Sie sehen also, meine Damen und Herren. welch immensen Schaden das Thema BSE im Land Brandenburg verursacht hat. Die Landesregierung und das Ministerium des Herrn Birthler haben sofort reagiert und einige Maßnahmen ergriffen. So werden zwei weitere Labore für den BSE-Schnelltest eingerichtet, die einen Anschaffungspreis von ca. einer Million DM haben. Somit besitzt das Land Brandenburg vier Labore, sodass an allen geschlachteten Tieren ein BSE-Test durchgeführt werden kann.
Ebenso positiv ist zu erwähnen, dass das Land die Kosten für die Tests an den voraussichtlich 6 000 kranken und notgeschlachteten Risikotieren übernehmen wird. Zu klären wäre jedoch, wer die Kosten für die schätzun gsweise 24 000 BSE-Routineuntersuchungen trägt, Hier muss das Land den Bund auffordern, sich an den Mehrkosten zu beteiligen, sodass diese nicht auf den Verbraucher umgelegt werden müssen.
Meine Damen! Meine Herren! Das Landwirtschaftsministenuni hat so schnell wie möglich reagiert, um den Schaden für die landwirtschaftlichen Betriebe des Landes Brandenburg so gering wie möglich zu halten. Weitere Hilfen für die Brandenburger Landwirtschaft in verstetigter Form sind jedoch nötig, um auch langfristig den durch BSE verursachten wirtschaftlichen Schaden zu kompensieren. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich danke Ihnen. Herr Abgeordneter Claus. - Das Wort geht noch einmal an die Fraktion der SPD. Herrn Abgeordneten Gern mel.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vertrauen zurückgewinnen ist auch für mich als Verbraucherschützer die wichtigste Aufgabe, also die Aufgabe der Stunde. Dazu gehört aber eine ehrliche Bestandsaufnahme und eine Versachlichung der Probleme; das ist hier auch schon angemahnt worden. Was wird dem Verbraucher aber tatsächlich alles zugemutet?
Die Lebensmittelproduktion wird durch sich häufende Skandale in den letzten Jahren in immer kürzeren Abständen erschüttert. Dioxin in Eiern und Geflügel, Klärschlamm im Futter und zehn Jahre lang regelmäßig BSE-Skandale liefern reichlich Schlagzeilen für die Presse. Aber damit noch nicht genug: Für Ärger sorgen auch gentechnisch veränderte Lebensmittel, die bisher noch völlig legal als Zuschlagstoffe. zum Beispiel aus GenMais oder Gen-Soja. in der Lebensmittelindustrie - vorn Verbraucher unbemerkt - auf den Ladentisch gelangen.
Nicht weniger problematisch sind schwimmende Fischverarbeitungsfabriken_ die in skandalöser Weise mit riesigen Schleppnetzen die Meere überfischen. Im Ergebnis wird ein Drittel des Fangs für den menschlichen Verzehr verwertet, ein Drittel wird zu Fischmehl verarbeitet und ein Drittel geht sogar als unerwünschter Beifang tot über Bord. Das bedeutet einen enorm
wachsenden Bedarf an kommerzieller Fischmast, in der das Fischmehl wiederum das Grundfutter zur Mastaufzucht bildet. Umweltbewusste Verbraucher, die das Ökosystem mehr schützen wollen, können kaum Einfluss nehmen. da bisher ein Gütesiegel für nachhaltige Fischzucht fehlt.
Ein weiteres hoch brisantes Problem sind Antibiotikaresistenzen. die über Großkläranlagen und diffuse Einleitungen in Gewässer unser wichtigstes Lebensmittel. das Trinkwasser, gefährden. ich vermute, dass auch das schon bald zum neuen Skandal wird, der dann ins Bewusstsein der Öffentlichkeit dringt. Den Fachleuten ist diese Tatsache schon lange bekannt. Dem Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz werden jährlich rund 200 000 Erkrankungsfälle gemeldet, die durch Nahrungsmittel verursacht werden. Das sind sehr hohe Zahlen, die man im Einzelnen betrachten müsste.
Die Wissenschaft hat zu all diesen Problemen viel zu wenig Antworten. Das hat sicherlich auch mit dem Entwicklungstempo zu tun. Der Bürger bleibt auf jeden Fall verunsichert.
Was hat das nun alles mit dem aktuellen BSE-Problem zu tun, bei dem wir in Brandenburg hoffentlich mit einem blauen Auge davonkommen?
