Christine Lieberknecht
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Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte mich wenigstens kurz auch im Rahmen dieser Debatte zu Wort melden, denn es war von Anfang an auch ein wichtiges Anliegen der Landtagspräsidenten auf den Präsidentenkonferenzen, ausgehend damals von Thüringen hier auf der Wartburg im vergangenen Jahr, den Konvent zur Zukunft Europas intensiv zu begleiten, aus den Parlamenten heraus Positionen zu entwickeln und diese dann auch zu vertreten und intensiv auch mit den deutschen Vertretern im Konvent im Gespräch zu sein. Es wurde ja aus den Debattenbeiträgen und auch aus dem Bericht von Ihnen, Herr Minister Kaiser, deutlich, dass da eine ganze Menge gelungen ist. Ja, man kann von einer neuen Qualität sprechen, die wir auch in der Zusammenarbeit auf dieser Ebene erreicht haben. Nun steht die Frage: Wie wird der Gestaltungsspielraum der deutschen Länder und ihrer Landtage, Landesparlamente in den kom
menden Jahrzehnten aussehen? Eine Frage, die ja über viele Jahre schon in wissenschaftlichen Zirkeln, in Symposien, in Foren diskutiert worden ist, die aber nun unabweisbar Einzug gehalten hat auf der politischen Ebene, da, wo sie hingehört, wenn man substanziell Veränderungen erreichen möchte, und zwar im Bund wie in Europa. Wir selbst haben das ja auch in großer Geschlossenheit der Parlamentspräsidenten, aber auch der Fraktionsvorsitzenden aller Fraktionen in den deutschen Landtagen in Lübeck am 31. März getan. Auch hier waren die entsprechenden Repräsentanten der Fraktionen des Thüringer Parlaments dabei in Anwesenheit des Bundespräsidenten, des Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz. Ich denke, all das unterstreicht die Bedeutung. Wer auch die Publizistik in den letzten Wochen und Monaten gerade auch über die Sommerpause zur Kenntnis genommen hat, der hat merken können, dass dieses Thema eine Resonanz gefunden hat wie eigentlich lange nicht mehr oder überhaupt so lange ich politisch tätig bin. Wir haben zwar vieles angestrebt, aber diesen Niederschlag hat es in all den letzten Jahren nicht gegeben, der nun auch über die Sommerpause erreicht worden ist in dem, was man auch dazu in der veröffentlichten Meinung lesen konnte, und zwar auch auf nationaler wie auf europäischer Ebene.
Nur ganz kurz, um die nationale Ebene zu streifen, da wird ja nun im Oktober endgültig die Föderalismuskommission des Bundestages und der Ministerpräsidenten eingesetzt, aber auch unter Beisein zumindest mit beratender Stimme und auch mit Antragsrecht, also mit vollem Redeund Antragsrecht, dass wir auch unsere Position als Parlamente einbringen können, unter Mitwirkung von Vertretern der deutschen Landtage. Es werden Landtagspräsidenten und auch Fraktionsvorsitzende sein, genau muss noch abgestimmt werden, wer dann die Vertretung im Einzelnen wahrnimmt, aber dass wir als Parlamente vertreten sein werden ist gesichert.
Nach der noch immer richtigen Einsicht, es ist besser der Spatz in der Hand - es ist eigentlich schon mehr als ein Spatz - als die Taube auf dem Dach, das heißt, wir haben doch etliches erreicht, wenngleich nicht alles. Ein Erfolg, der in der Tat mit der Geschlossenheit der Landtage quer über alle politischen Farben in den grundsätzlichen Fragen erreicht werden konnte. Ich denke, das ist auch eine Basis, auf der die Landtage gut vorbereitet sind, sowohl auf nationaler Ebene die Diskussionen, die jetzt in der Kommission anstehen, zu begleiten und auch intensiv in den einzelnen Landtagen begleitend zu führen. Auch was die europäische Ebene betrifft, haben wir doch in den letzten Wochen und Monaten durch die Diskussionen, die wir auch hier im Thüringer Landtag, auch im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten geführt haben, auch durch das unmittelbare Gespräch in Brüssel vor Ort, wo die Akteure sitzen, eine ganze Menge an Europafitness - will ich es einmal nennen - hinzugewonnen. Das ist auch wichtig, weil eben das, was auf europäischer Ebene geschieht, immer mehr auch uns hier berührt. Über verschiedene Einzelheiten des Europäischen Verfassungs
vertrags hat uns Herr Minister Kaiser berichtet. Die Vertreter der Fraktionen sind darauf eingegangen und es steht eben jetzt vor den Regierungen der Mitgliedstaaten, vor den Abgeordneten des Europäischen Parlaments, vor den nationalen Parlamenten und in Deutschland auch vor dem Bundesrat die Aufgabe der Entscheidung über die Zustimmung zu diesem Verfassungsvertrag.
Die Auseinandersetzung darüber - auch darauf wurde schon hingewiesen - wird am 4. Oktober auf der Regierungskonferenz der Europäischen Union in Rom beginnen. Die Elle, mit der gemessen wird, wird sicher dabei je nach Situation von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat sehr unterschiedlich sein. Herr Dr. Botz, Sie wiesen gerade auf Schwierigkeiten bei den mittelosteuropäischen Beitrittskandidaten hin, aber, ich denke, auch da muss man intensiv im Gespräch sein, um am Ende tatsächlich die Zustimmungen zu erreichen. Für die deutschen Länder und die Landtage lautet letztlich auch eine entscheidende Frage: Wie sieht die Zukunft der Region unter diesem Verfassungsvertrag aus? Wie verändern sich die Möglichkeiten der Länder, ihre Gestaltungsspielräume gegenüber der Europäischen Union zu wahren oder eben auch auszubauen, was wir immer wieder in unseren Erklärungen gefordert haben. Diese Frage ist in der Tat nicht ganz einfach zu beantworten. Es wurde deutlich gesagt, die positiven Aspekte überwiegen. Ich will nur noch einmal kurz unterstreichen, in der Tat, Kompetenzkategorien und Handlungsmöglichkeiten der Europäischen Union werden klarer gefasst - das ist wichtig -, sie werden damit durchschaubarer, auch das haben wir gefordert. Vertragsziele begründen keine Kompetenzen mehr, auch das war eine zentrale Forderung, die wir hatten. Die Anwendung der Generalklausel wird zumindest etwas eingeschränkt. Die lokale und regionale Ebene haben Eingang in die Definition des Subsidiaritätsprinzips gefunden. Auch das ist eine neue Qualität. Ihren Belangen ist nach dem Subsidiaritätsprotokoll Rechnung zu tragen. Ein so genanntes Frühwarnsystem, was wir ja hier auch in der Diskussion hatten und eine deutliche Forderung von uns war, ermöglicht den nationalen Parlamenten, und zwar allen Kammern, zu intervenieren, wenn sie das Subsidiaritätsprinzip verletzt sehen. Entsprechende Einwände begründen ein Klagerecht vor dem Europäischen Gerichtshof wegen eines Verstoßes gegen das Subsidiaritätsprinzip und das gilt auch für den Ausschuss der Regionen, auch das war eine zentrale Forderung. Er wird damit auch in seiner Eigenschaft sozusagen als Wächter der Subsidiarität gestärkt.
