Protokoll der Sitzung vom 26.08.2004

Zum Sachverhalt hat meine Kollegin Ingrid Siebke hier schon bei der 1. Lesung einiges gesagt. Ich denke, weitere Diskussionen dazu sind entbehrlich.

(Zuruf der Abgeordneten Große [PDS])

Aber angesichts der fortdauernden Polemik vonseiten der PDS möchte ich auf einige widersprüchliche Positionen innerhalb ihrer eigenen Fraktion hinweisen. Es geht um den Widerspruch zwischen den um die Durchführung der Klassenfahrten offensichtlich ernsthaft bemühten Abgeordneten - ich zitiere hier Herrn Domres, Kleine Anfrage 2861 und seine implizierte Aufforderung an die Landesregierung, tätig zu werden - einerseits, um diese Klassenfahrten zu ermöglichen - da nehme ich die Anfrage des Kollegen Domres durchaus sehr ernst -, und um die Position, die Sie auch in Ihrer Fraktion vertreten, andererseits. Sie nehmen die Änderung des Gesetzes zum Anlass, um einen Großangriff auf die Bildungspolitik in Brandenburg zu führen.

(Unruhe bei der PDS)

Auch hier geht es - das erleben wir ja häufig bei Debatten innerhalb des Wahlkampfes und es wäre schön, wenn Sie einfach zuhören könnten - dann immer gleich um die Demokratie, die in ihren Grundfesten in Gefahr gerate.

(Zuruf von der PDS)

Das passiert beileibe nicht. Diese Widersprüchlichkeit ist uns übrigens auch während der Anhörung durch die GEW vorgetragen worden. Während sich ihr Landesvorsitzender empörte und sich gegen die Änderung im Gesetz aussprach, forderte zugleich ein Kreisvorsitzender der GEW die Lösung des dringenden Problems Klassenfahrten und wandte sich mit folgenden Fragen an die SPD-Fraktion:

(Unruhe bei der PDS)

Welchen Sinn machen Klassenfahrten, wenn der Klassenlehrer/die Klassenlehrerin nicht mitfahren darf? Wer bezahlt die schon aufgelaufenen Kosten, wenn die Fahrt deshalb ausfallen muss? Wie bekommen die Eltern ihr Geld zurück, wenn die Fahrt ganz ins Wasser fällt? Warum gehört es zu den Pflichten eines Lehrers, Klassenfahrten durchzuführen, wenn er dann gleichzeitig daran gehindert wird?

Diese Fragen nehmen wir wirklich ernst. Darauf lohnt es sich auch einzugehen. Das ist der einzige Grund für die Änderung.

Ich will nicht darauf eingehen, inwieweit sich die eine oder andere hier vorgetragene Position hinsichtlich der ihr zugrunde liegenden Information näher an den wirklichen praktischen Fragen der Schulen befindet. Aber offensichtlich nutzt die Opposition den Wahlkampf, und nicht nur den Wahlkampf, um Schaukämpfe auf jeder sich bietenden Bühne zu inszenieren.

Uns geht es um ernsthafte Gedanken zur Bildung und Erziehung der Schülerinnen und Schüler in Brandenburg. Ich möch

te deshalb die Debatte zum Anlass nehmen, um einen Appell an Sie zu richten. Ich bin nicht sicher, ob Sie darauf hören werden, aber ich versuche es dennoch. Verzögern Sie bitte nicht die notwendigen Änderungen des Gesetzes! Es geht um Änderungen und nicht um ein neues Gesetz. Bleiben Sie sachlich und lassen Sie uns im Interesse unserer Kinder und Jugendlichen nach problemorientierten Lösungen suchen, statt marktschreierisch Schaukämpfe zu betreiben!

Für die SPD stehen klar die Bildungsinteressen der Schülerinnen und Schüler im Zentrum unserer Politik. Deshalb gibt es auch keine Alternative zur Lösung der aufgezeigten Fragen und zur Sicherung der Durchführung von Klassenreisen auch in diesem begonnenen Schuljahr 2004/05. Ich bitte um Zustimmung. - Danke.

