Protokoll der Sitzung vom 01.03.2001

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich die Gelegenheit nutzen, kurz darzulegen, welche umfangreichen Maßnahmen beispielsweise die Polizei des Landes Brandenburg sowohl zur Bekämpfung als auch zur Vorbeugung der Rauschgiftkriminalität eingeleitet hat. Um die Rauschgiftkriminalität wirksamer bekämpfen zu können, wurde die Bearbeitung so genannter kleiner Konsumentenverfahren auf die Ebene der Schutzbereiche verlagert, weil gerade dort die effektivste Bearbeitung möglich ist. Die für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität und der Rauschgiftstraftaten zuständigen Dritten Kommissariate in den Polizeipräsidien können so ihre Kräfte und Mittel auf die schweren Delikte konzentrieren. Ebenso wichtig war die Bil

dung einer Gemeinsamen Ermittlungsgruppe Rauschgift, GER genannt, zwischen Polizei und Zoll. Sie ermittelt im Bereich des unbefugten Handels und der unerlaubten Ein-, Aus- und Durchfuhr nicht geringer Mengen von Betäubungsmitteln.

Auch wird die Polizeistrukturreform im Kampf um die Drogenkriminalität zu mehr Erfolgen führen. So wird die zu schaffende Autobahnpolizei eine schlagkräftige Gruppe im Kampf gegen den internationalen Drogenhandel und die Banden sein, denn gerade die Autobahnen werden in großem Umfange auch dazu genutzt, Drogen nach Berlin und in unser Land zu schaffen.

Auch wird die Reduzierung der Polizeipräsidien dazu führen, dass mehr Grün auf der Straße ist. Dies ist gerade bei Rauschgiftkriminalität, einem typischen Kontrolldelikt, ein unschätzbarer Vorteil.

Ferner wird durch die Polizeistrukturreform Kapazität frei werden, verstärkt kriminalitätsvorbeugende Aufklärungsarbeit in Schulen und Erziehungseinrichtungen zu leisten und eine Vielzahl von fortlaufenden landesweiten Maßnahmen und Projekten der Drogenprävention durchzuführen.

Zu erwähnen ist nicht zuletzt auch die Änderung des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Polizei des Landes Brandenburg, insbesondere die Befugnis zur befristeten Einführung der Videoüberwachung im öffentlichen Raum sowie die Befugnis zur Erteilung von Aufenthaltsverboten.

Abschließend kann man sagen, meine Damen und Herren, dass die Polizei des Landes Brandenburg aktiv und schlagkräftig gegen die Drogenkriminalität im Einsatz ist. Lassen Sie uns gemeinsam versuchen, das gesamte gesellschaftliche Umfeld im erforderlichen Maße zu sensibilisieren. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich danke dem Abgeordneten Homeyer und gebe das Wort der Fraktion der PDS, dem Abgeordneten Sarrach.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn mit dieser Großen Anfrage eine bestimmte politische Zielstellung verfolgt wurde - Ihr Redebeitrag, Herr Claus, war zwar vergleichsweise moderat, aber freilich der einer rechtsextremen Partei -, dann war es keine ehrliche, sondern eine diffamierende Zielstellung, die mindestens aus zwei Gründen in die Irre führt und dem Thema unangemessen ist.

Die Gesellschaft und die politischen Verantwortungsträger sind vor allem dazu verpflichtet, eine Drogenpolitik zu entwickeln, mit der den Menschen, die schwerstabhängig sind, geholfen wird. Drogenabhängige Menschen sind zuallererst und vor allem kranke Menschen. Etwas anderes gilt ausdrücklich bei privaten Geschäften mit Drogen. Dem Handelsprofit muss der Boden entzogen und die Märkte müssen ausgetrocknet werden.

