Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich einiges zu den Argumenten sagen, die gegen die Fortsetzung der Niedersorbisch-Ausbildung in Potsdam immer wieder in der Debatte zu hören waren.
Erstes Argument: Der Bedarf an Sorbisch-Unterricht sinkt. Dies sehen nicht nur wir anders. Die Teilnehmerzahlen sind in den vergangenen Jahren ständig gewachsen. Für weiterhin stabile Teilnehmerzahlen in Sorbisch stehen die Bemühungen der Witaj-Projekte, aber auch die im Zusammenhang mit der EUOsterweiterung zunehmende Bedeutung der Mehrsprachigkeit. Trotz insgesamt sinkender Schülerzahlen ist daher wenigstens eine gleich bleibende Teilnehmerzahl am Sorbisch-Unterricht zu erwarten. Ab 2003 soll zudem schrittweise bilingualer Unterricht in der niedersorbischen Sprache eingeführt werden. Schon heute haben alle Schulen Kenntnisse über die sorbische Kultur zu vermitteln.
Das zweite Argument lautete, der Bedarf an Lehrkräften sei im Wesentlichen gedeckt. - Das bezweifle ich. Von den 67 Lehrkräften mit Lehrbefähigung für das Fach Sorbisch haben schließlich 51 einen pädagogischen Fachschulabschluss, der für den Sprachunterricht für die Oberstufe nicht ausreicht. Dieser Fachschulabschluss wurde zudem in der Regel am obersorbischen Lehrerbildungsinstitut erworben, was für die Vermittlung des Niedersorbischen erhebliche Probleme mit sich bringt. Hinsichtlich des bilingualen Unterrichts stehen wir noch ganz am Anfang.
Das dritte Argument lautet: Die Nachfrage beim Erweiterungsstudium in Potsdam ist unzureichend. - Abgesehen davon, dass niedrige Studierendenzahlen bei Minderheitensprachen völlig normal sind, ging die Landesregierung 1998 noch in ihrer Antwort auf die Große Anfrage der PDS von ca. 20 Studierenden in allen drei Durchgängen zusammen - aus. Jetzt haben wir die Tatsache, dass fünf Studierende zwischenzeitlich abgeschlossen haben, fünf kurz vor dem Abschluss stehen und 12 im dritten Durchgang immatrikuliert sind, insgesamt also immerhin 22 gegenüber den erwarteten 20 - trotz der fraglichen Perspektive, die die weitere Ausbildung in Potsdam hat.
Das vierte Argument war, Leipzig sei durchaus als alternativer Ausbildungsort für Sorbisch-Lehrer geeignet. Dazu ist zu sagen, dass in den letzten zehn Jahren gerade einmal zwei Studenten in Leipzig Niedersorbisch studiert haben. Das hat durchaus Gründe, die vor allem in der Qualität der dortigen Niedersorbisch-Ausbildung liegen, wobei die Beseitigung der Mängel ungeachtet gegenteiliger Zusicherungen gegenwärtig nicht zu erwarten ist.
Wer erarbeitet die neue Studienordnung, die niedersorbische wie obersorbische Inhalte zu gleichen Teilen in jedem Unterrichtsfach verankert? Bitte bedenken Sie auch, dass hier leider oft genug nicht über die Vertiefung einer gelebten Muttersprache, sondern über die Erlernung einer neuen Sprache, um sie anschließend möglichst wie die Muttersprache zu beherrschen, gesprochen wird.
Das fünfte Argument betrifft die Finanzierung der Aus- und Fortbildung von Lehrkräften. Mehr oder weniger unausgesprochen steht die Finanzierungsfrage über dem zu verhandelnden Thema. Das Wissenschaftsministerium meint, mit der Finanzierung einer halben Mitarbeiterstelle in Leipzig sei es getan. Das halte ich, mit Verlaub, für abenteuerlich. Egal, wohin man die Ausbildung letztlich gibt, ob man sie in Potsdam belässt oder sie nach Leipzig gibt, es wird mehr kosten als die einkalkulierten 40 000 oder 50 000 DM, wenn man den Anspruch tatsächlich ernst nimmt. Allerdings werden die Kosten - angesichts des überschaubaren Bedarfs und auch der Synergieeffekte einer Universität, die wie die Potsdamer Uni beispielsweise eine Lehramtsausbildung realisiert - auch nicht in astronomische Höhen schnellen. Wenn das Land allerdings meint, die Potsdamer Universität mit der Finanzierung dieser Aufgabe der Minderheitenpolitik unter Verweis auf den Globalhaushalt allein lassen zu können, dann ist die ablehnende Haltung zumindest der Universitätsleitung verständlich.
Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie wollen doch nicht ernsthaft die Hochschulhaushalte auf Kosten der Sorben sanieren - um es einmal zugespitzt zu formulieren -, zumal angesichts der geringen Summe, um die es geht? Ich unterstelle Ihnen dies nicht, aber genau der Eindruck kann entstehen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns alle Varianten noch einmal prüfen! Eine meines Erachtens sowohl angemessene als auch machbare Variante hat der Sorbenrat vorgelegt. Sie sieht vor, das grundständige Studium - Lehramt Sek I und Sek II sowie die Magisterausbildung - in Leipzig; die Primarstufenausbildung und das Erweiterungsstudium in Verantwortung der Universität Potsdam - dabei auch die Vermittlung von Kenntnissen über die sorbische Kultur im Lehramtsstudium insgesamt - sowie die sprachliche Qualifikation für den bilingualen Unterricht in Kooperation mit der Arbeitsstelle Bildungsentwicklung Cottbus durchzuführen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen. Es wäre dem Thema sicherlich nicht zuträglich, wenn Sie uns zwängen, die Konzeption für die niedersorbische Sprache und Kultur in Brandenburger Schulen mittels einer Großen Anfrage noch einmal einzufordern. Ich hielte es für besser, wenn wir statt gegeneinander zu argumentieren gemeinsam für die Interessen der Niederlausitzer Sorben sowie für den Erhalt der niedersorbischen Sprache kämpften. - Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.
Ich danke dem Abgeordneten Dr. Trunschke und gebe für die Koalitionsfraktionen der Abgeordneten Frau Müller das Wort.
„Die Sorben haben das Recht auf Bewahrung und Förderung der sorbischen Sprache und Kultur im öffentlichen Leben und ihre Vermittlung in Schulen und Kindertagesstätten.”
So steht es in unserer Landesverfassung und diesem Verfassungsauftrag haben Parlament und Landesregierung Rechnung getragen. Das Parlament hat insbesondere durch das Sorben (Wenden) -Gesetz und durch das Brandenburgische Schulgesetz die gesetzlichen Grundlagen geschaffen.
Dass man über Qualität der Lehrerausbildung, insbesondere über die Erweiterungsausbildung für Sorbisch und die Auslastung von Studienangeboten, sprechen muss, bleibt unbestritten. Weshalb man allerdings - damit greife ich die Frage von Herrn Trunschke auf - in dieser speziellen Frage noch einmal das Plenum bemühen muss, obwohl alles Erforderliche bereits in den Ausschüssen und im Rat für sorbische (wendi- sche) Angelegenheiten besprochen wurde, ist für mich nicht nachvollziehbar und, Herr Trunschke, auch mit Ihrer Rede haben Sie mich davon nicht überzeugen können.
Sie selbst haben ja das Thema in der Februarsitzung des Ausschusses für Wissenschaft, Forschung und Kultur angeregt und konnten die Bemühungen der Landesregierung, in dieser Angelegenheit einen Schritt nach vorn zu tun, das heißt, eine Verwaltungsvereinbarung zwischen den Ländern Brandenburg und Sachsen auf den Weg zu bringen, zur Kenntnis nehmen.
„Die Ausbildung an der Universität Potsdam - die erste außeruniversitäre Ausbildung in Niedersorbisch der Brandenburger Geschichte - war ein wichtiger Schritt, kann den gewachsenen Anforderungen aber nicht gerecht werden.”
