Protokoll der Sitzung vom 24.01.2001

Vizepräsident Hahermann;

Ich danke dem Abgeordneten Dr. Trunschke und erteile für die

Koalitionsfraktionen der Abgeordneten Frau Müller das Wort. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Trunschke, Sie haben Ihren Antrag sehr ausführlich vorgestellt. Ich kann Ihnen geschicktes Timing bescheinigen. Wir haben damit beim heutigen parlamentarischen Abend sehr viel Gesprächsstoff.

Einige Bemerkungen dazu: Die Koalitionsfraktionen lehnen Ihren Antrag ab. und zwar nicht, weil wir inhaltlich weit davon entfernt wären, sondern weil wir erstens die Prioritäten anders setzen wollen und weil wir zweitens Ihren Finanzierungsvorschlag nicht mittragen können. Für uns ist nach wie vor die Grundfinanzierung der Hochschulen das Hauptproblem.

(Zuruf von der PDS: Für uns auch!)

Ich will nichts mehr zum Haushalt sagen. Wir haben darüber in der heuti gen Aktuellen Stunde gesprochen. Es erübrigt sich auch. noch eine Märchenstunde anzuhängen. Sie wissen, dass die zur Verfügung stehenden EFRE-Mittel verplant sind. Sie hatten es in Ihrem Beitrag benannt. Es ist vorgeschrieben. wofür die Mittel einzusetzen sind. Sie können nicht erwarten. dass wir ohne gründliche Vorbereitung in andere Haushalte eingreifen. Wenn aber Dinge nur durch Umschichtungen finanzierbar sind. dann ist es üblich - jedenfalls bei den regierungtragenden Fraktionen dass ein Konzept zur Effizienzsteigerung der Hochschullandschaft gefordert wird. Somit haben wir wieder bohrende Fragen nach Konzentration und Verschlankung auf dem Tisch.

Man sollte keine Schnellschüsse abgeben, sondern wir müssen vernünftig und langfristi g darüber diskutieren. Seien Sie versichert, in den Koalitionsfraktionen wird an diesem Thema gearbeitet. Die SPD-Fraktion ist gerade dabei, ein umfangreiches Papier zur Hochschulpolitik zu erarbeiten. Ich schlage Ihnen vor, im April - jedenfalls rechtzeitig zu den Haushaltsberatungen für das Jahr 2002 - das Thema Hochschulpolitik mit all seinen Facetten im Ausschuss zu beraten. Dabei wird die Diskussion über Ihre Thematik zum Hochschulinnovationsfonds nicht zu kurz kommen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke Ihnen. Frau Abgeordnete Müller. - Das Wort geht an die. Fraktion der DVU. Herr Abgeordneter Schuldt. bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Trunschke, wie sollen wir das verstehen, wenn Sie von drei demokratischen Fraktionen im Landtag sprechen? Soll das Selbstkritik sein? Die drei verbleibenden Fraktionen inklusive der unsrigen werden Sie sicherlich nicht gemeint haben.

Zum Hauptthema: Durch Nichtstun siecht die Qualität von Lehre und Forschung dahin. Dieser Aussage des Ex-Kanzlers

der Potsdamer Universität. Alfred Klein, schließt sich unsere Fraktion vollinhaltlich an. Die Hochschulen des Landes Brandenburg spielen eine entscheidende Rolle für die Zukunftsfähigkeit des Landes. Das Potenzial unserer Universitäten und Fachhochschulen kann nur voll zur Geltung gebracht werden, wenn es gelingt, folgende Probleme zu lösen:

Die Zusammenarbeit der Hochschulen mit der Wirtschaft muss besser koordiniert und auf Schwerpunktaufgaben konzentriert werden. Die wirtschaftsfördemde Wirkung der Hochschulen kann wesentlich gestärkt werden, wenn sich die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Hochschultypen - von der Universität über die Fachhochschule bis hin zur Berufsakademie verbessert. Die Abwanderung von Brandenburger Absolventen besonders im Bereich der Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften in andere wirtschaftlich aufstrebende Regionen Deutschlands muss gestoppt und der Trend umgekehrt werden.

Das wird nur möglich sein, wenn wir unseren Absolventen zukunftsfähige Netzwerke und wirtschaftliche Kondensationskerne anbieten können. die mit einer wissenschaftlichen und wirtschaftsnahen Infrastruktur verbunden sind. um unsere Absolventen zum Im-Land-Bleiben zu bewegen. Der Aufbau unserer Hochschulen muss fortgesetzt werden. Strukturelle Defizite in der Personalausstattung bis hin zu Deckungslücken in den Betriebskosten sind jedoch inzwischen für alle Hochschulen des Landes zum Problem geworden. Besonders im wissenschaftlichen Ausbildungsbereich gilt die These, dass halbe Investitionen doppelte Verluste sind.

Die ersten Professoren haben die Universität Potsdam und somit das Land Brandenburg bereits verlassen. Der Grund dafür war die anhaltende Unterfinanzierung der größten Hochschule unseres Landes. Diese Hochschule erwartet in diesem Jahr ein Defizit von 6 Millionen DM. Verantwortlich dafür ist die Entscheidungsschwäche der Landesregierung. Die Landesregierung muss endlich Planungssicherheit für die Hochschulen und die Forschungszentren im Land Brandenburg schaffen.

