Christoph Matschie
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Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, ich habe mich noch mal zu Wort gemeldet, weil ich Danke sagen möchte. Ich habe mich damals vor gut 13 Jahren entschieden, mein Mandat als Bundestagsabgeordneter und als Staatssekretär in der Bundesregierung niederzulegen. Manche erinnern sich, die Wahl war nicht ganz so glücklich ausgegangen für die SPD. Aber für mich war klar, auch für so ein Ergebnis muss ich einstehen. Ich bin auf die Oppositionsbank gegangen im Thüringer Landtag und ich habe diesen Schritt nicht bereut. Ich habe ihn deshalb nicht bereut, weil ich hier viele Menschen getroffen habe, aus den Fraktionen, aber auch in der Mitarbeiterschaft der Fraktionen des Landtags, die mit hohen Idealen und sehr großem Einsatz hier am Werk sind.
Dafür möchte ich mich bedanken. Natürlich ist klar, dass wir mit Worten hier streiten, dass das unsere Werkzeuge sind. Aber Worte kann man benutzen, um Unterschiede herauszustellen, eigene Positionen zu markieren. Man kann sie aber auch benutzen, um zu verletzen und Menschen gegeneinander aufzuhetzen. Ich finde, wir sollten in den Parlamenten, die ja das Herz der Demokratie sind, versuchen, uns auf die erste Variante zu konzentrieren,
mit Worten klarzumachen, wo politische Unterschiede sind, aber nie den Respekt zu verlieren vor unterschiedlichen Meinungen, denn davon lebt die Demokratie. Ich gehöre zu denjenigen, die 1989 in die Politik eingestiegen sind, wie einige andere auch,
weil es wichtig war, dass jeder seine Meinung haben kann, auch seine politische Meinung, seine politische Überzeugung und die auch austragen kann. Ich werde jetzt in ein anderes Parlament wechseln, aber ich bleibe Thüringer Abgeordneter und ich freue mich immer, wenn ich Menschen, die ich hier kennen- und schätzen gelernt habe, auf dem weiteren politischen Weg wieder begegne. Herzlichen Dank, dass ich hier meine Arbeit tun durfte. Es war mir eine Ehre, Abgeordneter dieses Parlaments zu sein.
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! In einem Punkt, Herr Tischner, stimmen wir sicher überein, dass wir vor einem enormen Umbruch in der Schullandschaft stehen, was die Personalsituation angeht. Bis 2025 werden rund 8.000 Lehrerinnen und Lehrer ausscheiden, die ersetzt werden müssen. Gleichzeitig steigen die Schülerzahlen im Zeitraum bis 2025 um 5 bis 6 Prozent an. Das ist eine enorme Herausforderung. Trotzdem kann ich nur davor warnen, hier den Kollaps des Schulsystems an die Wand zu malen, weil das kein einziges Problem löst.
Das löst kein einziges Problem, sondern das trägt nur zu schlechter Stimmung bei und zu dem Eindruck, dass Politik nicht handlungsfähig wäre.
Es geht nicht ums Schönreden und ich werde hier auch nichts schönreden, aber wer ein bisschen Ahnung von der Materie hat, weiß, dass Personalpolitik sehr langfristig wirkt und dass wir heute,
Herr Tischner, immer noch auch mit Konsequenzen aus personalpolitischen Entscheidungen der CDU zu kämpfen haben
und auch mit personalpolitischen Entscheidungen aus der letzten Koalition zwischen CDU und SPD, das sage ich auch ganz deutlich. Die CDU hat damals verhindert, dass mehr Lehrer eingestellt werden können.
Ich erinnere noch einmal daran. Als wir den letzten Doppelhaushalt beschlossen haben für die Jahre 2013 und 2014,
wollte der damalige CDU-Finanzminister nicht einmal 150 zusätzliche Lehrerstellen zugestehen. Wir haben damals den Doppelhaushalt monatelang
blockiert, um am Ende 400 Stellen herauszukriegen – gegen Ihren erbitterten Widerstand.
Heute stellen Sie sich hin und sagen: Da ist nichts passiert, was notwendig gewesen wäre. Wir hätten schon damals beginnen müssen, das absehbare Problem abzufangen. Das hat damals die CDU verhindert. Wenn ich hier an die finanzpolitischen Debatten mal erinnern darf.
Entschuldigen Sie bitte.
Ich habe Ihnen gesagt, was die Fakten aus den letzten Jahren sind. Das hat nichts mit Schuldzuweisungen zu tun, sondern mit Klärung von Fakten. Damit fängt jede Politik an, dass man Fakten zur Kenntnis nimmt, auch von Ihrer Seite. Und wenn ich an die finanzpolitischen Debatten erinnere: Es gibt ein Stellenabbaukonzept der Landesregierung. Die CDU wollte damals noch viel weiter gehen, die etwas über 8.000 Stellen, die dann am Ende beschlossen worden sind, sollten getoppt werden. Der Fraktionsvorsitzende sitzt hier, Mike Mohring, er wollte damals über 11.000 Stellen abbauen. Was hätte denn das für die innere Sicherheit, für die Situation bei den Lehrern bedeutet? Das hätte doch viel drastischere Einschnitte bedeutet.
Diese Koalition hat erst mal den Stellenabbau gestreckt bis 2025, sonst hätten wir jetzt massive Einschnitte im Lehrerpersonal.
Das ist die Wahrheit, Herr Tischner, der Sie auch mal ins Auge schauen müssen. Und dann empfehle ich Ihnen, dass Sie sich mal innerhalb der Fraktion unterhalten, was Sie eigentlich wollen: Mehr Stellenabbau, wie Ihr Fraktionsvorsitzender fordert, oder mehr Lehrereinstellungen, wie Herr Tischner hier fordert? Klären Sie das doch mal bitte intern. Sie können sich doch nicht hier hinstellen und zwei Dinge, die sich nicht miteinander vereinbaren lassen, gleichzeitig fordern.
Wir stehen vor einem enormen Umbruch, da sind wir uns einig. Ich glaube auch, man kann mit Fug und Recht sagen, dass der Kampf gegen Unter
richtsausfall die zentrale bildungspolitische Herausforderung der nächsten Jahre sein wird. Und da sind die Zahlen nicht gut, das will ich hier auch ganz offen und schonungslos sagen. Wir hatten noch im Schuljahr 2013/2014 einen ersatzlosen Unterrichtsausfall, der bei 3,2 Prozent lag, inzwischen sind das 5,5 Prozent und die Tendenz steigt. Deshalb ist klar, dass wir handeln müssen. Besonders prekär ist die Situation in den Regelschulen, dort sind wir inzwischen bei fast 6,7 Prozent Unterrichtsausfall, das haben wir an anderer Stelle auch schon diskutiert.
Ja, der Stundenausfall hat inzwischen auch dazu geführt, dass im Halbjahr 2016/2017 ungefähr 10.000 Schülerinnen und Schüler in bestimmten Fächern keine vollständigen Halbjahreszeugnisse hatten. Auch beim Endjahreszeugnis gab es noch viele Schüler, die nicht alle Noten auf dem Zeugnis hatten. Die Zahl ist halbiert worden auf 5.000, aber auch 5.000 sind immer noch deutlich zu viel, das sage ich hier ganz offen.
Deshalb müssen wir alles tun, um das Problem Unterrichtsausfall so schnell, aber eben auch so umfassend und nachhaltig wie möglich in den Griff zu kriegen. Einige wichtige Schritte dazu sind eingeleitet, ich will nur die Erhöhung der Zahl der Neueinstellungen nennen. Auch die Übernahmeangebote für die DaZ-Lehrkräfte, die Rückkehr zur Lehrerverbeamtung – auch das ist ein Thema, über das wir schon viele Jahre diskutiert haben. Und ich erinnere mich sehr genau daran, dass die CDU nicht die Rückkehr zur Lehrerverbeamtung wollte, als ich die damals gefordert habe, sondern diesen Schritt blockiert hat. Auch das hat dazu geführt, dass wir bestimmte Fachlehrer, die wir damals schon gebraucht hätten,
eben nicht bekommen haben, weil die in Bundesländer gegangen sind, wo verbeamtet wurde. Selbstkritisch in die eigenen Reihen muss ich sagen: Wir haben auch zu lange gebraucht, um diese Entscheidung zu treffen, wieder zur Lehrerverbeamtung zurückzukehren, das hätte gleich am Anfang der Legislaturperiode erfolgen können. Aber inzwischen ist die Entscheidung getroffen und die Verbeamtung hat wieder eingesetzt.
Auch die Besoldungserhöhung bei den Regelschullehrern, wo die Situation besonders prekär ist, ist inzwischen beschlossen – auch ein wichtiger Schritt, den diese Koalition gegangen ist. Trotzdem werden diese Weichenstellungen noch nicht ausreichen und wir brauchen weitere Maßnahmen, und zwar Maßnahmen, die gut ineinandergreifen, sich sinnvoll ergänzen. Das ist nicht bei allen Dingen, die Sie vorgeschlagen haben, Herr Tischner, der Fall. Ich will es an einigen Beispielen mal deutlich machen.
Man kann sich natürlich, wie Sie das machen, auf die Situation der Lehramtsanwärterinnen und -anwärter konzentrieren, das ist auch ein wichtiger Punkt, aber es ist längst nicht
der einzige Punkt. Und wir brauchen ein Bündel von kurzfristig wirkenden Maßnahmen, aber eben auch langfristigen Maßnahmen.
Was wir jetzt in den Haushaltsberatungen stemmen müssen – nach meiner Überzeugung –, ist eine deutliche Aufstockung der Vertretungsreserve, weil eines klar ist: Wir haben gegenwärtig rund 950 Langzeiterkrankte nach Aussagen des Ministeriums, die werden wir nicht mit 100 Lehrern in der Vertretungsreserve kompensieren können.
Hier brauchen wir eine deutliche Aufstockung. Auch eine Rückkehr zum Programm „Geld statt Stellen“ muss damit einhergehen, damit man schnell vor Ort und unbürokratisch eingreifen und Ausfall kompensieren kann. Klar ist aber auch, dass die kurzfristigen Entlastungsmaßnahmen nicht genügen. Deshalb brauchen wir Maßnahmen, die den Lehrerberuf in Thüringen dauerhaft attraktiver machen. Ich habe eben die Rückkehr zur Verbeamtung erwähnt, auch die Besoldungsanpassung, und jetzt müssen weitere Schritte folgen. Ich glaube, dass es insbesondere notwendig ist, dass wir Lehrerinnen und Lehrern wieder rechtssichere Entwicklungs- und Beförderungsmöglichkeiten eröffnen. In den letzten Jahren hat es ja Versuche gegeben, solche Beförderungs- und Funktionsstellen über untergesetzliche Regelungen zu lösen. Das hat sich als rechtlich nicht tragfähig erwiesen. Deshalb, glaube ich, muss man eine Verankerung entsprechender Funktionsstellen im Thüringer Besoldungsgesetz vornehmen. Eine solche Anpassung halte ich für notwendig, wenn wir attraktive Karrierewege auch für Lehrerinnen und Lehrer wieder eröffnen wollen.
