Protokoll der Sitzung vom 09.03.2000

Meine Damen und Herren! Hiermit eröffne ich die 35. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der dritten Wahlperiode. Dazu möchte ich Sie, verehrte Anwesende, auf das herzlichste begrüßen.

Ich stelle die Beschlußfähigkeit des Hohen Hauses fest.

Meine Damen und Herren! Das Mitglied des Landtages Herr Horst Montag hat heute Geburtstag. Im Namen des Hohen Hauses sowie auch persönlich gratuliere ich ihm dazu. Ich wünsche ihm alles Gute.

(Zustimmung bei allen Fraktionen - Herr Montag, DVU-FL, schüttelt mit dem Kopf - Zuruf: Herr Mertens hat Geburtstag!)

- Auch Herr Mertens hat Geburtstag. Das war mir nicht mitgeteilt worden, Entschuldigung. Auch ihm meine herzlichen Glückwünsche.

(Beifall bei der FDVP - Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei der DVU-FL)

Meine Damen und Herren! Am 15. Februar 2000 teilte mir der Abgeordnete Herr Kannegießer schriftlich mit, am 14. Februar 2000 habe sich die Fraktion der Deutschen Volksunion - Freiheitliche Liste, DVU-FL, gebildet, der er vorstehe. Der Fraktion gehören insgesamt sechs bis dahin fraktionsungebundene Abgeordnete an. Mit Schreiben vom 15. Februar 2000 habe ich dem Vorsitzenden der Fraktion der DVU-FL mitgeteilt, daß die angezeigte Fraktionsbildung zustande gekommen ist und den Vorschriften der Landesverfassung und der Geschäftsordnung des Landtages entspricht.

Der Ältestenrat hat sich in seiner 20. Sitzung am 2. März 2000 mit der Frage der Repräsentanz der Fraktionen in den Ausschüssen des Landtages, mit der Veränderung der Redezeittabelle und mit der Änderung der Sitzordnung im Plenarsaal befaßt.

Um die verfassungsrechtlich gebotene Vertretung der Fraktion der DVU-FL in den Ausschüssen zu gewährleisten, empfiehlt der Ältestenrat, in der Frage der Ausschußbesetzung das Rangmaßzahlverfahren anzuwenden und insofern § 12 Abs. 2 Satz 2 der Geschäftsordnung des Landtages entsprechend zu ändern. Dieser Vorschlag ist in der Beschlußempfehlung in Drs. 3/2788 enthalten.

Des weiteren hat der Ältestenrat die Redezeittabelle an die Änderungen in der Zusammensetzung des Landtages angepaßt. Sie liegt Ihnen in der Drs. 3/2799 vor. Im übrigen schlägt der Ältestenrat vor, daß die Redezeittabelle künftig nicht mehr Teil der Geschäftsordnung sein soll, sondern der Ältestenrat ermächtigt wird, eine Redezeittabelle aufzustellen, die dem Landtag zur Kenntnis zu geben ist.

Schließlich möchte ich erwähnen, daß die geänderte Sitzordnung im Plenarsaal einvernehmlich vom Ältestenrat bestätigt worden ist.

Mit Schreiben vom 16. Februar 2000 hat mir die Fraktion der Deutschen Volksunion mitgeteilt, mit sofortiger Wirkung unter der Bezeichnung „Fraktion der Freiheitlichen Deutschen Volkspartei - FDVP“ firmieren und den bisherigen Namen „Fraktion der Deutschen Volksunion“ ablegen zu wollen.

Meine Damen und Herren! Ich komme zu Entschuldigungen von Mitgliedern der Landesregierung. Herr Ministerpräsident Dr. Höppner entschuldigt sich für die Landtagssitzung am Freitag, dem 10. März. Er nimmt an diesem Tag an einem Gespräch mehrerer Ministerpräsidenten der Länder mit dem Präsidenten der Europäischen Kommission, Herrn Romano Prodi, in Brüssel teil.

Herr Minister Dr. Heyer entschuldigt sich ebenfalls für die Landtagssitzung am Freitag. Er wird den Ministerpräsidenten bei der Festveranstaltung des Bundesverbandes deutscher Wohnungsunternehmen e. V. in Wernigerode vertreten.

Herr Minister Dr. Harms möchte die heutige Landtagssitzung um ca. 13 Uhr verlassen, da er um 15 Uhr an der offiziellen Eröffnung eines Teilkomplexes des Schlosses Wörlitz teilnehmen wird, bei der auch der Staatsminister im Bundeskanzleramt Herr Dr. Naumann zugegen sein wird.

