Protokoll der Sitzung vom 20.09.2000

Die Kohle- und Energiewirtschaft in der Lausitz hat den Strukturwandel nicht verhindert. die Kohle- Lind Energiewirtschaft In der Lausitz ist nach wie vor eine grundlegende Voraussetzung für den Strukturwandel in dieser Region. Ja. die Lausitzer Braunkohle ist wettbewerbsfähig und sie ist es auch auf dem liberalisierten Strommarkt. und das alles übrigens auch ohne die bei anderen - übrigens auch bei den regenerativen - Energien üblichen Subventionen. Die Braunkohlen- und Ener giewirtschaft in der Lausitz ist ei gene Wertschöpfung in der Region

mit allen direkten und indirekten Wirkungen.

So hatte beispielsweise die Lausitzer Braunkohle AG bis zum Juni 1999 einen Lieferantenunisatz von insgesamt ca. 3,2 Milliarden DM. Davon entfielen allein auf die Region Lausitz 2.3 Milliarden DM - 2.3 Milliarden DM an Aufträ gen für Finnen in der Metallverarbeitung. in der Bauindustrie. im Elektrogewerbe. in der Holzverarbeitung und in Handelsuntenlehmen.

Die Zahlen bei der VEAG liegen in ähnlichen Größenordnungen und das bedeutet für die Lausitz Kautkraft in den Städten. Steuereinnahmen von Städten und Gemeinden und Existenzsicherheit für eine Vielzahl mittelständischer Unternehmen.

Die letzten zehn Jahre waren aber auch durch eine Vielzahl von Konflikten. die sich aus dem aktiven Bergbau und seinen Auswirkungen ergehen. gekennzeichnet. Viele Spannungsfelder konnten vom Braunkohleausschuss des Landes Brandenburg" der von diesem Hohen Hause als Träger der Braunkohlen- und Sanierungsplanung bestimmt wurde. gelöst werden. Andere Konflikte. wie beispielsweise die Erhaltung des Ortes Homo. waren durch den Braunkohleausschuss nicht zu lösen und werden wohl auch weiterhin unabhängige Gerichte beschäftigen.

An dieser Stelle möchte. ich die im Mahncamp am Homoer Berg versammelten Ber gleute grüßen und den Homoem sagen: Dieses Mahncamp richtet sich nicht gegen die Menschen aus Horne. Demonstriert wird dort für die Zukunft der Lausitz und die Bergleute appellieren auch an den Brandenburger Landtag.

Wir müssen auch in Zukunft in der Politik klare Rahmenbedingungen für den Erhalt von Arbeit gerade in strukturschwachen

Reg ionen schaffen. Der Brandenburger Landtag hat sich in der Vergangenheit klar zu seiner Verantwortung bekannt und ich bin sicher. dass er dies auch in Zukunft tun wird. Energie aus der Lausitz ist für Deutschland unverzichtbar und für Brandenburg lebensnotwendig. - Danke.

(Beifall hei der SPD)

I 191‹ Landtag Brandenburg - 3. Vtaltlpertt>de - l'Iüttarprotokolt 3 20 - 20. September 2000

Präsident Dr. Knublieht

Ich danke auch. - Das Wort geht an den Abgeordneten Thiel. Er spricht für die PDS-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum Thema der Aktuellen Stunde möchte ich mich auf vier Punkte beschränken.

Erstens: Eine ernsthafte Diskussion über eine vorausschauende Energiepolitik unter dem Gesichtspunkt nachhaltiger Landesentwicklung ist nur unter Beachtung europäischer und nationaler Rahmenbedingungen möglich. Diese änderten sich jedoch nach 19%. dem Jahr der Verabschiedung des derzeitigen Brandenburger Energiekonzepts, gravierend. Einerseits durch die 1997 eingeleitete Liberalisiening zu einem europäischen Energiemarkt. der nach erfolgten Fusionen zukünftig von einigen wenigen mächtigen Energiemonopolen auf vorwiegend atomarfossiler Energieträgerbasis beherrscht sein wird. sowie andererseits durch wieder ansteigende Energiepreise geht es so weiter wie bisher. Zukunftsträchtige Kraft-Wärme-Kopplung und erneuerbare Energien dagegen unterliegen einem erbarmungslosen Preiskrieg und werden von den Strommärkten verdrängt, wenn staatliche Regulierung ausbleibt.

