Dorothee Berthold

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor wir später über den Bundesverkehrswegeplan debattieren, steht jetzt ein artverwandtes Thema auf der Tagesordnung. Die Anträge der Fraktion DIE LINKE und der Regierungskoalition sehen wir nicht unkritisch, was ich erläutern möchte.
Das Für und Wider im Hinblick auf eine Bundesfernstraßengesellschaft muss differenziert betrachtet werden. Es könnte ein Fehler sein, hier einfache Antworten auf komplexe Fragestellungen zu suchen. Wir lehnen daher ein Konzept für eine Bundesfernstraßengesellschaft nicht kategorisch ab. Vielmehr sollte es das Ziel sein, in Zukunft mehr Effizienz, vor allem beim Erhalt und bei der Bewirtschaftung unserer Autobahnen und Bundesstraßen, zu gewährleisten. Eine Bundesfernstraßengesellschaft kann helfen, diese Ziele zu erreichen.
Politische Interessen hatten in der Vergangenheit oft Einfluss auf die Planung von Projekten. Das wird im Zusammenhang mit dem Bundesverkehrswegeplan besonders deutlich. Von allen Bundesländern wurden hierfür Straßenbauprojekte angemeldet, weil es vor allem die regionale Politik so wollte. Ob die Projekte dabei in das Gesamtnetz der deutschen bzw. europäischen Fernstraßen passten, war und ist in viel zu vielen Fällen unerheblich.
Die zur jetzigen Zeit absolut unnötige Aufblähung des Bundesverkehrswegeplanes könnte durch eine Bundesfernstraßengesellschaft zumindest eingegrenzt werden. In einem gewissen Maße kann es sinnvoll sein, dass die Länder in dieser Frage etwas Macht an den Bund abgeben.
Jetzt bestehende Anreize für Fehlinvestitionen, bedingt durch die Verantwortung für das Planen, Bauen und Verwalten, jedoch nicht für das Finanzieren - das macht ja der Bund -, würden vermieden werden. Außerdem könnten sich unser Verkehrsministerium und die nachgelagerten Behörden sogar einige Probleme ersparen und sich zum Beispiel stärker auf die maroden Landesstraßen, vor allem auf die Brücken, konzentrieren, also auf die eigentliche Kernaufgabe, die durchaus oft vernachlässigt wird.
Es stellt sich natürlich die Frage, in welchem Maße die Planungskompetenz auf eine Bundesfernstraßengesellschaft übertragen werden soll. Hierüber muss offen diskutiert werden. Meines Wissens werden auch vom Bund mehrere Modelle erörtert.
Ein zentraler Punkt, der an das Thema Bundesfernstraßengesellschaft gekoppelt ist, ist die Eigentumsfrage. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist klar: Das Eigentum an einer möglichen Bundesfernstraßengesellschaft sollte weiterhin bei der öffentlichen Hand liegen. Eine Privatisierung der Gesellschaft in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft kommt für uns nicht infrage.
Das gilt ebenso für Einzelprojekte. Die anscheinend sehr ernst gemeinten Gedankenspiele der Bundesregierung, im Bundesfernstraßenbau öffentlich-private Partnerschaftsobjekte - ÖPP genannt - in großem Maßstab einzuführen, sind keine Mittel für die Lösung des Sanierungsstaus. Die Gefahr, dass die Steuerzahler künftiger Generationen die Zeche bezahlen müssen, ist groß. Am Ende kann es nicht darum gehen, wohlhabenden Bürgern neue Geldanlagemöglichkeiten zu erschließen.
Aus dieser Richtung - Versicherungskonzerne, Investmentfonds - weht der Wind bei dieser ÖPPDiskussion jedoch. Die Finanzwelt sollte sich andere Anlagemöglichkeiten suchen.
Natürlich wollen wir auch nicht eine Arbeitsplatzverlagerung bei der Landesstraßenbauverwaltung oder anderen Verwaltungen auslösen. Dies müsste keineswegs passieren. Es wäre wenig hilfreich, wenn eine mögliche Bundesfernstraßenverwaltung in Berlin oder anderswo zu einer Mammutbehörde mutierte. Die Synergien und das Know-how dürfen Sachsen-Anhalt nicht verloren gehen. Deshalb sollten die arbeitsintensiven Detailplanungen weiterhin im Bundesland Sachsen-Anhalt erfolgen. Dies wäre auch logisch. Darüber hinaus könnte sich die Landesstraßenbauverwaltung von Sachsen-Anhalt stärker auf die bereits erwähnte Problematik der Landesstraßen konzentrieren, wenn sie sich weniger intensiv den Bundesfernstraßen widmen müsste.
