Dass auch zehn Jahre nach der Wiedervereinigung noch immer fast 50 000 Entscheidungen zu offenen Vermögensfragen ausstehen. ist nach Auffassung unserer Fraktion geradezu ein Armutszeugnis und nicht hinzunehmen.
Dass sich. meine Damen und Herren, die Zahl der Arbeitslosen im Land Brandenburg von etwas über 100 000 im Jahr 1990 auf weit über 200 (100 im Jahr 1999 mehr als verdoppelt hat und auf diesem konstant hohen Niveau verharrt. wobei besonders die 32%-Quote der Langzeitarbeitslosen ins Auge sticht, ist die arbeitsmarkt- und sozialpolitische Bankrotterklärun g dieser Landesregierung.
Auch der rapide Anstieg des Bezugs von Sozialhilfe um über 60 % von 1994 bis zum Jahr 1998 passt hier voll ins Bild.
Dass sowohl in der Privatwirtschaft als auch im öffentlichen Dienst bis heute keine Lohnangleichung gegenüber den Altbundesländern stattfand. sondern stattdessen die Realeinkommen hier in Mitteldeutschland bei circa 80 % der Einkommen in den Altbundesländern stagnieren, wurde auch von unserer Fraktion immer wieder thematisiert und stellt einen Skandal dar.
Doch, meine Damen und Herren, trotz all dieser Defizite, welche nicht zu leugnen sind. darf man auch nicht übersehen. welche Fortschritte uns die Wiedervereini gung gebracht hat. Denken Sie nur an die allgemeine Versorgungssituation im Vergleich zur DDR, denken Sie an die Sanierung unserer Städte und Straßen. an den Aufbau der modernsten Telekommunikationseinrichtungen Europas oder auch an die Reisefreiheit!
Wir, die Mitglieder der DVU-Fraktion, lassen uns von Ihnen. meine Damen und Herren von der kommunistischen PDS - und das betone ich mit aller Deutlichkeit -,
die Erfüllung des größten Wunsches des deutschen Volkes, nämlich die Wiedervereinigung vor zehn Jahren und die Abschüttelung des Jochs eines blutigen Mauermord- und StasiSystems. nicht kleinreden. Das sage ich Ihnen als ehemaliges Mitglied eines regionalen Sprecherrates des Neuen Fonims und als Mitglied des Wirtschaftssprecherrates der DDR.
Einem von uns beiden hat man wegen seiner Zugehörigkeit zur SED-Spitze Redeverbot erteilt, während ich als jemand. der vor einem Waffenla ger Ihres Devisenbeschaffers Schalck-Golodkowski als Bürgerrechtler Wache stand. in der Sendung zu Wort kam. Wer von uns beiden kann nun sagen. er habe die Einheit vollzogen und der andere sei der Gegner gewesen? - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Uns liegt die Antwort auf die Große Anfrage der PDS-Fraktion zum Thema „I (1 Jahre deutsche Einheit- vor. Die Anfrage wurde bereits in anderen Länderparlamenten und im Bundestag gestellt. Nun erreicht sie Brandenburg.
Wir erinnern uns: Über den Vertrag zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland zur Herstellun g der staatlichen Einheit Deutschlands wurde in der Volkskammer der DDR abgestimmt. Die SED/PDS stimmte dagegen - oder hieß sie nur PDS?
(Zuruf von der PDS: PDS - nachlesen! So kennen Sie sich aus! - Vietze [PDS]: Das CDU-Mitglied Nooke, stellvertretender Fraktionsvorsitzender, stimmte auch dagegen, Herr Lunaceld
Die Antwort auf die Große Anfrage enthält eine Fülle wichtiger und interessanter Daten und Indikatoren in Bezug auf den Stand der Herstellung gleicher Lebensverhältnisse in Ost und West sowie in Bezug auf die Bewältigung des Einigungsprozesses.
Es ist völlig unmöglich, in zehn Minuten im Einzelnen auf das in der Antwort Wiedergegebene einzugehen. Ich möchte mich daher auf wenige, besonders bedeutsame Aspekte beschränken.
chungsprozess West - Ost in Bezug auf dic Entwicklung der Arbeitslosigkeit. Die Anzahl der Arbeitslosen in Brandenburg ist von 101 000 im Dezember 1990 auf 222 000 im Jahr 1999 gestiegen, Das ist zweifelsohne eine beunruhigende Entwicklung. Allerdings muss man feststellen. dass sich die Anzahl der Arbeitsplätze pro 100 Einwohner zwischen Ost und West derzeit kaum unterscheidet. Allerdings haben wir im Osten Deutschlands eine deutlich höhere Erwerbsneigung und dies wird nach allen Prognosen auch unverändert so bleiben.