(Beifall bei SPD und CDU)

Das Wort erhält die DVU-Fraktion. Für sie spricht die Abgeordnete Fechner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf den ersten Blick klingt der Antrag auf Änderung des Landesbeamtengesetzes sinnvoll und vernünftig. Künftig sollen nun auch die angestellten Lehrer die Möglichkeit haben, auf die ihnen zustehende Erstattung von Reisekosten und Auslagen für Klassenfahrten zu verzichten. In Zeiten knapper Kassen ist solch ein Verzicht sicherlich nicht selten der letzte Anlass, eine Klassenfahrt zu genehmigen.

Seltsam ist nur, dass die Kollegen des Bildungsausschusses, welche den angestellten Lehrern den Verzicht auf tarifrechtliche Ansprüche ermöglichen wollen, beim Verzicht auf eigene Ansprüche nicht ganz so eifrig sind. Wenn die 88 Abgeordneten dieses Landtages monatlich auf nur 100 Euro ihrer nicht gerade knappen Diäten verzichten würden, ließe sich allein damit gut die Hälfte der für das Jahr 2004 veranschlagten Reisekostenvergütungen bei Schulfahrten finanzieren. Denken Sie einmal darüber nach!

Als ich den vorliegenden Antrag mit Lehrern diskutierte, wurde die geplante Gesetzesänderung von einigen wenigen sogar befürwortet. Auch den Brandenburger Lehrern ist die schwierige Finanzlage bekannt und sie sind unter Umständen bereit, freiwillig kleinere finanzielle Opfer zu bringen, um Klassenfahrten zu ermöglichen. Sie haben aber keine Lust, quasi als Sparschwein für die mangelhafte Finanzpolitik der Landesregierung missbraucht zu werden.

(Beifall bei DVU)

Denn wenn im Bildungshaushalt nicht genügend Geld für alle zur Erfüllung des pädagogischen Auftrages notwendigen Maßnahmen - dazu zählen die Klassenfahrten - vorhanden ist, dann ist das nicht die Schuld der Lehrer, sondern der Politik. Wenn überall in Brandenburg Schulen geschlossen werden müssen, dann ist für diese Verarmung der Bildungslandschaft die Landesregierung mitverantwortlich. Wenn die Schulwege verlängert werden und sich das Land gleichzeitig aus der Finanzierung der Schülerbeförderung zurückzieht, dann ist das nicht

die Schuld der Lehrer, sondern die Schuld der von SPD und CDU getragenen Landesregierung.

Die bildungsfeindliche Politik dieser Landesregierung lässt viele Lehrer befürchten, dass der vorliegende Gesetzentwurf zukünftig neue Sparmaßnahmen bringen wird. Konkret wird auch befürchtet, dass die geplante Gesetzesänderung zur Erpressung der Lehrer herhalten wird. Falls demnächst Klassenfahrten nur noch dann bewilligt werden, wenn die beteiligten Lehrkräfte auf die Erstattung der Reisekosten verzichten, dann werden sich die Befürchtungen dieser Lehrer bestätigt haben.

Doch die Mehrheit des Bildungsausschusses hält die möglichen nachteiligen Konsequenzen, die bei einer Beibehaltung der derzeitigen Regelung zwischen den Angestellten des öffentlichen Dienstes und den Beamten entstehen könnten, für schwerwiegender als die möglichen nachhaltigen Folgen der beantragten Gesetzesänderung.

