Protokoll der Sitzung vom 21.06.2001

(Oh! bei der CDU)

Herr Minister, meine Frage - Herr Habermann ist leider zu

schnell gegangen, daher stelle ich sie Ihnen - lautet: Ist Ihnen bekannt, dass das, was im Bundestag zurzeit vorliegt, tatsächlich nur ein Prüfauftrag ist, dass da also die Milliarden, die wir hier einfordern, noch keine Rolle spielen?

Wir werden sehen, was aus diesem Antrag, der im EU-Ausschuss des Bundestages beraten worden ist, im Plenum wird, ob es ein Prüfauftrag bleibt oder ein Auftrag an die Bundesregierung wird, dementsprechend zu verfahren. Ich kann dem Verfahren im Bundestag nicht vorgreifen.

Ich hätte noch eine Bitte, Frau Stobrawa: Wenn Sie Ihr Redemanuskript auch Ihrer Bundestagsfraktion zur Verfügung stellten, könnte dies eine erhebliche Unterstützung auch auf Bundesebene sein.

(Heiterkeit sowie Beifall bei CDU und SPD)

Wenn Sie den neuen Unterstützern des Berliner Senats eine ebensolche Hilfestellung leisten könnten, wäre Berlin auch in dieser Frage nach wie vor an unserer Seite.

Bei Ihnen, Herr Schuldt, habe ich vermisst - nein, ich habe es nicht vermisst, sondern mit großem Wohlgefallen festgestellt -, dass Ihre Ausfälle gegen die Osterweiterung diesmal ausgeblieben sind. Das ist gut so, das macht Sie auch glaubwürdig in der Unterstützung von Maßnahmen von Bundes- und Landesregierung und der Europäischen Union für die Osterweiterung.

Lassen Sie mich aus der Sicht der Landesregierung nur noch wenige Sätze sagen. Wir sind der Meinung, dass wir ein Mosaik von Maßnahmen zur Vorbereitung unserer Grenzregionen, der Brandenburger, die dort leben, der Handwerker, der Industriebetriebe, die dort arbeiten, auf die Osterweiterung brauchen. Es muss ein Mosaik von Maßnahmen temporärer Art sein. Wir dürfen nicht das Missverständnis erzeugen, dass es sich um Fördermaßnahmen handeln wird, die über viele, viele Jahre, ja Jahrzehnte laufen; es kann nur eine Anschubfinanzierung sein. Es kann nur Hilfe zur Selbsthilfe sein und alle, die davon profitieren wollen, müssen wissen, dass diese Hilfe endlich ist.

Dieses Mosaik von Maßnahmen muss aus drei Töpfen finanziert werden, einmal aus den Töpfen der Europäischen Union deswegen fordern wir nach wie vor, dass die Idee von Kommissar Verheugen auch umgesetzt wird. Wir warten mit großer Ungeduld auf die Mitteilung der Europäischen Kommission an den Rat und werden es nicht zulassen, dass die Europäische Kommission nur seitenweise darstellt, wie die Probleme lauten. Wir wollen die Antwort der Europäischen Kommission darauf.

(Beifall bei der CDU)

Das bedeutet, wir brauchen finanzielle Mittel. Wir wissen, dass auch auf den Landeshaushalt in diesem Zusammenhang Aufgaben zukommen werden. Dem dient auch die Prioritätendiskussion, die wir derzeit in der Landesregierung führen. Wir müssen Handlungsspielräume freischaufeln für die Vorbereitung unseres Landes, für eine noch bessere Vorbereitung unserer Grenzregionen auf die Osterweiterung. Wir sind sehr gut vorbereitet und Sie werden sehen, Frau Stobrawa, dass der von

Ihnen sehr ungeduldig erwartete Bericht der Landesregierung über die Erweiterungsstrategie ganz konkrete Antworten geben wird. Selbstverständlich kann der Bund sich hier nicht der Verantwortung entziehen. Ich habe auch den Eindruck, dass er das nicht tun will. Der Bundeswirtschaftsminister hat, massiv von der Landesregierung unterstützt, mittlerweile sehr deutlich gemacht, dass wir von der Europäischen Union finanzielle Beiträge einfordern. Ich bin davon überzeugt, dass sich die Bundesregierung - das hat der Bundeskanzler gestern auch bei seinem Besuch in unserem Land versichert - dieser Verantwortung nicht entziehen wird. - Vielen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Wir sind damit am Ende der Rednerliste und ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der PDS-Fraktion mit der Drucksachennummer 3/2880.

