Protokoll der Sitzung vom 16.11.2000

Die Zusammenarbeit der Hochschulen mit der Wirtschaft muss besser koordiniert und auf Schwerpunktaufgaben konzentriert werden. Die tv irtschafts fördernde Wirkung der Hochschulen kann wesentlich gestärkt werden. wenn sich die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Hochschultypen von der Universität über die Fachhochschule bis hin zur Berufsakademie verbessert.

Die Abwanderung von Brandenburger Absolventen. besonders im Bereich der Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften. in andere, wirtschaftlich aufstrebende Regionen Deutschlands muss gestoppt und der Trend um gekehrt werden. Doch das wird nur möglich sein. wenn wir unseren Absolventen zukunftsfähige Netzwerke und wirtschaftliche Kondensationskerne anbieten können. verbunden mit einer wissenschafts- und wirtschaftsnahen Infrastruktur. uni unsere Absolventen zum Bleiben im Land zu bewegen.

Der Aufbau unserer Hochschulen muss fortgesetzt werden. Strukturelle Defizite in der Personalausstattung bis hin zu Deckungslücken in den Betriebskosten sind jedoch inzwischen für alle Hochschulen des Landes zum Problem geworden und können teilweise nur durch den für Gründungszeiten typischen Enthusiasmus kompensiert werden. Doch besonders im wissenschaftlichen und Ausbildungsbereich gilt die These, dass halbe In. estitionen doppelte Verluste sind.

Meine Damen und Herren. lassen Sie mich nun zu drei konkreten Problemen im Bereich der Hochschullandschaft des Landes Brandenburg kommen. die unserer Fraktion als besonders dringlich erscheinen.

Ich meine damit zum einen den Neubau der Universitätsbibliothek für die BTU C'ottbus. Seit Planung der Technischen Universität in Cottbus steht der Bibliotheksbau auf dem Programm. Nach Aussagen des ehemaligen Staatssekretärs Prof. Dr. Buttler könnte mit dem Bau bereits im Jahre 200(1 begonnen werden. Der Wissenschaftsausschuss unterstützt den auf 40 Millionen DM veranschlagen Neubau, und auch die Planungen sind in der Zwischenzeit abgeschlossen. Aber mit dem Bau wurde noch nicht begonnen.

Meine Damen und Herren! Gerade angesichts der Tatsache. dass im Bereich der Infonnationstechnologie Fachkräfte ebenso wie im Bereich der Ingenieurwissenschaften. aber auch z. B. im Bereich der Sprachwissenschaften fehlen und gerade die Technische Universität in Cottbus auf solche Studiengänge spezialisiert ist. muss mit dem Bau einer modernen Bibliothek an dieser Hochschule endlich begonnen werden.

Ein zweites Problem, welches unserer Fraktion auf den Nägeln brennt und welches wir auch. wie Sie wissen, während der Haushaltsdebatte thematisiert haben. sind die zu Beginn dieses Semesters eingeführten Rückmelde- und lmmatrikulationsgebühren für Studenten. Selbst der inzwischen entnervt zurückgetretene Wissenschaftsminister. Herr Hackel. be grüßte im Dezember vergangenen Jahres. also lange vor Verabschiedung des Haushaltsplanes für 2000'2001. die Studentenproteste gegen diese Immatrikulationsgebühren. Aber in der Zwischenzeit wurden sie eingeführt.

Ein drittes Problem. das ich noch kurz ansprechen möchte. ist

die personelle wie finanzielle Ausstattung der Fachhochschule Lausitz. Diese verfügt über ein hochmodemes Reinraumlabor zur Ausbildung von Studenten der Informationstechnologie. Es kann jedoch aufgnind der Mittelkürzung durch die Landesregierung uni 3 Millionen DM und der damit verbundenen Planstellenkürzung um vier Stellen nur in jedem zweiten Semester anstatt durchgängig zweischichtig genutzt werden. So steht für elf Professoren nur ein wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Verfügung.

Das Ergebnis ist sichtbar. Während der Zeit der Vorlesun g des Professors bleibt. da das notwendige Personal fehlt. dieses Hi ghtech-Labor geschlossen. Dies führt natürlich zu einem erheblichen Mangel an Studienqualität gerade in diesem so wichti gen Bereich. Wenn man bedenkt. dass solche Labore nach fünf. spätestens 15 Jahren schon als Schrott anzusehen sind. fragen wir ganz ernsthaft: Warum werden hier nicht Prioritäten zugunsten der Zukunft gesetzt?

Erinnern Sie sich bitte. meine Damen und Herren: Als nach dem Zechensterben im Ruhrgebiet eine neue Industrie aufgebaut wurde, waren es die Hochschulen. die die führende Rolle übernahmen.

Bei einer vernünftigen Unterstützung kann die Fachhochschule Lausitz neben dem Lausitzring in dem industrieschwachen Gebiet der Motor sein. Vielleicht sollten Sie. Frau Ministerin. zusammen mit unserem Wirtschaftsminister eine Lösung dafür finden. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall hei der DVU)

Ich bedanke mich auch und gebe das Wort an die Fraktion der CDU. Herrn Abgeordneten Dr. Nickisch.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die PDS hat sich die Freiheit genommen. in der heuti gen Aktuellen Stunde zu Stand und Perspektiven der brandenburgischen Hochschulen Auskunft zu verlangen und darüber zu diskutieren. Diese Freiheit steht Ihnen selbstverständlich zu. ich habe das g rundsätzlich nicht zu kritisieren.

