber ich denke, daß wir auch dies erst vernünftig tun können, wenn wir uns grundsätzlich mit der Struktur der Förderung beschäftigt haben. Da die Gemeinschaftsaufgabe nun einmal der größte Block ist, auch nachdem wir inzwischen die Forschungsförderung und andere Dinge unter der uns allen bekannten finanziellen Situa
tion dort mit hineingepackt haben, wäre es doch vernünftig, über die Neuausrichtung der Förderung zu sprechen. Diese kann existentiell sein, weil es wirklich ich will es wiederholen - nicht mehr darum geht, was wir fördern, sondern darum, was wir nicht mehr fördern können und worauf wir uns konzentrieren.
Es geht im Ausschuß auch um eine ganz konkrete Analyse zu den Fragen: Wo stehen wir? Wie sieht die Branchenstruktur aus? Wie sehen die Zuliefer- und Absatzbeziehungen aus? Was haben wir an Exportquoten? Wo liegen die Bereiche, die zwar Exportgüter schaffen, die aber gar nicht in die Exportquote eingehen, weil sie Zulieferer für die Automobilindustrie sind und weil diese Exportquoten in anderen Ländern - in den Zahlen jedenfalls - wirksam werden? Wie können wir ganz konkret die Wirtschaftsförderung unter dem finanziellen Aspekt und unter der Notwendigkeit der Neuausrichtung gestalten?
Selbst wenn Sie sich der Stimme enthalten, wird der Antrag eine Mehrheit finden, und ich bin mir ganz sicher, daß im Ausschuß auch die CDU-Fraktion sehr konstruktiv mitdiskutieren wird.