(Die Abgeordnete Frau Stobrawa [PDS] meldet Redebe- darf an.)

- Bitte?

Ich würde mich, da ich auch noch etwas Redezeit übrig habe, gern zum Beitrag des Abgeordneten Schuldt äußern.

Sie haben noch wenige Sekunden.

Die reichen mir. Ich würde auch gleich von hier aus sprechen.

Tun Sie es!

Herr Präsident! Der Abgeordnete Schuldt hat mir und damit meiner Fraktion vorgeworfen, dass wir das Geld, das wir heute hier einfordern, „nur” für die polnische Seite zur Verfügung stellen wollen. Ich verwahre mich gegen diese Anschuldigung und frage den Abgeordneten Schuldt - und bitte ihn, das öffentlich zu bekunden -, auf welcher Grundlage er diese Anschuldigungen hier heute ausgesprochen hat.

Es ist geschäftsordnungsgemäß, sich in Bezug auf Missverständnisse hier noch einmal erklärend zu äußern. Es wäre dann an dem Abgeordneten, darauf zu reagieren.

Nun sind wir am Ende der Rednerliste. Ich schließe die Aussprache und wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der PDS mit der Drucksache 3/2880. Wer diesem Antrag folgt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Damit ist er mehrheitlich abgelehnt.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 11 und rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf:

Rechtsverordnung zu Bürgerentscheiden

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 3/2881

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der PDS-Fraktion. Herr Abgeordneter Sarrach, Sie haben das Wort.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der Verabschiedung der Kommunalverfassung im Jahre 1993 ist die Landesregierung vom Parlament ermächtigt worden, in einer Rechtsverordnung nähere Bestimmungen zu Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden zu erlassen. Ich bin mir sicher, dass diese Verordnungsermächtigung nicht als Leerformel gedacht war. Sie ist ein Auftrag an die Landesregierung, mehr Rechtsklarheit für die sich mit direkter Demokratie befassenden Bürgerinnen und Bürger vor Ort zu schaffen.

Während die in der Verfassung fixierten plebiszitären Elemente auf Landesebene durch eine Verordnung ausgestaltet worden sind, fehlt eine solche Regelung für die kommunale Ebene bis heute. Die Folge ist, dass die Kommunalverwaltungen und -vertretungen, ausgehend von den Festlegungen in § 20 der Gemeindeordnung und § 18 der Landkreisordnung, einen großen Ermessensspielraum beim Umgang mit Bürgerbegehren, aber auch mit Bürgerentscheiden haben. Dazu trägt erstens die gesetzliche Vorgabe bei, dass Bürgerbegehren einen nach den gesetzlichen Bestimmungen durchführbaren Vorschlag zur Deckung der Kosten der verlangten Maßnahme im Rahmen der Gemeindehaushalte enthalten müssen.

Da es sich bei gewichtigeren Gegenständen von Bürgerbegehren in der Regel um solche handelt, die mit finanziellen Konsequenzen verbunden sind, ist der Streit hierüber vorprogrammiert. Die Auslegungsmöglichkeiten dazu, was ein durchführbarer Finanzierungsvorschlag ist, sind nahezu unbegrenzt. Wenn etwas in einer Gemeinde nicht gewollt ist, besteht immer die Möglichkeit, ein Bürgerbegehren mit dem Argument eines unzureichenden oder unzulässigen Deckungsvorschlags zu Fall zu bringen. Da hilft es wenig, wenn nach Kommentierung dieser Bestimmungen, die dem juristischen Laien auch nicht so einfach zugänglich sind, keine allzu hohen Forderungen an die Qualität des Finanzierungsvorschlages gestellt werden dürfen. Fakt ist doch, dass gerade infolge knapper Haushaltskassen die Gegenstände für Bürgerbegehren erst geschaffen werden, zum Beispiel durch die Entscheidung zur Abwicklung der Philharmonie in der Landeshauptstadt Potsdam. Vor diesem Hintergrund vielleicht noch zu erwarten, dass die Gemeinde die Initiatoren eines Bürgerbegehrens bei der Erarbeitung eines machbaren Finanzierungsvorschlages berät und unterstützt, ist schlicht lebensfremd.