Die Summe der Skandale und die Summe der Hiobsbotschaften. die dem Verbraucher zugemutet werden. sind der eigentliche Skandal. Für mich als Politiker ist besonders peinlich, dass die tatsächlichen Risiken immer wieder mit Rücksicht auf Lobbyisten auf allen politischen Ebenen verhamilost werden. Dies ist zum Glück diesmal anders. Dem Verbraucher die Schuld zuzuschieben. weil er billig einkaufen möchte, ist ein untauglicher Ablenkungsversuch. Tatsache ist, dass wir es mit einem gnadenlosen Wettbewerb in der Landwirtschaft zu tun haben, der möglicherweise auch - ich sage: auch - durch verfehlte Förderpolitik entstanden ist.
Es gibt auch bei den Handelsketten einen gnadenlosen Wettbewerb; deswegen sind Preisuntergrenzen wenig realistisch. Aber man kann sie fordern und sie sind sicherlich auch wünschenswert.
Die Bereitschaft. für hochwertige Lebensmittel ohne bedenkliche Rückstände mehr Geld auszugeben. ist beim Verbraucher viel stärker ausgeprägt als bisher öffentlich dargestellt.
Nur umwelt- und ernährungsbewusstes Verhalten setzt Wissen voraus. Deshalb fordern die Verbraucherschützer seit Jahren mit Nachdruck eine für Europa einheitliche. flächendeckende Kennzeichnungs- und Nachweispflicht für Lebensmittel und eine effektive Lebensmittelüberwachung. Wir haben in Deutschland einen hohen Standard. In Europa ist es leider nicht überall so. Das ist auch ein Teil des Problems der Verunsicherung.
Wenn man Europa ernsthaft will, dann muss man ehrlich mit dem Problem der regionalen Märkte umgehen. Abschottung ist wenig realistisch und auch nicht sinnvoll. Dezentrale Kreisläufe sind im offenen Markt möglich. Sie müssen sich aber wirtschaftlich durchsetzen.
Ein weiteres Problem - ich bin weder der Landwirt noch der Fachmann - ist die Frage der Massenproduktion. Diese Massenproduktion mit regionalen Kreisläufen zu verbinden ist schwierig.
Eine verbraucherfreundliche Kennzeichnung bedeutet aber nicht unbedingt die komplette Auflistung aller Inhaltsstoffe. Dafür würde die Größe der Verpackung oft kaum ausreichen und mit den meisten Abkürzungen kann sowieso kaum jemand etwas anfangen. Besser sind Gütesiegel, die durch strenge Beauflagun g und Überwachung auf einen Blick die Hochwertigkeit der Ware verdeutlichen. Zum Beispiel mit dem Kauf von „Bioland"- oder „Biopark Produkten unterstützt der Verbraucher bewusst die artgerechte Tierhaltung. So kann man es auch hei allen anderen Fonnen handhaben. Aber diese Zertifizierung und die Überwachung müssen sicher sein, damit der Verbraucher auf den ersten Blick erkennt, dass es sich hierbei um ein Produkt handelt, das in Ordnung ist: wenn immer auch ein Restrisiko bleibt. Das ist sicherlich unbenommen.
Meine Damen und Herren! Alle Maßnahmen, die die Politik unter dem Einfluss der jetzi gen Situation mutig verkündet hat. müssen zu wirklich langfristigen Konzepten führen. Das nur sechsmonatige Verbot der EU für die Verfütterung von Tiermehl ist - gelinde gesagt - ein Witz und hat den Glauben an die Reformfähigkeit und an die Reformwilligkeit erschüttert.
Die Forderungen nach verstärktem ökologischem Landbau. artgerechter Tierhaltung und damit verbundener sicherer Ernährung setzen eine ehrliche Bestandsaufnahme der Agrarfördening voraus.
Der Ruf nach Entschädigung ist zwar verständlich. aber aus meiner Sicht nicht zielführend. Meine Forderungen. die im Wesentlichen auch den Forderungen der Verbraucherschützer entsprechen. sind. die Förderung in der Landwirtschaft einer Nachhaltigkeitskontrolle zu unterziehen und die Programme gegebenenfalls neu auszurichten. Das gilt für alle Ebenen.