Nein, wir planen nicht das Gegenteil, Herr Tischner.
Attraktivitätssteigernd ist es auch, wenn wir die Eigenverantwortung der Schulen weiter ausbauen. Die schulscharfe Stellenausschreibung sollte als Regelinstrument eröffnet werden, weil so auch Lehrer und Schulen besser zueinander finden können, wir passfähigere Angebote machen und Schulen sich auch selbst auf den Weg machen können, um geeignete Bewerberinnen und Bewerber zu finden. Wir brauchen mit Sicherheit auch eine breit angelegte Werbekampagne, denn das Problem, das wir hier diskutieren – Lehrermangel in bestimmten Fä
chern –, ist nicht nur ein Thüringer Problem, sondern ein bundesweites, und wir sind hier in einem bundesweiten Wettbewerb.
Gleichzeitig brauchen wir, glaube ich, eine Studienberatung, die sich stärker an den Bedarfen orientiert, und ein Landesstipendium für Lehramtsstudierende in Mangelfächern oder für solche, die sich bereit erklären, in bestimmte Regionen mit Lehrermangel zu gehen.
Ich habe hier nur einige wenige Punkte aus unserem Antrag herausgegriffen, die anderen sind ja im Papier nachzulesen.
Ich will Ihnen auch noch mal sagen, dass bestimmte Punkte, die Sie in Ihrem Papier vorgeschlagen haben, nach meiner Überzeugung nicht wirklich tragfähig sind, auch rechtlich nicht tragfähig. Wenn Sie zum Beispiel sagen, wir müssen bestimmten Gruppen von Lehramtsstudierenden eine Einstellungsgarantie geben oder Bonuspunkte bei der Vergabe von Referendariatsplätzen, dann wissen Sie auch, dass das mit den grundgesetzlichen Bestimmungen nicht in Einklang zu bringen ist. Das ist doch alles rechtlich durchdiskutiert und ausgeurteilt. Es macht doch keinen Sinn, Scheinlösungen vorzuschlagen, die am Ende vor den Gerichten wieder scheitern.
Geradezu kontraproduktiv wäre Ihr Vorschlag, wenn man sämtlichen Lehramtsanwärtern einen Referendariatsplatz verspricht. Die Hälfte der Bewerbungen um einen Referendariatsplatz bezieht sich auf die Schulart Gymnasium. Das ist aber nicht die Schulart, wo wir die meisten Referendare brauchen, sondern das ist in anderen Schularten der Fall. Würden wir Ihrem Vorschlag folgen, würden wir Referendariatsplätze blockieren, die wir für andere Schularten brauchen und den Lehrermangel in Regelschulen und Grundschulen noch weiter vergrößern. Das ist völlig kontraproduktiv.
Wir müssen schulartbezogen sinnvoll die Plätze zur Verfügung stellen.
Deshalb, glaube ich, ist Ihr Papier nicht wirklich zielführend. Da sind Vorschläge drin, die auf den ersten Blick gut klingen, die aber weder rechtlich durchsetzbar noch zum Teil wirklich sinnvoll sind. Deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen. Unserem Antrag empfehle ich die Zustimmung, denn er enthält die Maßnahmen, die kurz- und mittelfristig notwendig sind, um die Situation an den Thüringer Schulen zu verbessern.
Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, Zuschauer, die wir begrüßen können, sind ja kaum noch da. Ich weiß auch nicht, warum bei der Bildungsdebatte plötzlich so dunkle Wolken aufziehen,
aber wir haben heute ein Thema, das uns seit vielen, vielen Jahren immer wieder beschäftigt und das unterschiedliche Antworten gefunden hat, nämlich wie Bund und Länder mit der gemeinsamen Bildungsverantwortung umgehen. Ich habe die Debatte über viele Jahre mitverfolgen, zum Teil auch mitgestalten können. Man muss vielleicht noch einmal zurückgehen zur Föderalismusreform im Jahr 2006, die in der Grundüberzeugung gemacht worden ist, es ist richtig, dass man möglichst alle Aufgaben zwischen Bund und Ländern strikt trennt, dann ist die Verantwortlichkeit klar und dann kann auch jede
politische Ebene von den Wählerinnen und Wählern besser zur Rechenschaft gezogen werden.
Das klingt in der Theorie erst mal ganz gut, aber die Praxis hat gezeigt, dass die Ergebnisse gar nicht so überzeugend sind. Die SPD-Landtagsfraktion hat damals schon eine sehr kritische Haltung gegenüber dieser Föderalismusreform gehabt. Wir haben im März 2006 hier einen Plenarantrag eingebracht, wo wir zum Beispiel gefordert haben, dass das geplante Kooperationsverbot im Grundgesetz, also Artikel 104 b neu, nicht kommt, wo wir gefordert haben, dass die gemeinsame Bildungsplanung und die Zuständigkeit des Bundes bei der Entwicklung und Durchsetzung nationaler Bildungsstandards gegeben sein soll, wo wir auch eingefordert haben – und das fällt uns auf die Füße, dass wir das heute nicht mehr haben – einen einheitlichen Rechtsrahmen bei der Besoldung und Versorgung von Beamten, damit wir eben nicht in solchen Systemen wie der Inneren Sicherheit oder wie den Schulen in einen Wettbewerb hineinlaufen und uns gegenseitig das Personal abwerben, wobei natürlich die finanzstarken Bundesländer immer die Nase vorn haben.
Also, die ursprüngliche Idee, wir trennen das alles strikt und dann wird das schon gut und jeder hat seine Verantwortung wahrzunehmen, funktioniert nicht wirklich gut. Ich sage aber ganz offen dazu, auch innerhalb der SPD war damals die Mehrheitsauffassung anders. Die SPD hat diese Föderalismusreform mehrheitlich mitgetragen. Aber nachdem das alles beschlossen war, begann nach kurzer Zeit die Diskussion, wo es klemmt. Man kam Schritt für Schritt genau auf die Punkte wieder zurück, die ich eben aus unserem Antrag angesprochen habe. Einige Jahre Diskussion weiter im Jahr 2014 waren alle soweit, dass sie gesagt haben: Wir müssen das, was wir in der Föderalismusreform entschieden haben, noch mal überdenken. Es kam zu einer Lockerung des Kooperationsverbots, doch an dieser Stelle leider erst mal nur für den Bereich der Wissenschaft.
Das war ein wichtiger Schritt, deshalb haben wir den auch mitgetragen und gesagt, okay, wenn wir wenigstens diesen Schritt gehen können, das ist notwendig für die Förderung unserer Hochschulen. Aber der bildungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion hat damals auch klar gemacht, ich darf ihn zitieren: „Das sei nicht das ganze Stück, denn wir wollen, dass der Geist der gemeinsamen Förderung nicht auf die Hochschulen begrenzt ist.“
Darum diskutieren wir heute. Wollen wir, ähnlich wie in der Hochschulbildung, für den gesamten Bildungsbereich die gemeinsame Verantwortung von Bund und Ländern? Wenn wir das wollen, dann
brauchen wir natürlich eine gänzliche Abschaffung des Kooperationsverbots.
Ich sage auch ganz offen: Ich freue mich über jede Lockerung. Die nächste Lockerung ist jetzt mit der Einigung zwischen Bund und Ländern im Rahmen der Neuordnung des Länderfinanzausgleichs gekommen. Das ist hier auch schon angesprochen worden. Hier gibt es jetzt – ich darf das mal zitieren: „… im Bereich der kommunalen Bildungsinfrastruktur für finanzschwache Kommunen eine grundgesetzliche Erweiterung der Mitfinanzierungskompetenzen des Bundes“. Klingt alles sehr kompliziert, ist es auch. Das heißt, wir haben zwar viele finanzschwache Kommunen, aber natürlich sind viele Kommunen bei dieser Zusammenarbeit von Bund und Ländern außen vor.
Man muss die Frage stellen: Ist das gut? Natürlich profitieren wir erst mal von den 3,5 Milliarden, die der Bund zum Beispiel für ein Schulsanierungsprogramm bereitstellt, aber – um ganz ehrlich zu sein – die viel größere Herausforderung haben wir noch gar nicht im Sanierungsbereich, sondern vor allem natürlich in der Frage, wie wir notwendiges Personal zur Verfügung stellen, und zwar vom Kindergarten bis zur Schule.
Und deshalb glaube ich, dass wir nicht nur diese kleine Öffnung brauchen, dass finanzschwache Kommunen Unterstützung des Bundes bekommen können. Das ist übrigens noch weniger, als wir vor der Föderalismusreform hatten, denn damals war es dem Bund gestattet, bei grundsätzlichen Aufgaben in der Fläche – Zitat – „bedeutsame Investitionen“ in der Fläche zu gewähren. Ich glaube, wenn wir uns anschauen, vor welchen Herausforderungen das Bildungssystem steht, nicht nur in Thüringen, das wird überall in Deutschland diskutiert: Kostenfreier Zugang zu allen Bildungseinrichtungen, angefangen von der Kita bis hin zur Hochschule natürlich; Ausbau der Kitaplätze im Westen, dort ist längst noch nicht die Zahl von Plätzen erreicht, die gebraucht wird; die weitere Verbesserung der Betreuungsqualität in den Kitas im Osten, auch das haben wir hier mehrfach diskutiert; die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention – Stichwort Inklusion, die ohne Mehrpersonal nicht zu stemmen ist; bis hin zum Ausbau von schulischen Ganztagsangeboten – Themen, die überall von den Bildungspolitikern diskutiert werden, auch zentrale bildungspolitische Herausforderungen natürlich hier in Thüringen. Wir erleben ja, wie schwer und welcher Kraftakt das ist, allein ein beitragsfreies KitaJahr in Thüringen aus den finanziellen Möglichkeiten des Freistaats zu stemmen.
Deshalb brauchen wir dringend ein auf Dauer angelegtes Bund-Länder-Programm für gute Bildung, gemeinsame Bildungsverantwortung und damit notwendigerweise auch gemeinsame Bildungsfinanzie
rung, nicht nur im Hochschulbereich, sondern grundsätzlich für alle Bildungsbereiche.