(Gelächter und Beifall bei der PDS)

Im Gegenteil. meine Damen und Herren. die Zeit und die Anlässe sind günstig, um über dieses für Brandenburg überlebenswichti ge Politikfeld vertiefend zu sprechen. Eines muss ich jedoch feststellen: Wenn es Ihnen wirklich um die Sache und damit uni die Zukunft des Landes ginge. hätten Sie sich_ meine Damen und Herren von der PDS. für diese Aktuelle Stunde weni gstens noch ein oder zwei Monate Zeit gelassen; denn es ist nicht unbedingt fair und zeugt von politisch schlechtem menschlichem Stil. wenn Sie dieses Thema zu dem Zeitpunkt verlangen. da die neue Ministerin noch nicht einmal einen Monat im Amt ist. Ich glaube, die Auskünfte. die wir hier vorn geben könnten, wären viel. viel umfassender.

(Zurufe von der PDS)

Landaa_ Brandenburg - 3. Wahlperiode - I llemarproloki.U1 3 - I o. • 0i:et-dm 2.04.H.) 1519

Aber Sie brauchen sich gar keinen falschen Hoffnungen hinzugeben - wir nehmen diese Herausforderung gern an.

(Zuruf des Abgeordneten Vietze [PDS])

Und wie ich Frau Ministerin Wanka kennen gelernt habe. wird sie dies ebenfalls mit großer Souveränität tun. Es hätte nur der Sache viel mehr gedient. wenn Sie den vordergründigen Wunsch, die Regierung und die Koalition aufs Glatteis zu führen. zurückgestellt hätten. Aber wir nehmen die Sache. wie gesagt. an.

(Unruhe hei der PDS1

Ansonsten bin ich der PDS durchaus dankbar. dass sie dieses Thema auf die Tagesordnung gesetzt hat. denn dort gehört dieses Thema hin. Mehr noch: Das Thema Wissenschaft und Hochschulen muss auch in den Zeitungen aus den rein intellektuellen Wissenschaftsseiten und aus den Feuilletonabteilun gen heraus. Der Stand unddie Perspektiven der Hochschulen Brandenburgs müssen viel stärker publik gemacht werden. um endlich auch in Brandenburg populär zu werden. Daran man gelt es noch.

Worum gellt es? Es steht ziemlich klar im Koalitionsvertrag:

_Ausbildung und Qualifikation sind die Schlüsselressourcen auf dem Weg ins 21. Jahrhundert Investitionen in Wissenschaft und Forschun g sind Investitionen in die Zukunftsfähigkeit des Landes. Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen sind in ihrer Rolle als strukturprägende Standortfaktoren zu stärken. deren Existenz die Attraktivität fiir die Ansiedlung von Unternehmen erhöht. indem sie insbesondere kleinen und mittleren Untemehmen den für erfolgreichen Wettbewerb notwendigen Anschluss an das wissenschaftliche Innovationspotenzial ermögl

Etwa vor einem Jahr sagte der Herr Ministerpräsident von diesein Platz aus in seiner Regierungserklärung:

„Wissen. Bildung. lebenslange Fortbildung sind Schlüssel zu persönl ichein Erfolg. Aber nicht nur. Sie sind auch der Schlüssel dafür. dass unser Land schneller vorankommt. Hochschulen und eine differenzierte Forschungslandschaft sind wichti ge wettbewerbs- und wachstumsbestimmende Faktoren."

Um den Rei gen voll zu machen - die Vorsitzende der CDUFraktion. Frau Blechinuer. sagte in ihrer Rede zur 1. Lesung des Haushaltes 2000/2001:

„Der Bereich Wissenschaft und Forschung ist nicht nur einer der wichtigsten Standortfaktoren für das Land Brandenburg. sondern auch seine Lebensader."

guten. erfolgreichen und viel versprechenden Legislaturperiode stehen. Wir fangen jetzt erst richtig an - um es mit Will y Brandt zu sauen.

Der Ministerpräsidem hat in seiner Regierungserklärung vor einem Jahr ebenso gesagt:

_Deshalb gleich zu Beginn der Regierungserklärung mein Appell an die Menschen im Lande wie auch an Sie. verehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete: Helfen Sie mit. Kräfte zu bündeln und Chancen für Brandenburg zu nutzen!

Zehn Jahre nach dem Fall der Mauer nähern wir uns der bundesdeutschen Normalität. Die begonnene Arbeit ist fortzusetzen. Neue Akzente und Prioritäten kommen hinzu."

Kräfte zu bündeln und Prioritäten zu setzen, tun Chancen für Brandenburg nutzen zu können. darauf kommt es an. Ich habe mir damals. vor einem Jahr vorgenommen. diesen Appell ernst zu nehmen und den Fachbereich und das Politikfeld. was ich zugesprochen bekommen habe. nicht nur zu verwalten, sondern zu gestalten.