Hierzu kann ich nur sagen: Sehr richtig! Zurzeit wird an der Universität Potsdam ein Erweiterungsstudium für Primarstufenlehrer - Klasse 1 bis 6 - eingerichtet, die dadurch befähigt werden sollen, in der Sekundarstufe I die Klassen 7 bis 10 zu unterrichten. Dieses Erweiterungsstudium wird zu 50 % von Honorarkräften bestritten, was naturgemäß sehr kostenintensiv ist. Lehrveranstaltungen werden durchgeführt von Herrn Prof. Kosta, der kein ausgebildeter Sorabist ist, sich verdienstvollerweise jedoch ins Sorbische eingearbeitet hat, von Frau Dr. Norberg als Muttersprachlerin, die mit einer halben Stelle den größten Teil der Ausbildung, vor allem den Sprachunterricht abdeckt, und von Frau Wächter-Springer, einer Fachdidaktin für Russisch und Polnisch, die sich ebenfalls in die sorbische Problematik eingearbeitet hat.
Die Möglichkeiten der weiteren fachlichen Besetzung gestalten sich in Brandenburg äußerst schwierig, wie zu erkennen ist.
versität Potsdam werden Studienkapazitäten von 3 mal 15 Plätzen vorgehalten, die bei weitem nicht ausgeschöpft werden. Es wird also deutlich, dass an der Bereitschaft und am Vermögen der Lehrer vorbei Plätze vorgehalten werden. Es ist wirklich nicht länger zu verantworten, diese Ausbildungsform an der Universität Potsdam bei derart niedriger Auslastung beizubehalten.
Frau Müller, ich stimme Ihnen sofort in der Einschätzung zu, dass das nicht unbedingt günstige Zustände sind und dies auch nicht zu verantworten ist. Aber inwiefern verbessert sich die Situation, wenn Sie nicht mehr Geld nach Leipzig geben, wo doch die Ausbildung an der dortigen Universität stattfindet?
Diese Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen. Wir können doch nicht den zweiten Schritt vor dem ersten gehen, Herr Trunschke.
Überdies sprechen unsere Erfahrungen dafür, dass neue Anforderungen an die Sorbisch-Ausbildung gestellt werden müssen, um tatsächlich einen bilingualen Unterricht zu ermöglichen. Das sind ja die neuen Anforderungen.
Deshalb kann ich nur noch einmal wiederholen: Dies ist zurzeit in Potsdam nicht leistbar. In der jetzigen Situation können die Revitalisierung der Sprache und die Herausbildung von wissenschaftlichem Nachwuchs sowohl für Niedersorbisch als auch für Obersorbisch am besten gefördert werden, wenn man die wenigen noch vorhandenen Ressourcen an einem Standort konzentriert zum Einsatz bringt. Daher ist die Lehrerausbildung am Standort Leipzig ein guter Lösungsansatz. An der Universität Leipzig, wo es bereits einen Lehrstuhl für Sorabistik gibt, könnte künftig das grundständige Sorbisch-Studium so etabliert werden, dass auch Lehrernachwuchs für Niedersorbisch kontinuierlich und dem Bedarf entsprechend herangebildet wird. Die Universität Leipzig sieht sich jedenfalls dazu in der Lage.
Brandenburgs Forderung nach einer verstärkten Ausbildung in Niedersorbisch soll bei den Verhandlungen nachhaltig vertreten werden. Ihre Erfüllung ist wichtigste Voraussetzung für das Zustandekommen der Vereinbarung. Schließlich will sich das Land Brandenburg auch an der Finanzierung beteiligen.
Ein weiterer Bereich ist die Lehrerfortbildung für den bilingualen Unterricht. Diese Fortbildung wird bereits am Standort Cottbus praktiziert. Es ist wahrscheinlich, dass dieses Fortbildungsangebot unter der Verantwortung des Brandenburger Bildungsministeriums weiterhin dort verbleibt. Anmerken möchte ich hierzu: Auch diese Ausbildungsform kann aufgrund ihrer eigenständigen Anforderungen nicht durch ein Erweiterungsstudium in Potsdam abgedeckt werden.
Meine Damen und Herren! Den Mitgliedern des Ausschusses für Wissenschaft, Forschung und Kultur wurden die wesentli
chen Vorstellungen zur Verbesserung der Ausbildung durch Vertreter des Wissenschaftsministeriums dargelegt, die Eingang in die Verwaltungsvereinbarung zwischen den Ländern Brandenburg und Sachsen finden sollen.