Im Übrigen sage ich auch dazu: Eine solche Zusammenarbeit könnte uns auch helfen, endlich mehr Gemeinsamkeit im deutschen Bildungssystem herzustellen, statt dass 16 unterschiedliche Bildungspolitiken vorgehalten werden
und jeder versucht, sein eigenes Steckenpferd zu reiten. Und Herr Tischner, Sie haben das hier auch angesprochen und haben gesagt, na ja, die Bundesländer können ja auch gemeinsam für diese Standards sorgen, diese Vergleichbarkeit. Aber Sie wissen auch, wie mühsam das in der Umsetzung ist.
Aber Sie kennen das auch, also es ist viele Jahre her, da haben die Bundesländer beschlossen, wir machen gemeinsame Abiturstandards. Die haben wir bisher immer noch nur in wenigen Abiturfächern, dieser Versuch, gemeinsame Standards im Abiturbereich zu schaffen, läuft, ich glaube, seit mindestens sechs oder sieben Jahren. Auch hier wäre vielleicht eine Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern bei der Herstellung vergleichbarer Bildungsstandards, vergleichbarer Abschlussstandards hilfreich, denn das ist doch das, was wir in Deutschland dringend brauchen, anstatt diesen Flickenteppich zu haben, dessen Vergleichbarkeit immer schwerer fällt.
Wir wissen aber auch, es reicht nicht, wenn wir hier mit Mehrheit den Antrag beschließen, weil wir am Ende für die notwendige Grundgesetzänderung eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und im Bundesrat brauchen.
Deshalb werbe ich ausdrücklich, werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, auch um Ihre Zustimmung. Sie haben sich als Thüringer CDU in der Bildungspolitik bisher immer treu an die von Berlin vorgegebene Linie gehalten und immer nur so weit das Schrittchen zur Öffnung gemacht, wie Berlin das auch mitgemacht hat. Das kann man machen, aber das ist natürlich eine Linie, die besonders den finanzstarken Bundesländern hilft, Torsten Wolf hat eben schon darauf hingewiesen. Die sagen, wir können das aus eigener Kraft gestalten, wir sind gar nicht finanziell auf den Bund angewiesen. Diese Haltung nützt Thüringen nicht. Uns würde es nützen, wenn wir mehr Gemeinsamkeit zwischen Bund und Ländern und mehr gemeinsame Finanzverantwortung zwischen Bund und Ländern hätten.
Deshalb, werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ist es vielleicht einfach Zeit, ein bisschen mutiger zu werden. Ein in Thüringen immer noch bekannter Ministerpräsident aus Ihren Reihen hat oft gesagt: „Erst das Land und dann die Partei.“ Ich finde, Herr Tischner, das ist doch jetzt ein wunderbarer idealer Moment, um diesen Slogan mal mit einer Tat zu zeigen.
Also, stimmen Sie unserem Antrag zu! Dann können wir uns gemeinsam auf den Weg machen für mehr Bildungsverantwortung, die wir mit Bund und Ländern gemeinsam wahrnehmen, und zwar zum Nutzen der Bildungssysteme in allen Bundesländern.
Herr Kollege Mohring, ich hatte ja gedacht, Sie lösen uns jetzt die Frage auf, ob Sie mehr Personalabbau oder mehr Personal in den Schulen wollen. Das haben Sie leider nicht gemacht.
Ich finde, es gehört zur Redlichkeit dazu. Sie wollten damals noch mehr Personalabbau – 11.000 Stellen. Das würde bedeuten, dass wir jetzt in einen scharfen Personalabbau in der Schule gehen müssen. Deshalb müssen Sie auch noch mal überdenken, wo Sie hinwollen, welche finanziellen Möglichkeiten wir haben und welche wir schaffen wollen. Wir wollen die finanziellen Möglichkeiten mit diesem Antrag erweitern, indem wir sagen, wir schaffen bestimmte Aufgaben nicht allein, wir müssten zu sehr in den Stellenabbau gehen und deshalb wollen wir die Unterstützung des Bundes im Bildungsbereich haben. Was kann daran falsch sein?
Die Alternative ist doch, dass wir in einen scharfen Stellenabbau gehen, nicht nur in der Schule, auch
im Bereich Sicherheit, wo wir heute eine Debatte haben, wir brauchen mehr Polizisten. Wir wissen ja, wie sich der Kollege Geibert damals drum herumgemogelt hat. Herr Voß hat ihm ein Stellenabbaukonzept geschrieben, 800 Stellen bei der Polizei zu streichen. Aber er hat sich natürlich geweigert auszuweisen, wo in seinem Ressort die gestrichen werden sollen, weil er nicht aus noch ein wusste, weil er gesagt hat, eigentlich sicherheitspolitisch notwendig wäre es, die Stellen zu erhalten, aber finanzpolitisch zwingt mich der Finanzminister sie abzubauen. Und meine Bitte wäre, denn wir brauchen am Ende ja verantwortliche Entscheidungen in der Politik und auch eine Opposition, die nicht zwei konträre Dinge behauptet, die sich nie zusammenbringen lassen: Klären Sie das mal. Wollen Sie wirklich diesen scharfen Stellenabbau, 11.000 Stellen runter im Landesdienst? Oder sagen Sie mit uns gemeinsam, nein, das geht nicht, wir brauchen mehr Personal in der Bildung, wir brauchen mehr Personal bei der Polizei, denn das ist das, was das Land momentan braucht?
Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, werte Gäste auf der Tribüne, Herr Minister! Ich will zunächst eine Bemerkung zu Ihnen, Herr Höcke, machen,
denn das, was Sie hier zum Bildungsplan gesagt haben, dass Sie die in den Schulen notwendige Sexualaufklärung zum Beispiel in einen Zusammenhang mit Körpererfahrung im Kindergarten stellen
und das Ganze in den Zusammenhang einer Pädophilie-Debatte rücken, das ist einfach nur widerlich, Herr Höcke, was Sie hier machen.
Das ist einfach nur widerlich! Es verkehrt die Tatsachen.
Es verkehrt wissentlich die Tatsachen, die im Bildungsplan niedergeschrieben sind. An diesem Bildungsplan haben viele Beteiligte mitgewirkt,
Lehrer, Wissenschaftler, die Kirchen, unterschiedlichste Institutionen, Elternvertretungen, und denen allen einen solchen Bildungsplan zu unterstellen
und das hier so zu artikulieren, das ist einfach nur schäbig und vor allem eins: widerlich, Herr Höcke.
Herr Möller, Sie können sich hier gern zu Wort melden, aber diese Verdrehung von Tatsachen kann ich hier nicht so stehen lassen.
Ich will zu Beginn noch mal deutlich machen: Wenn Schüler, Eltern und Lehrer hier gemeinsam vor dem Parlament demonstrieren, dann geschieht das natürlich nicht ohne Grund. Es ist ein Signal, dass etwas an den Schulen nicht in Ordnung ist. Wir sollten genau hinhören, wir sollten genau zuhören. Dann gibt es allen Grund, sorgsam gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Da will ich hier auch in aller Offenheit sagen: Herr Kollege Hoff, wenn die Landesregierung eine Regierungserklärung auf die Tagesordnung setzt zu dem Zeitpunkt, an dem diese Demonstration stattfindet, und wir dann aber erleben, dass es hier keine gemeinsame Debatte gibt, dass der zuständige Minister nach seiner Regierungserklärung nach draußen geht, dass der zuständige Sprecher der Opposition nach seiner Erwiderung nach draußen geht, dass der Kollege Wolf nach seiner Wortmeldung nach draußen geht
Astrid Rothe-Beinlich war die Einzige, die die ganze Zeit neben mir hier die Debatte verfolgt hat –, dann sage ich auch ganz ehrlich: Warum machen wir dann hier eine Debatte zur Bildungspolitik im Parlament? Dann können wir uns entscheiden, entweder wir gehen alle nach draußen und reden mit denen, die hier demonstrieren, oder wir führen hier drinnen gemeinsam eine Debatte, wir hören einander zu, sonst brauchen wir eine solche Debatte hier im Parlament nicht zu veranstalten.
Das hilft denen da draußen übrigens auch nicht, wenn jeder nur sein Statement abgibt, wir aber nicht wirklich miteinander ins Gespräch kommen.
Wenn nämlich am Ende nur jeder versucht, die Sorgen derjenigen, die da draußen demonstrieren, für sich politisch zu instrumentalisieren, dann hat die Schule gar nichts gewonnen.
Die Schule gewinnt nur, wenn wir versuchen, Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten und gemeinsam an Lösungen zu arbeiten.
Herr Hoff, ich fand es gut, dass Sie gesagt haben, wir wollen hier keine Schwarz-Weiß-Debatte. Sie haben deutlich gemacht, es geht darum, Probleme weder zu relativieren noch zu überhöhen. Ich finde das gut, ich finde auch den Ton Ihrer Regierungserklärung gut, das will ich ausdrücklich sagen. Und ich sage es auch ganz deutlich: Er hebt sich auch wohltuend von dem Bild ab, das wir aus dem Ministerium vorher erlebt haben.
Es geht jetzt aber auch darum, dass wir versuchen, Klarheit über die Probleme und ihre möglichen Lösungen zu schaffen. Da will ich auch mit Blick auf die Redebeiträge hier noch mal deutlich sagen: Herr Kollege Tischner, wenn wir hier eine konstruktive Debatte führen wollen, Sie aber davon reden, dass es hier einen Frontalangriff auf das Thüringer Schulsystem gibt, oder wenn Herr Höcke vom völligen Scheitern der Bildungspolitik redet,
dann ist das nicht nur eine maßlose Übertreibung, sondern es führt auch ins Nirgendwo. Wenn wir eine bildungspolitische Debatte miteinander führen wollen, dann müssen wir doch gucken: Wo sind wirklich Schwachstellen im Bildungssystem? Dieser Generalverriss, das ist doch auch nicht die Wirklichkeit derer, die da draußen gestanden haben. Die haben ihre Probleme. Die wollen, dass diese Probleme gehört und gesehen werden, aber die wollen auch keinen Generalverriss. Ich habe das Gleiche erlebt, was Sie vorhin erwähnt haben, Herr Hoff, wenn man mit Lehrerinnen und Lehrern redet, die sagen: Ja, seht auf die Probleme, nehmt sie wahr, versucht was zu tun, aber macht auch deutlich, was für Anstrengungen und welche Qualität in diesem Thüringer Bildungssystem stecken, denn das Thüringer Bildungssystem schneidet im Bundesvergleich immer noch sehr gut ab. Auch das muss mal klar und deutlich gesagt werden.