Meine Damen und Herren von der PDS, was Sie wollen, ist, dass die Mittel zur Einrichtung eines Hochschulinnovationsfonds mit einem Volumen von jährlich 60 Millionen DM aus dem Einzelplan 08, Kapitel 08 050, Titelgruppe 346 I I 692 aus EFRE-Mitteln bereitgestellt werden. Unsere Fraktion lehnt einzig und allein aus diesem Grund Ihren Antrag ab.

Wie es in der Verordnung heißt, stellt die Gemeinschaftsaktion nur eine Ergänzung oder einen Beitra g zu den entsprechenden nationalen Aktionen dar. Die maximale Förderung in Ziel-1Gebieten beträgt 75 % der zuschussfähigen Gesamtkosten und in der Regel mindestens 50 "ici. Im vorliegenden Fall ist von einer 50%igen Förderung auszugehen. Dies würde bedeuten, das Land Brandenburg müsste im Jahr 30 Millionen DM bereitstellen. In den Jahren 2001 bis 2006 wären das zusammen 180 Millionen DM, die das Land erst einmal haben müsste, uni den von der PDS-Fraktion beantragten Hochschulinnovationsfonds einzurichten. Bei der derzeitigen desolaten Finanzlage, in der sich der Landeshaushalt befindet, sollte man sich von solch utopischen Vorstellungen lossagen.

Im Übrigen, meine Damen und Herren. gebe ich zu bedenken, dass im Jahr 2006 die Ziel-l-Förderung für Brandenburg wo

möglich weitgehend entfallen wird. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Schuldt. - Ich gebe das Wort an die Landesregierung. Frau Ministerin Wanka. bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 60 Millionen DM mehr nehme ich auf jeden Fall. Aber so weit sind wir leider noch nicht.

Ein Innovationsfonds, wie vorgeschlagen, kann ganz praktisch sein und kann auch die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft fördern. kann Anreize schaffen. Es gibt auf Bundesebene und auch auf Länderebene zum Teil Versuche in dieser Richtung. Fonds oder spezielle Programme aufzulegen. Auch mein Haushalt hat einen entsprechenden Titel. Er ist jedoch aufgrund der Haushaltssituation so ausgestattet, dass man da wirklich nicht von Innovation sprechen kann.

Ich halte ein ausgewogenes Verhältnis von Grundfinanzierung. zu Sonderfinanzierung für die Hochschulen für existenziell. Darum bin ich bei der Einrichtung von Sonderfonds in der gegenwärtigen Situation kritisch, Herr Trunschke. Wenn die Verhältnismäßigkeit von Grundfinanzierung zu Sonderfinanzierung nicht vernünftig gegeben ist, dann haben wir den Fakt, den wir jetzt sehr oft haben, dass die Hochschulen versuchen - das ist ja das Einzige, was sie machen können -, aus diesem Sondertitel grundlegende Dinge zu finanzieren. Das ist ein Riesenaufwand, das ist ein Spagat, das will ich nicht. Also ist die erste Priorität eine vernünftige Grundfinanzierung.

Einige der Beispiele. die Sie nannten, sprechen eigentlich für meine These. Sie sprachen Wildau an. Ich weiß nicht genau. was Sie meinen - wahrscheinlich diesen neuen Studiengang Biotechnologie. Wir haben hier ein Defizit an qualifizierten Arbeitskräften im Lande, haben aber entsprechenden Bedarf bei der Wirtschaft. Es gelingt uns durch ein Zusatzprogramm, einen neuen Studiengang, der nach drei Jahren abschließt, der top ist, nur für vier Jahre zu installieren. Das ist für längerfristiges Denken eigentlich katastrophal, weil es aus einem Sonderprogramm kommt und nicht aus der Grundfinanzierung.

Oder auch die Geschichte HabilitationiBTU, diese Frauenprogramme. Sie dürfen nicht zur Benachteiligung von Frauen führen. Das ist bei den Habilprogrammen so. Die Männer sagen. für die Frauen gibt es die Sonderprogramme und sie fallen bei der klassischen Finanzierung heraus. An den Stellen würde ich gerade nicht für eine Sonderfinanzierung plädieren, sondern das waren Beispiele, die mich in der Absicht bestärken, eine ordentliche Grundfinanzierung zu machen.

Dass die Grundfinanzierung der Hochschulen in Brandenburg sehr bedenklich ist, das ist allen klar, vor allen Dingen, wenn man berücksichtigt, dass Brandenburg in den letzten Jahren den größten Zuwachs von allen Ostländern an Studierenden hatte und auch im Herbst - wie wir hoffen - einen großen Zuspruch

von Studenten haben wird. Dann wird es mit der Gmndfinanzierung sehr schwierig. In dem Punkt befinde ich mich in Übereinstimmung mit den von Herrn Trunschke vorgetragenen Argumentationen.