Ich komme zur Tagesordnung. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Tagesordnung der 19. Sitzungsperiode des Landtages liegt Ihnen vor. Am 7. März 2000 wurde seitens der Fraktion der CDU fristgemäß ein weiteres Thema zu Tagesordnungspunkt 1 - Aktuelle Debatte - eingereicht. Der Antrag zum Thema „Volle Unterstützung für die bewährte Kinder- und Jugendarbeit gegen willkürliche politische Geschenke“ liegt Ihnen in der Drs. 3/2795 vor. Ich schlage vor, dieses Thema als Tagesordnungspunkt 1 b in die Tagesordnung aufzunehmen. Gibt es weitere Bemerkungen zur Tagesordnung? - Das ist nicht der Fall. Dann können wir so verfahren.

Meine Damen und Herren! Zum zeitlichen Verlauf: Die Fraktionen haben sich im Ältestenrat darauf verständigt, die heutige Sitzung um ca. 20.30 Uhr zu beenden. Die morgige 36. Sitzung beginnt um 9 Uhr. - Herr Miksch, Sie wollten etwas zur Geschäftsordnung sagen. Bitte sehr.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte mich nur kurz dazu äußern, daß es aufgrund der neuen Gegebenheit des Bestehens der zwei neuen rechten Fraktionen nicht möglich ist, für mich einen anderen Platz zu finden. Demzufolge bin ich dem Beschluß des Ältestenrates nachgekommen. Jedoch verbitte ich mir, meine Person und auch meine Partei, die ich als Bundessekretär vertrete, die Vereinigte Rechte, in irgendeinen Zusammenhang mit der DVU oder dieser neuen FDVP zu bringen. Ich sitze lediglich dort, da es nicht anders möglich ist. - Ich bedanke mich.

Wir haben das vernommen, Herr Abgeordneter Miksch. Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Becker. Bitte.

Herr Präsident! Die Akustik ist sehr schlecht, man versteht nichts. Katastrophal!

(Unruhe bei der SPD und bei der CDU - Herr Kühn, SPD: Katastrophal! Aber schon immer!)

Ich kann mich nur bemühen, noch lauter zu sprechen.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Wie bitte? - Heiterkeit bei der CDU - Frau Budde, SPD: Das muß an Ihren Ohren liegen, Herr Dr. Daehre!)

- Herr Dr. Daehre, ich versuche, noch lauter zu sprechen.

Meine Damen und Herren! Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Debatte

Für die Aktuelle Debatte liegen zwei Beratungsgegenstände vor. In der Aktuellen Debatte beträgt die Redezeit je Fraktion fünf Minuten. Die Landesregierung hat eine Redezeit von zehn Minuten.

Ich rufe das erste Thema auf:

Arbeitslosigkeit in Sachsen-Anhalt - bleibt SachsenAnhalt ein Land ohne Zukunft?

Antrag der Fraktion der FDVP - Drs. 3/2789

Es wird folgende Debattenreihenfolge vorgeschlagen: FDVP, SPD, CDU, DVU-FL, PDS. Zunächst hat der Antragsteller, die FDVP, das Wort. Es spricht die Abgeordnete Frau Helmecke. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich nehme an, unser Ministerpräsident hat einmal im Monat bei der Bekanntgabe der Arbeitslosenzahlen in Sachsen-Anhalt eine schlaflose Nacht und denkt - wie könnte es anders sein? - an Rücktritt. Wir meinen, gut so, recht so, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei der FDVP)

Ironischerweise, meine Damen und Herren, hat die PDS vor knapp zwei Jahren in diesem Bundesland noch 293 000 Wählerstimmen eingeheimst. Heute sitzen 294 200 Menschen ohne Arbeit auf der Straße, über 1 000 mehr als im Januar. Ironie des Schicksals? Eine bittere Enttäuschung für die Wähler. Wenn das kein schlechtes Omen ist.

Wer so wählt, sorgt dafür, daß hunderttausende Menschen ihre Arbeitsplätze verlieren, daß das Heer der Langzeitarbeitslosen stetig zunimmt, daß das Heer der Arbeitslosen sich nun auch schon auf die leistungsstarken mittleren Jahrgänge ausweitet.

Es kann davon ausgegangen werden, daß in SachsenAnhalt 350 000 Arbeitsplätze fehlen. Die wirtschaftliche Entwicklung kann eben nicht nur an der investiven Entwicklung des Anlagekapitals, sondern muß auch an der Schaffung von Arbeitsplätzen gemessen werden.