„Trotz enormer Atatbauleistungen etwa bei der Modernisierung der Infrastruktur und der Produktionsanlagen sowie einer großen Anzahl erfahrener und gut ausgebildeter Fachkräfte ist der gesamtwirtschaftliche Angleichungsprozess zwischen Ost und West somit auch lin Land Brandenburg ins Stocken geraten.
Insgesamt reichte das Wirtschaftswachstum für ein nachhaltiges Beschäftigungswachstum nicht aus. Die Arbeitsmarktungleichgewichte zwischen Ost und West werden sich nach jüngsten Prognosen des Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit auch im Jahr 2000 fortsetzen: Während für Westdeutschland sogar eine Zunahme an Arbeitsplätzen erwartet wird, werden für die neuen Länder allenfalls eine Stabilisierung der Beschäftigung und ein leichter Rückgang der Arbeitslosenzahl - bedingt durch eine Entlastung des Arbeitsmarktes durch einen Rückgang des Arbeitskräfteangebotes - erwartet. Arbeitsmarktpolitik kann für sich genommen das Beschäftigungsproblem in Ostdeutschland nicht lösen. Hier sind die Wirtschafts-, 13eschäftigungs-, Struktur- und Finanzpolitik gefragt."
Oder betrachten wir die noch vorhandene Produktivitätslücke gemessen am Bruttoinlandsprodukt je Einwohner! Das Bnittoinlandsproclukt je Einwohner betrug 1998 in Brandenburg immer noch lediglich 70 % des Bruttoinlandsproduktes je Einwohner in den alten Bundesländern. Dies schlägt sich auch in den Einkommen nieder. Sorge macht hier vor allem die sich abzeichnende Entwicklung. Hierzu schreibt uns die Landesregierung:
„Für die Jahre 1996 bis 1998 zeigt die Entwicklung der Bruttoverdienste vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im produzierenden Gewerbe. Handel, Kredit- und Versicherungsgewerbe. dass die Angleichung der Bruttoverdienste zwischen Ost- und Westdeutschland sich verlangsamt. Die Ost-West-Relation lag 1996 bei 72,9 %. 1997 bei 73,7 % und 1998 bei 73.9 %. Eine rückläufige Entwicklung fand statt hei den männlichen Arbeitern im produzierenden Gewerbe. Nach einem Anstiegder Ost-West-Relation von 74.4 % (1996) auf 75.1 % (1997) vergrößerte sich der Abstand zwischen den Bruttoverdiensten in Ost und West erneut; die Ost-West-Relation lag 1998 bei 74,9 %."
Wenn wir trotz der genannten Feststellun gen am Ziel der Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost- und Westdeutschland festhalten. müssen wir zwingend eine Reihe von Schlussfolgerungen ziehen:
Erstens: Es ist weiterhin eine große Unterstützung der Aufbauleistung Ost durch die alten Bundesländer notwendig, die sich wie bisher in erster Linie in finanziellen Transfers widerspiegelt. Die Verhandlungen zum Solidarpakt II haben deshalb eine immense Bedeutung und wir müssen die Aufmerksamkeit der Bundespolitik hier mit Nachdruck auf die Probleme der neuen Bundesländer lenken. Dafür ist nicht nur die eine oder die
andere Sommerreise hochrangiger Bundespolitiker, sondern die Beschäftigung mit den Problemen des mühsamen Aufholprozesses notwendig.
Zweitens; Dies bedeutet aber auch, dass wir unsere eigenen Bemühungen für die finanzielle Konsolidierung in Brandenburg fortsetzen müssen und in unseren Anstrengungen nicht nachlassen dürfen. Wir dürfen nicht über unsere Verhältnisse leben und schon gar nicht - oder zumindest nicht - über die Verhältnisse, die sich die alten Bundesländer, die die Geberländer sind. selbst leisten. Ansonsten haben wir in den Sol Warpakt-Verhandlungen schlechte Karten.
Drittens: Konkret heißt das für uns. der Wirtschafts-. Beschäftigungs- und Strukturpolitik höchste Priorität einzuräumen. um Arbeit für die Menschen im Lande zu schaffen. Stärkun g der Wirtschaft. Verbesserung der Infrastruktur sowie Schwerpunktsetzung bei den Investitionsausgaben sind die Schlüssel. die den Aufholprozess Brandenburgs zu den alten Bundesländern erfolgreich zu Ende bringen werden.