Abschreckend wirkt auch der zu breit angelegte Negativkatalog in § 20 Abs. 3 der Gemeindeordnung und § 18 Abs. 3 der Landkreisordnung. Offensichtlich ist aber auch eine tatsächliche oder vermeintliche Abweichung vom Negativkatalog Ursache für die

relativ hohe Zahl gescheiterter Bürgerbegehren Brandenburgs. Wann ist ein Bürgerbegehren bzw. -entscheid eigentlich unzulässig? Ich möchte hier nur die Bestimmung hervorheben, dass die Haushaltssatzung, einschließlich der Wirtschaftspläne der Eigenbetriebe, nicht Gegenstand eines Bürgerentscheids sein darf. Es gibt schon genügend Beispiele dafür, wie versucht worden ist, durch eine breite Auslegung dieser Bestimmung was steht nicht alles mit der Haushaltssatzung im Zusammenhang? - restriktiv auf Bürgerbegehren Einfluss zu nehmen. Ein Mehr an Klarheit bei der Auslegung des Negativkataloges, der häufig auch „Gummiformulierung” genannt wird, wäre dabei auch für die Gemeindevertreter wünschenswert, deren Entscheidung häufig aus einseitiger Verwaltungssicht vorbereitet und begründet wird.

Ich will auch darauf aufmerksam machen, dass die Kommunalverfassung keine Fristenregelung im Umgang mit Bürgerbegehren enthält. Daraus ergibt sich, dass eine Kommunalverwaltung alle Zeit der Welt für die Prüfung eines Bürgerbegehrens und für einen Entscheidungsvorschlag an die Gemeindevertretung hat.

Da das Bürgerbegehren in Brandenburg keine aufschiebende Wirkung hat, wie das in Sachsen und Bayern der Fall ist, können schon allein durch die zögerliche Behandlung eines Bürgerbegehrens vollendete Tatsachen geschaffen werden, die anschließend nicht mehr oder nur mit unvertretbar großem Aufwand wieder rückgängig zu machen sind. Während für die Verwaltung keine speziellen Fristen gelten, ist ein Bürgerbegehren gegen einen Beschluss der Gemeindevertretung aber nur innerhalb von sechs Wochen nach Veröffentlichung des Beschlusses zulässig.

Das ist eine knappe Frist, die allerdings durch die unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung eines solchen Beschlusses noch erweitert werden kann. Aber auch hierbei sind verschiedene Auslegungen möglich.

Ich könnte das jetzt noch weiterführen, möchte es jedoch bei den angeführten Beispielen belassen, die nach unserer Einschätzung darauf hinweisen, dass die plebiszitären Elemente auf kommunaler Ebene eher ungewollt sind. Es wird von Verwaltungsseite eher widerwillig damit umgegangen. Bei Schwierigkeiten werden die Bürger auf die Gerichte vertröstet, die mittlerweile mit mehreren Urteilen einige Lücken der gesetzlichen Regelung gefüllt haben.

Fakt ist allerdings, dass manch ein Bürgerbegehren auf der Strecke bleibt, weil die Initiatoren nicht über die entsprechenden Kenntnisse und Voraussetzungen verfügen und auch nicht den Mut für den Gang zum Verwaltungsgericht aufbringen. Von einer die unmittelbare Demokratie fördernden Atmosphäre kann man daher nicht sprechen. Die Erwartungen, die sich mit den entsprechenden Regelungen in der brandenburgischen Kommunalverfassung verbanden, haben sich nicht erfüllt. Brandenburg liegt in dieser wichtigen Frage nicht an der Spitze, sondern höchstens im Mittelfeld aller Bundesländer.