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Nun aber zu den beiden Irrungen:

Erstens: Zu offensichtlich ist der Versuch, erneut die Statistik missbrauchen zu wollen, um Argumentationsmaterial beispielsweise zu nichtdeutscher Straffälligkeit zu erhalten - quasi als Propagandamaterial in Sachen rassistische Vorurteile. Schließlich wollen Sie wieder konkrete Örtlichkeiten - die diffamierende und Ihre Gesinnung offenbarende Anfrage zu „Horte e. V. Strausberg” lässt grüßen - und bestimmte Tätergruppen auch nach ihrer nationalen Herkunft in Erfahrung bringen. Was Sie als DVU hier versuchen, ist daher die Fortsetzung der schlimmen Debatte um Nationalitätenbezeichnungen in der Polizeilichen Kriminalstatistik vom Dezember 2000.

Zweitens ist es ein Irrtum zu glauben, die Drogenproblematik und -politik auf den Bereich der Betäubungsmittelkriminalität nach dem BtmG reduzieren zu können. Es helfen auch keine videoüberwachten öffentlichen Plätze, weil der Drogenhandel dadurch in andere Bereiche verdrängt wird.

Nach Auffassung der Mehrheit der Fachleute ist die herrschende Drogenpolitik, die auf strafrechtliche Repression und Kriminalisierung setzt, als komplett gescheitert anzusehen. Weshalb gescheitert? Aufrechterhalten wird ein verhängnisvoller Kreislauf von Illegalisierung, Kriminalisierung und Abhängigkeit. Damit werden von der Drogenpolitik in erheblichen Größenordnungen genau jene Probleme produziert, die sie zu bekämpfen vorgibt; denn Beschaffungskriminalität und Prostitution sind logische Folge der Illegalisierung. Die Entkriminalisierung harter Drogen bzw. die Legalisierung weicher Drogen sollte wenigstens noch einmal ernsthaft diskutiert werden.

Richtig wütend bin ich, wenn ich daneben registriere, dass der Staat gleichzeitig an der Volksdroge Nummer 1, dem Alkohol, verdient, obwohl Alkoholismus nicht nur gesundheitsschädlich ist und nach Angaben der Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren einen Gesamtschaden in Höhe von 40 Milliarden DM verursacht. Nein, durch alkoholbedingte Unfälle und unter Alkoholeinfluss verübte Gewaltdelikte wird Alkohol auch für jene gefährlich, die ihn gar nicht konsumiert haben. Ich empfehle Ihnen als Lektüre den Jahresbericht 1999 der Brandenburgischen Landesstelle gegen die Suchtgefahren, der dem Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen übergeben wurde.

Dabei verkenne ich nicht, dass das Bundesverfassungsgericht 1994 entschied - ich zitiere den 4. Leitsatz -:

„Der Gleichheitsgrundsatz gebietet nicht, alle potenziell gleich schädlichen Drogen gleichermaßen zu verbieten oder zuzulassen. Der Gesetzgeber konnte ohne Verfassungsverstoß den Umgang mit Cannabisprodukten einerseits und mit Alkohol und Nikotin andererseits unterschiedlich regeln.”

Was jedoch bleibt, ist der fade Beigeschmack, dass nicht wenigstens ein absolutes Werbeverbot für alle Drogen wie Alkohol, Tabakprodukte, Pharmazieprodukte und andere Rauschmittel gilt, verbunden mit einer kontinuierlichen Aufklärungsarbeit besonders an den Schulen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Sarrach?

Bitte schön, Herr Abgeordneter Homeyer!

Herr Kollege Sarrach, würden Sie mir die Frage beantworten, wofür Sie bzw. Ihre Partei, die PDS, stehen? Sind Sie für die Freigabe weicher Drogen oder nicht?

Meine Partei steht für eine offene und nicht tabuisierende Diskussion über Umstände und Gründe von Drogenkonsum sowie über die Kriminalisierung und Entkriminalisierung von Drogen.