Doch, und auch das wurde ja deutlich, soll man die andere Seite nicht verschweigen und auch darüber offen diskutieren, eine Konzentration der Europäischen Union auf Kernzuständigkeiten, wie wir es gern gesehen hätten, ist nicht gelungen; im Gegenteil, es sind einzelne Materien hinzugekommen, die die Zuständigkeiten der Länder berühren, auch das wurde bereits erwähnt, wie etwa der Sport, das Gesundheitswesen, Zivilschutz und andere, und auch die für die Zukunft geplante Koordination von Wirtschafts- und Sozialpolitik ist eine neue Qualität, auch das
werden wir im Auge behalten müssen, wie die Entwicklungen weitergehen.
Bedauerlich ist, dass Regionen mit Gesetzgebungsbefugnis, wie unsere Länder, keine unmittelbaren Stellungnahmen gegenüber der Europäischen Union abgeben dürfen noch dass sie ein unmittelbares Klagerecht erhalten hätten. Ob es ausreicht, den nationalen Parlamenten und dem Ausschuss der Regionen lediglich ein Klagerecht gegen die Verletzung des Subsidiaritätsprinzips und nicht auch der Kompetenzordnung selbst einzuräumen, das muss sich zeigen. Ich denke, auch hier sollten wir die Entwicklung einfach offen beobachten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, insgesamt jedoch, daran kann trotz dieser wenigen auch nur punktuell herausgegriffenen kritischen Hinweise kein Zweifel sein, würde der Verfassungsvertrag die Stellung der Regionen in der Europäischen Union deutlich verbessern, deutlich festigen. Das ist, denke ich, ein sehr gutes Ergebnis in Anbetracht der Ausgangslage, die uns ja auch von dem Präsidenten des Konvents, von dem Vorsitzenden ganz andere Töne am Anfang hat befürchten lassen und sie sind auch geäußert worden. Da ist doch eine erstaunliche Entwicklung eingetreten. Dass dies gelingen konnte, daran haben, wie gesagt, viele mitgewirkt. Ich denke, damit sind auch die Chancen deutlich erhöht, ein Europa zu schaffen, das auch mit 25 Mitgliedern handlungsfähig bleibt, das demokratischer und durchschaubarer wird und den Regionen einen Gestaltungsspielraum sichert, den die Regionen brauchen, und wo ich überzeugt bin, dass sie ihn auch weiter ausbauen werden. Wir haben das auch jüngst erlebt mit unserem Besuch in Malopolska, Kleinpolen, unserer Partnerregion, die auch eine große Konferenz einberufen haben unter ihren mittelosteuropäischen Nachbarregionen, und zwar ganz ohne die Westeuropäer. Die haben uns gar nicht gebraucht dazu, wir waren dank der Partnerschaft zufällig dabei, konnten uns dabei auch äußern. Das ist schon beachtlich, wie die auch in voller Souveränität, in voller Selbstständigkeit und mit Selbstbewusstsein diese Fragen aufgreifen und wissen, sie müssen europäfähig sein und sind es auch.
Das Ergebnis alles in allem ist deshalb zustimmungsfähig, dem stimme ich ausdrücklich zu. Auch ich teile die Meinung, dass wir bei jeder Art, wie auch immer, von Aufschnürung des Pakets am Ende mehr verlieren als gewinnen würden. Deswegen kann ich nur sagen, es ist etwas erreicht, was deutlich besser ist als der Status quo. Deswegen empfehle auch ich meinerseits der Landesregierung die Zustimmung, da wo sie gefragt ist, im Bundesrat, zu dem Verfassungsvertragswerk und möchte noch einmal ausdrücklich allen danken, die hier im Parlament, im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten, im Plenum die Initiative ergriffen haben, das zum Thema gemacht haben, denn dieses Thema gehört hier in den Thüringer Landtag. Herzlichen Dank. Ich kann nur sagen, weiter auf diesem Weg und ich bin gern dabei. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Zeit ist zwar schon fortgeschritten, aber ich denke, das Thema verdient es, dass wir es umfänglich behandeln und ich möchte zunächst einmal für die Initiative danken, dass dies heute möglich ist, Ihnen Herr Bergemann und der CDU-Fraktion.
