Protokoll der Sitzung vom 20.06.2001

(Zuruf von der CDU: Oder Sport!)

Dieses soziale Lebensumfeld ist der Sumpf, aus dem Gewalt wächst, und zwar generell Gewalt, die nicht teilbar ist zwischen Links und Rechts, Männern und Frauen, Vorgesetzten und Untergebenen.

Hier zur Verhinderung von Gewalt nach Polizei und Justiz zu rufen ist geradezu lächerlich.

Wie den „Potsdamer Neuesten Nachrichten” vom 6. Juni dieses Jahres zu entnehmen war, sollten schon den Kindern neben Fleiß, Ordnung und Disziplin auch Verantwortungsbewusstsein und Achtung vor den Mitmenschen anerzogen werden. Anderenfalls wären alle Präventionsmaßnahmen zur Verhinderung von Gewalt zum Scheitern verurteilt. Dies erklärte übrigens der CDU-Generalsekretär, Herr Lunacek.

(Zuruf von der CDU: Recht hat er!)

Als die DVU-Fraktion dies bereits während der 11. Plenarsitzung forderte, war die Empörung bei allen anderen Fraktionen noch riesengroß. Schön, dass Sie lernfähig sind.

(Beifall bei der DVU)

Meine Damen und Herren! Was bringen zeitaufwendig erarbeitete Aktionspläne? Was bringen immer mehr kostenintensive Projekte und Modellversuche? Gebt den Menschen eine Perspektive! Gebt ihnen Arbeit! Ermöglicht den Jugendlichen eine sinnvolle Freizeitgestaltung!

(Schippel [SPD]: Baut Autobahnen!)

Erzieht die Kinder zu mehr Achtung und Respekt vor dem Leben! Sorgt dafür, dass die Menschen hier im Land zufrieden sind, dass sie weniger Frust und Existenzängste haben! Wenn das alles sein wird, dann wird auch die drastisch vorherrschende Gewalt zurückgehen. - Ich danke.

(Beifall bei der DVU - Zuruf von der CDU: Kann ich das noch einmal schriftlich haben?)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Fechner. - Ich gebe das Wort an die Fraktion der CDU, Frau Abgeordnete Schulz.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Werte Frau Kollegin Bednarsky, ich bin etwas irritiert, hier zu hören, dass Sie den Eindruck hatten, positive Signale von SPD und CDU anlässlich Ihrer Großen Anfrage zur Erarbeitung eines Landesaktionsplanes empfangen zu haben. Das irritiert mich schon, denn ich kann mich sehr deutlich erinnern, dass wir am 17. Januar dieses Jahres im Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen bereits dieses Thema diskutiert haben und die Staatssekretärin dazu Stellung genommen hat. Damals wurde der Landesaktionsplan bereits in Aussicht gestellt.

Anlässlich der Großen Anfrage im Landtag im April haben wir dieses wichtige und ernste Thema behandelt. Ich habe hier seitens meiner Fraktion zu Inhalten Stellung genommen. Ich glaube, dieses wichtige Thema taugt nicht zur Profilierung im Parlament,

(Beifall bei der CDU)

sondern wir sollten uns einig sein, dass es sich hier wirklich um ein ernsthaftes Problem handelt, das wir mit dem nötigen Respekt behandeln und zu dem wir nicht einfach Anträge aus anderen Bundesländern übernehmen sollten.

Ich halte an Ihrem Antrag einzig die zeitliche Festlegung durch das Parlament für sinnvoll.

Wir haben uns die Mühe gemacht, einen Entschließungsantrag vorzulegen. Ich werbe hier für die Annahme unseres Entschließungsantrages. Ihren Antrag müssen wir aber ablehnen. - Ich danke.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Schulz. - Ich gebe das Wort an die Landesregierung. Herr Minister Ziel, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will nur darauf hinweisen, dass der Antrag der PDS-Fraktion in den begründenden Passagen mit einem ähnlichen Antrag der SPD und der Bündnisgrünen im nordrhein-westfälischen Landtag vom 19. März fast wortgleich ist. Es verwundert mich umso mehr, als Sie die

zahlreichen Aktivitäten der Landesregierung im letzten Jahr und vor allem in den letzten Monaten überhaupt nicht ansprechen.