(Beifall bei der PDS)

Auch vor dem Hintergrund meiner kommunalen Mitarbeit als Stadtverordneter in der Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft in Frankfurt (Oder), die jüngst den neuesten kommunalen Suchtbericht diskutierte, kann ich bestätigen, dass eine Diskussion über Drogen und den gesellschaftlichen Umgang damit, eine Diskussion, die von einer Kriminalisierung ausgeht, völlig falsch angefangen wird. Therapie statt Strafe muss der Anspruch sein. Bedauerlicherweise gibt die Antwort des Innenministeriums gerade zu den Fragen der Prävention und der Therapie kaum detaillierte Auskunft - ein Grund mehr, dieses Thema künftig sozial- und gesundheitspolitisch und nicht innenpolitisch und strafrechtlich zu diskutieren.

(Beifall bei der PDS)

Dann würde zur Sprache kommen, dass die ambulante Suchtberatung in Brandenburg nicht klar geregelt ist und Suchtberatungsstellen in vielen Kreisen und kreisfreien Städten unter dem jährlichen Finanzierungsvorbehalt stehen, dass die Qualifizierung des pädagogischen Fachpersonals intensiviert werden muss, sodass zu befürchten ist, dass die Chancen im Bereich der Primärprävention im Land Brandenburg verpasst werden. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Sarrach. - Das Wort geht an die Landesregierung, an Herrn Minister Schönbohm.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Großen Anfrage 14 der Fraktion der DVU sind recht unterschiedliche Einzelaspekte aus dem Gesamtgefüge Drogenkriminalität herausgegriffen worden, die durch das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen mit Schwerpunkt der Suchthilfe, Prävention und Therapie und durch das Ministerium des Innern mit Schwerpunkt der Kriminalitätsbekämpfung ausführlich erörtert wurden. Ihnen liegt nun die Antwort vor.

Außerdem beantwortete die Landesregierung bereits im Jahre 2000 mehrere Kleine Anfragen zu diesem Thema. Trotzdem lassen Sie mich noch einige ergänzende und grundsätzliche Bemerkungen zur Entwicklung der Drogenkriminalität und dazu machen, wie und mit welchem Ergebnis die Strafverfolgungsbehörden in unserem Land dieser Entwicklung begegnen.

Rauschgiftkriminalität weist wie kein anderer Deliktbereich internationale Verflechtungen der Tatverdächtigen im Hinblick auf den Handel und den Schmuggel auf. Nach Schätzungen der Drogenkontrollprogrammbehörden der Vereinten Nationen konsumieren etwa 4 % der Weltbevölkerung Rauschgifte. 140 Millionen Menschen konsumieren Cannabis, 8 Millionen Heroin, 13 Millionen Kokain und 13 Millionen Ecstasy und andere synthetische Drogen. Die Zahlen steigen besonders im Bereich der synthetischen Drogen weiter an.

Das Durchschnittsalter der Drogenkonsumenten ist weiter gesunken. Der Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass etwa 8 % des gesamten Welthandels - das sind rund 400 Milliarden USDollar - den Handel mit Rauschgiften ausmachen. Es ist also eine gewaltige Industrie und eine gewaltige kriminelle Energie, die freigesetzt wird.

Die Rauschgiftkriminalität stieg auch im Land Brandenburg von 1994 bis zum Jahre 2000 im Verhältnis zum letzten Jahr kontinuierlich an. Waren es im Jahre 1994 487 Fälle von Rauschgiftkriminalität, die bekannt wurden, so erhöhte sich diese Zahl 1999 auf 4 789, also fast eine Verzehnfachung. Im ersten Halbjahr 2000 wurden in unserem Land 2 882 Rauschgiftdelikte in der polizeilichen Kriminalstatistik erfasst. Der Anteil an der Gesamtkriminalität liegt bei rund 2,4 %.

Wie die angeführten Zahlen zeigen und eine Reihe durch das Zollfahndungsamt Potsdam bearbeitete Ermittlungsverfahren belegen, ist Brandenburg nicht mehr nur ein Transitland für Rauschgifttransporte, sondern auch ein Abnehmerland der geschmuggelten Rauschgifte geworden.