Wird das Landesbeamtengesetz geändert, könnte die Zahl der Klassenfahrten abnehmen. Das befürchten jedenfalls die Vertreter des Deutschen Beamtenbundes, des Deutschen Gewerkschaftsbundes und der GEW. Wird es nicht geändert, ist eine Verringerung der Zahl der Klassenfahrten ebenfalls zu erwarten. Angesichts dieser Alternativen habe ich meiner DVUFraktion empfohlen, sich der Stimme zu enthalten.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort erhält die CDU-Fraktion. Für sie spricht die Abgeordnete Hartfelder.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich scheine die letzte parlamentarische Rednerin in diesem Haus in dieser Legislaturperiode zu sein.

Ein Vorwort an die Kollegin Fechner. Natürlich ist es so - jetzt ist sie nicht hier, aber das macht nichts;

(Zurufe: Doch, hinter Ihnen! - Frau Fechner [DVU]: Ja, ich höre aufmerksam zu!)

ach so, hinter mir -, dass die Lehrer in Brandenburg auf entsprechende Entschädigung verzichten. Das machen sie seit 14 Jahren. Die Krux an der Geschichte ist: Sie dürfen nicht mehr verzichten nach diesem Bundesarbeitsgerichtsurteil.

Noch einmal zu den Fakten: Am 11. September 2003 traf das Bundesarbeitsgericht die Entscheidung, dass angestellte Lehrer nicht auf die Erstattung von Reisekosten verzichten dürfen. Das gilt selbst dann, wenn die Lehrkraft zuvor schriftlich erklärt hat, sie werde auf eine solche Erstattung verzichten. In der Folge können Schulfahrten nur noch stattfinden, wenn in ausreichender Höhe Mittel zur Reisekostenerstattung eingestellt worden sind.

Vor diesem Hintergrund gibt es drei Möglichkeiten:

Erstens: Wir handeln nicht und lassen alles beim Alten. Die Folge wird sein, dass keine Klassenfahrten mehr stattfinden können, weil das Geld fehlt, um jede Schulfahrt zu finanzieren.

So handelt übrigens die PDS in Berlin, wo der Senat in einem Rundschreiben an die Schulen mitteilt, dass Klassenfahrten nicht mehr stattzufinden haben.

Zweitens: Wir tun das, was die PDS in Brandenburg will, solange sie auf der Oppositionsbank sitzt. Wir stellen mehr Geld ein. Die Landesregierung hat verifiziert, dass es etwa 500 000 Euro sein könnten, vielleicht weniger, vielleicht mehr, eher mehr. Das heißt, eine halbe Million Euro mehr müssten wir auf jeden Fall nur in diesen Titel einstellen. 18 Milliarden Euro Schulden hat das Land Brandenburg. Niemand begreift diese Zahl so richtig. Das heißt, dass wir über 800 000 Millionen Euro Zinsen pro Jahr zahlen. Das sind pro Minute über 90 000 Euro.

Wenn ich die Damen und Herren von der PDS-Fraktion im Wahlkampf draußen höre, dann fehlt mir der Glaube daran, dass all das, was sie sagen, umzusetzen ist: hier und heute die Ausfinanzierung der Reisekosten für Dienstreisen von Angestellten, auf der anderen Seite die unumschränkte Kofinanzierung aller Fremdmittel, darüber hinaus die Anhebung der Wirtschaftsförderung für den Mittelstand, die weitere Unterstützung der Infrastrukturentwicklung und, und, und. Meine Damen und Herren von der PDS, das alles ist schön gesagt, allein mir fehlt der Glaube, dass Sie das im Land Brandenburg umsetzen können. Auch Neuverschuldung wird dem Land auf Dauer keine Zukunft bringen.

(Zuruf von der PDS)

Drittens: Durch die Gesetzesänderung schaffen wir eine Verzichtsmöglichkeit, die in Sachsen-Anhalt und Bayern schon praktiziert wird. Dadurch können Klassenfahrten weiterhin stattfinden. Kinder lernen nicht nur im Unterricht, sondern auch außerhalb des Schulgebäudes. Die soziale Aufgabe von Schule wird damit besser wahrgenommen werden können.

