Protokoll der Sitzung vom 16.05.2001

Ich danke dem Abgeordneten Lunacek und gebe das Wort an die Fraktion der DVU, an Frau Abgeordnete Hesselbarth.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Viele brandenburgische Unternehmer sind zutiefst verunsichert. Sie wollen expandieren, Arbeits- und Ausbildungsplätze schaffen, können aber nicht, weil es dem Land an Geld zur Förderung der regionalen Wirtschaft mangelt.

Bei allen Fraktionen dieses Landtages, auch bei der DVU-Fraktion, sind in den letzten Tagen und Wochen Hilferufe aus der Wirtschaft eingegangen. Dies können Sie, Herr Minister Dr. Fürniß, schlechterdings nicht abstreiten. Schließlich bestätigten Sie selbst gegenüber dem Wirtschaftsausschuss, dass das Antragsvolumen den zur Verfügung stehenden Förderbetrag um das Dreifache übersteigt. Auch Herr Dr. Ehler bezifferte kürzlich gegenüber der Presse das Antragsvolumen für das Jahr 2001 mit 3,5 Milliarden DM, wobei jedoch nur 1,5 Milliarden DM aus Landesmitteln zur Verfügung stünden. Ministeriumssprecher Herr Reitemeier geht sogar von nur 1,2 Milliarden DM aus.

Man kann also mit Fug und Recht davon sprechen, um Herrn Kollegen Schulze von der SPD-Fraktion zu zitieren - leider ist er nicht da -, dass es de facto bereits einen Fördermittelstopp gibt.

Somit kommen wir zu dem hier vorliegenden unsoliden Nachtragshaushalt. Die DVU-Fraktion wird ihn selbstverständlich auch in dieser 2. Lesung ablehnen, auch wenn die EU-Strukturfondsmittel um 307,5 Millionen DM - darunter 110 Millionen DM im Bereich des Wirtschaftsressorts - erhöht werden. Aber dies ist bekanntlich nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein; denn selbst ohne Berücksichtigung der 3 Milliarden DM Investitionen der Chipfabrik in Frankfurt (Oder) ist bis heute in keiner Weise gesichert, dass das Wirtschaftsministerium seine Fördergelder voll auszahlen kann. Fest steht lediglich, dass

Europa- und Bundesmittel in Höhe von 875 Millionen DM zur Verfügung stehen. Sie können aber nur abgerufen werden, wenn das Land die nötige Kofinanzierung von 25 % leistet. Von diesen circa 220 Millionen DM sind jedoch bereits jetzt 20,8 Millionen DM per so genannter globaler Minderausgabe gesperrt. Wir können daher Ihnen, Herr Christoffers, in diesem Punkt nur Recht geben, wenn Sie vor dem politischen Offenbarungseid im Bereich der Wirtschaft in Brandenburg warnen.

Aus diesem Grund hält es die DVU-Fraktion für dringend erforderlich, die Landesregierung mit dem hier vorliegenden Entschließungsantrag aufzufordern, die Kofinanzierung der EUStrukturfondsmittel aus Landesmitteln zu sichern und dem zuständigen Ausschuss regelmäßig darüber Bericht zu erstatten.

Herr Bischoff, so richtig überzeugt haben Sie mich mit Ihrer Begründung für die Ablehnung unseres Antrages nicht.

(Schippel [SPD]: Das ist doch klar!)

Denn das ist umso wichtiger, da in den zurückliegenden Jahren, insbesondere 1999 und 2000, die Kofinanzierung eben nicht gesichert war und die Wirtschaftspolitik zu Planungsunsicherheit bzw. Stillstand bei den Unternehmen und zu beträchtlichen Mittelrückflüssen nach Brüssel führte.

Wie bereits während der 1. Haushaltslesung von mir klar und deutlich gesagt, ist eine Blankokreditermächtigung in Höhe von 500 Millionen DM am zuständigen Ausschuss vorbei, wie von Ihnen, Frau Ministerin Ziegler, in Artikel 2 Nummer 2 b Abs. 3 des Haushaltsgesetzentwurfs gefordert, mit unserer Fraktion nicht zu machen.