Ich weiß, es gibt Grüne in anderen Bundesländern, die eine Bundesfernstraßengesellschaft in der Tendenz ablehnen. Aber dort - ich spreche von Baden-Württemberg - hat der grüne Verkehrsminister auch gute Gründe. Baden-Württemberg ist bei den Projektanmeldungen zum Bundesverkehrswegeplan strukturiert vorgegangen. Man hat dort bereits eine tatsächliche Priorisierung vorgenommen. Mit anderen Worten: Baden-Württemberg braucht offensichtlich keine Hilfestellung aus
Berlin. Das ist von außen betrachtet logisch und konsequent
und eine Bundesfernstraßengesellschaft daher vielleicht entbehrlich.
Ja. - In Sachsen-Anhalt liegen die Dinge nun einmal anders. In diesem Gesamtkontext können wir den Anträgen der CDU, der CSU und der LINKEN nicht zustimmen. Wir wollen das Thema Bundesfernstraßengesellschaft zumindest nicht einfach beerdigen.
Der gegenwärtige Status quo im Bereich der Planung, des Baus und der Finanzierung von Bundesfernstraßen ist mehr als nur bedenklich und sollte nicht die Zukunft sein. Wir werden uns deshalb bei der Abstimmung über die Anträge der Stimme enthalten. - Vielen Dank.
Kommen Sie zu mir vor.
Das ist ja ein Projekt der Bundesregierung. Darum habe ich die CSU an dieser Stelle erwähnt.
Ja, das ist richtig. Dann streichen Sie das.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich auf unseren Antrag eingehe, möchte ich kurz einige allgemeine Ausführungen zum Bundesverkehrswegeplan machen. Das Thema dürfte nicht allen in diesem Hohen Hause geläufig sein.
Der Bundesverkehrswegeplan ist nach der allgemeinen Definition ein Planungs- bzw. Steuerungsinstrument. Mit diesem soll der Rahmen für Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur des Bundes abgesteckt werden, einerseits zur Erhaltung der Verkehrsinfrastruktur und andererseits auch für den Aus- und den Neubau.
Weiterhin gehören dazu die B 190n bei Salzwedel, die Pseudoortsumfahrung von Bad Kösen und
Naumburg, die B 87n, oder der Weiterbau der B 6n über die A 9 hinaus. Hierfür hat die Landesregierung gleich zwei Optionen angemeldet. Beide Varianten sind verkehrlich nicht zu rechtfertigen. Sie sind mit hohen ökologischen Schäden verbunden und ignorieren die Hochwasserproblematik an der Mulde.
Die ökologische Alternative zum Straßenverkehrstyp sind die Schienenwege. Grüne Bahnpolitik will mehr Investitionen in die Erhaltung sowie in den Neu- und Ausbau fließen lassen, um Schienenengpässe abzubauen.
Die gegenwärtigen Investitionen in die veraltete Bahninfrastruktur Sachsen-Anhalts gehen in die richtige Richtung. Leider viel zu langsam kommt der Ausbau der Amerika-Linie Stendal-Uelzen voran.
Der zweigleisige Ausbau der Strecke soll endgültig erst im Jahr 2025 in Betrieb gehen. Aber auch das ist noch nicht gesichert. Deshalb wurde die Strecke folgerichtig noch einmal für den Bundesverkehrswegeplan 2015 angemeldet.
Hierbei kann man nur an den Bund appellieren, seiner Verantwortung gerecht zu werden. Gleichzeitig muss sich die Landesregierung prioritär für dieses so wichtige Projekt einsetzen.
Ziel muss es sein, dass die Güter von den nordwestdeutschen Häfen direkt nach Mittel- und Ostdeutschland per Bahn transportiert werden. Dann brauchen wir die überdimensionierte A-14-Nordverlängerung erst recht nicht mehr.
