Protokoll der Sitzung vom 20.06.2001

Ich danke dem Abgeordneten Ludwig. - Ich frage die Landesregierung, ob sie Redebedarf hat. - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt und wir kommen zur Abstimmung.

Die Fraktion der DVU beantragt, die Drucksache 3/2746 an den Rechtsausschuss zu überweisen. Wer diesem Überweisungsantrag folgt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Überweisungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Wir kommen zur direkten Abstimmung des Antrages. Wer der Drucksache 3/2746 der Fraktion der DVU seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich schließe den Tagesordnungpunkt 7 und rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Eckpunkte für einen landesweiten Anti-Gewalt-Aktionsplan

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 3/2898

Weiterhin liegt Ihnen der Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und CDU in Drucksache 3/2942 vor.

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Punkt und erteile der einreichenden Fraktion das Wort. Frau Abgeordnete Bednarsky, bitte schön.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gewalt gegen

Frauen und Kinder ist weit verbreitet, und das in allen Schichten der Bevölkerung. Die Statistiken und Erfahrungen der Mitarbeiterinnen der Frauenhäuser, Polizistinnen und Polizisten, Juristinnen und Juristen sprechen eine deutliche Sprache. Noch immer werden Anzeichen häuslicher Gewalt von der Umgebung nicht gesehen oder verharmlost. Das muss sich ändern. Wir meinen, ein solches Signal von SPD und CDU anlässlich der Großen Anfrage zu diesem Thema empfangen zu haben. Ich muss Ihnen auch zugestehen, dass der Entschließungsantrag deutlich macht, dass Sie dieses Problem sehr ernst nehmen. Wir werden dem Entschließungsantrag auch zustimmen. Zu den einzelnen Punkten komme ich nachher noch einmal.

Dieser Eindruck hat uns ermutigt, diesen Antrag zu stellen. Wir hoffen für ein parteiübergreifendes Anliegen auf ein parteiübergreifendes Votum. Uns ist völlig klar, dass dieses Thema nicht zu denen gehört, mit dem man öffentlich viele Punkte machen kann; denn wir haben es hier mit einem schwierigen gesellschaftlichen Phänomen zu tun, dessen Negativimage möglichst nicht auf Politikerinnen und Politiker fallen soll. Davon sollten wir uns nicht beeindrucken lassen. Das Land Brandenburg sollte mehr Anstrengungen unternehmen, ressortübergreifend einen lange überfälligen Prozess mit Kraft in Gang zu bringen, der einen tief gehenden humanistischen Ansatz vertritt. Die Voraussetzungen in Brandenburg sind gut. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik hat sich eine Bundesregierung dem Gewaltproblem gestellt und einen bundesweiten Aktionsplan erstellt. Interessant ist der Hinweis auf runde Tische, insbesondere auf bundes-, landes- und kommunaler Ebene, die auf Kooperation, Vernetzung und Projektentwicklung setzen sollen.

Wir gehören nicht unbedingt zu denen, die der Bundesregierung gegenüber des Lobes voll sind. Was das hier zur Debatte stehende Thema betrifft, muss man allerdings feststellen, dass eine wirksame Offensive gegen Gewalt nur gelingen kann, wenn das Aktionsbündnis eine breite Basis in unserem Land erhält.

(Einzelbeifall bei der PDS)

Das ist der Grund unseres Antrages. Die umfangreiche Diskussion im April ermöglicht es mir, nur auf einige wenige Schwerpunkte einzugehen.

Erstens: Es hat bereits eine Pressekonferenz der zuständigen Staatssekretäre mit der zuständigen Polizeigewerkschaft zu diesem Thema gegeben. Öffentliche Erklärungen finden wir immer sehr ermutigend. Jedoch muss man über die Forderungen des Sozialministers hinaus feststellen, dass der Platzverweis und die nach jetzigem Polizeirecht mögliche Ingewahrsamnahme nicht ausreichen, um der Gewalt im häuslichen Bereich zu begegnen. Wir bitten die Landesregierung von dieser Stelle aus, die Aufnahme des Wegreiserechtes und des Rückkehrverbotes in das Brandenburger Polizeigesetz zu prüfen.

