Herrgott noch mal. Herr Minister Schönbohm, für wie dumm halten Sie denn die Bürger unseres Landes eigentlich? Die Bürger sind doch wohl mündig genug, allein zu erkennen und zu entscheiden. was ihnen nutzt und was ihnen schadet.
Also. Herr Minister Schönbohm: Reden Sie mit den Leuten! Überzeugen Sie die Leute und hören Sie endlich auf, bei jedem Reformvorhaben unbescholtenen Bürgern im Lande gegenüber sozusagen ständig mit dem Knüppel des Ukas herumzuwedeln! Das schadet eher, als es nutzt. Sie sind Innenminister des Landes Brandenburg und nicht Zar im Kreml oder Kompaniefeldwebel auf dem Kasernenhof.
Freiwilligkeit ist also das oberste Gebot. Das macht Ihnen als Innenminister vielleicht mehr Mühe, führt aber ganz sicher zu mehr Akzeptanz bei den betroffenen Bürgern. Unseres Erachtens ist dieses Mehr an Akzeptanz gegenüber dem Mehr an Mühe für Sie. Herr Innenminister, nach den Grundsätzen von Demokratie und Verhältnismäßigkeit einfach vorrangig.
Zweitens zum Regierungsentwurf: Die Fraktion der Deutschen Volksunion hält es für unverzichtbar. den Vorrang der Freiwilligkeit, den Ausschluss gesetzgeberischer Zwangsmaßnahmen jedenfalls in dieser Legislaturperiode - und im Übrigen die Beschränkung gesetzgeberischer Zwangsmaßnahmen auf das aus zwingenden übergeordneten Gründen unerlässliche Maß in dem Entwurf zu verankern. Nur so erreichen wir für die Bürger die Gewissheit. nicht über den Tisch gezogen oder vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden.
Weitere Stichworte sind Gebietsänderungsvertrag und Bildung von Ortsteilen. Das ist an sich ein guter Gedanke. nur taucht uns als Fraktion der Deutschen Volksunion in den §* 54 a ff. Ihres Entwurfes zu oft das Wort "kann" auf. Wir wollen möglichst viel an Erhalt örtlicher Eigenheiten der Ursprungsgemeinden bei gleichzeitig gesteigerter Effektivität und Bürgernähe der kommunalen Aufgabenertlillung erreichen. Deshalb schlagen wir Ihnen vor. in § 54 Abs. 1 die Worte "räumlich getrennt" durch "traditionell getrennt" und in § 54 Abs. 3 die Worte "können bestimmen" im Eingangssatz durch "sollen bestimmen" zu ersetzen. Und die Aufhebung eines Ortsteils. der durch Gebietsänderungsvertrag aufgrund dieses Gesetzes gebildet wurde. darf nach § 54 d nur durch Bürgerentscheid in dem betreffenden Ortsteil möglich sein. Damit wollen wir dem Gebietsänderungsvertrag einen höheren Bestandsschutz geben.
Drittens: Zum PDS-Entwurf stellen wir schließlich noch fest: Die in § 4 und § 5 Abs. 1 Satz 1. 9 und § 10 Abs. 2 Ihres Gesetzentwurfes vorgeschlagenen Regelungen sind zu eng geraten. Die §§ 4 Abs. 1 Satz 1 und 9 sind zu sehr auf die Verhältnisse der konkreten Gemeinden, also die Verhältnisse "vor Ort", fixiert und beschneiden so die Berücksichtigung der überörtlichen regionalen Gesamtsituation. Das ist der Entwicklung einheitlicher Lebensverhältnisse hinderlich.
Der in § 10 Abs. 2 des Entwurfes enthaltene Vorrang muss aus demselben Grunde anders gefasst werden: Alternativen Empfehlungen der betroffenen Gemeinden ist nur der Vorzug zu geben, wenn sie dem "gesetzgeberischen Leitbild bei ganzheitlicher Betrachtung im Wesentliehen gleichwertig sind." - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Notwendigkeit der Gemeindereform ist nicht ernsthaft bestritten. Dass selbst die Oppositionspartei PDS einen eigenen Gesetzentwurf vorlegt. zeigt ja. dass die Notwendigkeit auch in ihren Reihen offensichtlich anerkannt wird.
Natürlich ist es so, dass uns gerade der Einwohnerschwund in Brandenburg - leider vor allem im äußeren Entwicklungsraum und die hohe Anzahl der kleineren Gemeinden in unserem Land sowie die unterschiedliche Ausprägung der Ämterstruktur vor Herausforderungen stellen. Ich will jetzt nicht wie Herr Sarrach gleich in Dimensionen von 200 Jahren denken. Ich weiß tatsächlich nicht, was im Jahr 2200 über die Gemeindereform im Brandenburg des Jahres 2001 gedacht wird, aber eines weiß ich: Wir in der Regierungskoalition und die Regierung sind bemüht, hier die Erfordernisse der Zeit zu erkennen.