Dies kostet Kraft. ist manchmal unpopulär, Man steht in der Gefahr, von der Opposition missbraucht oder instrumentalisiert zu werden.

(Unruhe bei der PDS)

Das ist ein Risiko. Doch ich sage immer: Welcher Weg. der zum Ziel führt. ist ohne Risiko. Meine Damen und Herren. bei diesem Weg stößt man an Tabus und natürlich auch auf heilige Kühe. Tabus und heili ge Kühe haben sehr viele wachsame Holzaugen und sehr viele Hühneraugen. auf die man zwangsläufig tritt. Das ist min einmal so,

(Unruhe bei der PDS)

Mein lieber Herr Kollere Trunschke - Holzhammermethode, Wenn man nachdenkt und streitet. hat das nichts mit Holzhammermethode zu tun. sondern dient der Sache. Wenn Sie mit dem Holzhammer argumentieren. dann sprechen Sie dem Anderen die Denkfähigkeit ab und das tue ich nicht.

Zu Irland nur ein kurzer Satz. Wissen Sie. in Irland wird keine müde Mark in die Gewährung eines dritten oder künstlichen Arbeitsmarktes gesteckt. Es ist eine drastische Steuersenkung erfolgt und das Geld dieser drastischen Steuersenkung hat man in die Hochschulen gesteckt. Oh das der richti ge Weg ist. darüber lassen Sie uns streiten. Ich denke, er ist mindestens bedenkenswert.

Ich wäre ja froh. wenn wir diese alte Not vereint zwingen könnten. Deswegen wende ich mich jetzt wieder der Zukunft und auch den Koalitionsfraktionen zu. Und - wie bereits betont - wir befinden uns noch auf der ersten Hälfte des Weges. Die Koalition und die Legislaturperiode sind noch jung. frisch und dynamisch und darauf können Sie sich erlassen.

Sicherlich. die Lobb y für diesen Bereich muss in der Regierung und auch im Parlament noch größer werden. Aber wenn ich vergleiche. wie die mittelfristige Finanzplanung des Jahres 1999 mit der Perspektive für das Jahr 2000 aus gesehen hatte und wie jetzt der Haushalt nach den Beschlüssen des Sommers für 2000'2001 tatsächlich aussieht, so denke ich. ist nicht nur das Schlimmste abgewendet worden. sondern es ist mit aller Vorsicht dennoch eine erkennbare Trendwende eingeleitet worden.

Meine Damen und Herren! In der zweiten Hälfte der 90er Jahre waren wir leider im Bereich der Hochschulen fast an den Rand einer chronischen Mangelwirtschaft gekommen. Trotz großer Leistungen des Aufbaus - wir haben eine hervorragende Hochschullandschaft: technisch und architektonisch sucht das in Deutschland seinesgleichen - können und dürfen wir dabei jetzt nicht stehen bleiben.

Ich denke, es gibt eine großartige Bilanz des letzten Jahres: es ist eine Bilanz der CDU 'SPD-Koalition. Und weil Sie auch den Rücktritt des bisherigen Ministers angesprochen haben, will ich das einmal ganz kurz zusammenfassen:

Erstens: Der notwendige Zuwachs des BAföG-Aufwuchses von 20 Millionen DM ist voll ausgeglichen worden. Zusammen mit dem Wirtschaftsminister wurden 500 000 Mark zusätzlich für die Förderung der Unternehmensgründung an Hochschulen locker gemacht. Nach Wochen der Auseinandersetzung haben wir 41 Millionen DM bis zum Jahr 2003 freibekommen. uni an der BTU in Cottbus das dringend notwendige Informations- und Bibliothekszentnim zu bauen. Der Lehrstuhl für Leichtmetallstoffe und die dazugehänge Walzstraße sind für Cottbus und Ludwigsfelde erhalten geblieben und nicht in den Westen gegangen.

Auch auf dem Felde der Kultur gibt es von kleinen Beispielen wie mit dem Operettenfestival in Wittenberge bis zum Theaterund Konzertverbund großartige Leistungen der SPD 7CDU-Koalition und - ich muss es an dieser Stelle einmal betonen - auch des Ministers, der von Oktober 1999 bis Oktober 2(1(10 das Wissenschafts- und Kulturressort geführt hat. nämlich von Herrn Dr. Wolfgang Hacket. Ich denke. meine Damen und Herren. Sie sollten das hier in diesem Hause auch einmal dankbar

anerkennen und damit die Journalisten beschämen. die Herne Dr. Hackel ständig fachlich abqualifiziert haben.

(Beifall hei der CDU)

Meine Damen und Herren. die Bilanz kann sich sehen lassen. In einem Jahr haben wir sehr. sehr viel gemeinsam erreicht. Aber es gibt natürlich noch eine ganze Menge von Lücken, die wir auszufüllen haben. und Brandenburg ist noch nicht so fit und noch nicht so weit gekommen. wie es beim Wettbewerb um die Hochtechnologiestandorte in Deutschland eigentlich sein müss