Aber, so Leid es mir tut, das hier sagen zu müssen: Die Schüler, die am meisten förderungswürdig sind, nämlich Schüler mit Behinderung, haben schon heute die längsten Schulwege. Ich sage das hier nicht als Entschuldigung; das ist ein schlimmer Zustand. Es wird in weiterführenden Schulen kein Schüler einen nur annähernd so weiten Schulweg auf sich nehmen müssen, wenn es hier zu dieser Entwicklung kommt.
Wir haben mehrheitlich gesagt, dass wir landesplanerische Gesichtspunkte im Auge haben sollten, wenn Schulstandorte zu erhalten sind. Das Ergebnis war, dass wir dafür Sorge tragen sollten, dass wenigstens in Grundzentren, wenn sie nicht ganz in der Nähe von Mittel- oder Oberzentren liegen, Schulstandorte von weiterführenden Schulen erhalten werden sollen. Dazu sollte man auch zu dem Mittel greifen, in solchen Fällen Klassenfrequenzen unter 20 Schülern zuzulassen.
Es muss aber - ich sage das hier noch einmal ganz deutlich immer wieder im Blickwinkel sein, dass es im Land Brandenburg ab dem Jahr 2004 in Größenordnungen zu Schulschließungen kommen wird. Trotzdem wird es auch geringere Klassenfrequenzen geben. Einrichtungen von Klassen ab 20 Schülern sind auch jetzt schon im Land verbreitet, und Klassen mit 30 Schülern sind schon heute nicht die Regel.
Eine festgeschriebene Zweizügigkeit von weiterführenden Schulen, auf die sich die Kommission auch geeinigt hat, lässt kleine, übersichtliche Schulen zu und trägt auch zur Standortsicherung bei. 20 Schüler und Zweizügigkeit sollen aber - das ist auch meine Ansicht - die Regel bleiben. Schule muss optimal organisiert werden können. 20 Schüler sind durchaus nicht zu viel für eine Klasse. Wir sollten lieber dafür sorgen, dass die Unterrichtsversorgung der bestehenden Klassen künftig abgesichert werden kann, und zwar in jedem Punkt.
Die punktuelle Unterschreitung in Grundzentren ist, denke ich, richtig, wenn sie Sinn macht und die Grundversorgung von Schülern übernimmt. Das ist auch ein Beitrag zur Chancengleichheit, von der Frau Große hier auch gesprochen hat und zu der ich mich in jedem Punkt immer wieder bekennen werde. Dass Chancengleichheit nicht mit Gleichmacherei gleichzusetzen ist, weiß jeder, der sich schon einmal damit befasst hat.
Zur Sekundarschule: Dass die SPD genau wie der Landkreistag und der Städte- und Gemeindebund für die ersetzende Einführung von Sekundarschulen für Real- und Gesamtschulen ohne gymnasiale Oberstufe sind, ist hier also durchaus bekannt. Wir haben hier, falls man es uns vorwirft, auch von Ideologie Abstand genommen. Bei diesen Schülerzahlen muss man pragmatische Dinge im Mittelpunkt sehen und das, was bestimmte Regelungen vor Ort einfach erleichtern. Für uns ist die Sekundarschule dafür ein geeignetes Mittel.
Ich erinnere mich an eine Diskussion in Rathenow, die erst neulich auf Einladung einer Realschule stattfand. Dort wird von zwei Realschulen gesagt, die sich 8 km voneinander entfernt befinden, dass sie durchaus Überlebenschancen haben und wei
terhin davon ausgehen, sich die Schüler aussuchen zu können. Wenn ich mir gleichzeitig die Zahlen anschaue und sehe, dass allein in Rathenow ab dem Jahr 2004 weniger als die Hälfte der Schüler von heute in die Sekundarstufe I wechseln, dann ist diese Auffassung mehr als realitätsfremd. Ich rufe alle, die hier sitzen, dazu auf, für Realitätssinn vor Ort Sorge zu tragen und diese Dinge auch wirklich zu sehen.
Ich rufe Sie dazu auf, die Schulentwicklungsplanung, die im nächsten Jahr ansteht, so zu machen, dass die Grundversorgung von Schülern dabei im Mittelpunkt steht.
Ich habe schon eingangs gesagt, dass wir diesem Entschließungsantrag nicht zustimmen werden. Ich sehe aber die Problematik weiterhin. Ich denke, das habe ich zum Ausdruck gebracht. Für die Schulentwicklungsplanung im nächsten Jahr - es fängt ja in diesem Jahr an - wäre schon ein größerer Rahmen an Sicherheit besser, als wir ihn zurzeit vorzeigen können. - Danke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dem Entschließungsantrag der PDS-Fraktion gibt es meinerseits nichts Wesentliches hinzuzufügen. Herr Minister Reiche hat gestern während der Ausschusssitzung kurz begründet, warum er den Antrag nicht mittragen kann. Der Begründung schließen wir uns an. Wir werden Ihren Antrag ablehnen. - Danke.