(Zuruf der Abgeordneten Frau Osten [PDS])

Solche haushaltspolitischen Mogelpackungen an der Landeshaushaltsordnung vorbei werden wir nicht abnicken. Aus diesem Grunde wollen wir den genannten Absatz 3 um folgenden Satz 3 ergänzt wissen:

„Kreditaufnahmen nach Satz 1 bedürfen in jedem Fall der Zustimmung des Finanzausschusses des Landtages.”

Dessen Zustimmung ist aufgrund der parlamentarischen Transparenz notwendig. Die Kofinanzierung der reichlich fließenden EU-Mittel muss de facto sichergestellt und parlamentarisch kontrolliert werden.

Meine Damen und Herren! Bevor ich noch einmal in die Einzelpläne dieses Nachtragshaushalts einsteige, nochmals zu einem anderen Thema: der Haushaltssperre. Bei einer zusätzlichen Mehrverschuldung von 570 Millionen DM gegenüber dem ursprünglichen Haushaltsplan 2001 und einer Einnahmen- und Ausgabenerhöhung des Haushaltsvolumens um 372 Millionen DM, von Ihnen, Frau Ministerin Ziegler, wörtlich als „punktuelle Korrektur” apostrophiert - Sie gehen von einem Gesamtmehrbedarf gegenüber dem beschlossenen Haushalt 2001 von 959 Millionen DM aus -, setzten Sie eine Haushaltssperre von 259 Millionen DM durch. Während Sie also einerseits einen ursprünglich genannten Mehrbedarf von 1,2 Milliarden DM Herr Lunacek sprach sogar von 1,5 Milliarden DM - auf 959 Millionen DM schönrechneten und die als globale Minderausgabe bereits im ursprünglichen Haushaltsplanentwurf 2001

ausgewiesene Deckungslücke von 294 Millionen DM auf knapp 240 Millionen DM herunterkorrigierten, sind die im Haushalt vorhandenen Finanzierungslücken - die so genannte globale Minderausgabe ist mit den Einzelhaushalten und den Personalausgaben wesentlich höher als 300 Millionen DM - in keiner Weise gedeckt.

Wenn ich mir die von Ihnen während der letzten Finanzausschusssitzung, in der über diesen Nachtragshaushalt entschieden wurde, genannten Zahlen bezüglich der Haushaltssperre ansehe, so komme ich nach Adam Riese auf 194,9 Millionen DM, welche die Haushaltssperre de facto erbringen soll, und nicht auf 259 Millionen DM, wie geplant. Es gibt also bei den von Ihnen im Vorfeld der Haushaltsberatung genannten Zahlen über 60 Millionen DM an ungedeckten Mitteln. Das ist finanzpolitische Zahlenspielerei, die hinten und vorn nicht stimmt, und die ist mit uns einfach nicht zu machen.

Doch kommen wir zum Schluss noch zu den Einzelplänen und den von unserer Fraktion vorgelegten Änderungsanträgen. Um Ihnen, Herr Minister Prof. Dr. Schelter, nicht das Gefühl zu geben, Sie wollten sich auf Kosten des Verfassungsschutzes bereichern, haben wir die Streichung bei dieser undemokratischen und nicht gerade wahrheitsliebenden Behörde

(Beifall bei der DVU)

dahin gehend geändert, dass wir diese Summe zur Verringerung der globalen Minderausgabe verwenden wollen.

Wir halten es aber angesichts der von Ihnen, Herr Minister, sowie von der Richterschaft und dem Präsidenten des Verfassungsgerichtes, Herrn Dr. Macke, beklagten tiefen Einschnitte in die Klagefähigkeit für gerechtfertigt, die von uns beantragten 1,2 Millionen DM bei den ordentlichen Gerichten und Staatsanwaltschaften sowie die 1,3 Millionen DM bei den Verwaltungsgerichten zum Wohle der Funktionsfähigkeit unserer Gerichte durch eine diesmal tatsächliche punktuelle Zusatznettoneuverschuldung zu finanzieren.