Es ist bezeichnend, dass das Innenministerium bisher auf empirische Untersuchungen und einfache statistische Erfassungen zu Anzahl und zu Gegenständen von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden verzichtet hat. Eine solche Erfassung wäre mit den heutigen technischen Möglichkeiten sicherlich kein Problem.

Aber es ist offensichtlich nicht gewollt, Grundlagen für eine Weiterentwicklung und Ausgestaltung der gesetzlichen Regelungen zu schaffen. Doch auch das tut Not.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Abschließend noch einige Bemerkungen in Bezug auf die Gemeindegebietsreform und die Entscheidungsrechte der Bürgerinnen und Bürger.

(Schippel [SPD]: Jetzt kommen Sie endlich zum Thema!)

- Herr Schippel, ich habe gestern dazu doch schon ausreichend Stellung genommen.

Gemäß § 9 Abs. 5 der Gemeindeordnung ist vor dem Zusammenschluss von Gemeinden in den Gemeinden, die durch den Zusammenschluss ihre Selbstständigkeit verlieren und bis zu 5 000 Einwohner zählen, ein Bürgerentscheid durchzuführen.

Ich möchte daran erinnern, dass die Landesregierung in ihrem Entwurf für die Kommunalverfassung 1993 ursprünglich nur einen fakultativen Bürgerentscheid vorgesehen hatte. Im Rahmen der intensiven und qualifizierten Diskussionen des Innenausschusses damals zu diesem Gesetz - etwas, was ich mir heute gar nicht mehr vorstellen kann - ist daraus ein verbindlicher Bürgerentscheid geworden.

Das Anliegen bestand darin, kleine Gemeinden vor ungewollten Eingliederungen zu schützen und eine solch weitreichende Entscheidung mit einer entsprechenden demokratischen Legitimation zu versehen.

Angesichts der gegenwärtigen Verfahrensweisen muss man leider feststellen, dass diese Intention des Gesetzgebers kontinuierlich unterlaufen wird. Der Bürgerentscheid nach § 9 Abs. 5 der Gemeindeordnung wird lediglich als notwendiger, eigentlich ungewollter Verfahrensschritt angesehen. Das Innenministerium nutzt sein Recht auf indirekte Genehmigung bzw. meistens angedrohter Nichtgenehmigung dieser Bürgerentscheide, um Druck auf die Gemeinden auszuüben, sich leitliniengerecht zu verhalten. Die in ihrer Verbindlichkeit fragwürdigen Leitlinien werden über die freie Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger gestellt, die im Zuge der Gebietsreform keinen Bestandsschutz haben.

Mit der Konstruktion des gesteigerten Gemeinwohls kann es sogar sein, dass eine Gemeinde, die sich gemeinwohlverträglich verhält und im Rahmen eines Bürgerentscheids auch ein eindeutiges Votum vorzuweisen hat, das sogar den Leitlinien entspricht, durch das Genehmigungsrecht des Innenministeriums ausgebremst - sprich: gemeinwohlverträglicher - wird. Ich verweise auf das Beispiel der Gemeinde Golm. Dabei spielen auch die ungeregelten Fristen wiederum eine Rolle; denn das Innenministerium hat bereits angedeutet, mit der Genehmigung oder der Ablehnung des Bürgervotums der Gemeinde Golm bis zum Ablauf der Freiwilligkeitsphase warten zu wollen, egal, ob das Begehren dem Innenministerium verfahrensgemäß unterbreitet wurde. Sollte es dazu kommen, wirkt sich die schnelle und im Übrigen nach den Leitlinien mögliche Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger sogar zum Nachteil der Gemeinde aus.

Wir setzen uns dafür ein, dass der Bürgerentscheid die Bedeutung erhält, die vom Gesetzgeber beabsichtigt war: Die Bürgerinnen und Bürger sollen das entscheidende Wort sprechen, wenn es um die mögliche Auflösung einer Gemeinde geht, und

nicht das Innenministerium. Es kann nicht sein, dass eine solche Regelung, die der Stärkung der gemeindlichen Selbstverwaltung dienen soll, dem Ziel einer zentralistisch geprägten Strukturreform geopfert wird. Das sind genug Anregungen, um die Diskussion im Innenausschuss fortzusetzen. - Ich danke Ihnen.