Protokoll der Sitzung vom 01.03.2001

(Beifall bei der PDS)

Die Position des Agrar- und Umweltministers Herrn Birthler gegen die Tierförderobergrenze von EU-Kommissar Fischler findet unsere uneingeschränkte Unterstützung.

(Beifall bei der PDS)

Allein für den Kreis Teltow-Fläming hätte eine solche Obergrenze Verluste bei Bullen- und Ochsenprämien in Höhe von 1 117 500 DM zur Folge, so der zuständige Amtsleiter am Mon

tag während der Sitzung des Wirtschafts- und Landwirtschaftsausschusses.

Drittens: Es geht darum, dass die gesamte Landwirtschaft umwelt- und gesundheitsgerechter produzieren kann. Im Zentrum müssen dabei die konventionell produzierenden Betriebe stehen, da aus ihnen derzeit die große Masse der Agrarprodukte kommt. Hier schrittweise höhere Umwelt- und Qualitätsstandards durchzusetzen würde Verbrauchern wie Landwirten den größten Nutzen bringen.

Wir unterstützen die vorrangige Entwicklung des ökologischen Landbaus, sagen aber auch, dass seine Forcierung die Gefahr in sich birgt, dass das Vermögen konventioneller Betriebe, die im Vertrauen auf die bisher herrschenden Rahmenbedingungen ihre Betriebskonzepte entwickelt und dafür investiert und Kredite aufgenommen haben, entwertet wird. Das würde zu einem weiteren Arbeitsplatzabbau im ohnehin schon strukturschwachen ländlichen Raum führen. Deshalb ist das Schrittmaß der Umstellung auch für den ökologischen Landbau genau zu bestimmen und sind wirksame Umstellungshilfen zu gewährleisten.

Bitte kommen Sie zum Schluss Ihrer Rede, Frau Abgeordnete!

Meine Damen und Herren, die Landesregierung, Sie, auch wir, haben am Beginn der BSE-Krise längere Zeit gebraucht, um die Tragweite des Geschehens zu begreifen. Nachdem das Krisenmanagement funktionsfähig gestaltet wurde, ist jetzt Einsicht gefordert, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Wenn die zuständigen Ministerien handlungsfähig bleiben wollen, werden Sie sich der Beantwortung der aufgeworfenen Fragen nicht entziehen können.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort geht an die SPD-Fraktion. Herr Dr. Wiebke, bitte!

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Frau Kollegin, die von Ihnen beklagten Probleme treffen nur in gewisser Weise oder zum Teil überhaupt nicht auf Brandenburg zu. Ich denke, unsere Besatzdichte an Tieren auf der Fläche gewährt eigentlich eine sehr umweltverträgliche Produktion und führt ganz gewiss auf dem Sektor zu keinen Überproduktionen, die zu so wesentlichen Steuerungselementen führen.

Meine Damen und Herren, ich räume ein, dass diese etwas trockene Materie, eine weitere Berichtspflicht einzufordern, selbst vor dem Hintergrund der BSE-Wohlstandskrise nur schwer die Aufmerksamkeit der Abgeordneten fesseln kann. Dennoch, dieser Antrag berührt unsere parlamentarischen Rechte und Pflichten im Verhältnis zur Landesregierung. Sie soll nämlich dem Landtag ein weiteres Mal berichten.

Die Berichtspflicht spannt den Bogen über finanzielle Auswirkungen der BSE-Krise, Arbeitsplatzverluste, Futtermittel-,

Lebensmittelproben, Forschung, Förderprogramme, Liquiditätshilfen, politische Aktivitäten in Bund und Europäischer Union, Verbraucherschutz, gesundheitliche Risiken hin bis zu Tier- und Lebensmitteltransporten. Das ist ein wichtiges und umfassendes Thema, in Wahrheit aber ein dicker Brocken, meine Damen und Herren, der bis zur nächsten Landtagssitzung bearbeitet werden sollte - nach Ihrem Änderungsantrag nun zur übernächsten Sitzung - und dem Umfang nach eine Große Anfrage übersteigt. Neben der Berichtspflicht beinhaltet dieser Antrag auch eine umfassende Aufgabenstellung, die zuvor abgearbeitet werden muss.