Schließlich deckt die Liberalisierung Überkapazitäten auf den nationalen Strommärkten auf und zwingt zu deren Abbau mit allen daraus folgenden Konsequenzen. Das trifft zukünftig, meine Damen und Herren. vor allein Standorte in den alten Bundesländern. Ich gehe Herrn Woidke Recht: Die VEAG hat in den letzten Jahren mehrere Milliarden DM in den Neubau bzw. die Rekonstruktion von Kraftwerken investiert_ sodass zum Beispiel die Kraftwerke Schwarze Pumpe und Jänschwalde. wenn die Abschreibungsphase überstanden ist, gute Karten in dem sich verschärfenden Wettbewerb haben.

Gleichzeitig trugen nach 1990 die Beschäftigten der ostdeutschen Kohlen- und Energiewirtschaft die Hauptlast bei der Sanierung dieses Industriebereiches in Deutschland. was in der Folge zu einem Verlust von über 100 000 Arbeitsplätzen führte.

Zum anderen. meine Damen und Herren. hat die Europäische Kommission Ende 1997 einen Aktionsplan vorgeschlagen. mit dein entsprechend den Anforderungen und entsprechend der Klimakonvention die Energieeinsparung und besonders die Förderung erneuerbarer Energien auf ein deutlich höheres Niveau gehoben werden sollen. Bis zum Jahr 2011) wird ein Anteil erneuerbarer Energieträger in der EU von mindestens 12 % gefordert. Das Ausgangsniveau der einzelnen Mitgliedsstaaten ist dabei äußerst differenziert. Es weist in Österreich mittlenveile 30 f'/i°in aus, während Industrienationen wie Deutschland bei gerade 2 % oder Großbritannien bei nur einem Prozent l iegen.

Gemessen daran, dass die beitrittswilligen Länder Osteuropas kaum erneuerbare Energieträger nutzen, fordert die Europäische Kommission besonders ihre wirtschaftsstarken Mitglieder auf. einen größeren nationalen Beitrag zum Erlangen des 12 %-Zieles zu leisten. Das seit April 200(1 in der Bundesrepublik gültige Erneuerbare-Energien-Gesetz sowie die Übergangsregelung für Kraft-Wärme-Kopplung erhöhen nun den Handlungsdruck auf die Energiepolitik der Bundesländer West wie Ost.

Nicht zuletzt. meine Damen und Herren. gehört zu den sich gravierend ändernden Rahmenbedingungen für den deutschen Energiemarkt der beschlossene Atomkonsens. Dieser hat bei aller notwendi gen Kritik wenigstens das Tor geöffnet für einen möglichen Ausstieg aus der Kernenergie.

Eine zweite Bemerkung: In der wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Diskussion ist man sich weitgehend darüber einig. dass es mit der begrenzten Verfü gbarkeit atomar-fossiler Energieträger und mit der begrenzten Aufnahmefähigkeit der Ökosphäre für Schadstoffe zwei existenzielle Barrieren für den herkömmlichen Energieeinsatz gibt. Wir müssen also deutlich vor dem absehbaren Ende der Verfü gbarkeit jetzt bekannter herkömmlicher Energiequellen in Wahrnehmung unserer Verantwortung für die nachfolgenden Generationen eine Alternative herbeigeführt haben. die diese beiden existenziellen Grenzen nicht hat. Einige von der SPD-Fraktion werden sich an diese Worte erinnern. Sie wurden von Hermann Scheer während Ihrer Umweltkonferenz 1997 genannt.

Für die PDS in Brandenhurg ist daher die Einleitung einer Energiewende hin zur zunehmenden Nutzung erneuerbarer Energien und zur Energieeinsparung die zentrale Aufgabenstellung für eine auf Nachhaltigkeit und Zukunftsfiihigkeit gerichtete Entwicklung der Bundesrepublik und des Landes Brandenburg.

Wir unterstützen deshalb alle Maßnahmen in dieser Richtung und sehen dabei den Schwerpunkt in der Entwicklung regionaler Wirtschaftskreisläufe. vor allem auch auf der Basis nachwachsender Rohstoffe.

(Beifall hei der PDS)

Unverkennbar. meine Damen und Herren, ist in Brandenburg - bei aller notwendigen Kritik auch an der Politik der Landesregierung zum Beispiel bei der Umsetzung des REN-Programms - seit 1995 vor allem durch das unermüdliche Engagement zahlreicher lokaler und regionaler Akteure hinsichtlich der Nutzung erneuerbarer Energieträger und in Bezug auf Energiesparmaßnahmen einiges in Gang gekommen.