Sie haben die EFRE-Mittel angesprochen. Es ist so, dass durch Verhandlungen zwischen Bund und Land in Brandenburg jetzt erstmals in der Förderperiode 2000 bis 2006 auch EFRE-Mittel in größerem Umfang Für die Hochschulen eingesetzt werden. Nach den Rechnungen, die mir vorliegen, sind das rund 170 Millionen DM für die Hochschulen. damit also im Gesamtvolumen 350 Millionen DM. Durch die sieben Jahre geteilt, ist das im Schnitt eine Finanzierung von 50 Millionen DM durch EFRE an den Hochschulen. Davon können im Moment Fördervorhaben realisiert werden. die die regionale Wettbewerbsfähigkeit. den Bereich Hochschulbau oder die Kooperation mit der regionalen Wirtschaft, also eigentlich die von Ihnen angesprochenen Intentionen, stärken.

Zusätzliche EFRE-Mittel stehen nicht zur Verfügung, also wäre nur Umverteilung möglich. Das ist, nachdem das operationelle Programm gerade beschlossen wurde, sicher etwas illusorisch. Zudem wäre auch noch die Frage der Kofinanzierung im Einzelplan 06 zu klären. Hier muss man gerade vor dem Hintergrund des heutigen Vormittags sehr realistisch sein.

Aber unabhängig von dem Geld - wenn wir einmal theoretisch davon ausgehen. Geld ist da - habe ich mit der Idee trotzdem ein strukturelles Problem. Ich denke, da bin ich von der Philosophie her ein Stück weit weg von Ihren Vorstellungen. Und zwar gehört doch das, was Sie genannt haben, also Forschung, Kreativität. Transfer etc., zu den Grundaufgaben der Hochschulen, wie es im Hochschulgesetz steht. Sie sind dazu verpflichtet; also müssen sie mit der Finanzausstattung auch für diese Aufgaben ausgestattet werden. Dazu hatte ich schon etwas gesagt. Ich stelle mir das folgendermaßen vor: Die Hochschulen haben die Mittel und werden belohnt oder bestraft. je nachdem, wie sie innerhalb eines Jahres mit diesen Mitteln umgehen. So hätte inan einen viel größeren Druck auf die Hochschulen. Das ist für mich sehr viel lymphatischer als die Variante. einen Fonds zu haben, den meine Leute im Ministerium verwalten und auf Antragsbasis Entscheidungen treffen. Es wird auch nicht viel besser, wenn die Entscheidungen über die Anträge Wissenschaftlergremien träfen. Das ist alles sehr vernetzt.

Ich bin eher dafür. das stärker in die Hochschulen zu geben. aber zu steuern. Das Land hat dann wieder Möglichkeiten zu entscheiden, was honoriert wird - die internationale Publikation, der erfolgte Transfer. Wir hätten dann nicht erst im Nachhinein Einflussmöglichkeiten, sondern schon vorher.

Ich bin gegen eine zentrale Sammlung und eine zentrale Vergabe von Mitteln und würde, selbst wenn ich das Geld hätte, es etwas anders machen. Einen kleinen Fonds von 5 oder 6 Millionen DM kann man auch zentral vergeben. aber mit solchen Brocken würde ich strategisch anders umgehen.

(Beifall hei SPD und CDU)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Ministerin?

Ja.

Bitte schön. Herr Christoffers!

Frau Ministerin, ich hätte eine Frage. Unabhängig davon, ob ein Sonderfonds eingerichtet wird oder nicht, sind wir sicherlich einer Auffassung, dass ein höheres Maß an Ausfinanzierung günstig wäre, um die Hochschul- und Wissenschaftslandschaft in Brandenburg sicherzustellen.

Herr Christoffers. formulieren Sie bitte die Frage!

Deswegen meine Frage: Frau Ministerin. würden Sie mir zustimmen, dass in der Strukturfondsverordnung die Möglichkeit enthalten ist, im Jahr 2002 eine Evaluierung durchzuführen und sich möglicherweise auch für einen Neuansatz bei der Vergabe von EFRE-Mitteln zu entscheiden?

Pnnzipiel I ja.

Herr Abgeordneter Trunschke, bitte!

Frau Ministerin, würden Sie mir zugestehen. dass ich gar keinen Gegensatz zwischen solchen innovativen Lösungen und einer Grundfinanzierung. für die wir beide sind, aufgemacht habe?

Ja. - Gut, ich erläutere es ihnen nachher.

Schönen Dank, Frau Ministerin. - Ich beende damit die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt und wir kommen zur Abstimmung.

Die Fraktion der PDS hat beantragt. die Drucksache 3/2238 an den Ausschuss für Wissenschaft, Forschun g und Kultur - federführend - und an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen sowie an den Ausschuss für Wirtschaft zu überweisen. Wer diesem Überweisungsantrag folgt. den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Überweisungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich rufe den Antrag Drucksache 3/2238 zur direkten Abstimmung auf. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt. den bitte

ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 13 und rufe Tagesordnungspunkt 14 auf:

Beschlüsse zu Petitionen