Wir greifen damit im Thüringer Landtag ein Thema auf, das zurzeit ja mehrere Landtage beschäftigt und im Juni dieses Jahres auch intensiv die Landtagspräsidentenkon
ferenz auf der Wartburg beschäftigt hat -, die zukünftige Ordnung der Europäischen Union. Der Konvent zur Zukunft der EU stellt dafür gegenwärtig ja die entscheidenden Weichen. Es ist, denke ich, in den Beiträgen schon hinreichend gesagt worden. Was in diesen Monaten verhandelt wird, ist für den Freistaat Thüringen und auch für unseren Thüringer Landtag von grundsätzlicher Bedeutung. Der Konvent soll u.a. die Zuständigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten und der Europäischen Union besser abgrenzen und verteilen. Das ist kein "Lieblingsthema" von ein oder zwei Fraktionen hier im Haus, sondern es ist ein zentraler Punkt des Konvents, der gegenwärtig dazu stattfindet. Er soll eben dem Subsidiaritätsprinzip mehr politikbestimmende Kraft verleihen. Nur wenn es gelingt - ich denke, auch darüber müssten wir uns eigentlich einig sein -, die schleichende Kompetenzauszehrung zu stoppen und Zuständigkeiten auch zurückzuholen, können sich die Länder im Bundesstaat Bundesrepublik Deutschland einigermaßen sicher sein, auch weiterhin eine politisch gestaltende Größe zu bleiben oder sogar, was wir ja wünschen, wieder mehr Gestaltungsspielräume zu gewinnen. Nicht zuletzt deshalb laufen die Debatten über die Zukunft der Europäischen Union und der föderalen Ordnung in Deutschland parallel. Für die Landtage sind diese Reformen noch wichtiger, meine ich, als für die Landesregierungen. Es ist nämlich jahrzehntelang Praxis gewesen, dass ein Weniger an Kompetenzen durch ein Mehr an Mitsprache ausgeglichen worden ist, wohlmerklich für die Landesregierungen. Das hat Politik nicht gerade durchschaubarer gemacht und profitiert haben davon im deutschen Exekutivföderalismus eben die Regierungen. Den Landtagen waren nur Gestaltungs- und Kontrollmöglichkeiten genommen und zwar ohne Kompensation. Dass die Landesregierung den zweiten Thüringer Sitz im Ausschuss der Regionen - wir haben Fritz Schröter, als unseren Vertreter, ja gerade gehört - abgetreten hat, verstehe ich als eine Geste. Diese Geste signalisiert mir, dass die über Jahrzehnte entstandene Schieflage zu Lasten der Parlamente registriert wird und dafür danke ich. Doch dieses parlamentsfreundliche Verhalten lindert zwar die Symptome, kuriert aber letztlich das Leiden nicht. Klar ist, nur wo die Länder eindeutig zuständig sind und ihnen keiner von außen reinreden kann, können auch die Landtage stark sein. In der Gesetzgebung und der Kontrolle von Regierung und Verwaltung Zuständigkeiten zu entflechten, ist deshalb, denke ich, das Gebot der Stunde. In Punkt 1.4 des Entschließungsantrags der CDU-Fraktion klingt das ja auch an.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Zeitpunkt für den Antrag ist gut gewählt, denn der Konvent ist weit vorangekommen und inzwischen liegt ja ein Vorentwurf für einen Verfassungsvertrag vor. Wichtiger noch, die drei einschlägigen Konventsarbeitsgruppen haben Ausschussberichte vorgelegt; die Arbeitsgruppen für Subsidiarität, für die so genannten ergänzenden Zuständigkeiten und einzelstaatliche Parlamente. Wie immer bei Kompromisspapieren liegen Licht und Schatten dicht beieinander. Sie bleiben hinter den Erwartungen der Eisenacher Landtagspräsidentenkonferenz zurück, das muss ich konstatieren, weisen
aber doch zumindest in die richtige Richtung. Einige Beispiele möchte ich nennen. Sie haben sich zum Teil auch im Antrag der CDU-Fraktion niedergeschlagen. Die in den Punkten 1.5 und 2.8 angesprochene bessere Beteiligung der nationalen Parlamente ist ein wesentlicher Ertrag der bisherigen Konventsarbeit. Sie soll ein Wirken der Europäischen Union im Geiste der Subsidiarität sichern helfen. Wird der Vorschlag Teil des Verfassungsvertrags, dann ergibt sich daraus folgendes Verfahren: Zeitgleich mit den europäischen Institutionen unterrichtet die europäische Kommission alle Kammern der nationalen Parlamente über geplante Vorhaben und fügt einen so genannten Subsidiaritätsbogen bei. Die einzelstaatlichen Parlamente können im Rechtsetzungsverfahren einen Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip rügen und lenkt die Kommission nicht ein, haben jene Parlamente das Recht, den Europäischen Gerichtshof anzurufen, die diesen Frühwarnmechanismus in Gang gesetzt haben. Das entspricht zwar nicht dem von den Landtagspräsidenten geforderten Kompetenzorgan und der Klagegrund Subsidiarität ist auch enger als eine Klage in Kompetenzangelegenheiten allgemein, es wäre aber unzweifelhaft ein bedeutender Fortschritt.
Noch ein Wort zum Klagerecht: Das in Punkt 3.4 geforderte Klagerecht von Regionen mit Gesetzgebungsbefugnissen hat in der Arbeitsgruppe Subsidiarität keine Unterstützung gefunden. Für das in Punkt 3.2 verlangte Klagerecht des AdR sind aber die Chancen, auch das haben wir eben durch Fritz Schröter gehört, bedeutend besser. Die Arbeitsgruppe spricht sich für dieses Recht aus, wenn der AdR ähnlich wie die nationalen Parlamente im Gesetzgebungsverfahren Einwände erhoben hat. Zu Recht weist der CDU-Antrag darauf hin, dass auch der Bundesrat in dieses Frühwarnsystem eingebunden wäre. Das heißt, die Länder profitieren mit. Ich denke, die Erwartung, dass der Landtag frühzeitig unterrichtet wird und Möglichkeit zur rechtzeitigen Stellungnahme hat, wenn Hoheitsbereiche der Länder berührt sind, ist selbstverständlich. Wir haben ja gerade die Debatten dazu in den letzten Tagen gehabt. Wir müssen zu gegebener Zeit allerdings prüfen, ob Rechtslage und Praxis in Thüringen wie auch in anderen Ländern den neuen Möglichkeiten auf Dauer noch genügen. Diese Frage ist unter anderem auch Gegenstand zur Vorbereitung der großen gemeinsamen Konferenz, die wir ja in Deutschland am 31. März des nächsten Jahres mit allen Landtagspräsidentinnen und Präsidenten und den Vorsitzenden aller Fraktionen in den deutschen Landtagen haben werden. Die Verfassung von Baden-Württemberg kennt etwa für Europafragen eine Berichtspflicht, die über die entsprechenden Regelungen in unserer Landesverfassung deutlich hinausgeht. Der Stuttgarter Landtag wird so zum frühestmöglichen Zeitpunkt unterrichtet und die Landesregierung, so heißt es, gibt ihm Gelegenheit zur Stellungnahme. Nach Abs. 2 in Artikel 34 a der Baden-Württembergischen Verfassung hat die Landesregierung die Stellungnahme zu berücksichtigen, wenn Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder berührt sind. Ich denke, diese Vorschrift ließe sich ohne Weiteres auch für weitere Länder, auch für Thüringen, übernehmen. Zwar kann, und auch darüber be