(Homeyer [CDU]: Richtig!)

Ganz nebenbei soll die Landesregierung für den Landtag Dienstleistungen erbringen, Mündliche Anfragen, Große Anfragen, Kleine Anfragen, Anträge, Gesetzentwürfe, Briefverkehr mit Abgeordneten, Zuarbeit für Ausschüsse, landesweite VorOrt-Aktivitäten usw. Das ist nur ein Teil der Gesamtpalette der Aufgaben, die eigentlich Zusatzaufgaben dieser Landesregierung sind.

Das alles sind ohne Zweifel unverzichtbare parlamentarische Instrumente, aber sie binden in dieser schwierigen Situation Arbeitsplatzkapazitäten und schmälern die Leistungsfähigkeit. Das ist besonders deshalb schmerzlich, weil Nachtragshaushalt, Verwaltungsreform und für dieses Fachministerium noch die BSE-Krise eine besondere Herausforderung darstellen.

Der Fachausschuss hat vor wenigen Tagen einen umfassenden Bericht entgegengenommen und ausreichend Fragen stellen können. Wir sollten dieses Thema auch weiterhin auf Arbeitsebene - und das ist eigentlich der Dissens -, einschließlich ressortübergreifender Themen wie Haushalt, Gesundheit und Wissenschaft, behandeln und die vorliegenden beschlussfähigen Entscheidungen, die daraus erarbeitet werden, dem Landtag zuführen.

Meine Damen und Herren von der PDS, ich lade Sie ein, sich trotz Ihres Änderungsantrages und trotz Ihrer anderen Meinung unserem Entschließungsantrag anzuschließen. Es geht um den Erfolg, es geht darum, wie wir dieses Thema am besten bearbeiten.

Dennoch ist es gut, dass die PDS dafür sorgt, dass dieses Thema im Gespräch bleibt. Schon wieder wird Europa von einer neuen Seuche bedroht, der MKS. Sie ist sicherlich für den Menschen nicht so relevant, aber für die Leistungsfähigkeit und Gesundheit unserer Tierbestände schon von außerordentlicher Brisanz. Lassen Sie mich daher die Gelegenheit nehmen, Folgendes festzustellen: Die 6 500 BSE-Testungen haben meine Prognose bestätigt, dass Brandenburg bisher nur wenig von positiven Befunden betroffen ist. Die Bundesrepublik insgesamt ist von positiven Befunden gegenüber England mit 180 000 klinisch erkrankten Fällen und gegenüber anderen EU-Staaten bisher äußerst gering betroffen.

Die Erkrankungsrate des Menschen an der neuen Variante Creutzfeldt-Jacob liegt in England bei fast vollständiger Durchseuchung der Rinderbestände bei 1 : 2 Millionen pro Jahr. Rein rechnerisch läge das Risiko, in Brandenburg durch den Genuss von Rindfleisch an dieser Seuche zu erkranken, weit jenseits der Größe von 1 : 10 Millionen pro Jahr.

