Protokoll der Sitzung vom 01.03.2001

(Unruhe bei der CDU - Glocke des Präsidenten)

Die 15 vom Bombodrom unmittelbar betroffenen Städte und Gemeinden wollen nicht, dass das Areal weiterhin militärisch genutzt wird. Sie beklagen, dass sich das Bundesministerium der Verteidigung zum wiederholten Male über die Belange der Gemeinden hinwegsetzt. Ich sage ganz deutlich: Mit der Selbstherrlichkeit, die der damalige Minister Rühe und der jetzige Minister Scharping gegenüber den Kommunen an den Tag legten bzw. legen, muss endlich Schluss sein. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Brandenburg muss respektiert werden. Herr Ministerpräsident, setzen Sie sich bitte dafür ein!

Zweitens besteht bei einem Verzicht auf die militärische Nutzung die Chance in einer strukturschwachen Region eine nachhaltige und zukunftsorientierte Entwicklung zu befördern. Es kann doch nicht sein, dass in einigen Orten die Bundeswehrdienstposten in Größenordnungen reduziert werden, aber in Wittstock eine Garnison aufgebaut wird. Wittstock und das Bombodrom sind keine Verhandlungsmasse in irgendwelchen militärischen Planspielen. Mir ist bekannt, dass es ein Gespräch zwischen dem Ministerpräsidenten und der Bürgerinitiative geben wird. Anstatt jetzt in einen Wettbewerb um die besten Ideen und Lösungen in dieser Region zu treten, wird auf alte Hüte gesetzt. Was wird eigentlich aus der sich stetig entwickelnden Tourismuswirtschaft, wenn die Bundeswehr ihren Übungsbetrieb wieder aufnimmt? Wie viele Arbeitsplätze gehen dann in dieser Region wieder verloren?

Die PDS-Fraktion fordert die Landesregierung auf: Setzen Sie sich bei der Bundesregierung dafür ein, dass die geschätzten 500 Millionen DM, die man bräuchte, um Garnison und Bombodrom auszubauen, der Konversion und dem Strukturfonds in der Kyritz-Ruppiner Heide zugute kommen!

(Beifall bei der PDS)

Dann hat diese Region eine Lebenschance auch ohne Militär.

Drittens kann der Landtag bei einer breiten Zustimmung zu unserem heutigen Antrag der Landesregierung den Rücken und die Verhandlungsposition des Ministerpräsidenten gegenüber der Bundesregierung stärken.

Ich möchte an die Presseinformation des Regierungssprechers Erhard Thomas erinnern, der am 14. Dezember 2000 erklärt hat:

„Die heutige Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, welche eine militärische Nutzung des ehemals von der sowjetischen Armee genutzten Geländes endgültig verneint, ermöglicht nunmehr eine naturnahe Entwicklung der Märkischen Heidelandschaft in Wittstock.”

Ebenso steht damit dem weiteren Ausbau des touristischen Gewerbes in der Kyritz-Ruppiner Heide als Teil der brandenburgisch-mecklenburgischen Seenplatte nichts mehr im Wege.

Der Regierungssprecher weiter:

„Die Landesregierung hatte stets großes Verständnis für die Aktivitäten der Bürger, die keine militärische Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide wollen. So hat das Land bereits im Jahre 1993 eine entsprechende Bundesratsinitiative eingeleitet, um die zivile Nutzung des Geländes zu erreichen.”

Meine Damen und Herren von der Landesregierung, Sie sollen die Bürgerinnen und Bürger nicht nur verstehen, Sie sollen sich für sie einsetzen. Da wünsche ich mir mehr Aktivitäten Ihrerseits.

(Richtig! und Beifall bei der PDS)

Zu guter Letzt teilte dann der Regierungssprecher mit:

„Ebenso fasste der Landtag im Dezember 1998 den Beschluss, dass die Kyritz-Wittstocker Heide zivil genutzt werden soll. Gleichzeitig wurde die Landesregierung beauftragt, von der Bundesregierung den Verzicht auf eine militärische Nutzung des Truppenübungsplatzes einzufordern.”