Gerade in Verbindung mit der Amerika-Linie muss auch immer wieder das Thema Lärmschutz beim Bund angesprochen werden. Wenn im Jahr 2025 rund 120 Züge täglich auf der Amerika-Linie fahren, ist das für die Anwohner und Anwohnerinnen ohne Lärmsanierung kaum ertragbar. Die Lärmsanierung dieser Strecke wird eigentlich über andere Geldtöpfe gefördert. Aber letztlich gibt es auch Verknüpfungspunkte zum Bundesverkehrswegeplan.
Verkehrspolitische Prestigeprojekte, die wenig Nutzen für das Gesamtnetz haben, sind zu hinterfragen. Ein ungleiches Augenmaß für Hochgeschwindigkeitsstrecken, das zur Ausdünnung von bestehenden IC-, ICE- und Regionaltrassen führt, ist kritisch zu bewerten. Diese Gefahr besteht momentan durch die Einrichtung der Hochgeschwindigkeitstrasse im Bereich Erfurt-Halle.
Es ist unbedingt auf dem Erhalt oder wenigstens der zeitnahen Wiederaufnahme der im Moment
bestehenden IC-, ICE-Linien auf der Strecke Weißenfels - Jena, Saalebahn, zu bestehen, um den Schienenverkehr für die nicht über die Schnelltrasse anzufahrenden Bahnhöfe zu erhalten.
Die Perspektive, mit zweistündigem IC-Verkehr auf der Saalebahn auf das Jahr 2030 zu warten, wie es das Verkehrskonzept der DB vorsieht, ist hingegen eine Zumutung.
Doch alle Aus- und Umbauvorhaben an den Schienenwegen Sachsen-Anhalts sind nicht umsetzbar, wenn die Regionalisierungsmittel so verteilt werden, wie momentan geplant. Wir kennen die bedrohten Bahnstrecken aus den Debatten im letzten Jahr, allen voran Merseburg - Querfurt, Weißenfels - Zeitz und Stendal - Tangermünde. Viele weitere Haltepunkte würden ganz wegfallen. Das könnte unter anderem für die Amerika-Linie gelten. Die Folgen kennen wir: weitere Abwanderung und Überalterung im ländlichen Raum.
Gemeinsam sind die Ostländer deshalb im Moment bei Verhandlungen über die Änderung des Verteilerschlüssels bei den Regionalisierungsmitteln. Auch unsere Landesregierung muss in Berlin darauf dringen, bei den Regionalisierungsmitteln Verbesserungen herauszuholen. Wenn es am Ende der Klageweg ist, wie bereits andiskutiert, muss gegebenenfalls auch dieser gegangen werden.
Allerdings muss die Landesregierung auch aufzeigen, welche Alternativkonzepte sie in der Schublade hat, um der Ausdünnung des Regionalverkehrs entgegenzuwirken. Das wäre allerdings eine ganz eigene Debatte.
Abschließend noch einige Sätze zu den Wasserstraßen.
Die Planung zum Saale-Ausbau sollte beendet werden. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sieht dieses Projekt sehr, sehr kritisch.
Die mehr als 100 Millionen €, eher 150 Millionen €, sind versenktes Geld. Auch das ist keine Neuigkeit für die hier Anwesenden. Aufgrund der Niedrigwasserphasen der Elbe würde auch beim SaaleAusbau keine Schifffahrt auf der Saale stattfinden können.
Der Elbe-Ausbau ist nicht nur ökologisch nicht zu rechtfertigen, sondern kostet auch immense Sum
men. Der Bund will und kann das nicht zahlen. Das ist Fakt.
Im Bericht zu den Projektvorschlägen für den Bundesverkehrswegeplan war der Elbe-Ausbau nicht einmal mehr als Projekt aufgeführt. Das lässt doch erahnen, wohin die Reise geht.
Zusammenfassend lässt sich sagen: BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN setzt sich für eine realistische Straßenverkehrsplanung ein. Vorrangig sind Straßensanierungsmaßnahmen, der Bau von notwendigen Ortsumfahrungen, die Reduzierung von Verkehrslärm, eine zukunftsfähige Mobilität mit Anreizen für den Umstieg auf Busse, Bahnen und das Fahrrad und die Vermeidung von Lkw-Transporten durch Förderung von regionalen Wertschöpfungsketten.