Liebe Kollegin Große, ich verspüre überhaupt keinen Unmut darüber, dass ich heute noch einmal sprechen darf, sondern bedanke mich eigentlich dafür, dass wir die 3. Lesung haben. Denn ich konnte gestern zum Schluss meines Redebeitrages - da ich einige Dinge mehr gesagt habe, als ich mir konzeptionell vorgenommen hatte - doch einiges nicht sagen.
Die inhaltlichen Fragen zur Sekundarschule und zur Entwicklung des Modells Sekundarschule innerhalb der Kommission für die Schulen im ländlichen Raum - Frau Große, genau das stimmt so - hat meine Kollegin Siebke noch einmal sehr ausführlich erläutert. Das wiederhole ich jetzt nicht noch einmal. Das tragen wir ganz klar und deutlich mit.
Aber, Frau Große, die flächendeckende Einführung der Sekundarschule ist nicht nötig, denn wir haben das große Problem mit der Schülerschaft gerade im ländlichen Raum und nicht in den
städtischen Ballungsräumen oder im engeren Verflechtungsraum von Berlin. Demzufolge ist das, was wir seit Monaten verfolgen, nicht etwa nur hälftig schlüssig oder richtig, sondern das kann man schon so als Argument stehen lassen. Die Sekundarschule im ländlichen Raum, zusätzlich zu den bestehenden Schulen eingeführt, ist richtig.
Es ist mir auch heute noch nicht klar geworden - auch gestern wurde es nicht schlüssig erklärt -, warum man eine funktionierende Schule in Brandenburg einfach so von der Bildfläche verschwinden lassen will.
Punkt 2: Mir ist immer noch nicht klar, wieso eine andere Schule mit gleichen Schülerzahlen dafür sorgt, dass wir mehr Schulstandorte erhalten können. Es ist mir nur dann klar - genau das müssen wir aber auch tun -, wenn wir die Schülerzahlen pro Klasse senken. Das werden wir nicht im ganzen Land tun können. Das ist eine Logik, der ich im Endeffekt dann auch folgen kann.
Die Probleme der Brandenburger Schulen können nicht unmittelbar mit der Umsetzung des neuen Schulgesetzes gelöst werden. Das ist uns eben auch noch einmal klar geworden; das ist auch Anlass der 3. Lesung.
Gerade bei Veränderungen im Bildungsbereich braucht man einen langen Atem. Vieles hängt davon ab, wie es uns gelingt, Menschen für neue Aufgaben und Ziele zu gewinnen und zu motivieren.
Vor allem beschreibt das neue Schulgesetz den Einstieg in notwendige Veränderungen, die übrigens nicht nur etwas mit der Qualität der Schule, sondern - auch das haben wir heute gehört oft nur mit veränderten Bedingungen und Anforderungen zu tun haben.
Erstens: Nach der Gesetzesnovelle ist die Korrektur der Bildungsinhalte nötig - das hatte ich gestern schon angerissen; daher gehe ich nicht mehr so intensiv darauf ein. Das heißt, wir brauchen die Korrektur der Rahmenlehrpläne im Land.
Zweitens: Um die Qualität des Unterrichts zu sichern, brauchen wir motivierte, engagierte und dafür im Vergleich gut bezahlte Fachlehrer, die den Fachunterricht absichern. Wir müssen also schrittweise besoldungsrechtliche Perspektiven eröffnen, Herr Minister. Das ist unsere Aufgabe in der nächsten Zeit.
Drittens: Unterrichtsausfall wird es immer geben. Ich habe lange genug im Bildungsbereich gearbeitet und musste dies immer feststellen. Das wird sich - auch wenn es mir nicht passt - letztendlich nicht ganz beseitigen lassen. Dennoch muss es in einer konzertierten Aktion zwischen Bildungsministerium, Staatlichen Schulämtern und Lehrern - ich habe diese drei Ebenen ganz bewusst genannt - einen konsequenten Kampf gegen Ausfallstunden in unserem Land geben. Das sind wir unseren
jungen Menschen schuldig. Jeder Schüler hat Anspruch auf den in der Stundentafel ausgewiesenen Fachunterricht.
Dieser muss nach Möglichkeit auch in vollem Umfang von Fachlehrern gegeben werden. Wenn ich an meinen Fachbereich denke - den Sportunterricht an der Grundschule -, muss ich sagen, dass wir da auf einem nicht sehr komfortablen Weg sind.
Viertens: Wir dürfen auch in Zukunft die Ausstattung der Schulen nicht vergessen. Es gab gestern eine - wenn auch relativ kleine - Demonstration von Schülern, die ein großes Problem formulierten: die Ausstattung ihrer Schulen. Wir wissen, dass dies vordergründig nicht durch das Land geschieht, sondern über die Gemeindefinanzierung läuft. Daher darf, wenn wir über ein kommunales Ausgleichsgesetz sprechen und ein solches in den nächsten Jahren installieren, auch die Strecke der Schulausstattung sowie der Sportstättenausstattung in den Kommunen nicht vergessen werden.