Dem wäre eigentlich nichts hinzuzufügen, wenn nicht der Innenminister auf meine Mündliche Anfrage zur Entwicklung der Kyritz-Ruppiner Heide in der letzten Landtagssitzung sehr undeutlich und ausweichend geantwortet hätte. Er schrieb:

„In dem zu führenden Dialog mit dem Bundesverteidigungsministerium wird sich die Landesregierung natürlich bemühen, Brandenburgs Interessen zu vertreten.”

Herr Schönbohm, Sie haben sich in diesem Landtag als ein gelungenes Konversionsobjekt bezeichnet. Erklären Sie bitte heute und hier, dass Sie sich dafür einsetzen werden, dass in der Kyritz-Ruppiner Heide nie wieder eine Bombe fallen wird!

(Beifall bei der PDS)

So kann sich die Regierung den gestern von Ihnen beklagten fehlenden Respekt zurückerwerben. Nichts anderes, als dass Sie sich bei der Bundesregierung für Brandenburger Interessen einsetzen, erwarten wir von Ihnen, meine Damen und Herren von der Landesregierung.

Was aber sind Brandenburgs Interessen in Zeiten der großen Koalition? Wir könnten es uns leicht machen und sagen: Die Beschlusslage im Landtag ist eindeutig. Die Entscheidungen der Gerichte sind eindeutig. Also ist die zivile Nutzung der Heide Brandenburger Interesse.

Herr Ministerpräsident, Sie haben heute die Möglichkeit, klar und unmissverständlich Regierungshandeln zu erklären und Brandenburgs Interessen der interessierten Öffentlichkeit gegenüber klar zu benennen.

Zuallererst muss sich Brandenburg entscheiden: Konversionsstandort oder Interventionsstandort?

(Beifall bei der PDS)

Das ist jetzt die Frage und nicht nur die PDS erwartet eine klare Antwort von der Landesregierung.

Klar ist doch, dass mit der Bundeswehrreform eine der größten Umrüstungen der Geschichte stattfindet. Abgebaut werden Verbände, die mit der Landesverteidigung zu tun haben. Aufgebaut wird nach dem Willen der rot-grünen Bundesregierung eine Interventionsarmee, die hochmobile, schnelle und flexible Kontingente braucht. Diese Krisenreaktionskräfte sollen in der Kyritz-Ruppiner Heide Boden-Luft-Übungen durchführen.

Ich sage an dieser Stelle ganz deutlich: Dieses militärpolitische Konzept lehnt die PDS auf Landes- und auf Bundesebene mit aller Entschiedenheit ab. Und damit kein Zweifel aufkommt: Die Partei des Demokratischen Sozialismus lehnt auch die Ausweitung des Übungsbetriebes in Siegenburg und Nordhorn ab. Das Sankt-Florians-Prinzip lassen wir uns nicht unterstellen.

Meine Damen und Herren! Viele Menschen haben sich in den letzten zehn Jahren für die zivile Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide ausgesprochen. Die Liste der Prominenten, die mit den verschiedensten Aktivitäten die Bürgerinitiative FREIeHEIDe unterstützt haben, ist unendlich lang. Mit Konzerten, Vorlesungen, Teilnahme an Wanderungen und offenen Briefen unterstützten Leute wie Günter Grass, Ralph Giordano, Walter Jens, Rudolf Scharping - als er noch nicht Verteidigungsminister war -, Regine Hildebrandt, Steffen Reiche und nicht zuletzt der leider verstorbene Altbischoff Gottfried Forck das Anliegen der Bürgerinitiative FREIeHEIDe.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn Sie unserem Antrag zustimmen, verhelfen Sie dem zehnjährigen Widerstand der Bürgerinnen und Bürger vor Ort zum Erfolg, Sie tragen der Landesverfassung Rechnung und stärken nicht zuletzt den Glauben der Bürgerinnen und Bürger an Demokratie und Rechtsstaat. Ich bitte um Ihre Zustimmung. - Danke sehr.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke dem Abgeordneten Domres und gebe das Wort an die Fraktion der SPD, an den Abgeordneten Müller.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ein außerordentlich sensibles Thema und ich glaube, darüber sind wir uns alle einig. Darum will ich es nicht nur punktuell betrachten, sondern den Bogen zumindest ein klein weiter größer spannen.