Dasselbe gilt für den Titel mit der Zweckbestimmung „Erwerb von Geräten, Ausstattungs- und Ausrüstungsgegenständen zur Bekämpfung der BSE-Krise” in Höhe von einer Million DM zusätzlich; denn niemand in diesem Plenum, meine Damen und Herren, wird wohl bestreiten wollen, dass die bisher eingestellten Mittel in Höhe von 720 000 DM zur Verbesserung der BSETests in keiner Weise ausreichen.

Ich bitte Sie darum, meine Damen und Herren: Stimmen Sie unseren hier vorliegenden Änderungsanträgen und den darin zum Ausdruck kommenden Verbesserungsvorschlägen, insbesondere was die Förderung der Wirtschafts- und Sozialpolitik betrifft, zu, damit wir die für unser Land so notwendigen Projekte durchführen können und es de facto keinen Fördermittelstopp gibt.

Den vorliegenden Nachtragshaushalt werden wir ablehnen. Wir werden ihm unsere Zustimmung auf jeden Fall versagen.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort geht an die Landesregierung. Frau Ministerin, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stehen am Ende eines halbjährigen Diskussionsprozesses über den Nachtragshaushalt 2001. Davon fanden die letzten sehr intensiven Debatten hier und heute im Landtag statt. Für diese fruchtbaren Gespräche auch über die grundsätzlichen Ziele brandenburgischer Finanzpolitik möchte ich Ihnen an dieser Stelle herzlich danken.

Die Debatte über die Grundlagen der Zukunft der Brandenburger Finanzpolitik und damit die Zukunft Brandenburgs hat aber im Grunde erst begonnen. Die Prioritätendiskussion, von den Koalitionsfraktionen am Donnerstag und vom Kabinett in der gestrigen Sitzung geführt, zeigt sehr deutlich, dass nicht nur neue Akzente gesetzt werden, sondern dass bei allen die Bereitschaft vorhanden ist, neue Wege einzuschlagen. Im Interesse Brandenburgs - das wird immer offensichtlicher - sind alle bereit, auf Liebgewordenes zu verzichten. Das ist nicht nur richtig, sondern es ist der einzige Weg, den wir haben. Dass Sie dabei mitziehen wollen - da schließe ich die Opposition gleich mit ein -, dafür danke ich Ihnen sehr herzlich.

Ich begrüße es sehr, dass diese Prioritätendiskussion die Haushaltsaufstellung 2002/2003 bereits frühzeitig begleitet. Die notwendigen haushaltsstrukturellen Maßnahmen - beide Fraktionen haben von uns die Vorlage eines Haushaltsstrukturgesetzes mit Einschnitten in gesetzliche Leistungen gefordert können wir nur gemeinsam entwickeln und schultern.

Meine Damen und Herren! Die Landesregierung hatte Ihnen einen Nachtrag vorgelegt, der den Doppelhaushalt 2000/2001 punktuell fortschreibt, und zwar inhaltlich punktuell, ihn aber in seinen vom Parlament festgelegten Strukturen unverändert lässt. Der Nachsteuerungsbedarf durch den Nachtrag beschränkt sich auf wenige Veränderungen, die im Vorjahr in ihren finanziellen Auswirkungen eben noch nicht bekannt waren. Bei fast allen Mehrausgaben mussten zudem bundesrechtlich vorgegebene Lasten finanziert werden. Dazu gehören die genannten Steuerausfälle in Höhe von 570 Millionen DM aus der Unternehmenssteuerreform. Sie konnten leider nur durch höhere Nettoneuverschuldung aufgefangen werden. Eben diese Steuerausfälle waren der unmittelbare Anlass der Aufstellung eines Nachtragshaushaltes.