Die Gewerkschaftsvertreter und der Beamtenbund haben in der Anhörung zur Gesetzesänderung natürlich Nein gesagt. Das müssen sie auch tun. Sie haben aber auch ein Schreckensszenario gemalt und gesagt, dass die Lehrer dann keine Fahrten mehr machen werden. Dem kann ich so auch nicht folgen; denn sie tun es bereits seit 14 Jahren unentgeltlich. Dafür sei ihnen von uns allen an dieser Stelle auch einmal Dank gesagt. Auch Frau Fechner hat deutlich gemacht, dass Lehrer bereit sind, das weiterhin zu tun.

Damit möchte ich meinen kleinen Exkurs abschließen. Nach diesem abwechslungsreichen Vormittag haben Sie mit dem letzten Tagesordnungspunkt in dieser Legislaturperiode eine einfache Wahl. Sie können heute zum Gesetzentwurf Ja sagen, ihm zustimmen, damit Klassenfahrten in Brandenburg weiterhin stattfinden und Lernen innerhalb und außerhalb von Schule ermöglicht wird, oder dagegen stimmen und werden dann die Konsequenz zu tragen haben, dass es diese Klassenfahrten nicht mehr gibt. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Wir sind am Ende der Rednerliste. Somit schließe ich die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung in Drucksache 3/7580 zustimmt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimm

enthaltungen? - Damit ist der Beschlussempfehlung mehrheitlich zugestimmt und das Gesetz in 2. Lesung verabschiedet.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 3 und darf mit meinen guten Wünschen - nach 14 Jahren Tätigkeit im Landtag gemeinsam mit einer ganzen Reihe von Abgeordneten, die mit dem 26. Oktober 1990 auch ihre erste Plenarsitzung erlebt haben - Dank an all diejenigen verbinden, die dazu beigetragen haben, dass dieses Parlament ein Profil bekommen, dass es politische Kultur gelernt und praktiziert hat, mit den kleinen Ausnahmen, die überall auftreten, die man wohl auch jedem nachsieht.

Ich wünschte allen, die nach uns das Parlament bevölkern, dass sie sich vielleicht ein wenig an diese Orientierung halten; denn ich glaube, so schlecht ist das Parlament in Brandenburg nicht gefahren, nicht zuletzt deshalb, weil es Grundsätzen gefolgt ist, wie sie in der Verfassung, aber nicht nur dort, formuliert sind. Insofern, glaube ich, sollte man den Stil festigen und erhalten.

Wenn wir in der Vergangenheit häufig im Zusammenhang mit dem Haushalt von Klarheit und Wahrheit im Umgang miteinander gesprochen haben, so sollte das nicht auf dieses Thema beschränkt bleiben. Ich glaube, das ist eine der wichtigen und notwendigen Voraussetzungen für Vertrauen der Wähler in die von ihnen Beauftragten.

Die didaktische Unterstützung, die vielleicht auch zu Verständlichkeit führt, ist ein wichtiges Mittel, um miteinander zu reden, einander zu verstehen und auch füreinander Verständnis zu entwickeln. Ich wünsche mir, dass die Debatten lebendiger würden. Dazu könnte zum Beispiel die freie Rede beitragen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Ich darf Sie erinnern: Wir hatten in der ersten Fassung unserer Geschäftsordnung die Pflicht des Abgeordneten, Zitate genehmigen zu lassen, formuliert. In Anbetracht permanenter Selbstzitate haben wir uns das geschenkt. Es ist nie danach gefragt worden, ob man sich selbst zitieren dürfe, weil ja ohnehin immer abgelesen wurde, was ja nichts anderes ist. Die Debatten würden spritziger, die Beiträge kürzer. Ich glaube, sie würden treffender und verständlicher. Insofern würden Sie nicht nur sich, sondern auch vielen, die bei der Übertragung der Sitzungen mit Interesse zuhören und zusehen, einen Gefallen tun.