Daher stehen die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der BSEKrise mit all ihren irrationalen Komponenten in keinem realen Verhältnis zur tatsächlichen Gesundheitsgefährdung. Sie ist ungleich geringer als andere Risiken für die Gesundheit und das Leben von Menschen. Ich sehe daher in der gegenwärtigen Situation in Brandenburg keinen Grund - das sage ich auch an die Verbraucherinnen und Verbraucher gerichtet -, Rindfleisch heimischer Herkunft von unseren Speisezetteln zu streichen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Beherrschen werden wir die Probleme des Tierschutzes, der Tierseuchensicherheit, des Verbraucherschutzes nur - und da sind wir uns ganz sicher einig, Frau Kollegin -, wenn wir im Rahmen einer Umsteuerung die Produkthaftung verstärken, den Tier- und Lebensmittelhandel von der Urproduktion bis zur Ladentheke mehr an regionalen Kreisläufen und im gesamten Produktionsprozess orientieren, dem Verbraucherschutz absolute Priorität vor dem Preis, vor dem Profit, vor Exportinteressen, vor Globalisierung einräumen. Nur das wird der Weg sein, der uns auf diesem Sektor Frieden bringt. - Schönen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Für die DVU-Fraktion spricht der Abgeordnete Claus.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Wiebke, Sie haben eine wunderschöne Rede gehalten. Darin ist auch vieles, was ich sagen wollte, eingeflossen. Deswegen möchte ich das nicht wiederholen, damit wir Zeit haben, noch andere Themen zu besprechen.

Aus diesem Grunde werden wir dem Entschließungsantrag Ihrer Fraktion zustimmen. - Danke schön.

(Beifall bei der DVU)

Ich erteile das Wort der CDU-Fraktion. Herr Abgeordneter Helm, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Wehlan, ich bin schon etwas erstaunt über Ihren Antrag, da in den bisherigen Ausschusssitzungen alle Vertreter ausreichend und ohne dass Kritik geübt wurde, über die Situation und über die weiteren Schritte informiert wurden. Wir müssen klar und deutlich trennen zwischen dem, was wir im Land zu tun haben, was Sache des Bundes und was Sache der EU ist. Wir können nicht alles in einen Topf werfen.

Ihr Antrag muss insofern schon einige Verwunderung hervorrufen, als Sie, nachdem wir heute darüber diskutieren, in der nächsten Landtagssitzung erneut zu einer umfassenden Berichterstattung auffordern wollen. Durch Berichte ändern wir nicht die Situation. Wie ein solcher Bericht nach Ihren Vorstellungen aussehen soll, ist mir schleierhaft. Sie verlangen geradezu hell

seherische Fähigkeiten. Sie fordern Angaben über den Stand der direkten und indirekten Betroffenheit erzeugender und verarbeitender Betriebe sowie des Handels hinsichtlich wirtschaftlicher Einbußen, der Gefährdung von Arbeitsplätzen und möglicher längerfristiger Auswirkungen. Fragen, die zurzeit niemand beantworten kann, weil niemand weiß, wie lange diese Krise andauern wird, wann sich der Rindfleischmarkt erholen wird, wann - das ist die Grundfrage - das Vertrauen der Verbraucher wieder wachsen und damit eine Stabilisierung des Rindfleischmarktes einsetzen wird.

Sie fordern Veränderungen der Förderprogramme und Initiativen der Landesregierung zur Ausrichtung der Agrarpolitik an der vom Bundeskanzler und von Frau Künast verkündeten Wende in der Agrarpolitik. Das gibt mir schon zu denken. Erlauben Sie mir, dass ich an dieser Stelle anfüge, dass die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Verbraucherschutz, gegenwärtig dabei ist, eine Wende von der Wende zu vollziehen, vor allem auch in ihrem Auftreten gegenüber der Europäischen Union. Man könnte darüber viel diskutieren. In vielen Dingen sind wir auch einer Meinung. Ich kann aber nur noch einmal betonen: Es ist nachweislich falsch, die Vielfalt der landwirtschaftlichen Betriebe in unserem Land auf die Alternative von ökologischem Landbau und so genannten Agrarfabriken, wie vom Bundeskanzler in die Diskussion geworfen, zu reduzieren.

Wer politisch in dieser Alternative gefangen bleibt und so tut, als hätte er das Deutungsmonopol für Schlüsselbegriffe wie „artgerecht”, „ökologisch” oder „nachhaltig”, wird die Krise nicht meistern können, vor allem dann nicht, wenn diese Begriffe als Totschlagargumente verwendet werden, inhaltlich aber meistens nicht definiert werden können.