steht Einigkeit, die Stellungnahme die Landesregierung letztlich nicht binden, aber sie dürfte doch politisch von einigem Gewicht sein und das ist auch nicht unerheblich. Die Berücksichtigung einer Stellungnahme des Parlaments ist erst recht angebracht, wenn es eben nicht allein um sekundäres Gemeinschaftsrecht geht, sondern die Verträge selbst geändert werden sollen und dadurch letztlich Hoheitsrechte der Länder berührt sind. In diese Richtung weist dann auch Punkt 1.6 des vorliegenden Entschließungsantrags. In Deutschland wird zurzeit für Vertragsänderungen dieser Art über einen weiter gehenden Vorschlag diskutiert. Er läuft darauf hinaus, dass eine Mehrheit auch der deutschen Landtage einer Änderung der europäischen Verträge zustimmen muss, wenn Hoheitsrechte der Länder berührt sind und nur dann darf auch der Bundesrat zustimmen. Wie gesagt, das ist ein Punkt in der Diskussion.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, einige Punkte des Entschließungsantrags betreffen nicht allein die verfahrensrechtliche Absicherung der Subsidiarität, sondern auch die Kompetenzordnung selbst. Ich möchte noch einmal die hier schon diskutierten Punkte, etwa 2.4 und 2.6 des CDU-Antrags bzw. Punkt 4 von Ihnen, Herr Dr. Botz, im SPD-Änderungsantrag, aufgreifen: die Zielbestimmungen, Querschnitts- und Generalklauseln. Es sind eben die klassischen Einfallstore der Europäischen Union in die Zuständigkeiten anderer Ebenen. Die offene Koordinierung scheint ein solches Tor zu werden, wenn wir hier nicht aufpassen. Deswegen ist es wichtig, dass der Thüringer Landtag dies auch deutlich benennt und dass zumindest in diesen beiden Anträgen auch Einigkeit darüber besteht. Im gegenwärtigen Verhandlungsstand spricht allerdings, auch das muss konstatiert werden, wenig dafür, dass sie sich wirklich schließen lassen, aber Einiges deutet darauf hin, dass sich der Durchlass zumindest besser kontrollieren und lenken lässt, wenn Vorschläge der Konventsarbeitsgruppe zu ergänzenden Zuständigkeiten in den künftigen Verfassungsvertrag aufgenommen werden. Auch hierzu noch einige wenige Anmerkungen. Ob sich wirklich etwas ändert, wenn, wie vorgeschlagen, wörtlich heißt es "ergänzenden Zuständigkeiten" in ebenso wörtlich "unterstützende Maßnahmen" umbenannt werden, lässt sich noch nicht abschätzen. Wichtiger ist, dass die Arbeitsgruppe sich mit der Generalklausel in Artikel 308 des Europäischen Gemeinschaftsvertrags und den Binnenmarktgeneralklauseln in Artikel 94 bzw. Artikel 95 des EG-Vertrags befasst hat. Sie sollen nicht gestrichen, aber ihre Anwendbarkeit soll an engere Voraussetzungen gebunden werden. Es scheint den Konventsmitgliedern also ernst mit dem Rückschnitt allzu großzügiger Rechtsgrundlagen zu sein; und der Schutz der nationalen Identität, das war ja eben in unserer Demokratie strittig verhandelt, und des föderalen Staatsaufbaus in Deutschland, wie es im CDU-Antrag heißt, oder des Rechts der nationalen Selbstbestimmung über den innerstaatlichen Staatsaufbau eines der Mitgliedsstaaten im Punkt 3 Ihres Antrags, Herr Dr. Botz, ist eben etwas, was angemahnt worden ist und was auch ernst genommen worden ist. Ich will ein kleines Beispiel für einen Punkt dieser nationalen Identität
nennen, dem auch die Kolleginnen und Kollegen von der PDS-Fraktion, zumindest inhaltlich zustimmen werden. Wenn wir die Medienpolitik nehmen, die in Nachbarländern, in Frankreich beispielsweise, rein als Wirtschaftsfaktor und unter den Regeln des Binnenmarkts betrachtet wird und wir als Deutsche mit unserer Identität und unserer Geschichte dagegen halten, dass dieser Bereich für uns zuvörderst Kulturgut ist - ich denke, da sind wir an einem ganz wichtigen Punkt, gerade im Blick auf ethische Einflussnahme im Medienbereich, den wir nicht aufgeben wollen. Es ist ein Punkt, der in dieses Thema hineinspielt und wo wir diese Absicherung brauchen. Darauf deutet auch der Vorschlag der Arbeitsgruppe hin, dass ihr dies ernst ist. Die CDU hat im Punkt 6.3 des Vertrags aufgenommen, dass dies Bestand haben soll oder da, wo es angebracht ist, möglichst auch erweitert werden soll. Es soll konkreter beschrieben werden, was denn die schützende nationale Identität ausmacht und das ist, glaube ich, auch wichtig für das Verständnis, zum Beispiel für die politische und verfassungsrechtliche Struktur der Mitgliedsstaaten einschließlich der regionalen und eben auch der kommunalen Selbstverwaltung, wie wir sie in Deutschland haben, oder etwa auch für den rechtlichen Status von Kirchen und Glaubensgemeinschaften. Auch das ist immer ein ganz wichtiger Punkt, der angesprochen wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Schluss. Die Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen Landesparlamente haben mit weiter gehenden Forderungen versucht, die Arbeit des Konvents im Sinne der Landtage zu beeinflussen, aber man muss realistisch sein. Die Ausgangsposition, auch das wissen wir, ist selten das Ergebnis, zumal in einer Europäischen Union mit 15 Mitgliedsstaaten und einem Mehrfachen der Regionen und der greifbar nahen Erweiterung um unsere mittelosteuropäischen Nachbarn, für die wir uns ja auch stets eingesetzt haben und auch bis zum Beitritt einsetzen werden. Festzuhalten bleibt, die Fahrt geht in die richtige Richtung und die Landtage sollten gemeinsam mit den Landesregierungen versuchen, diesem Ziel noch ein Stück näher zu kommen. Ich begrüße daher ausdrücklich den vorliegenden Entschließungsantrag der CDU-Fraktion und denke auch, dass die Änderungen des Änderungsantrags der SPDFraktion sich da gut einpassen lassen, so dass wir dann am Ende auch eine gute Mehrheit im Haus für diesen Antrag haben. Es ist gut, wenn der Thüringer Landtag signalisiert, dass er die Arbeit des Konvents genau im Blick und eben klare Vorstellungen von den angestrebten Zielen hat. Ich danke, auch das möchte ich sagen, ausdrücklich dem Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten für seine kontinuierliche Arbeit an diesem Thema, die ja mit diesem Tag weitergehen wird, auch das ist ja im Antrag deutlich gesagt. Die Länder, Deutschland und Europa, können durch einen lebens- und leistungsfähigen Föderalismus nur gewinnen und es lohnt sich, dafür zu arbeiten und hartnäckig am Ball zu bleiben. Auch dieser Wille wird mit dem Antrag zum Ausdruck gebracht. Auch dafür möchte ich mich sehr bedanken. Danke schön.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Latussek ist gestern von seinem Amt als Thüringer BdVVorsitzender zurückgetreten.