Ich will mit einigen Fragen beginnen: Brauchen wir eigentlich eine Armee? Wenn man das mit Ja beantwortet, kann man die nächste Frage formulieren: Braucht die Armee Waffen? Wenn man das mit Ja beantwortet, muss man die nächste Frage stellen: Muss die Armee mit den Waffen üben können?

Jeder, der das ernsthaft hinterfragt und die ersten beiden Fragen mit Ja beantwortet hat, wird zum dritten Punkt auch Ja sagen müssen. Das ist erst einmal eine absolut globale Betrachtung. Dazu muss man sich aber bekennen. Wir haben eben die Bemerkung vom Sankt-Florians-Prinzip gehört. Wenn man davon ausgeht, dass wir eine Luftwaffe brauchen, die aber nirgends - ich betone: nirgends - üben darf, dann wird das nicht funktionieren. Deshalb muss man verantwortbare Entscheidungen treffen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Herr Abgeordneter Müller, gestatten Sie eine Zwischenfrage? Bitte schön, Herr Domres.

Herr Kollege, ist Ihnen der Satz bekannt:

„Das Ziel von Friedenspolitik ist es, Streitkräfte überflüssig zu machen.”?

Das ist aus dem SPD-Grundsatzprogramm.

Da bin ich völlig Ihrer Meinung. Doch leider sind wir so weit bisher nicht. Noch brauchen wir eine Armee, noch brauchen wir eine Luftwaffe und noch muss die auch trainieren können.

(Beifall bei der CDU)

Der zweite Fragenkomplex ist ähnlich diffizil: Ist eine Armeekaserne, wenn man sie im Ort hat, eine Belastung oder eine Belohnung?

(Zuruf von der PDS: Kommt drauf an!)

Ist ein Übungsplatz - das ist die nächste Frage -, wenn man ihn im oder in der Nähe des Ortes hat, eine Belastung oder eine Belohnung? Da werden wir uns sehr schnell einig werden. Das merken wir auch an den Diskussionen, die zu den zu schließenden oder zu verringernden Standorten geführt werden: Ein Standort, eine Armeekaserne mit den wirtschaftlichen Effekten, die damit verbunden sind, ist durchaus eine gute Sache für einen Ort. Deswegen kämpfen ja die Gemeinden darum, dass die Standorte nicht verringert werden.

Wir sind uns auch einig, dass es beim Übungsplatz anders aussieht. Er ist in der Regel, egal, ob es ein Schießplatz oder ein Bombenabwurfplatz ist, eine Belastung - gar keine Frage. Aber weil die Frage nicht ganz klar mit Ja oder Nein zu beantworten ist, haben wir sowohl in Brück als auch in Strausberg Gegner der Standorte, wie wir auch in der Wittstocker Heide Befürworter eines dortigen Standortes haben.

Herr Müller, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage? - Bitte schön!

Herr Kollege, stimmen Sie mir zu, dass wir ausschließlich von Freunden umzingelt sind?

Nein, da stimme ich Ihnen nicht zu. Ich sehe noch Gefährdungspotenziale, ich sehe immer noch ein paar Irre in dieser Welt, die, wenn sie die Chance dazu hätten, Dinge tun würden, die Ihnen genauso wenig wie mir gefallen würden.

Ich gehe weiter in dem, was ich Ihnen sagen möchte. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, was wir nicht machen können. Wir können nicht das Sankt-Florians-Prinzip anwenden und sagen: Die müssen üben, aber bitte nicht bei uns!