Zur Stärkung des Verbraucherschutzes sollte endlich ein Verbraucherschutzgesetz - möglichst auf EU-Ebene - geschaffen werden. Ich habe das an dieser Stelle schon mehrfach gefordert. In der letzten Legislaturperiode hat der Landtag das ebenfalls mitgetragen. Wo ist dieser Auftrag geblieben? Bisher ist das immer an der mangelnden Bereitschaft, eine Grundfinanziening für die Verbraucherschutzorganisationen gesetzlich zu regeln, gescheitert.
Am Schluss bleibt mir nur zu hoffen. dass auch bei schwindendem Medieninteresse der Zwang nach Veränderungen ernsthaft weiter verfolgt wird. Nur so können wir den Landwirten tatsächlich nachhaltig helfen. Wenn das nicht geschieht, dann sind die nächsten Skandale vorprogrammiert. - Ich danke.
Ich danke Ihnen. Herr Abgeordneter Gemmel. - Als Nächster hat Herr Minister Binhler das Wort. Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Nachweis von BSE bei einem deutschen Rind hat verständlicherweise in weiten Bevölkerungskreisen zur Beunruhigung beigetra gen. Diese Beunruhigung ist Ausdruck einer tiefen Verunsicherung. sie
droht sich zu einer massiven Vertrauenskrise gegenüber der Landwirtschaft und der Lebensmittelproduktion zu entwickeln.
Es hilft uns Politikern gar nichts, über vemeintl ich nicht sachgerechte Darstellungen. Vermutun gen oder Spekulationen zu klagen. es hilft auch nichts, dass noch immer sichere wissenschaftliche Erkenntnisse über die BSE-Übertragung fehlen. Im Mittelpunkt aller Überlegungen steht der Schutz der Verbraucher. Darum geht es zuallererst. Alle anderen Aspekte müssen hintenanstehen.
Weil die Verbreitung der Erreger über das Tiermehl derzeit die plausibelste Erklärung ist. müssen wir rasch durchgreifen. Das ist die Landespolitik den Brandenburgern und ihrer Landwirtschaft unbedingt schuldig. Ich denke, mit dem vom Bundestag beschlossenen Gesetz über das Verbot des Verfütterns, des innergemeinschaftlichen Verbringens und der Ausfuhr bestimmter Futtermittel sowie der auf initiative Brandenburgs gefassten Entschließung zum Gesetz können wir dieser hohen Verantwortung gerecht werden.
Lassen Sie mich betonen. dass das BSE-Problem in Brandenburg noch nie auf die leichte Schulter genommen worden ist. Die Landesregierun g hat bereits seit vielen Jahren die vorgeschnebenen BSE-Schutzmaßnahmen zügig und konsequent durchgeführt. Wir sind teilweise darüber hinausgegangen. Seil 1991 liegen Ergebnisse der Untersuchung auf BSE im Lande vor. Die Untersuchung aller zentral nervösen Symptome bei verendeten Rindern und Schafen brachten durchweg negative Ergebnisse.
Wir haben begonnen - übrigens schon bevor die umfangreichen Tests vorgeschrieben worden sind die Voraussetzungen für die Diagnostik in den Staatlichen Veterinär- und Lebensmitteluntersuchungsämtern zu schaffen. Wir sind bereits jetzt in der Lage, alle vorgeschriebenen amtlichen BSE-Untersuchungen durchzuführen. Wenn sich die Produktion stabilisiert. rechnen wir im kommenden Jahr mit 24 000 Untersuchungen.
Meine Damen und Herren! Angesichts des ersten BSE-Falls in Deutschland ist es notwendig, dem Verbraucher kurzfristig mehr Sicherheit zu geben und langfristig sein Vertrauen wiederzugewinnen. Daher duldet der beschlossene weitreichende Maßnahmenkatalog keinen Aufschub. Darüber hinaus müssen wir die BSE-Krise erneut zum Anlass nehmen. über die internationalen Standards der Tierhaltung und der Lebensmittelproduktion nachzudenken.
Wenn wir die gegenwärtige Situation nehmen, ist es nahezu unerträglich, dass Deutschland am 6. Dezember 2000 die zu Recht scharfen Bedingungen eingeführt hat, die EU dies aber erst ab 1. Januar 2001 tut. Das geschieht mit dem Ergebnis. dass in den Niederlanden und in Dänemark deutsche Rinder in Sonderschichten geschlachtet werden und das Fleisch auf unseren Markt kommt, während unsere Produzenten nicht wissen. was sie damit tun sollen. Hierzu ist ein einheitliches Vorgehen in Europa notwendig.