Schulen und Kindergärten – das ist auch kein Geheimnis – brauchen Verlässlichkeit über lange Zeiträume, die Entwicklung darf nicht alle paar Jah
re die Richtung wechseln. Das heißt aber auch nicht, dass alles immer so bleibt, wie es ist, denn mit dem Wandel der Gesellschaft müssen sich auch die Schulen weiterentwickeln. Herr Höcke, ich sage es Ihnen ganz deutlich: Als Sie hier über Schulfrieden geredet haben und Ihre Argumente hier dargelegt haben, da fiel mir eigentlich nur noch der Spruch „Die Schule ruhe in Frieden!“ ein, denn das ist genau das, wo Sie hinwollen. Die Schule soll erstarren, es soll sich nichts mehr ändern, es soll alles sein wie früher, nur dann wäre der Lehrer Höcke glücklich mit der Schule.
Das ist aber nicht die Schulwirklichkeit von heute, sondern wir leben in einer modernen Gesellschaft, die sich Tag für Tag weiter verändert und in der wir unsere Kinder auf diese Veränderungen vorbereiten müssen. Wir können doch nicht mit der Schule des 19. Jahrhunderts Kinder für das 21. Jahrhundert ausbilden, Herr Höcke.
Nein, es geht nicht um einen scheinbaren Schulfrieden – ich weiß nicht, was man darunter überhaupt verstehen soll –, sondern die Kunst guter Bildungspolitik besteht eigentlich darin, dass man die richtigen Entwicklungsimpulse setzt, und zwar zur richtigen Zeit, dass man die Partner einbezieht, die Lehrer, die Schüler, die Eltern, und dass man die notwendigen Ressourcen zur Verfügung stellt, Zeit, Geld, Personal. Ich will an dieser Stelle auch ganz selbstkritisch vorweg sagen: Ja, ich habe in meiner Zeit als Minister da auch Fehler gemacht, ich war auch manchmal zu schnell, ich wollte zu viel in kurzer Zeit. Ich habe manchmal Lehrer überfordert, ja, das stimmt. Aber aus den eigenen Fehlern kann man auch immer am besten lernen.
Deshalb sage ich selbstkritisch: Ja, man braucht lange Entwicklungszeiträume, wenn man in Schule etwas erreichen will, aber man muss sich auf den Weg machen. Ich habe – das sage ich auch kritisch zu meiner Erfahrung hier im Parlament – auch gelernt, dass viele bildungspolitische Debatten, die wir hier geführt haben, in der Sache kaum weitergeholfen haben, dass sie in der Regel dazu dienten, nur den jeweiligen Gegner anzugreifen, statt zu gucken, was man denn wirklich für Kindergärten, für Schulen, für Hochschulen gemeinsam auf den Weg bringen kann.
Weil ich oft erlebt habe, dass nicht transparent und offen argumentiert wird – auch das haben wir heute wieder erlebt, Herr Tischner, ich will es Ihnen sagen: Für die CDU wäre es auch wichtig, sich mal intern Klarheit darüber zu verschaffen, welche bildungspolitische Position sie eigentlich vertreten will.
Sie haben hier natürlich wieder den Lehrermangel und den Unterrichtsausfall beklagt und angemahnt, dass wir mehr Personal brauchen. Dann sagt aber die CDU gleichzeitig – das haben wir auch schon in der letzten Legislaturperiode erlebt –, wenn es um das Personalkonzept der Landesregierung geht, dass die gut 8.000 Stellen, die die Landesregierung vorgeschlagen hat, alles noch gar nicht genug ist. Herr Kollege Mohring, Sie wissen, was ich meine. Sie waren es damals, der für die CDU gesagt hat: Nein, wir müssen nicht 8.000, wir müssen 11.000 Stellen abbauen, und das bis 2020.
Ja, aber das passt doch alles nicht zusammen. Jetzt ist der Stellenabbau erst mal so weit ausgesetzt bis 2020, um Luft zu kriegen.
Sie sagen trotzdem noch, das reicht alles nicht aus,
aber gleichzeitig fordern Sie einen viel schärferen Stellenabbau. Sie müssen mal versuchen, im Kopf zusammenzukriegen, was Sie eigentlich wollen: Entweder schärferen Stellenabbau oder mehr Lehrer in der Schule.
Beides gleichzeitig können Sie nicht haben. Das meine ich mit Intransparenz in der Bildungsdebatte. Oder Sie haben gesagt: Es fehlen die notwendigen Fachlehrer, wir brauchen die Instrumente, um konkurrenzfähig zu sein. Aber, Herr Tischner, das wissen Sie doch auch, auch wenn Sie erst seit dieser Legislaturperiode im Parlament sind: Wir diskutieren seit vielen Jahren darüber, dass wir so wie andere Bundesländer auch unseren Lehrern die Verbeamtung wieder anbieten müssen. Das ist natürlich nicht das Allheilmittel, aber das ist doch ein wichtiger Baustein, wenn man konkurrenzfähig um Lehrer werben will. Das hat die CDU in der letzten Legislaturperiode verhindert, dass die Verbeamtung wieder kommt. Ich habe es jahrelang gefordert, die CDU hat es verhindert. Herr Tischner, da müssen Sie auch mal Klarheit in Ihren Positionen schaffen.
Aber ich sage genauso kritisch: Mir gefällt es auch nicht, dass die jetzige Landesregierung zweieinhalb Jahre gebraucht hat,
sich endlich darauf zu verständigen, dass die Verbeamtung wieder kommt. Wir brauchen dieses Instrument, wenn wir um Lehrer werben wollen. Wir brauchen noch weitere, das ist auch wahr. Aber wir brauchen auch dieses Argument. Also im Sinne derer, die da draußen gestanden haben, und all derer, die vielleicht nicht draußen gestanden haben, aber die Probleme an ihren Schulen spüren oder in den Kindergärten, hören und schauen wir genau hin und akzeptieren wir keine Scheinlösungen.
Herr Hoff, ich finde, Sie haben hier eine gute Problemanalyse geliefert und mit viel Verständnis, auch mit Empathie die Situation beschrieben. Das ist wichtig. Das ist eine ganz zentrale Voraussetzung, um Schule besser machen zu können. Ich sage aber auch dazu – und das meine ich an uns alle –, wir sind in der Mitte der Legislaturperiode. Die Zeit läuft und wir sind kurz vor dem Abschluss der Haushaltsverhandlungen für den nächsten Doppelhaushalt. Alles, was wir noch umsetzen wollen in dieser Legislaturperiode und was haushaltsrelevant ist, das müssen wir jetzt entscheiden. Sonst wird in dieser Legislaturperiode nichts mehr daraus. Deshalb sehen Sie es mir nach, ich dränge ein bisschen aufs Tempo. In verschiedenen Punkten haben Sie hier gesagt, wir werden dieses und jenes noch bringen. Wir brauchen möglichst rasch Entscheidungen aus der Landesregierung, damit auch im Haushalt die notwendigen Entscheidungen verankert werden können.
Ich will mit der Lehrereinstellung beginnen, denn das war ja auch ein wesentlicher Punkt, weshalb Schüler, Eltern und Lehrer da draußen gestanden haben – Personalsituation in den Schulen. Ich finde es gut, dass der Stellenabbaupfad zunächst einmal gestreckt worden ist. Das schafft eine gewisse Entlastung. Wir müssen uns jetzt mal genauer anschauen, ob es schon die Probleme löst.
Herr Kollege Wolf, ich will an dieser Stelle auch noch mal sagen: Wir beide haben ja in der vorherigen Legislaturperiode an einem Tisch gesessen, um über ein Personalentwicklungskonzept zu diskutieren. Da will ich auch noch mal sagen: Respekt für Ihre damalige Entscheidung als GEW-Vorsitzender, sich mit dem Ministerium, mit dem Minister an einen Tisch zu setzen und sich festlegen zu lassen auf ein Personalentwicklungskonzept. Aber, und das müssen wir heute beide einräumen, manche Entwicklungen haben wir in diesem Konzept natürlich nicht vorausgesehen. Die Zahlen, auf die wir uns damals verständigt haben, sind aus heutiger Sicht nicht mehr haltbar. Da gab es Dinge, die konnten wir nicht voraussehen, wie die Tatsache, dass eine enorme Anzahl an Flüchtlingen hierherkommt. Da gab es andere Perspektiven für die Schülerzahlentwicklungen, aber möglicherweise haben wir auch manchen zusätzlichen Bedarf in der
Qualitätsentwicklung unterschätzt. Ich sage das ganz bewusst, weil dann oft der Eindruck erweckt wird, die Politik weiß nicht, was sie tut. Die Politik kann nur zum jeweiligen Zeitpunkt versuchen, mit allem verfügbaren Wissen, was da ist, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Sie muss zugleich bereit sein, wenn sie erkennt, dass diese Entscheidung nicht ausreichend war, ihre Entscheidung weiterzuentwickeln, vielleicht auch zu korrigieren. In dieser Phase sind wir jetzt, was die Personalentwicklung für die kommenden Jahre angeht. Da werden ja oft die ganz einfachen Rechnungen aufgemacht, auch Herr Tischner hat hier Rechnungen zu Einstellungen und Ausscheidungen vorgeführt. Natürlich kann ich sagen, 9.000 plus 6.500, die eingestellt werden sollen im nächsten Doppelhaushalt,
900 plus 650, Herr Tischner – sorry, wenn ich mich versprochen habe –, sind 1.550.
Es scheiden aus: 730 2018 und 880 2019, sind 1.610. Huch, da fehlen ja 60 Stellen! Dann kann man sagen: Okay, damit kann man schon draußen argumentieren. Das sollte man aber nicht tun, denn ein ganzer Teil derjenigen, die ausscheiden, sind gar nicht mehr vor den Schülern, sondern die sind in der Ruhephase der Altersteilzeit, auch die Zahlen kennen wir. Das sind ungefähr gut 400 Lehrer, die 2018 und 2019 aus der Ruhephase der Altersteilzeit ausscheiden. Da kann man sagen, dass dann, wenn man das einbezieht, ja alles in Ordnung ist und wir dann genügend einstellen können.
Nun wissen wir aber – und das hat der Kollege Hoff auch selbst deutlich gemacht –, dass ein Teil dieser 900 Stellen zum Beispiel in Entfristung geht: 300 Stellen bei den zusätzlich eingestellten Lehrern, 150 Stellen bei den DaZ-Lehrern, 100 Stellen für die Vertretungsreserve usw. usf. Und da schmilzt natürlich die Möglichkeit, tatsächlich neue Lehrer in die Schulen zu bringen, ziemlich zusammen.