Eine große Herausforderung ist nun einmal der Einwohnerrückgang. Ich möchte in Erinnerung rufen: Wir hatten die Enquetekommission. Herr Kollege Schippe], vielleicht können wir uns auf den Kompromiss einigen. dass das jetzt gefundene Modell natürlich eine Weiterentwicklung der Vorschläge der Enquetekommission
dahin gehend ist, dass wir die bereits bestehende amtsfreie Gemeinde in Brandenburg als das eine Modell und auch das bereits bestehende Ämtermodell in Brandenburg als das andere Modell akzeptieren.
Aber es gab, Frau Kollegin Dettmann, einen Irrtum in der Enquetekommission, und dieser bestand aus unserer Sicht. aus Sicht der CDU-Fraktion. darin, dass im Ergebnis der Arbeit der Enquetekommission ein Modell für das gesamte Land präferiert wurde. Das haben wir nicht mitgetragen. Wir haben in der Gemeindereform zwei Modelle beschlossen.
ser beinhaltete die Bestimmung, dass die neue Landesregierung die Gemeindereform umsetzt. Danach kamen die Erarbeitung in den Regionalkonferenzen, der Beschluss der Landesregierung zu den Leitlinien und der Beschluss des Landtages, die Landesregierung aufzufordern, bis zum Frühjahr dieses Jahres einen Gesetzentwurf zur Untersetzung der Leitlinien vorzulegen. Das ist somit geschehen.
Auch wenn es die PDS-Fraktion und andere behaupten: Brandenburg geht keinen Sonderweg bei der Genieindereform. Das Beispiel anderer Länder könnte man anführen. Zum Beispiel gibt es in Sachsen nach der Gemeindereform vier Gemeinden unter 1 000 Einwohnern. Aber eine Besonderheit gibt es in Brandenburg, und das ist die Beteiligung der Betroffenen vor Ort an der Erarbeitung und Umsetzung der Leitlinien. Ich erinnere an dieser Stelle an die Regionalkonferenzen des Innenministers. Ich erinnere an den Einsatz moderner Technik bei der Umsetzung dieser Reform.
Herr Sarrach. eine Vielzahl von Amtsdirektoren. von Bürgermeistern - hauptamtlichen wie ehrenamtlichen - und Gemeindevertretern haben sich an dieser Diskussion beteiligt
und ihre Vorschläge unterbreitet. Diese Vorschläge sind zum großen Teil - Frau Kaiser-Nicht, bitte schauen Sie in das Gesetz, insbesondere in den § 54 der Gemeindeordnung, aber auch in das Kommunalwahlgesetz - aufgenommen worden und werden mit diesem Gesetz umgesetzt.
Der Entwurf untersetzt somit die Bestimmung der Leitlinien zur Amtsordnung. Wir werden in Zukunft in Brandenburg ein einheitliches Ämtermodell haben. Wir werden drei bis sechs amtsangehörige Gemeinden haben und werden - das ist besonders wichti g - auch zukünftig dem Amt mehr Aufgaben übertragen. Ein erster Schritt in diese Richtung ist mit der Übertragung des Flächennutzungsplanes auf die Ämter gegangen worden.
Zum Kommunalwahlgesetz: Frau Kaiser-Nicht, Sie können sehen, dass wir es mit der Umsetzung der Vorschläge ernst meinen. Uns ist immer wieder gesagt worden: Schneidet die Wahlkreise kleiner, damit wir auch nach der Umwandlung in eine amtsfreie Gemeinde noch in der Gemeindevertretung vertreten sind. Und so wird im Kommunalwahlgesetz folgerichtig die Mindesteinwohnerzahl für Wahlkreise von 2 501 auf 501 Einwohner gesenkt. Damit wollen und werden wir erreichen. dass eine ausgewogene Repräsentanz der bestehenden Wahlkreise oder der bestehenden oder zu bildenden Ortsteile in der neuen Gemeindevertretung gegeben ist. Weiterhin wird damit ermöglicht, dass ortsteilbezogene Wahlkreiszuschnitte eingerichtet werden können.
Der wichtigste Punkt im Gemeindereformgesetz ist die Gemeindeordnung. Wir haben Neuregelungen bei den Kompetenzen von Ortsbeirat und Ortsbürgermeister. Die Gemeindevertretung kann dem Ortsbeirat Mittel beispielsweise zur Förderung von Vereinen, Verbänden usw. zur Verfügung stellen. Klare Neuerungen ergeben sich - und das zum ersten Mal in
Brandenburg - bei der Regelung von Anhörungen und Vorschlagsrechten. Wir werden in diesem Zusammenhang erstmalig eigenverantwortliche Entscheidungen des Ortsbeirates möglich machen.