Hier möchte ich kurz zum Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen deutlich machen, dass es nicht darum geht, gegebenenfalls eine Vorlage eines Gesetzentwurfes für die Änderung des Polizeigesetzes vorzulegen, sondern ich denke, es ist dringend notwendig, dass dies erfolgt, da es auch eine Forderung der Polizistinnen und Polizisten ist, die in der Praxis auch etwas damit zu tun haben.

Mit dieser Gesetzesänderung soll dem Grundsatz, der Schläger

geht, die Geschlagene bleibt, Geltung verschafft werden. Uns sollte es ein Anliegen sein, noch deutlicher klar zu machen: Gewalt wird vom Staat nicht toleriert. Darüber hinaus halten wir die Suche nach Möglichkeiten zur Erstellung eines Lagebildes häuslicher Gewalt sowie eine verstärkte Einbeziehung dieser Inhalte in die Aus- und Fortbildung der Polizeibeamten für empfehlenswert. Diese Vorstellungen werden auch von der Gewerkschaft der Polizei getragen.

Zweitens: Es gibt diesbezüglich einen umfangreichen Erfahrungsschatz auf der Seite des Netzwerkes der Brandenburger Frauenhäuser. Da liegt es auf der Hand, gerade diesen Fundus direkt mit einzubeziehen. Mitarbeiterinnen aus Frauenhäusern und Beratungsstellen bringen spezifische Kompetenz aus langjähriger Arbeit ein. Deshalb sollten sie als gleichberechtigte Partner bei der Erarbeitung eines Landesaktionsplanes betrachtet werden. Im Übrigen ist es gerade eine Kernforderung, einen Schwerpunkt auf die Kooperation zwischen staatlichen Institutionen und Nichtregierungsorganisationen zu setzen.

Drittens: Ich möchte einen weiteren strittigen Punkt hervorheben. Wenn es uns um ein breites Bündnis gegen Gewalt gegen Frauen und Kinder geht, sind ebenso geeignete Organisationsformen vonnöten, die es ermöglichen, sowohl interdisziplinär als auch institutionsübergreifend zu agieren.

Aus diesem Grund halten wir die Entwicklung eines Kriseninterventionsprojektes für unumgänglich. Das kann natürlich die Prüfung bereits vorhandener Synergieeffekte über eine in Auftrag gegebene Studie unterstützen. Hierbei lässt man jedoch wertvolle Zeit verstreichen, die man für die Vorbereitung dringend notwendig hätte, zumal die empirischen und analytischen Grundlagen gegeben sind. Deshalb würden wir immer dafür plädieren, diesem Prozess eine entsprechend Dynamik zu verleihen. Brandenburg steht in dieser Angelegenheit zu lange in Warteposition. Ich kann Ihre Meinung nicht teilen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie in Ihrem Entschließungsantrag davon ausgehen, dass Brandenburg eines der ersten Bundesländer sei. Ich denke, es geht hier nicht um die Aufzählung, wer Erster, Zweiter, Dritter oder Vierter ist, sondern darum, dass etwas in die Gänge gebracht wird, dass etwas passiert.

In diesem Sinne würden wir es auch sehr begrüßen, wenn es ein Kooperationsbündnis geben könnte, das aus Vertreterinnen und Vertretern der Polizei, der Justiz, der politischen Entscheidungsträger, der Opferschutzorganisationen und anderen mehr besteht. Dies halten wir für ein wirksames Gremium, um Strategien weiter zu entwickeln und miteinander abzustimmen und konkrete Hilfeleistungen vor Ort zu gewähren. Soll die Bekämpfung von Gewalt nicht nur Gegenstand parlamentarischer Debatten bleiben, benötigt ein landesweites Kriseninterventionsprojekt selbstverständlich auch eine finanzielle Absicherung im Haushalt.

