Protokoll der Sitzung vom 14.12.2000

Ich weise nochmals darauf hin, dass der Kernpunkt der Vereinbarung die Qualifizierung der Grundschule ist, und fordere die Landesregierung auf, zeitnah die Finanzierung aller im Koalitionsausschuss festgelegten Maßnahmen zu regeln. Meine Fraktion vertraut darauf, dass dies geschieht. Ich selbst habe meine Bedenken, solange die Regelung nicht getroffen ist, und werde deshalb den PDS-Antrag nicht ablehnen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD - Beifall bei der PDS)

Ich danke Ihnen. Frau Abgeordnete Siebke. - Das Wort geht an die Fraktion der DVU. Frau Abgeordnete Fechner. bitte!

Herr Präsident? Meine Damen und Herren! Prinzipiell können wir das Anliegen des hier vorliegenden Antrages nachvollziehen. In einer Zeit knapper Kassen muss eben gespart werden. Da ist kein Geld für Modellversuche da.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, wann wird Geld da sein? So wie ich die weitere Entwicklung sehe, wird es hier im Land Brandenburg weiterhin knapp in der Kasse aussehen.

Meine Damen und Herren. grundsätzlich begrüßen wir das geplante Vorhaben des Bildungsministeriums. die Schulzeit für Abiturienten von jetzt 13 Jahren auf 12 Jahre zu verkürzen. Ob da nun unbedingt ein Modellversuch erforderlich ist oder ob es vielleicht ausreichen würde. die Erfahrungen anderer Länder. die diese mit der Einführung der 12-jährigen Schulzeit für Abiturienten gemacht haben, mit zu Rate zu ziehen, das vermag ich nicht zu sagen. Aber vielleicht sollte unser Bildungsminister auch über diese wesentlich preiswertere Variante nachdenken. Denn in einigen Bundesländern, zum Beispiel in Hessen. Thüringen und Sachsen, wird das Abitur bereits nach 12 Jahren abgelegt.

Meine Damen und Herren, wenn es nach Herrn Bildungsminister Reiche geht, wird es sogar drei Wege der Schulzeitverkürzung zum Abitur geben: die Leistungsprofilklassen, das 6+6Modell und die flexible Eingangsstufe. Wie unübersichtlich soll das ganze Bildun gssystem hier im Land Brandenburg denn noch werden?

Die Fraktion der Deutschen Volksunion wird sich bei diesem Antrag der Stimme enthalten, da wir eine Verkürzung der Schulzeit für Abiturienten grundsätzlich begrüßen, jedoch den Modellversuch - jedenfalls in der Form, wie er geplant ist - ablehnen. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall hei der DVU)

Ich danke Ihnen. Frau Abgeordnete Fechner. - Das Wort geht jetzt wieder an die Fraktion der CDU. Überraschend wird Frau Hartfeider sprechen. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Wolff,

wir sind nicht im Wolkenkuckucksheim und nicht out of I imit, wir bewegen uns im Land Brandenburg, in Deutschland.

(Oh! bei der PDS)

- Ja, das ist eine unheimlich kluge Erkenntnis. - Die CDU-Fraktion hält den Modellversuch _Leistungsprofilklassen- genau aus diesem Grund für richtig. Mit der Einrichtung dieser Klassen wird unterforderten Kindern die Möglichkeit gegeben. in einer homogenen Klassenstruktur, also mit Kindern von ähnlicher Begabung, unter besonderen Leistungsanfordeningen nach 12 Jahren das Abitur abzulegen.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte schön. Herr Domres!

Frau Kollegin, wann unterbreiten Sie dem Landtag Ihre Einsparvorschläge?

Ihre Frage bezieht sich nicht auf das bisher Gesagte. Warten Sie bitte darauf. was noch kommt.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Bekanntermaßen ist Brandenburg das einzige Bundesland in Deutschland ohne gymnasiale Ausbildung ab Klasse 5. In allen anderen 15 deutschen Bundesländern gibt es dieses Bildungsangebot. das der PDS-Fraktion so exotisch erscheint. Wie Sie wissen, bietet sogar das neben Brandenburg einzige Bundesland mit einer sechsjährigen Grundschule. nämlich Berlin, die Ausbildung in dieser Form an. Deshalb eröffnen wir mit unserem Modellversuch unseren Brandenburger Kindern Lebens- und Entwicklungschancen. die in allen anderen Bundesländern Normalität sind.

Meine Damen und Herren von der PDS-Fraktion. ich darf Sie an dieser Stelle sicher noch einmal daran erinnern, dass die SED in der DDR überhaupt keine Probleme damit hatte, flächendeckend so genannte R-Klassen anzubieten. Ich fand, sie waren gut, ganz besonders gut. Wir alle erinnern uns noch daran: Ab Klasse 3 gab es Russisch-Unterricht.

(Zuruf des Abgeordneten Klein [SPDJ)

- Sie wissen nicht mehr, was das ist? Vergessen? Dann müssen Sie Nachhilfeunterricht an anderer Stelle nehmen.

Es gab Schüler. die mit Beginn der 3. Klasse Russisch-Unterricht erhielten und denen auch ein besonderes Leistungsniveau in den anderen Fächern abgefordert wurde.