Die Ortsteilrechte werden im Gesetz - das war auch eine Besorgnis der Betroffenen vor Ort - auch für die Zeit nach Vollzug der Gemeindereform gesichert. Wir haben Bestimmungen aufgenommen, die die neue Gemeindevertretung vor eine sehr, sehr hohe Hürde stellen, wenn sie in diese Rechte nach der Gemeindereform eingreifen möchte.
Ich hoffe und bin mir sicher, dass die Betroffenen vor Ort von den Neuregelungen in der Frage der Freiwilligkeit regen Gebrauch machen werden. Wir geben für diese Phase der Freiwilligkeit gute und wirksame Instrumente an die Hand. uni die Gemeindereform vor Ort im Ausgleich und auch im Konsens nach den Leitlinien umzusetzen. Hierbei geht es um den ersten Schritt der Stärkung der gemeindlichen Ebene. Wir wollen die Verwaltungskraft stärken, wir wollen mit der Gemeindereform die Voraussetzungen für eine Reform der Kommunalverfassung schaffen.
Weiteres wird in Kürze folgen: Die kommunale Aufwandsentschädigungsverordnung wird reformiert, den Zeichen der Zeit angepasst. Auch das ist ein Wunsch der gemeindlichen Basis. Folglich müssen wir natürlich darüber nachdenken, die Aufgabenübertragung von Kreisen auf die gemeindliche Ebene, auf die Ebene der Ämter, aber auch von Landesämtern auf die kommunale Ebene vorzunehmen. Dazu brauchen wir in Brandenburg allerdings eine starke gemeindliche Struktur. Das geeignete Mittel hierfür ist die Gemeindereform. Unser Ziel ist die dauerhafte Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung in Brandenburg.
Herr Sarrach, Sie haben versucht, den Entwurf der Landesregierung in Teilen zu kritisieren. Ich glaube. das ist Ihnen unzureichend gelungen.
Ich habe vor allen Dingen vermisst, dass Sie ihren eigenen Gesetzentwurf begründen. Wenn man einen Gesetzentwurf einbringt - dagegen ist gar nichts zu sagen -, dann sollte man sich in der Debatte im Landtag auch die Mühe machen, ihn zu begründen.
Für mich ist zum Beispiel fraglich, warum Sie in einem Paragraphen nur in den ländlichen Räumen die sozialen Bindungen und Traditionen stärken wollen. Gibt es solche in den Städten nicht? Das verstehe ich gerade deswegen nicht, weil Sie zwei Paragraphen zuvor die Worte "Gleichberechtigung" und "Gleichbehandlung- in den Gesetzentwurf zur Genseindereform aufnehmen.
All dies lässt mich - zumindest bei Ihnen - vermuten, dass die PDS - hier verwende ich ein Wort des Fraktionsvorsitzenden in dieser Frage auf dem Weg zu einer "Verhindererfrak-tion" ist.
Wir haben jedoch - und das lässt auf der anderen Seite etwas Mut aufkommen - sowohl bei den Veranstaltungen in der PDSFraktion als auch bei ihrem "kommunalpolitischen forum" gemerkt, dass auch Ihre Basis der Gemeindereform auf geschlossener gegenübersteht.
Zum Entwurf der PDS selbst möchte ich mangels Masse nicht allzu viel sagen. Wir haben uns darauf verständigt, dass wir in der Anhörung des Innenausschusses zu beiden Gesetzentwürfen noch Erhellendes hören werden. - Vielen Dank.
Herr Petke, teilen Sie die Auffassung, dass es durch die sehr starke Ausprägung der Rechte der Ortsbeiräte zum Teil zu erheblichen Verlängerungen der Verfahrensdauer kommen wird. zum Beispiel bei der Aufstellung von Ortssatzungen, Bebauungsplänen etc.?
Ich teile die Auffassung, dass es Verlängerungen geben wird, nicht. Wenn Sie die heutige Situation betrachten, werden Sie erkennen, dass die zukünftigen Ortsteile politisch selbstständige Gemeinden sind. Wenn Sie bei den Diskussionen vor Ort gewesen wären, hätten Sie erfahren. dass die dort erhobene Forderung nach Beteiligung auch nach der Gemeindereform im Bundestrend liegt. Wir übertragen den Ortsteilen nicht die Allzuständigkeit. wie von manchen Spitzenverbänden behauptet wurde. Wir übertragen ihnen die Zuständigkeit für die Dinge, die im Ortsteil entschieden werden können, und sagen deswegen mit diesem Gesetzentwurf: Dann soll darüber auch im Ortsteil entschieden werden, natürlich unter Mitwirkung der Gemeinde
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Petke. bleiben Sie schön neugierig und lassen Sie uns ins Innenausschuss darüber reden! Wenn Sie diebisherigen Debatten und meine Beiträge, die ich im Landtag gehalten habe. nachlesen würden, dann hätten Sie die eine oder andere Antwort auf ihre Frage schon erhalten.
In Umsetzung der umstrittenen Regierungsleitlinien liegt der Entwurf des Gemeindereformgesetzes vor. In der Problembe