Ich bin gleich fertig.
Daher legen wir Wert auf konsequente Priorisierung im vorliegenden Bundesverkehrswegeplan. - Danke.
Okay.
Ich versuche es.
Genau.
Wir erleben es bei vielen Straßenprojekten, dass am Ende andere Dinge herauskommen, als vorher bei der Planung offensichtlich waren.
Wir erleben es bei dieser Bundesstraße auch, dass wir viele Bürgerinnen und Bürger mit Einwendungen dagegen finden.
- Doch. Wir haben andere Möglichkeiten benannt, die der BUND und Bürgerinitiativen aufgezeigt haben.
- Ja. Ich habe schon gesagt: Es geht Ihnen sicherlich auch so, dass Sie manchen Sachen zustimmen, bei denen sich im Nachhinein andere Sachen erforderlich machen. Ich denke, das ist hier auch der Fall.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich meine Kritik erneuern. Die Anmeldeliste zum Bundesverkehrswegeplan aus Sachsen-Anhalt ist einfach realitätsfern. Diese Wunschliste ist unfinanzierbar. Es sind sicher viele Sachen dabei, die wir uns wünschen, aber wir wissen, es geht nicht alles. Darum müssen wir abwägen, was wirklich wichtig ist.
Vielmehr müsste der Bundesverkehrswegeplan zu einem Bundesnetzplan weiterentwickelt werden, der die Wirkungen für das Gesamtnetz in den Mittelpunkt stellt. Stattdessen wird der Bund aus den Bundesländern mit Forderungen überhäuft, die den Blick auf die Gesamtnetze von Straße, Schiene, Wasser vernebeln. Für viele Milliarden Euro werden Projekte ohne Prüfung in den Plan geschummelt, obwohl deren Bau in weiter Ferne liegt.
Um eine attraktive und bezahlbare nachhaltige Mobilität zu gewährleisten bzw. weiter verbessern zu können, sind in Anbetracht des demografischen Wandels große Herausforderungen zu bewältigen. Kritische Straßenbaugroßprojekte in Sachsen-Anhalt müssen geprüft und gegen Alternativen abgewogen werden. Parallelplanungen müssen unterbleiben. Naturschutzgründe sollen als Verbotsgrund eines Neubaus akzeptiert werden, Überdimensionierungen sollten vermieden werden und Kosten und Nutzen sollten immer im Verhältnis stehen.
Wir fordern von der Landesregierung, dass sich diese konsequent für die Priorisierung der Projekte einsetzt, die unter Berücksichtigung aller Vor- und Nachteile sinnvoll und notwendig sind. Die Hausaufgaben, welche das Land bei der Meldung der Straßenbauprojekte im Jahr 2013 nicht gemacht hat, können jetzt endlich nachgereicht werden. Ansonsten steht dieses Vergehen für immer auf dem Zeugnis.
Dabei sollte sich die Landesregierung vom Druck der Wahlkreise lösen. Dieser Druck führt bekanntlich erst zu den endlosen Wünsch-Dir-Was-Listen mit Prestigeprojekten in bestimmten Wahlkreisen und löst keine Verkehrsprobleme. Es ist Zeit für einen Bundesverkehrswegeplan, der nicht an einzelne Projekte denkt, sondern an das gesamte Verkehrsnetz: auf der Straße, auf der Schiene und auf dem Wasser. Es ist Zeit für einen grünen
Bundesnetzplan Verkehr. Nicht das einzelne Vorhaben zählt für uns, sondern dessen Wirkung im Netz.
Verkehrsverlagerungseffekte, Kosten durch Umweltzerstörung, Lärm, Flächenverbrauch und Zerschneidung müssen voll in die Planung einbezogen werden. Bis zum Beschluss eines zukünftigen Bundesnetzplanes fordern wir deshalb ein Moratorium für alle nicht begonnenen Neubauprojekte, um den Handlungsspielraum nicht weiter einzuschränken. Unsinnigen umweltzerstörerischen und teuren Prestigeprojekten sagen wir den Kampf an. Wir wollen Ehrlichkeit einführen und nur das planen, was sinnvoll und bezahlbar ist.
Ich bitte trotzdem das Hohe Haus, sich unserem Antrag anzuschließen, und danke.