In Ihrem Antrag verweisen Sie darauf, dass Ihnen der Modellversuch. wie wir ihn wünschen. zu teuer ist. Meine Damen und Herren von der PDS-Fraktion. auf den ersten Blick scheint dies zwar manchmal zuzutreffen. wenn Sie aber die Rechnung bis zu Ende führen. erkennen Sie, dass die 46 Klassen eine Ersparnis im Landeshaushalt bringen werden. Denn zum einen wird letztlich die Schulzeit verkürzt - es fällt ein Schuljahr für diese Schüler weg und zum anderen wird die Anzahl der Wochenstunden nicht so hoch sein wie die der letzten Regelklassen. Und ab Klasse 7 werden diese 46 Klassen nicht zusätzlich zum heutigen Klassenbestand errichtet. sondern sind dann Bestandteil der 7. Klassen.

Wenn Sie darauf verweisen - jetzt komme ich auch zu Herrn Domres' Frage -, dass im Landeshaushalt für die Jahre 2000/2001 die notwendi gen Stellen nicht enthalten sind, so ist das richtig. Lassen Sie mich erläutern. warum.

Die Entscheidung über Umfang und Gestaltung der Bildungsoffensive - ich wiederhole nicht, was Frau Siebke eben erläutert hat - wurde erst nach Abschluss der Beratungen zum Doppelhaushalt 2000/2001 getroffen. Deshalb konnten die Einzelmaßnahmen dieser Offensive in dem von uns im Frühjahr beschlossenen Haushalt noch nicht enthalten sein. Es herrscht aber Einvernehmen zwischen den Koalitionspartnern darüber, dass im Nachtragshaushalt eine Ausfinanzierung unserer Bildungsoffensive erfolgen muss.

Mit diesem Modellversuch _Leistungsprofilklassen - haben Brandenburger Schüler nach II Jahren in Brandenburg erstmals die Möglichkeit. nach der 4. Klasse eine gymnasiale Ausbildung zu beginnen - ein längst fälliger Schritt zur Chancengleichheit unserer Abiturienten.

(Beifall bei der CDU} Sehr verehrte Damen und Herren. es ist doch überhaupt nicht einzusehen. dass wir 10 Millionen DM Schullastenausgleich an Berlin zahlen. wo Bildungsangebote bestehen, die wir nicht haben, weil wir sie hier nicht vorhalten können oder wollen, und Brandenburger Lehrer müssen dazu noch verkürzt arbeiten. (Beifall bei der CDU)

Wir sehen Leistungsprofilklassen als einen Schritt zu einer besonderen Begabtenförderung an.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Demzufolge werden wir auf diesen Modellversuch nicht verzichten.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Frau Abgeordnete Hartfelder, es ist während Ihres letzten Satzes eine Frage angemeldet worden. Würden Sie sie noch beantworten? - Bitte schön. Frau Osten!

Frau Hartfelder. sind wir einer Meinung, dass es durchaus legitim ist, in die Politik Ideen einzubringen und sie breit diskutieren zu lassen, aber dass es doch ein Stück Unsolidität von Politik bedeutet, wenn man über Dinge spricht, die man unbedingt durchsetzen will und eigentlich weder ein konkretes Konzept noch einen Finanzierungsvorschlag. der dann auch zu realisieren ist, in der Tasche hat?

Die zweite Frage: Kennen Sie die Äußerung der Finanzministerin. dass der Nachtragshaushalt ausschließlich dafür gedacht sein soll, die Lücke, die durch die Steuergesetzgebung im Bund und die eigene beschlossene globale Minderausgabe entsteht, auszugleichen, und dass es Begehrlichkeiten aus den Ministerien an dieser Stelle überhaupt nicht zu geben hat?

Demnächst muss ich einen Bleistift mitnehmen. wenn ich die Fragen von Frau Osten ganz genau beantworten will. Man kann dann auch die Frage stellen: Wer war eher da, die Henne oder das Ei? Irgendwo müssen Ideen geboren werden und dann müssen sie untersetzt werden. Ich wehre mich dagegen. dass Sie sagen, es gebe für die Leistungsprofilklassen kein Konzept. Das gibt es. Es ist allerdings nicht ausfinanziert, das ist richtig.

Zur Frage 2: Ich meine. die Finanzministerin hat zu diesem Zeitpunkt nicht im Koalitionsausschuss gesessen. Sie war damals noch nicht Finanzministerin. Ich nehme an. dass sich diejenigen, die hier darüber beschlossen haben, auch in der Diskussion durchsetzen können.

(Zurufe von der PDS)

Im Gegensatz zu Frau Siebke hoffe ich immer noch, dass es so sein wird.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke Ihnen. Frau Abgeordnete Hartfelder. - Das Wort erhält die Landesregiening. Herr Minister Reiche, bitte!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Frau Kollegin Wolff, ich habe Ihnen genüsslich zugehört, sehe aber noch immer gar keinen Grund, mich auf Sie zu stürzen.

(Heiterkeit bei CDU und PDS)

Das wollte ich mir in der Plenarsitzung auch verbeten haben, Herr Minister!

insofern habe ich auf die Frage von Frau Wolff redlich geantwortet.

Es gab allerdings einen Grund zur Verärgerung; den habe ich bei Frau Fechner gesehen. Frau Fechner, wenn Übersicht fehlt, hängt das manchmal auch mit dem zusammen, der sie gewinnen will. Die Übersichtlichkeit, die Sie wollen, gibt es nur auf dem Friedhof. Denn Biografien sind anders, sie sind nicht einheitlich. Deshalb brauchen wir auch verschiedene Möglichkeiten, insbesondere im Bereich der Bildung. Wenn wir hier mehr Wege schaffen und mehr Wege öffnen, sollte das wegen der Unterschiedlichkeit der Biografien bei allen in diesem Hohen Hause nicht zu Verärgerung. sondern zu Freude führen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Die Vielfalt ist notwendig. uni die Einheitlichkeit der Bildungschancen zu sichern.