Ganz besonders bei dem Begriff „Nachhaltigkeit” muss ich feststellen, dass auch in diesem Hause einige Abgeordnete viel darüber reden; aber ich bezweifle, dass sie inhaltlich viel damit anfangen können. Ich muss hier als Landwirt klar und deutlich sagen: Es ist eine Grundvoraussetzung des Wirtschaftens, dass ich das Prinzip der Nachhaltigkeit einhalte. Wenn ich es nicht beachte, gehe ich unweigerlich Pleite.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Wir brauchen, um die Weichen in die Zukunft richtig stellen zu können, vor allem eine Entkrampfung der Diskussion. Dazu zähle ich nicht, dass wir jeden Monat im Landtag darüber debattieren. Dazu gehört einerseits, dass wir die besonderen Standards anerkennen, die von den Ökobetrieben gesetzt werden. Dazu gehört andererseits aber auch und vor allem, dass die überwältigende Mehrzahl der landwirtschaftlichen Betriebe, die konventionell wirtschaften und qualitativ hochwertige Produkte erzeugen - denn nur durch sie wird die Ernährung der Gesellschaft gesichert -, nicht verunglimpft

(Beifall des Abgeordneten Dr. Woidke [SPD])

und der Begriff und Standard der guten fachlichen Praxis nicht ständig in Zweifel gezogen werden.

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Dr. Woidke [SPD])

Wer das Vertrauen der Verbraucher wiedergewinnen will, muss

weg von der falschen und fahrlässigen Alternative zwischen Agrarfabriken und Ökobetrieben, die nichts, aber auch gar nichts mit Sachkenntnis und mit der Wirklichkeit zu tun hat. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Umweltverträglichkeit und der Größe eines Betriebes. Genauso wenig gibt es einen Zusammenhang zwischen BSE und Wirtschaftsweise. Hier werden alte ökologische Forderungen der Bündnisgrünen aktualisiert, um sie auf dem Rücken der BSE-Problematik durchzusetzen

(Beifall bei der CDU)

und die Situation der Unsicherheit und Angst beim Verbraucher als wirksame Gehhilfe zu verwenden.

Über die eingeleiteten Maßnahmen zur Hilfe für die direkt betroffenen Betriebe sind Sie unterrichtet worden. Eine Einschätzung des gesamtwirtschaftlichen Schadens, wie von Ihnen gefordert, und des zusätzlichen Mittelbedarfs zur Struktursicherung insbesondere im ländlichen Raum dürfte uns allen wohl sehr, sehr schwer fallen.

Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Ja, bitte.

Herr Kollege Helm, können Sie mir sagen, welche konkreten Zahlen es jetzt bereits bezüglich finanzieller Ausfälle für die Landwirtschaft in Brandenburg gibt?

Das ist eine schwierige Frage. Seitens des Landesbauernverbandes wird jetzt von einem Ausfall von ca. 200 Millionen DM mit steigender Tendenz ausgegangen. Bei Berücksichtigung der Tatsache, dass sich das auf die landwirtschaftliche Nutzfläche im Lande bezieht, ist das ein Betrag von 150 DM/ha. Wenn im letzten Agrarbericht die Betriebe juristischer Personen im Durchschnitt einen Gewinn von 42 DM/ha ausgewiesen haben, bedeutet das bereits jetzt im Durchschnitt der Betriebe einen Verlust von 100 DM/ha. Das Ende ist hierbei noch nicht abzusehen. Da 50 % des landwirtschaftlichen Einkommens durch die Rinderwirtschaft und ganz besonders durch die Milchproduktion erbracht werden, ist durchaus mit noch größeren Auswirkungen negativer Art zu rechnen. Wir sind also gut beraten, dies genau zu verfolgen, um Maßnahmen festzulegen bzw. Forderungen gegenüber Bund und EU aufzumachen, um die Auswirkungen zu reduzieren.