Ja, man kann sich dann immer über die Rechnung streiten. Ich will es mal ganz offen sagen, ich spitze mal die Frage zu: Stellen wir deutlich mehr Lehrer ein als vorher und haben trotzdem vielleicht nicht genug Personal an den Schulen – könnte auch das sein?
Herr Fiedler, man kann es gar nicht ganz exakt beschreiben.
Man kann es gar nicht ganz exakt beschreiben, weil nämlich noch eine ganze Reihe von anderen Faktoren hinzukommt, die diese Rechnung, die man hier miteinander aufmachen kann, wieder durchkreuzen. Was ist zum Beispiel mit den gestiegenen Schülerzahlen? Haben wir die eigentlich bei der bisherigen Berechnung wirklich auf dem Schirm gehabt? Ich nehme mal nur diese Legislaturperiode: Die Schülerzahlen steigen vom Beginn bis zum Ende dieser Legislaturperiode noch mal um 7.000 Schüler an. Wenn man mal eine Klasse mit durchschnittlich 25 Schülern annimmt, sind das allein 280 Schulklassen mehr, die zu besetzen sind. Auch das muss natürlich noch mal durchdacht werden. Und die Schülerzahlen steigen danach weiter, dann soll aber ab 2020 auch der richtige Abbaupfad bei den Lehrern einsetzen.
Also ich habe den Eindruck, dass da noch nicht alle Zahlen und Ziele wirklich zueinanderpassen und dass es dabei noch ein Stück gründlicher Debatte braucht. Aber selbst wenn die Zahlen alle exakt wären und aufeinanderpassen würden, dann wissen wir gemeinsam, dass es trotzdem noch Probleme geben könnte, denn dann ist die Frage noch gar nicht beantwortet: Haben wir die richtigen Fachkombinationen an der Stelle, an der wir sie auch brauchen, um den Unterricht abzusichern? Frau Rothe-Beinlich hatte die Zahlen der Stellenwandlungen dankenswerterweise mal abgefragt und die sind ein Indiz dafür, dass wir an der Stelle ein echtes Problem haben. Das waren nämlich im August 2015 bei den damaligen Einstellungen gut 180 Stellenwandlungen und im Februar 2016 rund 200 Stellenwandlungen – das ist eine enorm hohe Zahl. Für alle, die sich damit nicht so auskennen: Stellenwandlung heißt, ich schreibe eine bestimmte Fachkombination aus, und wenn ich keine Lehrerin oder keinen Lehrer finde, die ich darauf einstellen kann, wandle ich die Stelle in eine andere Fachkombination um. Das heißt dann aber auch, ich habe zwar die Stelle besetzt, aber nicht wirklich exakt den Bedarf, den ich eigentlich abdecken wollte, getroffen.
Auch an dieser Stelle müssen wir natürlich darüber reden, wie wir besser werden können. Da möchte ich mal bei den eigenen Möglichkeiten anfangen. Man muss die Frage nach dem Nachwuchs tatsächlich stellen. Wir haben zurzeit rund 500 Referendare jährlich in der Ausbildung; wir wollen aber in den kommenden Jahren mehr als diese Zahl einstellen. Da frage ich jetzt mal angesichts eines bundesweiten Lehrermangels, zumindest in vielen Fächerkombinationen: Reicht es dabei aus, noch auf die Altbewerber zu setzen, von denen wir durchaus
noch einige haben? Oder muss die Landesregierung nicht auch rangehen und sagen, wir müssen die Referendariatsstellen in den kommenden Jahren noch einmal aufstocken? Wir brauchen mehr Ausbildungsplätze für junge Lehrerinnen und Lehrer.
Auch diese Frage ist noch nicht entschieden, wenn ich das richtig gesehen habe. Dann ist natürlich auch die Frage, wie viele Bewerber auf die Referendariatsplätze am Ende vorhanden sind. Aber ich glaube schon, dass wir auch über die Kapazitäten an dieser Stelle reden müssen.
Ich will es auch sagen: Die Planung und Steuerung des Personaleinsatzes – und darauf hat Torsten Wolf vorhin noch mal hingewiesen – ist ein Punkt, der oft in der Debatte unterschätzt wird. Ich weiß, dass wir uns damals schon mit dem Problem rumgeschlagen haben, weil die Software, die wir zur Personalplanung haben, eigentlich nicht wirklich funktioniert, die Schulleiterinnen und Schulleiter können wirklich ein Lied davon singen. Wir haben damals schon überlegt: Wir brauchen eine komplett neue Lösung, wir müssen einen neuen Aufschlag machen. Damals standen keine Mittel für eine solche neue Lösung zur Verfügung, weil die Haushalte sehr eng verhandelt worden sind und die finanzpolitischen Zwänge auch etwas größer waren, als sie im Moment gerade sind. Jetzt sind wir an dem Punkt, wo wir Mittel hätten, weil wir Haushaltsüberschüsse haben, die wir einsetzen können.
Ich glaube – und Sie nicken, Herr Hoff, Sie sehen das genauso –, wir brauchen dringend möglichst rasch ein Personalsteuerungsinstrument, was funktioniert, was in der Planung funktioniert, was uns aber auch zeigt, wo eigentlich welche Lehrer konkret im Einsatz sind und wo vielleicht auch Personalressourcen als Überkapazitäten weitergeführt werden, denn das – das muss man ja offen sagen – ist natürlich auch für die Schule angenehm, wenn sie da ein paar Überkapazitäten hat, die sie für die eine oder andere Aufgabe einsetzen kann, ist aber schlecht für die Nachbarschule, die Unterkapazitäten hat und dringend zusätzlichen Bedarf hätte, um den Unterricht abzusichern. Auch hierüber muss man sicher reden.
Es ist hier auch deutlich geworden, dass es vielleicht nicht die allerbeste Entscheidung war, das Programm „Geld statt Stelle“ wieder abzuschaffen. Ich glaube, dass wir ein flexibles Instrument brau
chen, mit dem Schulen kurzfristig auf Bedarfe reagieren können.
Ich bin froh, dass wir uns in der Frage auch einig sind; ob man das jetzt „Geld statt Stelle“ oder „Schulbudget“ nennt, ist völlig zweitrangig. Wichtig ist, dass wir ein Flexibilisierungsinstrument für die Schulen bekommen, damit sie den Unterricht da absichern können, wo es brennt.
Ich persönlich glaube auch, dass es keine gute Entscheidung war, dass die Schulen nicht mehr das Instrument der schulscharfen Ausschreibung haben. Was ist das? Das heißt, dass die Schulen selbst ihre Stellen ausschreiben und auch wesentlich bei der Besetzung dieser Stellen mitwirken. Ich kenne die Sorgen, die dahinter formuliert werden, dass dann die kleinen Schulen im ländlichen Bereich Probleme mit der Personalgewinnung hätten, aber ich glaube, wenn man das klug anstellt und die Schulen auch entsprechend unterstützt, dass es gerade in den Bereichen, in denen uns Fachlehrer fehlen, ein wichtiges Instrument sein könnte, um diese Lehrer zu finden. Denn womit können wir denn sonst werben? Eine Schule kann, wenn sie direkt ausschreibt und in direktem Kontakt mit Bewerbern ist, klarmachen: Wir haben dieses oder jenes besonderes Schulprofil, was dich vielleicht interessieren könnte. Oder sie kann in Zusammenarbeit mit ihrer Kommune vielleicht noch den einen oder anderen Anreiz für Lehrerinnen und Lehrer setzen, den wir zum Beispiel im Besoldungssystem aufgrund der rechtlichen Vorgaben nicht setzen könnten. Hier liegt eine große Chance, die ich auch noch mal genauer zu betrachten bitte. Die stellenscharfe Ausschreibung, dass die Schule versuchen kann, ihr eigenes Team zusammenzusetzen und damit pädagogische Qualität zu steigern, wäre, glaube ich, ein wichtiges Instrument für unsere Schulen in der Zukunft.
Ja, Herr Tischner.
Ich finde es auch gut, wenn wir uns umschauen, was andere machen, um ihre Probleme im Schulbereich bei der Frage zu lösen, wie ich eigentlich junge Lehrerinnen und Lehrer auch für Schulen gewinne, die etwas weiter entfernt liegen von den Ballungszentren, die vielleicht etwas schwieriger zu besetzen sind. Unsere Nachbarn in Sachsen beispielsweise haben ein spezielles Stipendienprogramm aufgelegt, bei dem Masterstudierende ein
zusätzliches Stipendium bekommen, wenn sie sich auf der anderen Seite verpflichten, für eine bestimmte Anzahl von Jahren in Schulen im ländlichen Raum zu unterrichten. Ich finde, das ist ein sinnvolles Instrument, um junge Leute genau für solche Schulen zu interessieren.
Ich würde mich freuen, wenn wir auch hier in Thüringen ein ähnliches Instrument auflegen könnten.
Herr Hoff, Sie haben die Schulstruktur angesprochen, das ist in der Tat auch eine Frage, über die man reden muss, und Sie haben die Zahl von 180 Schülern genannt und gesagt, die Hälfte der Schulen liegt darunter. Wenn man die Grundschulen anschaut, sind es sogar drei Viertel der Grundschulen, die unter dieser Größe liegen. Jetzt ist nur die Frage: Was heißt das am Ende? Ich will eines hier ganz deutlich machen: Auf keinen Fall darf die Marschrichtung lauten: kleine Schulen zu, denn große sind effektiver. Das darf nicht die Lösung sein,
sondern wir brauchen Organisationsmodelle. Wir brauchen Organisationsmodelle, die die Existenz kleiner Schulen möglich machen, aber gleichzeitig dafür sorgen können, den Personaleinsatz flexibel zu steuern und die kleinen Schulen vor allem auch von Verwaltungsaufgaben zu entlasten. Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal ganz deutlich für das Modell der Sprengelschulen werben, das sich ja auch viele der Bildungspolitiker hier angeschaut haben, wie das zum Beispiel in Italien funktioniert.
Es wäre eine Möglichkeit, wie wir dafür sorgen können, dass nicht die Schule in der Gemeinde verschwindet, auch wenn sie nur noch 50 oder 60 Schüler hat, sondern vielleicht über eine längere Zeit eine Bestandsgarantie bekommen kann. In diesem Zusammenhang kann man auch noch einmal überlegen, dass Sprengelschulen nicht nur Verbünde von Grundschulen untereinander sein müssen. Wir haben heute schon zum Beispiel die Kooperation zwischen Gemeinschaftsschulen mit verschiedenen Grundschulen. Auch daraus kann man ein Sprengelmodell mit gemeinsamen Erledigungen von Verwaltungsaufgaben entwickeln. Auch so könnte man Grundschulen entwickeln und eine noch bessere Kooperation zwischen Grundschulen und Gemeinschaftsschulen organisieren. Hier gibt es viele Möglichkeiten, die wir nutzen können.