Die übrigen Veränderungen neben den Ausfällen sind in den Ausschüssen ausführlich begründet und erörtert worden. Herr Lunacek ist auf die einzelnen Bestandteile noch einmal eingegangen.

Meine Damen und Herren! Die Nachtragsvorlage der Landesregierung ist abgesehen von einer durch den Landtagspräsidenten eingebrachten Änderung bei den Ausschussberatungen bisher unverändert geblieben. Die Erörterungen haben allerdings gezeigt, dass manche aus landespolitischen Gründen sicher wünschenswerten Nachbesserungen an den fehlenden Finanzierungsmöglichkeiten gescheitert sind.

Frau Osten, es ist so, wie Herr Lunacek eben ausgeführt hat. Wir denken uns die Steuereinnahmen nicht einfach so aus. Sie sind vom Bund berechnet und von Baden-Württemberg auf die Länder regionalisiert worden. Man kann Steuereinnahmen nicht beschließen. Seien Sie ehrlich und sagen Sie, dass Sie sich nicht mehr trauen, die Nettokreditaufnahme als Deckungsquelle an

zuführen, sondern diesen Umweg gehen, indem Mehreinnahmen angenommen werden und, wenn das nicht klappt, dann doch Kredite aufgenommen werden. Das wäre der ehrlichere Weg.

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Da sind Sie mutiger!)

Dieser Trick, den Sie angewendet haben, ist zwar intelligent, aber nicht erfolgreich.

Die Filmförderung ist gesichert. Ein Antrag dafür ist nicht erforderlich. Der Wirtschaftsminister hat das aus seinem Ressort sichergestellt. Die Landesregierung steht nach wie vor zur Filmförderung und zu diesem wichtigen Wirtschaftsstandort Babelsberg.

Ich möchte Ihnen trotzdem danken, dass Sie dem Konsolidierungsziel der Landesregierung insgesamt Ihre Unterstützung geben und diese auch einfordern. Der Haushalt 2001 umfasst 19,51 Milliarden DM. Es müssen 845 Millionen DM Kredit aufgenommen werden. Das ist zu viel, das ist richtig, aber es ist notwendig.

Frau Minsterin, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Ja.

Frau Osten, bitte.

Frau Ziegler, können Sie sich daran erinnern, dass die PDSFraktion vor Jahren den letzten Antrag für eine höhere Kreditinanspruchnahme gestellt hat und zu dieser Zeit der Rahmen dafür durchaus gegeben war? Mir ist kein Antrag und keine Veränderung im Nachtragshaushalt bekannt, um diese angesprochene Filmförderung sicherzustellen. Deshalb frage ich Sie, wie das realisiert werden konnte. Weil mir diese Veränderung des beschlossenen Haushaltes nicht bekannt ist, musste unser Antrag gestellt werden.

Frau Osten, Punkt 1: Ich bin seit 1994 Mitglied des Landtages. Seitdem habe ich nur Anträge mit der Erhöhung der Nettokreditaufnahme als Deckungsquelle erlebt.

(Beifall bei der SPD)

Punkt 2: Die Filmförderung bedarf keines Antrages - das hatte ich gerade gesagt -, weil das innerhalb des Ressorts gedeckt wird.

Es ist kein Deckungsvermerk im Haushalt!

Es ist ganz sauber so geregelt worden.

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Ein bisschen mehr Trans- parenz bitte! - Zuruf der Abgeordneten Frau Osten [PDS])

Soweit ich weiß, ist es Ihrer Fraktion bereits seit gestern Abend bekannt, Frau Osten. So viel zur Kommunikation in Ihrer Fraktion.

Gleichwohl besteht kein Anlass, sich nach getaner Arbeit beruhigt zurückzulehnen und den Dingen ihren Lauf zu lassen. Zwar sagt ein chinesisches Sprichwort „Wenn die Beamten untätig sind, regeln sich die Dinge von selbst!”, aber das wäre gerade im Bereich der Haushalts- und Finanzpolitik ein fataler Weg.