Der Landesaktionsplan für Brandenburg ist längst überfällig. Auch das stellen Sie in Ihrem Entschließungsantrag fest, auch wenn Sie es auf weitere Monate verschieben. Es bleibt die Frage: Warum wartet die Landesregierung mit diesem langen Vorhaben? Sachsen-Anhalt agiert bereits nach einem solchen Programm. Bekannt ist es auch von Mecklenburg-Vorpommern. Wir haben erwartet, dass diese Entwicklung im Jahre 2001 beschleunigt werden könnte. Dazu sollte auch die Große Anfrage dienen. Die zeitgleiche Präsentation blieb aus. Herr Minis

ter Ziel, haben Sie die Courage, interministeriell und zugleich federführend zu handeln! Wir haben den Eindruck, andere Ministerien und die Nichtregierungsorganisationen stehen auf der Matte. Sie erwarten eine energische zielführende Leitung und Organisation dieses Prozesses.

Unseres Erachtens ist für ein erfolgreiches Handeln in diesem Metier die Schaffung einer Atmosphäre entscheidend, die allen Beteiligten deutlich vermittelt: Wir ziehen am selben Strang. Wir halten es deshalb für wichtig, eine intensivere Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben.

Mitunter hat man den Eindruck: Die Beteiligten müssen im Verborgenen wirken. Für sie und ebenso für das öffentliche Klima muss hier der Quantensprung noch erfolgen. Aufgeschlossenheit ist überall zu verspüren. Das sollten wir - sowohl Frauen als auch Männer - nutzen. Klar ist auch - darüber gibt es wohl kaum Meinungsverschiedenheiten -, dass ein Hauptaugenmerk auf die Prävention gelegt werden muss. Jede nicht begangene Gewalttat ist ein Erfolg. Nur, mit Erfolgsstatistiken kann dann niemand aufwarten. Gewaltfreie Konfliktlösungsstrategie ist bekanntlich nicht nur ein Thema aus der Privatsphäre.

Ausdrücklich möchte ich an dieser Stelle für ein parteiübergreifendes Votum von Ihnen, verehrte Abgeordnete, werben; denn von Gewalt bedrohte Frauen und Kinder haben keine Lobby. Wir können jetzt etwas tun, damit das anders wird. Der angestrebte Gewaltschutz rechnet sich zwar nicht, jedoch - da bin ich mir ganz sicher - wird er sich auszahlen. In diesem Sinne bitte ich Sie um Ihre Zustimmung zu unserem Antrag. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Bednarsky, und gebe das Wort an die Fraktion der SPD, an die Abgeordnete Frau Redepenning.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich, dass das Thema der häuslichen Gewalt in so kurzer Zeit wiederholt auf der Tagesordnung steht und diesmal der Landtag auch bereit ist, konkrete Schritte als Vorbereitung einer Gesetzesvorlage zu tun. Bereits in meiner letzten Rede sprach ich vom Aktionsplan der Bundesregierung als eine der wichtigsten Äußerungen des Staates gegen Gewalt gegen Frauen in den Familien und gegen den Frauenhandel.

Unser Entschließungsantrag unterstützt einerseits den Antrag der PDS und andererseits die bereits im Vorfeld geleistete Arbeit des Ministeriums. Dass dem Antrag der PDS nicht einfach vorbehaltlos zugestimmt werden kann, ist allein dadurch bedingt, dass dieser Antrag auf das Bundesland Nordrhein-Westfalen zugeschnitten wurde und sich nicht einfach auf Brandenburg übertragen lässt.

Die Landesregierung arbeitet bereits lange an einem eigenen Landesaktionsplan und kann erste Ergebnisse gerade auch in der Anpassung an den Aktionsplan der Bundesregierung vorweisen. Damit schließt das Land Brandenburg nicht nur im Kampf ge

gen häusliche Gewalt in Deutschland zu den anderen Bundesländern auf, sondern ebenso zu den europäischen Nachbarn. So kann die Grundlage dafür gelegt werden, dass die Angleichung europäischer Gesetze zur Effektivierung der Polizeiarbeit beiträgt und ebenfalls das öffentliche Bewusstsein weiter geschärft wird; denn der größte Skandal ist weiterhin das verbreitete Denken: Es handelt sich um die Privatangelegenheit der Opfer.