Ich glaube, auch in die interne Unterrichtsorganisation muss man bei dem Thema noch einmal schauen. Denn gerade dort, wo wenige Schüler sind, lohnt es sich, einmal auf die Erfahrungen zu schauen, die Grundschulen mit Jahrgangsmischung machen, mit jahrgangsübergreifendem Unterricht. Ein
Drittel aller unserer Grundschulen nutzt solche Modelle.
Wir haben aber gerade gesehen, drei Viertel aller Grundschulen sind in einer möglicherweise unterkritischen Größe. Ich habe damals, als ich im Amt war, versucht, dieses Modell über die Schulordnung durchzusetzen. Ich habe das am Ende zurückgezogen, weil es massiven Widerstand aus den Grundschulen gab, die das noch nicht gemacht hatten. Ich habe das auch verstanden, auch der Zeitraum war sehr kurz gewählt. Aber wenn man die Grundschulen auf diesem Weg mit entsprechenden Weiterbildungsprogrammen unterstützt, mit Kooperationen mit Grundschulen, die ein solches Modell fahren, kann man auch darüber natürlich nicht nur einen pädagogischen Zugewinn erzielen, sondern auch einen deutlich besseren Personaleinsatz organisieren und damit Entspannung im Personalbereich schaffen, also Unterrichtskonzepte weiterentwickeln.
Ich will auch etwas zum Thema „Inklusion“ sagen, weil das mittlerweile zu einem großen Sorgenthema für Eltern und Lehrer geworden ist, und zwar nicht nur in Thüringen, sondern bundesweit. Ich will aber auch ganz deutlich sagen: Wir sollten nicht die Idee selbst diskreditieren, dass wir eine inklusive Gesellschaft erreichen wollen.
Und, Herr Kollege Tischner, wenn Sie hier in diesem Zusammenhang vom Inklusionswahn reden oder wenn der Kollege Höcke gar von einem Amoklauf im Zusammenhang mit der Inklusion spricht, wird da doch ein Bild gezeichnet, das nur noch Angst erzeugt. Wir müssen aber schauen, wie wir für dieses wichtige Thema der Gesellschaft positive Motivation wecken können.
Es geht doch nicht nur darum, dass wir immer wieder das Scheitern der Inklusion vorführen. Natürlich gibt es Schulen, in denen man auch das Scheitern der Inklusion vorführen kann. Es gibt sogar einen Regisseur, der das in einem Film sehr eindrücklich geschildert hat, wie Inklusion auch scheitern kann. Aber lasst uns doch nicht nur auf das Scheitern schauen. Aus dem Scheitern muss man lernen, wie man es besser machen kann.
Aber lassen Sie uns doch auch auf die gelingenden Beispiele schauen. Es gibt Tausende und Abertausende gelingende Beispiele von Inklusion hier in
Thüringen und in Deutschland insgesamt und übrigens auch in vielen anderen europäischen Ländern.
Es geht nicht um Labor, Herr Tischner, sondern es geht – nein, entschuldigen Sie, aber an der Stelle muss ich das vielleicht noch einmal sagen: Auch in dieser Frage müssen Sie sich einmal Klarheit verschaffen, was die CDU eigentlich will. Es war doch die CDU, die hier in Thüringen vor 14 Jahren – 2003 – ins Förderschulgesetz geschrieben hat: Die inklusive Beschulung, also der gemeinsame Unterricht, so hieß das Stichwort damals, hat Vorrang vor der Förderschule. Der gemeinsame Unterricht hat Vorrang vor der Förderschule!
Das haben Sie ins Gesetz geschrieben. Das haben Sie als CDU ins Gesetz geschrieben. Das Problem ist nur, Sie haben sich dann überhaupt nicht darum gekümmert, wie man eigentlich die Umsetzung organisiert, die Schulen sind genau mit dieser Frage allein gelassen worden.
Ja, die Schulen sind mit dieser Frage allein gelassen worden. Das zeigt die Schizophrenie. Da gab es ein paar Leute, die sind vorgeprescht,
die wussten um das gesellschaftliche Problem, was sich da aufbaut, wenn man dem nicht begegnet in der Schule, aber die CDU als Ganzes hat diese Entwicklung nie nachvollzogen. Von der AfD will ich gar nicht reden. Also dieser Beitrag, den Sie, Herr Höcke, dazu geliefert haben, der war einfach nur
unterirdisch.
Ihr Menschenbild, das Sie hier gezeigt haben – der „Normalo“ muss geschützt werden vor denen, die anders sind –, das ist wirklich ein Menschenbild, das nicht mehr ins 21. Jahrhundert gehört.
Menschen haben gleiche Rechte in diesem Land, egal ob sie Handicaps haben oder nicht, und zwar „Normalos“ und Menschen mit Einschränkungen, mit Behinderung, mit Handicaps. Das ist gesellschaftliche Wirklichkeit und nicht Ausschluss von Menschen, die größere Probleme haben.
Aber wir dürfen nicht verkennen, welche Probleme in diesem komplizierten Prozess der Inklusion liegen. Und alle, die sich ein bisschen näher damit beschäftigt haben, wissen, dass Inklusion nur dann gelingen kann, wenn die Beteiligten selbst diesen inklusiven Weg wollen, wenn sie ihn gestalten wollen, wenn sie nach Lösungen für die Inklusion suchen.
Ja, ich frage sie.
Und ich kenne viele Lehrer, die sich auf diesen Weg machen, die nach den besten Möglichkeiten suchen, jedes Kind, was im gemeinsamen Unterricht beschult werden kann, auch im gemeinsamen Unterricht zu beschulen,
und die teilweise bis an die Grenzen ihrer Möglichkeiten gehen, um das an Schulen möglich zu machen, weil sie von der Idee überzeugt sind. Und da, wo das geschieht, da gelingt Inklusion auch und da ist es ein Gewinn für alle Beteiligten und eben nicht ein Nachteil für die einen und die anderen, wie Sie das behaupten, Herr Höcke.
Schauen Sie sich mal solche Beispiele an. Ich erinnere mich auch an Gespräche. Ich habe Gespräche geführt mit erwachsenen Menschen, die das am eigenen Leib erlebt haben. Ich habe mal mit einem Mann geredet, der mir gesagt hat: Ich werde das mein Lebtag nie vergessen, dass ich als kleines Grundschulkind rausgerissen worden bin aus dem Zusammenhang von Kindern, die um mich herum gewohnt haben, und irgendwo weit weg in eine Förderschule gehen musste, es hat mein Leben schwer belastet und ich trage an dieser Last heute noch. – Das ist auch menschliche Wirklichkeit und da lohnt es sich, jede Anstrengung zu unternehmen, damit Menschen genau das nicht erleiden
müssen, sondern in ihrem normalen sozialen Umfeld aufwachsen können.
Dass das keine Hexerei ist, dass das geht, das zeigen ganz viele gelingende Beispiele. Natürlich müssen wir dabei über Ressourcen reden, wir müssen über Zeitpläne reden. Und ich finde es gut, Herr Hoff, dass Sie gesagt haben: Der Entwicklungsplan Inklusion, den wir ja vor einigen Jahren aufgelegt haben und den wir hier gemeinsam, und zwar alle gemeinsam im Parlament
die AfD war noch nicht dabei; aber die anderen alle hier gemeinsam – beschlossen haben, dass der fortentwickelt wird, weil der genau den richtigen Ansatz wählt. Wir schauen uns jede Region einzeln an, wir scheren nicht alle über einen Kamm. Wir schauen: Wo steht ihr und was können eure nächsten Schritte sein? Und dann müssen wir aber auch noch die Frage beantworten – und das ist noch nicht ausreichend geschehen –: Welche Ressourcen brauchen wir dafür an Personal, an Zeit, an Geld und wie können wir das dann gemeinsam umsetzen? Dann entstehen auch tragfähige Wege hin zu einer Gesellschaft, in der wir lernen, alle miteinander in unserer Verschiedenheit, die wir haben, zu leben, diejenigen, die mit Einschränkungen leben müssen, genauso wie diejenigen, die hochbegabt sind und auch manchmal ihre Probleme im Schulsystem haben.
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, ich will auch noch ein Thema ansprechen, das mir sehr am Herzen liegt, nämlich ich glaube, dass zu den wichtigen Entwicklungsimpulsen der letzten Jahre auch die Möglichkeit gehört, die wir zum längeren gemeinsamen Lernen geschaffen haben. In der äußeren Form heißt das „Thüringer Gemeinschaftsschule“. Ich sage das deshalb, weil ich überzeugt bin, dass es hilft, auch den Druck rauszunehmen, der immer mehr im Kessel steigt und der für die Kinder schon in der Grundschule beginnt. Ganz viele Eltern haben den Eindruck: Wenn mein Kind es nicht schafft, auf das Gymnasium zu kommen, dann ist die Hälfte des Lebenswegs schon verbaut, dann sind schon die ersten Chancen weg. Und dieser Druck steigt immer weiter und immer mehr Eltern versuchen, ihre Kinder auf das Gymnasium zu bringen, und dazu müssen die in der 4. Klasse schon einen bestimmten Notenspiegel haben.
Herr Höcke, Sie können sich gern noch mal zu Wort melden.
Diesen Druck herauszunehmen und die Entscheidung „Macht das Kind Abitur oder den Hauptschulabschluss oder den Realschulabschluss?“ später zu fällen, nämlich erst in der achten Klasse, ist ein richtiger Weg der Schulentwicklung.
Er entlastet Eltern und Kinder von einem unnötigen Druck, den wir ins Schulsystem hineinbringen. Wir haben ganz bewusst gesagt, das ist keine Entwicklung, die wir in Erfurt am grünen Tisch entscheiden, sondern das ist eine Schulentwicklung, die vor Ort entschieden wird. Es sind die Lehrer, die Eltern und die Schüler gemeinsam, die in der Schulkonferenz entscheiden müssen: „Wir wollen Gemeinschaftsschule“, und dann die entsprechenden pädagogischen Konzepte auf den Weg bringen. Diese Entwicklung müssen wir aber etwas engagierter weiter begleiten. Davon bin ich auch überzeugt. Wir haben gesehen, dass zwischen 2012 – nachdem wir die gesetzliche Möglichkeit geschaffen haben – und 2014 fast 50 Gemeinschaftsschulen an den Start gegangen sind. Wir sind jetzt bei 64. Es hat sich weiterentwickelt, aber ein bisschen ist auch die Luft aus der Entwicklung heraus. Deshalb sage ich auch ganz deutlich mit Blick auf die Landesregierung: Ich wünsche mir wieder ein bisschen mehr frischen Wind bei der Unterstützung der Thüringer Gemeinschaftsschule. Sie ist ein wichtiges Schulentwicklungsprojekt und wir sollten sie stärker unterstützen.