Dennoch sprechen wir heute über Konsequenzen aus seiner Entgleisung in einer Rede vom 9. November in Arnstadt vor Vertriebenen. Es ist auch notwendig, darüber zu sprechen, denn viele Zuschriften von Heimatvertriebenen, die sicher nicht nur ich bekommen habe, sondern viele von uns, zeigen, dass noch immer nicht alle begriffen haben, warum nach unserer, ich denke, übereinstimmenden Auffassung in diesem Hause, Herr Latussek nicht länger im Amt bleiben durfte.
In Dutzenden von Briefen fragen uns Vertriebene, warum seid ihr so hart, warum distanziert ihr euch so von diesem Mann? Das heißt, es gibt auch nach diesem vollzogenen Rücktritt Klärungsbedarf. Der fängt eben bei der unmissverständlichen Anerkennung von Auschwitz als Ort für die tiefste Schande unseres Volkes an,
als Ort der massenhaften Vernichtung von Menschen, von jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern durch den Terror mörderischen Rassenwahns der Nationalsozialisten. Diese Verbrechen waren und sind bis heute so ungeheuerlich, dass jede Relativierung, jede wie auch immer geartete Aufrechnung sich verbieten.
Herr Latussek hat eben zum wiederholten Male in unerträglicher Weise relativiert und sich in Zusammenhänge verstrickt, die jeder Grundlage entbehren. Er hat nichts begriffen nach der Absage des parlamentarischen Abends im Mai 2000 hier im Haus und auch nicht wirklich etwas begriffen im Nachgang zu seiner Rede in Arnstadt. Sich beispielsweise angesichts seiner wiederholten Äußerungen auf die Frage von rein strafrechtlicher Relevanz seiner Aussagen zurückziehen zu wollen, trifft den Kern der Sache, um die es geht, nicht. Es geht um die politische Bewertung dieser Vorgänge. Da ist es so, dass die Vertriebenen durch Herrn Latussek vorsätzlich dem Verdacht ausgesetzt wurden, in der rechtsextremen Ecke zu stehen und da gehören sie nicht hin und dagegen müssen sich auch zuallererst die Vertriebenen selbst wehren
und sich von Herrn Latussek distanzieren, wie es auch der Bundesverband sehr eindeutig, glasklar und zu Recht getan hat.
Es gibt Tausende von Heimatvertriebenen, die sich in beispielhafter Weise für unser Land engagieren, die Brücken der Versöhnung in ihre frühere Heimat bauen, die die Kulturarbeit der Vertriebenen pflegen und das soll auch so bleiben einschließlich auch der Erinnerung an das Schicksal der Heimatvertriebenen, was wir ausdrücklich nicht tabuisieren, wie es in früheren DDR-Zeiten der Fall war, wo nicht einmal darüber gesprochen werden durfte.
Aber auf diesem Feld, nicht zuletzt auch im Blick auf das gemeinsame Europa, ist viel zu tun. Da muss gearbeitet werden, vor allem glaubwürdig gearbeitet werden; glaubwürdig in der Erinnerung an das eigene Schicksal der Heimatvertriebenen, glaubwürdig in den Lehren, die wir alle aus unserer deutschen Geschichte mit ihren Höhen, aber auch finsterster Barbarei zu ziehen haben, glaubwürdig in dem Wirken und Bauen von Brücken in einem geeinten gemeinsamen Europa. Das ist eine der großen Zukunftsaufgaben, aber nicht für jemanden, der auch nur den Verdacht einer Relativierung von Auschwitz aufkommen lässt und eine irrige Argumentation über Dinge führt, die ausschließlich er selbst in den Raum gestellt hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen in Zukunft Thüringen weiter gestalten, aus den Lehren der Vergangenheit auch mit den Vertriebenen, die hier viel aktiv einzubringen haben. Herr Latussek hat den Weg für einen Neuanfang frei gemacht. Es kommt jetzt aber darauf an, diesen Weg auch zu gehen. Ich weiß, dass viele hier im Parlament unter uns sind, die dabei gut helfen können und eine solche Hilfe sicher auch nicht verweigern. Nur, es muss unmissverständlich klar sein, was geht und was nicht geht, und daran darf auch in Zukunft niemand einen Zweifel lassen. Danke.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, wir behandeln heute in erster Beratung die von den drei Fraktionen eingebrachten Entwürfe des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Thüringer Abgeordnetengesetzes, mit denen die Konsequenzen aus dem am 21. Juli diesen Jahres verkündeten Urteil des Bundesverfassungsgerichts bezüglich des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 des Thüringer Abgeordnetengesetzes gezogen werden sollen. Konkret geht es dabei darum, dass das Bundesverfassungsgericht mit dem genannten Urteil festgestellt hat, dass der Erlass von § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 des Thüringer Abgeordnetengesetzes gegen § 2 Abs. 1 Satz 2 der damaligen Vorläufigen Landessatzung für das Land Thüringen in Verbindung mit Artikel 38 Abs. 1 und Artikel 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Grundgesetzes verstoßen, soweit danach parlamentarische Geschäftsführer der Fraktionen, stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Ausschussvorsitzende zusätzliche Entschädigungen erhalten. Das heißt, mit dieser Feststellung hat das Bundesverfassungsgericht zum Ausdruck gebracht, dass die streitbefangene Regelung des Thüringer Abgeordnetengesetzes nicht mit der Verfassung vereinbar ist. Allerdings konnte dies nur in einer Weise erfolgen, dass das Bundesverfassungsgericht feststellte, der Erlass dieser Normen habe gegen die Vorläufige Landessatzung und gegen das Grundgesetz verstoßen. Die Feststellung beinhaltet hingegen keine Nichtigkeitserklärung, mithin auch keine Aufhebung der rechtswidrigen Norm. Dies ist vielmehr umgehender Auftrag an den Gesetzgeber selbst, den Thüringer Landtag. Alle drei Fraktionen des Thüringer Landtags stellen sich diesem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts, und zwar uneingeschränkt, wie die Entwürfe in Drucksache 3/1010 von der PDS-Fraktion, in Drucksache 3/1016 von der SPD-Fraktion und in Drucksache 3/1025 von der CDU-Fraktion zeigen. Das heißt, damit wird nicht nur umgehend dem ergangenen Urteil Folge geleistet, sondern in einem Fall, im Gesetzentwurf in Drucksache 3/1010, dem Gesetzentwurf der PDS, wird sogar eine weiter gehende Beschneidung auch der für die Fraktionsvorsitzenden auf 50 Prozent der bisher auf 100 Prozent angesetzten zusätzlichen und so auch vom Bundesverfassungsgericht gebilligten Entschädigung emp
fohlen. Doch darüber wird in einer vergleichenden Betrachtung aller drei Entwürfe in den Ausschussberatungen zu sprechen sein wie auch andere Fragen, die aufkommen könnten, wenn man die durchaus auch zukunftsweisenden Passagen des Urteils, die es ja über weite Strecken gibt, etwas näher beleuchtet.