Meine Damen und Herren. ein weiterer Aspekt: Ein Teil der Großen Anfrage der PDS beschäftigt sich mit diversen Preisvergleichen zwischen den Jahren 1990 und 2000 in den neuen Bundesländern. Ich weiß nicht. was der Anfragesteller damit bezwecken möchte. Sicher ist: Die Ver gleiche sind so unsinnig. wie überhaupt nur etwas unsinnig sein kann. Denn die genannten Produkte sind nicht miteinander vergleichbar, da man bekanntermaßen Äpfel nicht mit Birnen vergleichen kann. Man kann nicht die durchschnittliche Miete einer Wohnung von 1990 mit der heutigen Miete vergleichen. ohne in diesem Zusammenhang festzustellen. dass in der Regel heute keine Kohleheizungen mehr vorherrschen. die Wohnungen in der Regel ein Bad haben, was damals vielfach nicht der Fall war. Sie hatten seinerzeit sogar teilweise Außentoiletten oder es war keine Kanalisation vorhanden. Man kann nicht die Kilowattstundenpreise von 1990 und 2000 vergleichen, ohne zu berücksichtigen. welche immense Um weltzerstöning durch den Kohleraubbau ohne Renaturierungsmaßnahmcn betrieben wurde oder welch immense Luftverschmutzung durch hoch schadstoftbelastende Kraftwerke damals erfolgte.
Es ist so. Fahren Sie einmal ins Erzgebirge und schauen Sie sich an. wie es dort aussieht! Rauchharte Bäume wollte man zu DDR-Zeiten pflanzen. um diesem Problem beizukommen.
Man kann nicht die Kubikmeterpreise für Wasser oder Abwasser vergleichen. ohne zu berücksichtigen. welche Mengen an Abwasser seinerzeit um Grundwasser versickerten und uns noch über Generationen schadstoffbelastetes Grundwasser mit all den Folgen für die Gesundheit bescheren werden,
Solche Preisvergleiche sind höchstens dazu geeignet. einevöllig unangebrachte und an den Realitäten vorbei gehende Glorifiziening der DDR zu betreiben.
Insgesamt ist festzuhalten: Der Lebensstandard im Osten Deutschlands hat sich in den letzten zehn Jahren stetig und deutlich verbessert.
Verbessert hat sich ebenso deutlich die Produktqualität, und zwar durch gängig. Verbessert hat sich gleichzeitig der Schutz der Umwelt. Dies ist das Ergebnis der Wiederherstellung der deutschen Einheit, der Wiederherstellung demokratischer Ver
Meine Damen und Herren. die Große Anfrage enthält ferner eine Reihe von Fragen und Feststellungen zur Umsetzung des Einigungsvertrages. Es ist an dieser Stelle erst einmal festzuhalten. dass wir froh sein können, dass wir den Westteil unseres Vaterlandes hatten. mit dem wir einen Eini gungsvertrag schließen konnten. Ein Blick nach Osten führt uns vor. wie ungleich schwerer es anderenfalls geworden wäre.
Auf einen Aspekt des Einigungsvertrages möchte ich konkret eingehen: die Frage der Behandlung von Altei gentum und des Interessenausg leichs mit Alteigentümern. Der Grundsatz „Rückgabe vor Entschädigung" ist der wohl am meisten und sehr kontrovers diskutierte Grundsatz der Regelun gen des Einigungsvertrages. Es gab und gibt zweifellos erhebliche Härten für ehemalige DDR-Nutzer von Alteigentum. genauso wie es erhebliche Härten für Alteigentümcr gibt. die aufgrund von Investitionsvorrang oder Halbwenklausel die sie betreffende Verfahrensweise als Enteignung empfinden. Durch das Investitionsvorrangverfahren wurde immerhin sichergestellt, dass der wirtschaftliche Aufholprozess durch das Problem Aheigentum nicht entscheidend behindert wurde.
Eines sollte an dieser Stelle jedoch festgehalten werden: Die Vemrsacher des ganzen Problems mit seinen unzähligen Härten und Ungerechtigkeiten für beide Seiten waren die SED und ihre Politik, die Eigentum gröblichst mißachtete. die nach Gutdünken enteignete und die durch ihre Politik viele Menschen aus dem Land trieb - mit all den Folgen. die damit verbunden waren.
Dies sollte man nicht vergessen, wenn man über dieses Thema diskutiert und manchmal seinen Ärger über die Väter des Einigungsvertrages äußert. Man hatte damals ein Problem zu lösen, für das es schlicht eine gerechte Lösung von beiden Seiten nicht gab. Mehr als 80 "q) der strittigen Fälle sind inzwischen entschieden. Es bleibt zu hoffen. dass durch die Klärung der verbliebenen Fälle dieses Thema bald keines mehr ist.
Abschließend, meine Damen und Herren, lassen Sie mich sagen. dass ich mir gewünscht hätte. dass man sich, wenn man eine Große Anfrage zum Thema _10 Jahre deutsche Einheit" stellt, auch mit den Themen beschäftigt, die ich wirklich für bedeutsam halte. nämlich mit der Wiederherstellung von Demokratie und demokratischer Mitbestimmun g in den neuen Ländern.