Ein hervorragendes Beispiel ist die Klimaschutzregion ElbeElster. die dazu in der vergangenen Zeit eine sehr interessante Konferenz durchgeführt hat. nicht zu ver gessen die damit verbundenen mutigen, weil nicht risikolosen Existenzgründungen, der Erfindungs- und Ideenreichtum und die immer wieder mahnenden kritischen Wortmeldungen von Verbänden und lntc ressenvereinen. Ihnen muss die herrschende Landespolitik zukünftig bedeutend mehr Aufmerksamkeit als bisher schenken.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen. ‘v ir sind also am Beginn eines notwendigen tief greifenden Umbruchs. vor allein in der Energiewirtschaft. Vor diesem Hintergrund befindet sich selbstverständlich die Lausitz als Brandenburger Kohlen- und Energieregion in einem Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne.

In dieser Übergangsphase - das ist meine Überzeugung - sind Braunkohlenfördening und -verstromun g nicht nur notwendig für die weiterhin zuverlässige Energiebereitststellung, sondern derzeit unerlässliche Faktoren für Wertschöpfung und Beschäftigung in der Lausitzregion, auch wegen wenig erfol greicher Strukturpolitik der Landesregierungen Brandenburgs und Sachsens in

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den vergangenen zehn Jahren in der Lausitz. Aber seit 1998 ist der Markt für Strom in Deutschland offen. Die herrschende Politik - auch im Osten - entschied sich für Deregulierung. neoliberalen Wettbewerb und niedrige Preise und damit in Folge gegen den Schutz der ostdeutschen Braunkohle. Da half auch keine Braunkohlenschutzklausel im km ikwürdigen neuen Energiewirtschaftsgesetz dieser Bundesrepublik. Diese ist von der Praxis längst überholt.

Die Situation wird noch verschärft durch ein unsicheres gesetzliches Fundament der Braunkohlenplanung in Brandenburg, das auch Angriffspunkte für lang^^ rerige Gerichtsverhandlungen bietet. politisches Handeln %erhindert und damit zur weiteren Verunsicherung der Menschen in der gebeutelten Lausitzregion beiträgt. Hier hat Regierungspolitik in den letzten Jahren versagt.

Unabhängig von unterschiedlichen Sichtweisen auf die Probleme im Jänschwalder Revier ist deshalb die rasche Herstellung von Sicherheit für alle Betroffenen dringend notwendig. Die Menschen in der Lausitz wollen wissen. woran sie sind. Dazu kommt. dass nicht zuletzt infolge der jüngsten Großfusionen westdeutscher Energiekonzerne, die zu gleich Eigentümer der VEAG und anderer ostdeutscher Unternehmen dieser Branche sind, die Existenz eines auch von der PDS favorisieren eigenständigen ostdeutschen Energi euntemehmens gefährdet ist. Hier stehen die Landesregierung und die Unternehmen für den Erhalt der Kohlenstandorte in Brandenburg in einer besonderen Verantwortung. Wir fordern Sie auf, dieser Verantwortung gerecht zu werden. - Schönen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort geht an die CDU-Fraktion. Herr Abgeordneter Habermann. bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es macht sich von hier vorn natürlich immer sehr gut. von einem absoluten Versagen der Landespolitik zu sprechen. ohne auf Einzelheiten und Differenzierungen innerhalb einer Re gion wie der Lausitz einzugehen.

soll ja wohl im nächsten fahr dem Landtag vorgelegt werden wird genau diese Ziele auch wieder enthalten. Und doch hat sich in der letzten Zeit in der Energiepolitik sehr viel verändert.

Auf der einen Seite sind die Anforderungen an eine akzeptable. nachhaltige Entwicklun g, zu erfüllen und auf der anderen Seite ist die Energiewirtschaft inzwischen voll dein freien Markt ausgesetzt. Da diese beiden Pole nicht ohne Widersprüche in Übereinstimmung zu bringen sind. wird es immer wieder zu einem Ausgleich der gesamtgesellschaftlichen Interessen kommen müssen.

Das beste Beispiel dafür ist - ich komme deswegen auch noch einmal darauf zurück - die Nutzun g der Braunkohle in den Kraftwerken der Lausitz. Räumt man nämlich der Nachhaltigkeit den absoluten Vorrang ein. würde das praktisch heißen. dass Tagebaue geschlossen und Kraftwerke ab gefahren werden müssen. Ich sprach aber ausdrücklich vom Ausgleich gesamtgesellschaftlicher Interessen. Dabei sind natürlich auch die Gesichtspunkte der Versorgun gssicherheit. der Preisgünstigkeit und des Arbeitsmarktes in der Region mit zu berücksichti

gen.