Wir diskutieren die inhaltlichen Aspekte und auch die von Ihnen genannten Eckpunkte ja nicht im stillen Kämmerlein. Auf dem Jahrestreffen der Frauenräte aller Bundesländer am 19. Mai in Potsdam war das ebenso Thema wie auf der Fachtagung zur Problematik von Gewalt gegen Ausländerinnen und Migrantinnen am 16. Mai - um nur zwei der wichtigen Veranstaltungen aus der jüngsten Zeit zu nennen.

Frau Staatssekretärin Thiel-Vigh hat auf mehreren Veranstaltungen unseren Termin genannt, an dem wir den Aktionsplan fertig haben wollen. Es ist der 25. November, der weltweite Tag der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Die Landesregierung hatte bereits in der Koalitionsvereinbarung festgeschrieben, die Gewalt gegen Frauen und Kinder und den Frauenhandel stärker zu bekämpfen. Für uns ist Papier nicht geduldig. Das können Sie auch an unseren weiteren Aktivitäten sehen.

Wir unterstützen aktiv den Aktionsplan der Bundesregierung und haben uns bereits im Vorjahr entschlossen, dies mit einem eigenen Landesaktionsplan zu untersetzen. Damit sind wir bedeutend weiter als andere Länder. Lediglich Sachsen-Anhalt hat seit wenigen Wochen einen eigenen Aktionsplan. Andere diskutieren noch über das Ob und Wie.

Eine weitere, gesetzgeberische Form der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen ist das Gewaltschutzgesetz. Es wird den zivilrechtlichen Schutz bei häuslicher Gewalt deutlich verbessern. Das Gesetz wird derzeit im Bundestag diskutiert. Es wäre gut, wenn es schon Anfang nächsten Jahres in Kraft treten könnte.

An all dem ist Brandenburg aktiv beteiligt. Überdies überprüfen die Länder auf Beschluss der Innenministerkonferenz gegenwärtig den Regelungsbedarf in ihren Polizeigesetzen im Hinblick auf Wegweisung und Rückkehrverbot für prügelnde Ehemänner. Das tun wir auch in Brandenburg.

Wir diskutieren die politischen Ziele und Eckpunkte unseres Aktionsplanes auch in regelmäßigen Gesprächen mit den Vertreterinnen von Frauenprojekten, des Netzwerkes der brandenburgischen Frauenhäuser und weiterer Fraueninitiativen.

Ich fände es wünschenswert, wenn wir mit einem parteienübergreifenden Konsens unseren gemeinsamen Willen zur energischen Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen bekräftigten. Dafür allerdings ist der PDS-Antrag nicht geeignet. - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke Ihnen, Herr Minister Ziel. - Wir sind damit am Ende der Aussprache angekommen. Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe zuerst den Antrag der Fraktion der PDS zur Abstimmung auf, der Ihnen in der Drucksache 3/2898 vorliegt. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich rufe zum Zweiten den Entschließungsantrag der Fraktionen

der SPD und der CDU auf. Er liegt Ihnen in der Drucksache 3/2942 vor. Wer diesem Entschließungsantrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Entschließungsantrag mehrheitlich angenommen worden.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 8 und rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Ausstieg des Landes Brandenburg aus dem „Mainzer Modell”

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 3/2899

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Punkt und erteile der Abgeordneten Dr. Schröder das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushaltstitel im Einzelplan des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung, der da heißt: „Förderung und Erprobung innovativer Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit”, verspricht vieles und hält wenig, weil er sich im Wesentlichen auf die Ausweitung von Niedriglohnbeschäftigung und Einfacharbeitsplätzen konzentriert.

Als innovative Idee des Bundes verkauft, hat das Land Brandenburg vor genau einem Jahr das so genannte „Mainzer Modell” mit 20 % Kofinanzierung eingekauft - gegen den Widerstand meiner Fraktion.