Herr Dr. Höppner, die SPD und ihr De-facto-Koalitionspartner tragen dafür die volle Verantwortung. Es wird unerträglich für die Menschen in unserem Land, mit ansehen zu müssen, wie viele dieser Volksvertreter einen ganzen Landstrich in Grund und Boden wirtschaften, wie sie zulassen, daß Armut und Not in unserem Land Einzug halten, wie ein Viertel der Landesbevölkerung ruiniert wird.

Kümmern Sie sich um Arbeitsplätze, Wirtschaftsaufbau und die Förderung des Mittelstandes in Sachsen-Anhalt.

Sie haben sich um die Macht in diesem Land gerissen. Tun Sie etwas gegen die stetig sinkende Unternehmerzahl in unserer Region, und verschonen Sie uns, Frau Ferchland und Frau Budde, mit Ihrem fundamentalistischen Emanzipationsgebaren.

(Zustimmung von Herrn Wolf, FDVP - Lachen bei der SPD und bei der PDS)

Kümmern Sie sich endlich um die eigenen Kinder, um die Jugend, um die Zukunft unseres Bundeslandes. Heben Sie endlich alle grünen und europäischen Wirtschaftsbarrieren auf, damit die Unternehmer nicht länger behindert werden. Sie sind in der Regierungsverantwortung.

Wo, bitte schön, Herr Landtagspräsident Schaefer, sind wir in Sachsen-Anhalt - ich zitiere - „ein gutes Stück vorangekommen“? Wo können wir „auf das Erreichte mit Stolz zurückblicken“? Worauf, Herr Schaefer, können wir stolz zurückblicken?

Sie werfen den Menschen Larmoyanz vor. Wer 40 Jahre Kommunismus und SED-Diktatur übersteht, ist kein Jammerlappen. Machen Sie sich nicht lustig über die Menschen in unserem Bundesland, die Angst vor der Zukunft, Angst davor haben, schon morgen ihren Arbeitsplatz zu verlieren.

Mehr als jeder vierte Mann oder jede vierte Frau im besten Arbeitsalter in Aschersleben und Hettstedt hat keine Arbeit, kann seine Familie nicht mehr durchbringen. Kinder sitzen auf Sachsen-Anhalts Straßen und betteln um eine warme Mahlzeit. Da sollen die Menschen nicht jammern dürfen?

Wo es Negativrekorde einzufahren gibt, steht SachsenAnhalt an der Spitze. Meine Damen und Herren! Das ist auch dem Umstand geschuldet, daß Sie sich zwar mit allen möglichen anderen politischen Themen beschäftigen, aber für Unternehmensförderung nichts übrig haben und sich der Steuerreform verschließen.

Im Westen gehen die Arbeitslosenzahlen trotz Januarwitterung zurück. Im Osten steigen sie immer weiter an. Das wird dann als normal bezeichnet. Im Januar stieg die Arbeitslosenquote sogar auf 21,9 % an und hat sich auch im Monat Februar nicht verändert. Ja, Herr Schaefer, hierauf können Sie stolz zurückblicken.

In diesem Parlament sitzen Fraktionen, die der Öffentlichkeit suggerieren, daß es falsch ist, sich hinter das eigene Volk zu stellen, daß es falsch ist, zuallererst etwas für die eigene Bevölkerung zu tun. Aber denken Sie daran, hier in Sachsen-Anhalt urteilt das Volk.

Beobachter aus der politischen Mitte sehen einen Hauptgrund für den wirtschaftlichen und sozialen Niedergang unseres Bundeslandes in der bedingungslosen Annäherung der Sozialdemokraten an die PDS. Es heißt, das Land Sachsen-Anhalt bietet aufgrund der kommunistischen Regierungsbeteiligung keine wirtschaftliche Planungssicherheit.

Da liegt also der Hase im Pfeffer, meine Damen und Herren. Die SPD, die noch im Bundestagswahlkampf tönte, daß sie der CDU nacheifernd eine Partei der Mitte, ja eine Volkspartei werden wolle, verbiegt sich bis zur Unkenntlichkeit nach links außen. Das Ergebnis gipfelt in der höchsten Arbeitslosigkeit Deutschlands, ja Europas. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDVP)

Meine Damen und Herren! Bevor für die Landesregierung Frau Ministerin Dr. Kuppe das Wort ergreift, begrüßen wir eine Gruppe der Seniorenunion Dessau und der Caritas Dessau.