Abschließend wurde im Ausschuss festgelegt, dass die Mitglieder vom zuständigen Ministerium jeweils aktuell zum Sachstand und über das Verhandlungsergebnis bezüglich der Verwaltungsvereinbarung zu informieren sind. Nach erfolgtem Vertragsabschluss sollen dem Ausschuss die Unterlagen zugeleitet werden.
Meine Damen und Herren! Im Augenblick ist bei realistischer Betrachtung mehr nicht möglich und sinnvoll. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.
Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Müller. - Ich gebe das Wort an die Fraktion der DVU, Herrn Abgeordneten Firneburg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Großen und Ganzen kann ich mich meiner Vorrednerin anschließen. Auch beim Thema Sorben können wir sicher sein, dass uns in regelmäßigen Abständen ritualisierte Schaufensteranträge der PDS auf den Tisch flattern, selbst wenn es darüber überhaupt nichts Dringendes zu sagen gibt.
Ist es vielleicht das schlechte Gewissen der Genossen, selbst einen Großteil der niedersorbischen Bevölkerung in der real existierenden DDR durch ihre Braunkohlenpolitik und die Zwangskollektivierung der Bauern aus ihrem angestammten Siedlungsgebiet vertrieben zu haben? Ist die PDS nur dazu in der Lage, von einem Extrem ins andere zu fallen? Betrachten wir daher einmal genauer, was die PDS eigentlich will.
Der Landtag soll beschließen, dass die Landesregierung ersucht wird, rechtzeitig vor dem Abschluss der Verhandlungen mit dem Freistaat Sachsen über die Ausbildung von Nachwuchskräften im Bereich Sorabistik dem Landtag ihr Konzept zur Absicherung des personellen Bedarfs für die Vermittlung der niedersorbischen Kultur sowie den Sprach- und Fachunterricht in niedersorbischer Sprache an Brandenburger Schulen vorzulegen. Dem Konzept sind die vom Land formulierten Anforderungen zu Grunde zu legen.
Ich habe diese Einleitung noch einmal in ihrer quälenden Länge vorgetragen, um auf die Sinnlosigkeit dieses Antrages hinzuweisen. Zusammengefasst fordert also die PDS nichts Neues, sondern nur, dass die Landesregierung ihr Arbeitskonzept vorlegt, mit dessen Hilfe und mithilfe der von ihr selbst formulierten allseits bekannten Grundlagen der personelle Bedarf in diesem Bereich abgesichert wird. Da die Rechte und Pflichten zum Erhalt der sorbisch-wendischen Kultur in verschiedenen Landesgesetzen festgeschrieben sind, empfehle ich der PDS das Studium derselben. Daran muss sich die Landesregierung nämlich halten und ihre konzeptionellen Planungen ausrichten.
Natürlich geht es wie immer um das Geld, denn wo genug Geld vorhanden ist, dort ist auch die üppige personelle Umsetzung zur Förderung von nationalen Minderheiten kein Problem. Doch nun wissen wir alle nicht erst seit den Haushaltssperren, dass die Mittel nicht nur knapp, sondern ausgesprochen rar sind.
Auch der Bund will seinen bisherigen 50%igen Anteil von jetzt 16 Millionen DM auf 14 Millionen DM im Jahr 2003 senken. Sachsen will seinen Anteil noch in alter Höhe beibehalten. Soll das nun bedeuten, dass Brandenburg die ausgefallenen Bundesgelder in gleicher Höhe wieder auffüllt? Doch selbst das reichte noch nicht aus, denn wie der Vorsitzende des Rates für sorbische Angelegenheiten, Herr Harald Konzack, gegenüber der Presse mitteilte, bräuchte man zur Pflege der Identität mindestens 34 Millionen DM. Zum Vergleich: Alle Kindertagesstätten mit rund 135 000 Kindern im Land müssen in diesem Jahr mit Kürzungen von rund 48 Millionen DM zurecht kommen. Es zählen sich doch nur noch rund 20 000 Personen zu den Sorben, von denen nur noch rund 7 000 auch niedersorbisch sprechen. Ich meine, wir sollten die Kirche im Dorf lassen und immer das rechte Maß im Auge behalten.
Ich mache mir also um die angemessene Qualität der Landesunterstützung für die sorbische Kultur keine Sorgen und danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich danke Herrn Abgeordneten Firneburg. - Das Wort geht an die Landesregierung. Herr Minister Reiche, bitte.