Das Ministerium wird selbstverständlich im Ausschuss Bericht geben, welche Inhalte im Aktionsplan konkret enthalten sein werden und inwiefern die einzelnen Ministerien - sei es das Ministerium der Justiz, das Ministerium des Innern, das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport und das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen - mit eingebunden werden. Im Moment ist konstatierbar, dass die ersten Veranstaltungen, die vom Land durchgeführt wurden, von den verschiedenen Verantwortungsbereichen bis in die kommunalen Ebenen wahrgenommen wurden und so ein aktiver Netzwerkaufbau begonnen hat. In diesem Sinne bitte ich Sie, meine Damen und Herren, diesem Entschließungsantrag der SPD und CDU zum Antrag der PDS zuzustimmen und damit den Weg für die Arbeit der Landesregierung und in den Ausschüssen zu ebnen. - Danke.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Redepenning, und gebe das Wort an die Fraktion der DVU, an die Abgeordnete Frau Fechner.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die PDS hat ein Patentrezept gegen häusliche Gewalt gegen Frauen und Kinder gefunden. Mit Polizei und Justiz will man verstärkt die Uneinsichtigen zur Vernunft bringen. Dazu bedarf es auch eines schlagkräftigen Landesaktionsplanes, nachdem bereits die Bundesregierung einen Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen vorgelegt hat.

(Frau Kaiser-Nicht [PDS]: Ihnen ist auch kein Thema zu schade!)

- Ja, was das Land braucht, sind schlagkräftige Landesaktionspläne.

Was wir noch bräuchten, sind Landesaktionspläne gegen Gewalt gegen Tiere, gegen politische Unkorrektheit,

(Zuruf der Abgeordneten Frau Kaiser-Nicht [PDS])

gegen Gewalt in den Medien, gegen Steuergeldverschwendung usw. usf.

Doch was bringt das alles unterm Strich? Während der Antrag von Begriffen wie „Polizei” und „Justiz” nur so übersprudelt, suchen wir Begriffe wie „soziale Sicherheit” vergebens.

Die PDS beklagt wieder einmal - wie könnte es auch anders sein - in der Tat nicht zu akzeptierende Erscheinungen in der Gesellschaft. Allerdings vermeidet sie tunlichst aufzuzeigen, wie es so weit kommen konnte, von der Ursachenforschung ganz zu schweigen.

Bevor ich auf den Inhalt Ihres Entschließungsantrages konkret eingehe, möchte ich einige Ursachen voranstellen, die Gewalt gegen Frauen und Kinder zumindest fördern. Eine Ursache für die immer größere Gewaltbereitschaft unter den Menschen sind die Gewaltdarstellungen in den Medien. Unsere Fraktion war es, die diesbezüglich einen Antrag im Plenum einbrachte, welcher jedoch keine Mehrheit fand.

Meine Damen und Herren! Wenn es heute mehr Exzesstäter gibt, dann ist das auch eine Folge der von der Politik zu verantwortenden Entwurzelung vieler Menschen.

Offiziell sind im Land Brandenburg 230 000 Menschen arbeitslos. Rechnet man die Menschen hinzu, die sich in Weiterbildungsmaßnahmen oder Kurzarbeit befinden oder eine Stelle auf dem zweiten Arbeitsmarkt haben, kommt man auf über 280 000. Das entspricht einer Arbeitslosenquote von fast 23 %.

Über 60 000 Menschen leben im Land Brandenburg von Sozialhilfe - Tendenz steigend. Immer mehr Haushalte sind verschuldet - Tendenz steigend. Immer mehr Menschen leben unterhalb der Armutsgrenze - Tendenz steigend. Immer mehr Menschen verfallen einer Sucht; auch hier ist die Tendenz steigend.

Die reinen Lebenshaltungskosten sind um über 4 % gestiegen, von den Benzinpreisen ganz zu schweigen. Immer mehr Menschen resignieren und viele versuchen, ihren Frust mit Suchtmitteln wie Alkohol und Drogen loszuwerden.

(Zuruf von der CDU: Oder Sport!)