Ich äußere mich hier ausdrücklich nicht zu einem laufenden Gerichtsverfahren, sondem wiederhole meinen bereits seit Jahren bekannten Standpunkt. dass nach verantwortlicher Abwä

gung m den nächsten Jahrzehnten auf die Braunkohlenverstromung m der Lausitz nicht verzichtet werden kann. In diese Feststellung schließe ich ausdrücklich den Energiekomplex Jänschwalde ein.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich komme zum formulierten Thema zurück und stelle die Frage: Wie sieht vorausschauende Energiepolitik im Land Brandenburg aus? Da die Antwort sehr komplex sein müsste. lassen Sie mich nur wenige Gesichtspunkte herausgreifen.

Erstens Klimaschutzpolitik: Das Klimaschutzziel für 2005. welches in Rio formuliert worden ist. sah 25 % Senkung des CO,-Ausstoßes vor. Dieses Ziel wird Deutschland nicht erreichen. zumindest nicht bis zum Jahre 2005. Ich halte es sogar langfristig für nicht realisierbar. wenn auch noch aus der Nutzun g der Kernenergie ausgestiegen wird.

(Zuruf von der PDS: Quatsch!) Wenn über die Energiepolitik im Land Brandenburg gesprochen wird. meinen viele - das habe ich auch heute wieder den Redebeiträgen entnommen - den Komplex der Braunkohlenverstromung in der Lausitz. Das ist zwar für unser Land existenziell würde aber das Thema meiner Meinung nach unzulässig verkür zen. Die Landesre gierung besitzt ein - wenn auch schon etwas betagtes - Energiekonzept. Die in diesem Konzept enthaltenen Grundfordeningen und Entwicklungstendenzen sind nach wie vor uneingeschränkt aktuell. Ich erinnere nur an die Ziele zur Energieeinsparung. der Nutzung regenerativer Energien, der Senkung von Umweltbelastungen und der Effektiv itätserhöhung im Prozess der Braunkohlenverstromung. Das angekündigte neue überarbeitete Handlungskonzept des Landes Brandenburg zur Unisetzung des Energiekonzeptes - es - Das ist kein Quatsch. - Wir liegen zurzeit bei 12.5 % dieses Zieles. Wenn Sie wissen. welche Mengen sich dahinter verbergen. dann möchte ich wissen, wie das zu realisieren ist. zumal die größte CO3-Einsparung in den letzten Jahrzehnten eigentlich immer nur durch die Stilllegung von Produktionsstandorten im Osten erreicht worden ist. (Zuruf der Abgeordneten Frau Dr. Enkelmann [PDS] - Zustimmendes Klopfen des Abgeordneten Dr. Ehler [CDU])

Trotzdem müssen wir als Land alle Möglichkeiten unterstützen. die zu einer Verbesserung der Energieproduktivität in der Industrie. bei der Gebäudeheizung - das ist besonders wichtig, denn etwa die Hälfte des deutschen Primärenergieverbrauchs entfällt heute auf die Wärmeerzeugung - und im Transport

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hereich beitragen. Das heißt also: Verbesserung der Energieproduktivität nicht nur m Form von Wirkungsgradsteigerungen der Kraftwerke und Senkung des Eigenverbrauchs der Kraftre erke. sondem Effizienzsteigerung bei der Energienutzung in allen Bereichen von Handwerk. Gewerbe und Industrie. Das geht im weitesten Sinne bis zur Verbesserun g der Verkehrsinfrastruktur. zur Verringening von Stausituationen und zum Einsatz neuer Kraftstoffe. zum Beispiel von Wasserstoff

Zweitens Erhöhung der re generativen Energienutzung: Die im Brandenburger Energiekonzept fixienen Grundsätze einer nachhaltigen Energieversorgung - Stichworte: Schonun g der natürlichen Ressourcen des Landes. globale Klimavorsorge - orientieren zwangsläufig auf eine verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien.

Brandenburg konzentriert sich dabei auf die VV indlzraftnutzung. die energetische Verwertung nachwachsender Rohstoffe. die Biogaserzeugung. die Nutzung der Erdwärme und zunehmend auch auf die Photovoltaik.

Obwohl ich ausdrücklich die Nutzung dieser Energiequellen befürworte. möchte ich davor warnen. ihre Bedeutung zu überschätzen. Ich verdeutliche das am Beispiel der Windkraftnut

Zig] 2. die im Land am weitesten verbreitet ist. Derzeitig haben wir circa 400 MW Windkraftleistung installiert. die bis 2010 sogar auf circa 1300 MW anwachsen wird. Da mit diesen Antagen nur diskontinuierlich Strom erzeugt werden kann, decken die 400 MW Windkraftleistung heute nicht einmal ein Prozent des jährlichen Primärenergieverbrauchs des Landes.