Obwohl Rauschgiftdelikte in den neuen Bundesländern, wie es das BKA in der Statistik 1999 feststellte, im Vergleich zu Westdeutschland immer noch keine größere Rolle spielen, setzt sich die schrittweise Angleichung des Rauschgiftkonsums an die alten Bundesländer weiter fort. Aber man muss bei der Beleuchtung dieses Deliktfeldes auch sehr deutlich sagen, dass Rauschgiftdelikte außer den Delikten der Beschaffungskriminalität reine Kontrolldelikte sind. Oder anders ausgedrückt: Je mehr wir kontrollieren, desto mehr Delikte stellen wir fest. Je weniger wir kontrollieren, desto weniger Delikte werden aufgedeckt. Von daher gesehen ist die Zunahme der festgestellten Rauschgiftdelikte auch eine Folge der Intensivierung der polizeilichen Arbeit, der Kontrolle in diesem Bereich. In der intensiven Strafverfolgung, Ermittlung und Kontrolle liegt ein Grund für die jährliche Steigerungsrate. Gleichzeitig zeigt dies auch den Erfolg polizeilicher Ermittlungsarbeit auf.

Aber die Erfahrungen insbesondere auch der alten Bundesländer und des Auslandes zeigen, dass der Rauschgiftkonsum mit polizeilichen Mitteln allein nicht begrenzt werden kann. Dies ist in der Landesregierung unstrittig. Wir arbeiten sehr eng und intensiv zusammen. Dies ist auch ein Thema der Arbeit des Landespräventionsrates. Die Herausforderungen richten sich an

Staat und Gesellschaft und stellen nicht nur die Strafverfolgungsbehörden vor besondere Aufgaben.

Meine Damen und Herren! Wir haben im Rahmen der gemeinsamen Zusammenarbeit alle Maßnahmen ergriffen, Rauschgiftkriminalität wirksamer bekämpfen zu können, haben dies im Bereich der Polizei auf die Ebene der Schutzbereiche verlagert und führen zentrale Ermittlungen gegen organisierte Kriminalität.

Wir haben hier nicht im Einzelnen das Thema erörtert, welche Aufgabe die Familien und die Schulen spielen. Dass diese eine wichtige Aufgabe haben, ist vollkommen klar. Wir haben in einer „Arbeitsgruppe Drogenkriminalität” Empfehlungen für Projekte erarbeitet, die in Zusammenarbeit zwischen uns und den anderen Ressorts schrittweise umgesetzt werden. Ich glaube, wir werden dieses Deliktphänomen nur dann unter Kontrolle bekommen, wenn es uns gelingt, Schule und Elternhaus davon zu überzeugen, dass hier eine gemeinsame Aufgabe besteht, die im Rahmen der Drogenprävention und der Repression in Zusammenarbeit von Polizei und Justiz gelöst werden muss. Dabei sind wir. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke Ihnen, Herr Minister Schönbohm. - Wir sind damit am Ende der Aussprache angekommen und ich kann feststellen, dass Sie die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 14, Drucksache 3/2364, zur Kenntnis genommen haben. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 5 und rufe den Tagesordnungspunkt 6 auf:

ÖPNV/SPNV in Brandenburg

Große Anfrage 13 der Fraktion der SPD der Fraktion der CDU

Drucksache 3/1922

Antwort der Landesregierung

Drucksache 3/2363

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt mit dem Beitrag der SPD. Herr Abgeordneter Vogelsänger, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Beantwortung der Großen Anfrage liegt uns umfangreiches Bilanzmaterial mit Blick in die Zukunft des öffentlichen Personennahverkehrs vor. Der gesamte ÖPNV befindet sich in einer Umbruchsituation, und dies europaweit. Das ist Chance und Herausforderung zugleich. Es gilt, auf der Grundlage der Erfahrungen der Bahnregionalisierung die weitere Zukunft des öffentlichen Personennahverkehrs zu gestalten.