Dies ist übrigens neben ihren pädagogischen Möglichkeiten und neben der Tatsache, dass wir Druck herausnehmen für Eltern und Schüler, auch eine hervorragende Möglichkeit, in ländlichen Räumen wohnortnah alle Abschlüsse anzubieten und nicht den Kindern lange Wege zuzumuten, wenn sie irgendwann mal Abitur machen wollen. Auch das ist ein wichtiger Entwicklungsimpuls für den ländlichen Raum.
Werte Kolleginnen und Kollegen, auch zum Ganztagsausbau möchte ich ein paar Sätze sagen. Zum Hort nur so viel: Ich glaube, es war und bleibt eine strategische Fehlentscheidung, und zwar deshalb, weil wir die Möglichkeit damit aufgegeben haben, die Gestaltung von Ganztag viel enger mit kommunalem Engagement zu verknüpfen. Das ist verschüttete Milch. Das muss man nicht weiter beklagen, sondern gucken, was man jetzt aus der Situation machen kann. Da will ich aber auch in Richtung CDU sagen: Da hilft es nichts, Herr Tischner, wenn Sie über diese Entscheidung Krokodilstränen vergießen und die bitter beklagen. Sie selbst hatten die Möglichkeit, die Entscheidung zu treffen, dass wir die Horte insgesamt in kommunaler Verantwortung führen. Ich habe das als Bildungsminister vor
geschlagen. Ich habe alles, was dazugehört, vorbereitet und eine Entscheidung auf den Tisch gelegt. Wissen Sie, weshalb sie nicht zustande gekommen ist? Weil die CDU am Ende nicht den Mut zu dieser Entwicklung hatte, weil der Finanzminister gesagt hat, es kostet 30 Millionen Euro, die Altersansprüche überzuleiten. Diese 30 Millionen Euro aufzubringen, war die CDU nicht bereit. Deshalb hat sie dieses Vorhaben abgeblasen. Wir hätten es alles haben können, wenn Sie zu einer mutigen Entscheidung bereit gewesen wären.
Deshalb brauchen Sie an dieser Stelle wirklich keine Krokodilstränen vergießen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, neben der Entwicklung des Horts stellt sich natürlich auch die Frage: Wie gehen wir mit den Ganztagsangeboten nach der Grundschule weiter um? Wir wissen, dass sich viele Eltern genau solche Angebote wünschen, insbesondere auch in Klasse 5 und 6. Auch da müssen wir fragen, welche Ressourcen wir überhaupt in den nächsten Jahren für eine solche Entwicklung zur Verfügung stellen können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will es noch einmal sagen: Wir sind in der Mitte der Legislaturperiode. Wir sind kurz vor der Entscheidung zum nächsten Doppelhaushalt. Deshalb noch einmal die Bitte an die Landesregierung, die Entscheidungen, die jetzt zu treffen sind, möglichst rasch zu treffen.
Ich will mich bedanken bei den ganz vielen engagierten Lehrerinnen und Lehrern, bei den vielen Eltern, die sich große Gedanken machen und die sich in die Schulentwicklung einbringen, und auch bei den Schülervertretungen. Ich habe mit zwei Landesschülersprechern reden können über die Frage, wie sie die Situation sehen. All das gehört dazu, wenn wir gute Schule machen wollen.
Ich will aber auch so realistisch sein und sagen, es gibt natürlich auch die schwierigen Eltern. Sie haben auch Beispiele angesprochen, Herr Hoff, und es gibt auch die Lehrer, deren Motivation nicht mehr wirklich ausreicht. Ich bin mal in einer Grundschule gewesen, da sollten mir die Schüler Fragen stellen. Nachdem die ihre Zettelchen abgearbeitet hatten, die die Lehrer brav mit ihnen vorbereitet hatten, habe ich gesagt: Und was habt ihr denn noch für Fragen, die euch wirklich bewegen? Da hat mich so ein Knirps aus der 3. Klasse gefragt: Herr Matschie, mögen Sie eigentlich Lehrer? Es wurde mucksmäuschenstill, die paar Lehrer, die drum herum standen, hatten erstarrte Gesichter. Ich habe dann gesagt: Mir geht es wahrscheinlich genauso wie euch, es gibt ganz tolle Lehrer, die mich begeistern, es gibt aber auch welche, denen gehe ich lieber aus dem Weg. Auch das gehört zur Schulwirklichkeit dazu. Ich sage das deshalb, weil
wir Wege suchen müssen, wie wir die Lehrer, die begeistern können, die sich einsetzen für ihre Schule, in ihrem Engagement stärken und sie darin unterstützen.
Dazu gehört für mich auch – und damit bin ich beim letzten Vorschlag, den ich hier machen will –, dass wir die Frage eigenständiger Schulentwicklung noch mal stärker in den Blick nehmen.
Eigenverantwortliche Schule ist ein Projekt, das über Jahre hinweg langsam vorangetrieben wurde, das aber noch mal eine neue Betrachtung braucht, denn am Ende, bei den vielen Problemen, die an Schulen zu lösen sind, wird uns auch klar, dass wir viele Probleme nicht von Erfurt aus lösen können, nicht mit dem besten Gesetz, nicht mit der besten Verordnung, nicht mit der besten Richtlinie oder dem Hinweis, den das Ministerium geben kann. Sondern viele der Probleme, die wir in den Schulen haben, lösen wir nur, wenn wir aktive, wache Lehrerkollegien haben, wenn wir Schulleitungen haben, die möglichst viele Entscheidungen auch selbst treffen können und nicht irgendwo anfragen müssen oder viele Formulare dazu ausfüllen müssen.
Deshalb ist es mir wichtig, dass wir gemeinsam noch mal hinschauen und sagen: Wir wollen eigenständige, eigenverantwortliche Schule stärken. Wo eine Entscheidung vor Ort getroffen werden kann, soll sie auch vor Ort getroffen werden.
Werte Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, dass Bildung nicht nur eine zentrale Aufgabe jeder Landesregierung ist, sondern dass sie auch das Wichtigste ist, das wir unseren Kindern mitgeben können. Ich hoffe deshalb, dass das Thema mit dieser Regierungserklärung wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit und der Aktivität der Landesregierung rückt. Ich freue mich auf die Vorschläge, die noch kommen, und auf eine konstruktive Debatte hier im Haus. Danke.
Herr Tischner, Sie kennen das ja als Lehrer. Stimmen Sie mir zu, dass genau diese gesetzliche Grundlage für jedes einzelne Kind abgeprüft wird, dass festgestellt wird – erstens –, was ist der Förderbedarf und wo kann er – zweitens – erfüllt werden, und dass deshalb nur, wenn die Voraussetzungen da sind, ein Kind in den gemeinsamen Unterricht geschickt wird?
Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, zum Antrag der AfD will ich nicht allzu viel sagen, dazu hat Frau Rothe-Beinlich inhaltlich das Notwendige gesagt.
Vielleicht nur so viel, Herr Höcke, zu Ihrem Antrag: Dieser Antrag mit der Überschrift „Frontalangriff auf ein gegliedertes Schulsystem“ ist in Wahrheit ein Frontalangriff auf die menschliche Intelligenz.
Wenn man Ihrer bildungspolitischen Logik folgt, dann warte ich auf den nächsten Antrag, den Sie hier stellen, dass Mädchen und Jungen in der Schule wieder getrennt werden, weil das auch irgendwann mal gesellschaftlicher Konsens war, und danach kommt dann der Antrag, die Prügelstrafe wieder einzuführen. Das ist Ihre pädagogische Vorstellung und damit möchte ich nichts zu tun haben.
Aber zum Antrag der CDU muss ich dann doch ein paar Sätze verlieren. Werte Kolleginnen und Kollegen von der Union, entweder Ihr Antrag ist scheinheilig oder Sie verfügen über ein gespaltenes Bewusstsein. Ich will Ihnen das mal an drei Beispielen deutlich machen. – Da müssen Sie gar nicht mit dem Kopf schütteln. Ich mache es Ihnen an drei Beispielen deutlich.
Erster Punkt: Im ersten Punkt erwecken Sie den Eindruck, als würden die Förderschulen jetzt abgeschafft und es müsste jede einzelne Förderschule bestehen bleiben. Jetzt denken Sie mal einen Moment zurück und einige von Ihnen saßen schon hier. 2003 hat die CDU die absolute Mehrheit gehabt und hat ganz allein in diesem Landtag ein Förderschulgesetz beschlossen. Der zentrale Punkt in diesem Förderschulgesetz war, zukünftig gibt es einen Vorrang für den gemeinsamen Unterricht, einen Vorrang für inklusive Bildung. Kaum hatten Sie das beschlossen, sind die CDU-Abgeordneten draußen rumgerannt und haben gesagt, es bleibt aber alles beim Alten. Das ist die Schizophrenie in Ihrer Bildungspolitik. Sie beschließen den nächsten Schritt, nämlich hin zur Inklusion, und Inklusion heißt, weniger Kinder in der Förderschule und mehr im gemeinsamen Unterricht, und gleichzeitig laufen Sie draußen herum und sagen, macht euch keine Sorgen, es passiert nichts, es bleibt alles beim Alten. Nein, so kann man Bildungspolitik nicht machen,
sondern man muss dann verantwortlich beschreiben, wie der Weg aussehen soll, wenn gemeinsamer Unterricht und Inklusion Vorrang haben sollen. Und das haben wir dann getan mit einem Landeskonzept zur Inklusion, wo wir uns angeschaut haben, wo jede Region steht. Dieses Landeskonzept „Inklusion“ haben wir in der letzten Legislaturperiode auch gemeinsam beschlossen.
Dort stehen genau die Schritte drin, die wir in der Zukunft gehen wollen, nämlich dass mehr Kinder im gemeinsamen Unterricht sein sollen, dass mehr Kinder die Chance haben sollen, inklusiv unterrichtet zu werden. Das haben Sie mit beschlossen und jetzt stellen Sie sich hin und sagen, es bleibt aber alles, wie es war.
Wer will denn alles niedermachen?