Meine letzte Aussage für heute: Auch wenn es angesichts der augenblicklich noch sehr hohen Lehrerzahlen paradox klingt, möchte ich nicht versäumen, im Rahmen dieser Debatte auf Folgendes aufmerksam zu machen: Wir haben in den nächsten Jahren in diesem Land einen Fachlehrermangel zu erwarten. Spätestens am Ende dieses bzw. zu Beginn des nächsten Jahrzehnts unseres neuen Jahrtausends werden wir in Fächern, die bereits jetzt Mangelfächer sind, Lehrer in Deutschland mit der Lupe suchen müssen. Darauf müssen wir uns vorbereiten. Deshalb meine ich, dass wir gerade im berufsbildenden Bereich, das heißt im Bereich der Lehrämter, relativ viele Studienplätze ausweisen, aber auch unsere Lehrer von heute darauf aufmerksam machen müssen, dass sie Berufsnachfolger brauchen und in der Schule die jungen Leute animieren sollten, Lehrer zu werden. - Schönen Dank.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen! Die Fraktion der PDS hat ihren Antrag auf eine 3. Lesung insbesondere damit begründet, dass im Änderungsgesetz stärker auf die Probleme des Schülerzahlenrückgangs im ländlichen Raum einzugehen sei. Sie haben die Behauptung aufgestellt, dass der Entwurf der Landesregierung nicht entsprechend auf diese Problematik eingehe.
Die PDS-Fraktion fordert, dass Mindestschülerzahlen für die Bildung einer Klasse - mit Primarstufe und ab Jahrgangsstufe 7 in das Gesetz aufgenommen werden sollten. Sie haben dabei aber verkannt, dass die Ergebnisse des Berichtes der Regierungskommission zur Entwicklung der Schulen der Sekundarstufe I im ländlichen Raum durchaus Berücksichtigung gefunden haben. Sie verkennen vor allem, dass sinnvolles Regierungshandeln auf diesem schwierigen Feld nicht von der Änderung des Schulgesetzes abhängt. Eine wesentliche Aussage der Regierungskommis
sion war nämlich, dass die Zweizügigkeit ab Jahrgangsstufe 7 nicht unterschritten werden darf; eine solche Unterschreitung könnte in der Tat zu Qualitätseinbußen führen. Wir haben deshalb - entgegen der vorgetragenen Forderung - die im Gesetz vorgeschriebene Mindestzügigkeit nicht angetastet.
Festlegungen zur Klassenfrequenz sind nach dem geltenden Schulgesetz vom zuständigen Ministerium zu treffen. Das geschieht durch die jährlich zu erlassenden Verwaltungsvorschriften über die Unterrichtsorganisation. In ihnen werden nicht nur unter Haushaltsgesichtspunkten, sondern vorrangig unter pädagogischen Gesichtspunkten
In diesen Vorschriften wird auch auf den Schülerzahlenrückgang zu reagieren sein, der mit dem Schuljahr 2003/2004 die Sekundarstufe I erreichen wird. Die von Ihnen vorgeschlagenen Schülerzahlen würden das System unnötig unflexibel machen und das Problem nicht durchgreifend lösen. - Morgens einmal in den „Spiegel” gucken!
Zur möglichen ersetzenden Einführung der Sekundarschulen habe ich mich bereits gestern geäußert. Ich will einiges ergänzen. Ich habe vor wenigen Tagen einen Brief bekommen, in dem stand:
„Enttäuscht und bewegt habe ich die Mitteilung, die Sekundarschule wird vorerst nicht eingeführt, in der letzten Woche aufgenommen. Ich wünsche und hoffe sehr für die Regionen im Land Brandenburg, wo Schulschließungen aufgrund der zurückgehenden Schülerzahlen nicht ausbleiben werden, dass die Betonung auf ‘vorerst’ liegt.”
Die Kollegen Fritsch und Homeyer werden sich in ihren Wahlkreisen der Problematik dieser Schule sehr bald stellen müssen.
Frau Hartfelder fragt: Warum wollen wir eine funktionierende Schulform abschaffen? - Sie funktioniert, sie funktioniert auch im System der Gymnasien, Realschulen und Gesamtschulen. Aber sie funktioniert im ländlichen Raum - das wissen Sie leider nur bis ins Jahr 2003. Dann werden wir vor Ort immer wieder einen Streit um Realschule und Gesamtschule haben. Es wird ein Streit sein, der mit alten ideologischen Vorurteilen geführt wird, zu unnötigen Verletzungen führt und vor allem nicht sachlich ausgetragen werden kann.