Arbeit muss sich lohnen - diese Verengung der Bewertung von Sozialleistungen auf die Perspektive des mangelnden Arbeitsanreizes wird insbesondere den Brandenburger Problemlagen nicht gerecht.

Die Landeskofinanzierung für Maßnahmen der Arbeitsförderung erreicht historischen Tiefstand, das Land aber leistet sich das „Mainzer Modell” zur staatlichen Subventionierung von Niedriglohnarbeit mit einem Mittelansatz in Höhe von 3,75 Millionen DM im Jahr 2001. Hinzu kommen Verpflichtungsermächtigungen für 2002 und 2003 in Höhe von 2,5 Millionen DM.

Während die Landesregierung meint, dies sei Geld, welches zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ausgegeben wird, meint die PDS-Fraktion: Diese Mittel sind gesellschaftspolitisch verfehlt und arbeitsmarktpolitisch nahezu wirkungslos. Sie sind verfehlt, weil Niedriglohnmodelle auf der empirisch nicht belegten Annahme beruhen, dass zu hohe Sozialleistungen die Aufnahme von gering entlohnter Beschäftigung verhindern würden.

Warum eigentlich heißt der Titel im Landeshaushalt „Modellversuche zur Verbesserung der Beschäftigungschancen von gering Qualifizierten und Langzeitarbeitslosen”? Im „Mainzer Modell” spielen geringe Qualifikation und Langzeitarbeitslosigkeit als Fördervoraussetzung gar keine Rolle. Ansatzpunkt ist lediglich die geringe Bezahlung. Förderfähig sind Ledige mit einem monatlichen Arbeitsentgelt von mehr als 630 DM bis zu 1 742 DM sowie Verheiratete oder Lebenspartner mit einem

gemeinsamen Einkommen von bis zu 3 317 DM einschließlich Werbungskostenpauschale - nicht eben viel, meine Damen und Herren.

Faktisch geht es - das verdeutlichen die Zahlen - um Subventionierung von Niedriglohnarbeit. Die Titelbezeichnung ist damit unzutreffend. Die Jahresbilanzen der Modellversuche in den Arbeitsamtsbezirken Eberswalde und Neuruppin sind ernüchternd und rechtfertigen die eingestellten Haushaltsmittel nicht.

Die Fakten, meine Damen und Herren: Mit Stand 14. Mai 2001 wurden insgesamt 85 Anträge gestellt, davon 64 bewilligt. 1 350 Arbeitslose haben sich in den Bewerberpool aufnehmen lassen. Die Bindungsquote der Ausgabemittel für 2001 liegt derzeit bei 0,3 %. Der regionale Begleitausschuss resümiert: kein Aufschwung in der Inanspruchnahme des „Mainzer Modells”. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, die geringe Fallzahl erlaubt keine wissenschaftliche Begleitforschung. Die quantitative Evaluation ist auf unbestimmte Zeit verschoben. Politische Begleitung ist gerade deshalb angezeigt.

Nach Einschätzung des Brandenburger Projektbeirates stehen genügend Arbeitnehmer zur Verfügung, die bereit sind, einer niedrig entlohnten Beschäftigung nachzugehen. Der Erfolg sei deshalb so gering, weil vonseiten der Arbeitgeber zu wenig entsprechende Stellen angeboten werden - und das, obwohl die Arbeitsämter in den beiden Modellregionen vielfältige Anstrengungen unternommen haben, um das Förderinstrument bekannt zu machen.

Die Realität ist doch die, dass das Förderinstrument teilweise quer zu üblichen arbeitsmarktpolitischen Instrumenten nach SGB III liegt. Ich verweise hier nur auf lukrativere Strukturanpassungsmaßnahmen Ost für Wirtschaftsunternehmen.

Dies alles war vorhersehbar und gilt insbesondere für Ostdeutschland, wo aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit SGB-IIIMittel zur Beschäftigungsförderung umfangreich eingesetzt werden.