Ich will nur eine Passage nennen, in der es heißt: "Vornan muss das Parlament zeitgemäße Strukturen ausbilden können, die der Vielzahl, Bandbreite und Komplexität der Gegenstände parlamentarischer Gesetzgebung und Kontrolle Rechnung tragen. Demgemäß setzt das Gelingen einer wirksamen und rationalen parlamentarischen Arbeit besondere Qualifikationen demokratischer Führung, vor allem besondere Sach- und Verfahrenskunde sowie Fähigkeiten der Information, Kommunikation und des Vermittelns voraus. Dies spricht dafür, dass Funktionen geschaffen und unter bestimmten Voraussetzungen auch besonders honoriert werden können, mit deren Hilfe die politische Willensbildung koordiniert werden kann." So weit wörtlich aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Allerdings sieht das Bundesverfassungsgericht dies in den folgenden Ausführungen offensichtlich auf die Fraktionsvorsitzenden beschränkt, was bei der Fülle der durchaus korrekt aufgezählten Dinge, die zu leisten sind, schon verwundern darf. Darüber hinaus kann man natürlich auch statusrechtliche Fragen berühren. Ich weiß, dass in diesem Kontext zumindest einige auch über die Einbindung beispielsweise in Sozial- und Rentensysteme nachdenken. Doch ich möchte als Präsidentin dieses Parlaments an dieser Stelle die exemplarisch aufgezählten Gedanken nicht vertiefen, sondern vielmehr meinen Dank zum Ausdruck bringen, dass alle drei Fraktionen sich sofort nach dem Ende der Sommerpause mit dem Urteil befasst haben und sich in den jeweiligen Fraktionen auf die nunmehr vorliegenden Gesetzentwürfe zur Änderung des Thüringer Abgeordnetengesetzes verständigt haben. Ich gehe davon aus, dass es sich weder die Fraktionen als Ganzes noch die einzelnen Abgeordneten damit leicht gemacht haben. Vielmehr liegen den eingebrachten Entwürfen intensive Diskussionen in den Fraktionen zugrunde und dennoch oder gerade deshalb möchte ich schon einmal bemerken, weil auch hier und da, zwar nicht durchschlagend, aber doch vernehmlich Rufe in der Öffentlichkeit laut waren, die da hießen: "auf Zeitgewinn spielen" oder gar von "Abwehrstrategie" die Rede war, von "Verzögerungen" und "Tatenlosigkeit". Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will hier nur sagen, das Bundesverfassungsgericht hat neun Jahre für dieses Urteil gebraucht - sicher gab es Gründe dafür, Prioritäten des Gerichts, die woanders gelegen haben, ich will da überhaupt keine Schelte betreiben -, das Urteil, was wir haben, ist nicht einmal drei Monate her, inklusive Sommerpause. Ich denke, da soll man die Kirche dann schon im Dorf lassen, denn ich kann nur feststellen, es ist bemerkenswert schnell gehandelt worden.
Jedenfalls hat dies kein anderes Parlament von denen, die in einer vergleichbaren Lage wie Thüringen sind, z.B. Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt oder Mecklenburg-Vorpommern, bisher getan. Zugegeben, sie waren auch nicht direkt beklagt wie Thüringen, wobei ein entsprechender Änderungsbedarf aufgrund des ergangenen Urteils auch dort unstreitig sein dürfte. Auf keinen Fall, und da waren wir uns im Ältestenrat einig, konnte es für unseren Thüringer Landtag angehen, jegliche Aktivitäten in dieser Sache etwa zurückzustellen, bis sich diverse Arbeitsgruppen aller 16 Länder oder der Länder mit dem Bundestag - in welcher Zusammensetzung auch immer - möglichst konsensual zu diesem Thema und allen damit verbundenen parlamentsrechtlichen, parlamentsorganisatorischen oder auch parlamentshistorischen Fragen oder welchen Fragen auch immer verständigt haben. Diese Arbeitsgruppen sollen tagen, sie sollen sich auch verständigen, wo es möglich ist, werden wir sie auch parallel zur Ausschussberatung mit einbeziehen, sofern Ergebnisse vorliegen, aber keine Beratung, in welchem Gremium auch immer, kann uns unsere Verantwortung, die wir hier im Thüringer Landtag haben, abnehmen. Verantwortung, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch das möchte ich betonen, haben wir allerdings auch in der Vergangenheit wahrgenommen; im Pro wie auch im von Anfang an bestehenden Kontra gegen die bisherigen Regelungen des Thüringer Abgeordnetengesetzes. Auch das möchte ich kurz um der historischen Erinnerung und auch Wahrhaftigkeit willen ins Gedächtnis rufen. Zunächst das Pro: Bei der Einbringung des damaligen Entwurfs des Thüringer Abgeordnetengesetzes hat der damalige Landtagspräsident Gottfried Müller formuliert, als er ausführte - ich zitiere, und zwar vom 10. Januar 1991: "Wir gehen davon aus, dass leistungsfähige Fraktionen die Voraussetzung für eine leistungsfähige Parlamentsarbeit darstellen. Von dieser Wertung der Fraktionsarbeit ausgehend, ist es logisch, dass der Entwurf auch bei der Grundentschädigung für die Abgeordneten, also bei der eigentlichen Diät, den Vorsitzenden, parlamentarischen Geschäftsführer und stellvertretenden Vorsitzenden der Fraktionen eine Zusatzentschädigung, abgestuft von 100 bis 40 Prozent, zuspricht.