Werter Kollege, schalten Sie mal einen Gang zurück.
Niemand hat bis jetzt infrage gestellt, dass es auch in Zukunft Förderschulen geben wird. Und Kinder, die nicht inklusiv beschult werden können, werden auch in Zukunft Förderschulen brauchen. Aber die Förderschullandschaft wird sich verändern.
Daran führt doch mit dem von Ihnen eingeführten Grundsatz überhaupt kein Weg mehr vorbei.
Und politische Verantwortung heißt, mit allen Beteiligten diesen Weg zu diskutieren und zu beschreiben, wie der gehen kann.
Zweiter Punkt für Ihr schizophrenes Verhalten: Besserstellung der Thüringer Gemeinschaftsschule beenden. Werte Kolleginnen und Kollegen, auch da muss ich Ihnen sagen, Sie haben mit uns gemeinsam in der letzten Legislaturperiode mit der Einführung der Thüringer Gemeinschaftsschule ein neues Schulgesetz beschlossen. Und kaum war das be
schlossen, sind Sie draußen rumgerannt und haben alles versucht, um die Einführung dieser Thüringer Gemeinschaftsschule zu verhindern. Also einerseits sagen Sie: „Wir bringen das mal auf den Weg“, und andererseits tun Sie aber alles, damit das nicht kommt. Es kam anders.
Es haben sich vor Ort viele – Lehrer, Eltern und Schüler – gemeinsam entschieden: „Wir wollen die Gemeinschaftsschule“ – zum Teil gegen den erbitterten Widerstand der CDU.
Da setzt Ihre zweite Schizophrenie ein.
Sie stellen sich hier hin und fordern, dass jeder das Bildungsangebot bekommen muss, das er sich wünscht. Und da, wo sich Eltern und Schüler und Lehrer ein Bildungsangebot „Gemeinschaftsschule“ gewünscht haben, haben Sie nichts anderes getan, als Bremsklötze in den Weg zu legen. So sieht Ihre Konsistenz im Denken aus.
Wenn Sie hier sagen, dass es eine Besserstellung hinsichtlich der Lehrerzuweisung gibt, dann wissen Sie auch nicht, wovon Sie reden. Die Gemeinschaftsschule hat nämlich gegenüber der Regelschule eine höhere Stundentafel, weil sie in der Differenzierung für drei unterschiedliche Abschlüsse das Angebot machen muss. Und mit einer höheren Stundentafel geht natürlich ein höherer Personaleinsatz einher. Das ist doch völlig selbstverständlich. Da geht es nicht um Besserstellung, sondern da geht es darum, dass die Gemeinschaftsschule alle Möglichkeiten hat, sich vernünftig zu entwickeln.
Oder wollen Sie, dass die Schüler, die in der Gemeinschaftsschule sind, schlechtere Bedingungen haben als auf dem Gymnasium, schlechtere Bedingungen als auf der Regelschule? Wenn Sie das wollen, dann sagen Sie es. Dann stellen Sie sich aber auch draußen hin, dort, wo Gemeinschaftsschulen sind, und sagen Sie den Eltern ins Gesicht, dass Sie dort die Bedingungen verschlechtern wollen! Wollen Sie das? Dann kommen Sie her und erklären Sie es hier – bitte!
Dann melden Sie sich und erklären, dass Sie die Bedingungen an den Gemeinschaftsschulen verschlechtern wollen!
Ja, wir haben mittlerweile rund 60 Gemeinschaftsschulen in Thüringen.
Und das sind nicht Schulen, die irgendein Landtag oder eine Landesregierung den Leuten vor Ort aufgedrückt hat, sondern das sind alles Entscheidungen von Lehrern, Eltern und Schülern, weil nur auf Beschluss der Schulkonferenz Gemeinschaftsschulen entstehen konnten.
Das ist die Wahrheit.
Danke, Herr Präsident. Werte Kolleginnen und Kollegen, wenn man Sie mal darauf hinweist, wie inkonsistent Ihr schulpolitisches Denken ist, dann verstehe ich, dass Sie da aufgeregt werden. Aber besser noch wäre, nachzudenken, wie man zu einem schlüssigen Konzept kommt.
Jetzt will ich Ihnen das an einem dritten Punkt deutlich machen: In Ihrem Antrag „Kleine eigenständige Grundschulen erhalten“ – nun wissen Sie erstens, dass über das Schulnetz nicht der Landtag entscheidet,
sondern die Politiker vor Ort. Und wenn Sie da mal in die Vergangenheit zurückgehen, Herr Tischner, dann wissen Sie, dass auch CDU-Landräte zum Teil kleine Grundschulen geschlossen haben, Schulstandorte zusammengelegt haben, ganz ohne dass es irgendeinen Druck aus dem Landtag gab. Und wenn Sie sich an die letzte Legislaturperiode erinnern – Herr Tischner, da saßen Sie noch nicht hier, aber Herr Voigt, der auch gerade laut schreit, saß schon hier.
Ja, toll, Herr Voigt. Und jetzt wollen Sie die Bedingungen verschlechtern, das verstehe ich dann gar nicht, Sie haben für die Gemeinschaftsschulen die Hand gehoben und jetzt wollen Sie die Bedingungen verschlechtern.
Aber zurück zum Schulnetz und zu den kleinen Grundschulen. Herr Voigt, es war damals in der letzten Legislaturperiode die CDU in Gestalt des Finanzministers Voß, die massiven Druck aufgemacht hat: Wir müssen endlich Schulgrößen festlegen, das geht nicht so weiter mit den ganzen kleinen Schulen. Das waren Sie, die diesen Druck aufgemacht haben, und jetzt tun Sie so, als hätten Sie mit dem Thema überhaupt nichts zu tun.
Nein, wenn man in der eigenen Logik bleiben will, dann muss man natürlich die Frage stellen: Wie gehen wir mit kleinen Schulstandorten um? Ich glaube, uns eint ja das Interesse, dass man gerade Grundschulen so wohnortnah wie möglich erhalten muss. Gleichzeitig muss man aber natürlich auch gucken, wie man Personal effektiv und effizient einsetzen kann. Deshalb reicht es nicht, einfach hier hinzuschreiben, kleine eigenständige Grundschulen erhalten. Das Spannende ist doch, Wege zu finden, wie wir wohnortnah unterrichten können und gleichzeitig einen effizienten Personaleinsatz steuern können. Deshalb diskutieren wir zum Beispiel über solche Modelle wie beispielsweise Sprengelschulen, die genau das ermöglichen sollen.
Zum Schluss noch ein Satz zu dem, was Sie, Herr Tischner, gesagt haben, dass hier versucht wird, alle gleichzumachen und dass Menschen ja unterschiedlich sind. Sie wissen das doch eigentlich besser. Zum einen gibt es international viele Beispiele von Schulsystemen, die viel weniger differenziert sind als unseres – ich nehme jetzt nur mal das finnische Schulsystem mit hervorragenden Leistungen im internationalen Vergleich, weil es eben nicht darauf ankommt, wie stark ein Schulsystem äußerlich differenziert ist, sondern weil es darauf ankommt, wie gut die pädagogischen Angebote innerhalb eines Schulsystems für Schülerinnen und Schüler differenziert sind.
Da ist die Gemeinschaftsschule eine Möglichkeit, ein sehr differenziertes Angebot innerhalb einer Schulart zu machen, das ganz unterschiedlichen Schülerinnen und Schülern gerecht werden kann. Das wissen Sie auch, Herr Tischner.
Und deshalb bitte ich zum Schluss: Lassen Sie uns zu einer rationalen Debatte zurückfinden, wenn es um die Schulentwicklung geht. Diese ideologischen Auseinandersetzungen – hier die Einheitsschule und dort das differenzierte Schulsystem – gehören ins vergangene Jahrhundert.
Zeigen Sie, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen von der CDU, dass Sie im 21. Jahrhundert angekommen sind, und reden Sie mit uns über moderne Schulkonzepte im Land.
Ja, ich frage die Landesregierung:
Einbindung des Jenaer Nahverkehrs zur ThügidaDemonstration am 17. August 2016 in Jena
Am 17. August 2016 fand im Jenaer Damenviertel ein Fackelmarsch der der rechten Szene zuzuordnenden Thügida statt. 120 Neonazis stand an diesem Tag ein breites Spektrum zivilgesellschaftlichen Protests gegenüber, an dem sich über 3.500 Menschen beteiligten. Die Polizeieinsatzleitung forderte zum Transport der Neonazis einen Bus des Jenaer Nahverkehrs an. Im Vorfeld des 17. August 2016 soll es eine Abstimmung zwischen Polizei und Nahverkehr gegeben haben, bei der ein möglicher Buseinsatz besprochen wurde.
Ich frage die Landesregierung:
1. Gab es im Vorfeld des 17. August 2016 eine Verständigung zwischen Polizei und der Stadt Jena zum Einsatz des Nahverkehrs und wenn ja, welchen Inhalt hatte diese?
2. Von wem wurde auf welcher Rechtsgrundlage der Einsatz des Busses veranlasst beziehungsweise wenn es keine Rechtsgrundlage gab, welche Konsequenzen werden gezogen?
3. Warum wurde die Thügida-Versammlung nicht im Rahmen der Gefahrenabwehr aufgelöst, als Teilnehmer damit drohten, sich den Weg durch Blockaden selbst zu bahnen, insbesondere mit Blick darauf, dass sich darunter unter anderem der vorbestrafte Gewalttäter und Neonazi Michel Fischer befand?
4. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass es einen Zusammenhang zwischen den ThügidaFackelmärschen in Jena am 20. April, 17. August und 9. November (geplant) und den jeweils korrespondierenden historischen Ereignissen Hitler-Geburtstag, Hess-Todestag und Beginn der Novemberprogrome 1938 gibt?
Zunächst eine Nachfrage zur Anforderung des Busses durch die Polizeieinsatzleitung. Heißt das, dass der Nahverkehr rechtlich gezwungen war, den Bus zur Verfügung zu stellen oder hätte der Nahverkehr auch die Zurverfügungstellung verweigern können?
Meine zweite Frage zum dritten Punkt: Sie haben ausgeführt, dass das eine angemessene Maßnahme war, die Thügida-Versammlung nicht aufzulösen bei der Androhung, sich mit Gewalt einen Weg zu bahnen. Ich frage noch mal vor dem Hintergrund, dass wir in Jena auch schon anderes Handeln erlebt haben. In den 90er-Jahren beispielsweise hat die Polizei auch Busse des Jenaer Nahverkehrs in Anspruch genommen, allerdings um die Neonazis zum Stadtrand zu befördern,