Allerdings möchte ich das nicht als Kritik an unseren Nachbarn werten. Wir sollten uns daran erinnern, wie froh wir in Deutschland waren, als es in Belgien die Dioxinkrise gab und dem
zufolge Schweine in Belgien nicht geschlachtet werden konnten. Damals gingen die Preise in Deutschland für Schweinefleisch in die Höhe.
Es geht nicht um Schuldzuweisung an andere Staaten, sondern ich möchte damit darauf hinweisen, wie dringend notwendig eine europaweite Angleichung der Standards ist. Daher dulden diese weitreichenden Maßnahmen keinen Aufschub. Der Dnick der Märkte darf nicht dazu führen, dass belastete Lebensmittel auf den Ladentisch kommen. Allen. die das mit mir gemeinsam fordern. sage ich allerdings auch - meine Vorredner haben das bereits getan -: Qualität hat ihren Preis. Wir alle müssen die Bereitschaft aufbringen, den Lebensmitteln wieder einen höheren Stellenwert beizumessen, sei es als Verbraucher oder als Steuerzahler.
Dazu gehört aber auch das Vertrauen zu den brandenburgischen Land» inen. die sich den höchsten Standards stellen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang ausdrücklich betonen, dass die angerechte Haltung von Tieren und die Produktion hochwertiger Lebensmittel keine Frage der Betriebsgröße ist. Ich war in der vorigen Woche - das mache ich bei jeder Kreisbereisting - im Landkreis Ostprignitz-Ruppin in der Landwirtscha fisgesel Ischaft Neukammer in Radensleben. Dort werden 2 600 Rinder und 4 000 Schweine gehalten. Jeder Besucher kann sich von der artgerechten Tierhaltung überzeugen. 1 200 Masttiere werden gesund auf Weiden gehalten.
Ich kann nur jedem empfehlen. die einheimischen Landwirte vor Ort aufzusuchen. Ich habe mit den Kollegen vor Ort gesprochen. Ich kann den Präsidenten des Landesbauemverbandes nur ersuchen. die landwirtschaftlichen Betriebe zu ermutigen, auf die Verbraucher. auf die Bevölkerung zuzugehen, sie einzuladen und ihnen zu zeigen, wie Fleisch und tierische Erzeugnisse in Brandenburg produziert werden.
Wir hatten diese Möglichkeit, zum Beispiel am Tag der offenen Tür. natürlich unter Einhaltung des Seuchenschutzes. Laden Sie bitte die Verbraucher ein! Transparenz kann uns gemeinsam nur helfen..
Meine Damen und Herren. uns allen muss klar sein. dass die zur BSE-Bekämpfung eingeleiteten Maßnahmen für die Landwirtschaftsbetriebe in vielfältiger Weise kostenerhöhend und erlösmindernd wirken. Die direkte Kostenbelastung - einige Zahlen wurden dazu schon genannt - für den tierischen Bereich in Brandenburg umfasst etwa 26 Millionen DM. Parallel dazu haben die Landwirte Erlösausfälle durch den Preisverfall beim Absatz von Zucht-, Nutz- und Schlachtvieh sowie Leistungsdegressionen in der gesamten Tierproduktion. Die für die Tierproduktion zurzeit berechneten Erlösausfälle belaufen sich auf etwa 86 Millionen DM.
Ich glaube, wir sind uns in diesem Haus einig, dass die Last der Mehrkosten nicht allein auf die Landwirte abgewälzt werden darf. Es darf außerdem nicht durch unterschiedliche Schutzstandards in Europa zu weiteren Wettbewerbsverzerrungen kommen. Die Landwirtschaftsminister der Bundesländer haben in dieser Woche beraten und fordern von der Bundesregierung:
erstens, dass sich der Bund angemessen an den Kosten insbesondere für die Tests und die Tiermehlverwertung beteiligt:
zweitens. dass der Bund die Regulierung von Ansprüchen, die aus der Beseitigung von lagernden Futtermittelbeständen entstehen, übernimmt:
drittens, dass der Bund alle nationalen Kosten ffir die geplante Herauskaufaktion und Vernichtung von Rindfleisch trägt, falls diese durchgeführt werden:
und vienens, dass die deutschen Regelungen endlich zu verbindlichen EU-Standards werden. Es darf nicht zugelassen werden. dass die von uns im Interesse der Gesundheit der Verbraucher gesetzten hohen Standards über den EU-Binnenmarkt unterlaufen werden.