§ 5 Abs. 2 unseres Entwurfs regelt diese Frage.... Ich vermerke diesen Umstand", immer noch Zitat Dr. Müller, "besonders deswegen, weil es unter den Juristen nicht unbestritten ist, dass überhaupt eine Differenzierung entsprechend parlamentarischer Funktionen stattfindet. Die strengere Auffassung, der vor längerer Zeit auch das Bundesverfassungsgericht Ausdruck verliehen hat, geht von einer Gleichbehandlung aller Abgeordneten aus, mit Ausnahme des Präsidenten und der Vizepräsidenten, die im vorliegenden Entwurf 100 bzw. 70 Prozent Zusatzentschädigung erhalten sollen. Wir waren jedoch nach genauer Prüfung der Argumente der Meinung, dass es von der Sache her, die in den neuen Ländern besonders deutlich hervortritt, gewagt werden kann, auf eine Weiterentwicklung der Rechtssituation zu vertrauen. Auch die Ausschussvorsitzenden haben dem Entwurf nach eine Zusatzentschädigung von 40 Prozent zu beanspruchen." So weit aus der Beratung des Jahres
1991. Dieses Wagnis, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ist, wie wir heute nach über neun Jahren wissen, zwar nicht vollständig, aber doch in entscheidenden Teilen als verfassungswidrig erklärt worden. Ich selbst habe in der mündlichen Verhandlung vom 2. Mai 2000 vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe für die bestehende Regelung ausdrücklich geworben damit,
dass der Thüringer Landtag für die Erledigung seiner oft sehr komplexen, verantwortungsvollen und umfangreichen Aufgaben eine interne Organisation und Arbeitsteilung benötigt, die seiner nicht zuletzt durch die Verfassung vorgegebenen Aufgabenstellung als oberstes Organ demokratischer Willensbildung entspricht. Wörtlich führte ich dann aus: "Dabei können die wichtigsten politischen Aufgaben regelmäßig nicht etwa von Mitarbeitern der Landtagsverwaltung ohne eigenes Mandat, sondern nur von Mitgliedern des Landtags selbst wahrgenommen werden. Folglich muss das Parlament als Gesamtheit aller gleichberechtigten und gleich zu alimentierenden Abgeordneten bestimmte innerparlamentarische Funktionen auf einzelne Abgeordnete übertragen.... Ein Beharren aber auf der formalisierten Gleichheit aller Abgeordneten, auch für den Bereich der parlamentarischen Binnenorganisation, würde eindeutig zu einer Schlechterstellung der Funktionsträger und damit zu einer faktischen Ungleichheit führen, einer Ungleichheit, die die Funktionsträger benachteiligen würde. Dies jedoch wäre eine, auch mit dem Hinweis auf die Verpflichtung zur egalitären Gleichheit, nicht zu rechtfertigende Negierung des materiellen Gleichheitsgebots, das verlangt, Gleiches gleich, Ungleiches aber tatsächlich auch ungleich zu behandeln." So viel zur Erinnerung. In ganz besonderer Weise, denke ich, trifft das auf die parlamentarischen Geschäftsführer zu, deren Bedeutung dem Bundesverfassungsgericht wohl doch eher verschlossen blieb, ein Punkt, an dem ich meine sachlichen Zweifel am ergangenen Urteil doch nicht verschweigen möchte. Aber auch das Kontra, was es von Anfang an gab, möchte ich ebenfalls nicht unerwähnt lassen. Bereits mit Datum vom 4. März 1991 brachte die damalige Fraktion Neues Forum/GRÜNE/Demokratie Jetzt einen Gesetzentwurf ein, der die Abschaffung der damals noch bestehenden 13. Entschädigung betraf, sie ist ja inzwischen seit Jahren Geschichte, aber eben auch in Anlehnung an das Bundesverfassungsgerichtsurteil von 1975 - die Streichung sämtlicher zusätzlicher Entschädigungen für Funktionsträger mit Ausnahme des Landtagsvorstands. Auch hier ein Zitat von Seiten der damals antragstellenden Fraktion Neues Forum/GRÜNE/Demokratie Jetzt (aus der 2. Beratung vom 20. März 1991). Ich führe wörtlich aus: "Wir sind deshalb gegen die Zuschläge für einzelne parlamentarische Funktionen, weil wir der Meinung sind, dass mit diesen Zuschlägen eine Ungleichheit der Parlamentarier erzeugt wird, dass dadurch ein Streben nach parlamentarischen Funktionen aus rein pekuniären Gründen gefördert wird. Es gibt kein Maß für die Aktivität, für das Engagement in einzelnen parlamentarischen Funktionen. Deshalb gibt es auch keine Grundlage,
diese Funktionen in irgendeiner Weise finanziell zu begünstigen." So weit aus der damaligen Argumentation. Die Linke Liste-PDS hat sich damals diesem Antrag angeschlossen. Dieser Antrag wurde allerdings in namentlicher Abstimmung damals mit 17 Jastimmen gegen 47 Neinstimmen und 14 Enthaltungen bei 81 abgegebenen Stimmen abgelehnt und mündete dann, wie wir wissen, schließlich im Gang der Abgeordneten Büchner und Geißler nach Karlsruhe. Dass dieser damalige Antrag nach nunmehr neun Jahren durch das Urteil von Karlsruhe doch noch zum Erfolg gekommen ist, mögen wir hier im Haus sicherlich unterschiedlich bewerten. Aber dass es in unserem Staat, dass es in dieser Bundesrepublik Deutschland möglich ist, dass Männer wie Matthias Büchner oder Siegfried Geißler, Repräsentanten der Bürgerbewegung von 1989 und Sprecher des Neuen Forums, eine Überzeugung, die sie für sich als Recht erkannt haben, bis zum obersten Gericht dieses geeinten Deutschlands verfolgen können, vor diesem Gericht sprechen können, Argumente austauschen und am Ende, zumindest in großen Teilen, Recht bekommen, ist unbeachtet aller inhaltlichen Kontroversen, denke ich, in seinem Symbolgehalt für diesen Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland wohl kaum zu übertreffen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ihre Reaktion zeigt es, wir sollten gelegentlich eben auch einmal daran denken, ehe wir uns in den Ausschussberatungen dann an die Arbeit im Detail machen. Ich empfehle den Fraktionen die Überweisung aller drei Anträge an den Justizausschuss. Ich denke, dass ich hier im Namen aller drei Fraktionen sprechen kann, wenn ich das tue. Ich wünsche konstruktive Beratung und danke noch einmal, dass Sie alle sich mit den vorliegenden Entwürfen, dem ergangenen Urteil so umgehend gestellt haben. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung der Thüringer Landeshaushaltsordnung will ich aus Sicht des Landtags insgesamt nur auf einige Probleme hinweisen, die das parlamentarische Budgetrecht betreffen, die ich zum Teil schon während der letzten Haushaltsberatungen angesprochen hatte und wo wir auch im Einzelfall, denke ich, eine ganz gute Lösung gefunden hatten, und zwar erstens: In § 7 Abs. 2 wird zur Prüfung verpflichtet, inwieweit staatliche Aufgaben oder öffentlichen Zwecken dienende Tätigkeiten durch Ausgliederung oder Privatisierung wirtschaftlicher erfüllt werden können. Die Privatisierung staatlicher Aufgaben ist ein Mittel, das zur Verschlankung des Staates, zum Abbau von Staatsaufgaben und möglicherweise zu einer wirtschaftlicheren und besseren Erledigung öffentlicher Aufgaben beitragen kann und von daher auch zu begrüßen ist. Die Privatisierung hat aber auf der anderen Seite auch Folgen für die Stellung des Parlaments. Sofern es sich nicht nur um eine Organisationsprivatisierung, sondern um eine echte Privatisierung handelt, beendet diese die parlamentarischen Mitwirkungsund Kontrollbefugnisse, da grundsätzlich auch die staatliche Verantwortung für die Aufgabenerledigung endet. Wenn die Prüfung nach § 7 Abs. 2 zu dem Ergebnis führt,
dass eine staatliche oder öffentliche Aufgabe privatisiert werden sollte, dann dürfte die Entscheidung darüber nicht ohne Einbeziehung des Landtags getroffen werden. Ich meine, über diese Frage sollte im Ausschuss eingehend beraten werden.
Zum Zweiten: Die Voraussetzungen der gegenseitigen oder einseitigen Deckungsfähigkeitserklärungen von Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen im Haushaltsplan ist Regelungsgegenstand des § 20 Abs. 2 des Regierungsentwurfs. Gerade an dieser Regelung des Entwurfs wird folgendes Grundproblem besonders deutlich: Je mehr der Grundsatz der sachlichen Bindung gelockert wird, desto weniger bestimmt der Haushaltsgesetzgeber, für welche Ziele die Mittel ausgegeben werden; die parlamentarische Kontrolle wird schwieriger und die Transparenz darüber, wofür die Verwaltung die Mittel verwendet, wird reduziert. Die Freistellungen vom Grundsatz der sachlichen Bindung führen somit zu Steuerungs- und Kontrollverlusten des Landtags.
Wir haben dieses Problem bereits bei der Verabschiedung der Haushaltsgesetze 1999 und 2000 erörtert und in diesen Zusammenhängen auch gelöst.
In § 4 Abs. 2 Haushaltsgesetz 2000 ist so insbesondere vorgeschrieben, dass die Inanspruchnahme der Deckungsfähigkeit in bestimmten Fällen der Einwilligung des Haushalts- und Finanzausschusses bedarf, wenn mehr als 20 Prozent des Ansatzes eines Titels für die Deckung herangezogen werden sollen. Diese Regelung im Haushaltsgesetz sollte, meine ich, künftig generell für alle Haushalte gelten und daher auch in die Landeshaushaltsordnung aufgenommen werden.
Ein dritter Punkt: In § 45 Abs. 4 des Regierungsentwurfs ermächtigt das für die Finanzen zuständige Ministerium, anstelle des Haushaltsgesetzgebers im Rahmen des Haushaltsvollzugs unter besonderen Voraussetzungen im Einzelfall die Übertragbarkeit von Ausgaben zuzulassen. Da das für die Finanzen zuständige Ministerium sozusagen stellvertretend für das Parlament tätig wird, wäre für die Übertragbarkeitsentscheidung im Rahmen des Haushaltsvollzugs unter dem Gesichtspunkt der Budgethoheit des Landtags ebenfalls eine vorherige Zustimmung des Haushalts- und Finanzausschusses zu erörtern. Was von Seiten der Landesregierung oder des Finanzministers als eine Belastung oder jetzt als eine Entlastung des Haushaltsund Finanzausschusses gesehen wird, ist auf der anderen Seite natürlich auch ein Weniger an Informationsund Steuerungsmöglichkeit, auch hierüber sollte diskutiert werden. Dabei kann man sich sicher auf Grenzbeträge einigen, ab wann eine Beteiligung des Haushaltsund Finanzausschusses angezeigt ist.
Ein Viertes: Im Zusammenhang mit der Veranschlagung von Verpflichtungsermächtigungen ist in § 16 Satz 2 des Regierungsentwurfs vorgesehen, dass für den Fall der Veranschlagung von Verpflichtungen zulasten mehrerer
Haushaltsjahre die Jahresbeträge im Haushaltsplan anzugeben sind, soweit dies voraussehbar ist. Diese Regelung sollte um die Festlegung ergänzt werden, dass der Landtag über Jahresbeträge, die nicht von Anfang an voraussehbar waren, unverzüglich nach Bekanntwerden ihrer voraussichtlichen Höhe zu informieren ist.
Soweit einige Punkte, die ich aus Sicht einer Parlamentspräsidentin für den Landtag hier einbringen wollte. Vielen Dank.