Protokoll der Sitzung vom 21.06.2001

Schließlich gilt es mit Blick auf die beim Bund bestehende zeitliche Vorstellung zur Einführung der Modulation zu berücksichtigen, dass in den Jahren 2002 und 2003 ohnehin eine Zwischenbewertung der Agenda 2000 ansteht, die umfangreicher ausfallen wird, als das 1999 in Berlin beschlossen wurde, und deren Ergebnis nicht ohne Konsequenz für die Frage der Modulation sein wird. Deshalb gab es zu diesem Punkt auf der genannten Konferenz am 13. Juni auch keine Einigkeit mit dem Bund. Ich denke, wir werden dort weiterhin eine starke Länderposition vertreten.

Für mich gelten dafür unverändert die bereits auf der Agrarministerkonferenz in Cottbus im Frühjahr dieses Jahres beschlossenen Kriterien. Es dürfen nicht nur einige wenige Regionen von der Modulation betroffen sein. Die Wirkungen einer Modulation auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und die Beschäftigung im ländlichen Raum sind vorab sorgfältig zu prüfen. Außerdem - das ist für uns als Länder besonders wichtig - darf kein zusätzlicher Verwaltungsaufwand entstehen.

Meine Damen und Herren, vor uns stehen weitere drängende Themen, denen wir uns stellen müssen. Ich denke dabei an die anstehende Zwischenbewertung der Agenda 2000, die WTOVerhandlungen und die EU-Osterweiterung. Immer knapper werdende Haushaltsmittel werden unsere Handlungsmöglichkeiten weiter einschränken. Sie zwingen uns zur Konzentration der Förderung auf wenige wesentliche Aspekte. Ich sehe trotzdem keinen Grund, in Fatalismus zu verfallen. Aufgabe ist es, die politische Handlungsfähigkeit für die Entwicklung der ländlichen Räume zu erhalten. Hier darf nichts kaputt gesteuert werden. Wir müssen um Verbündete werben und sollten nicht mit dem Finger auf vermeintliche Gegner zeigen. Der ländliche Raum braucht Konsens und Engagement. Die Landesregierung ist in der Pflicht, den Handlungsrahmen dafür zu sichern. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei SPD und CDU sowie vereinzelt bei der PDS)

Ich danke auch. - Wir sind damit am Ende der Rednerliste. Ich beende die Aussprache mit dem „Höhepunkt”, wie der Minister sagt, dramaturgisch hervorragend gemacht. Damit ist der Bericht der Landesregierung zur Kenntnis genommen und ich schließe den Tagesordnungspunkt 7.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Auswirkungen der Änderung des Kita-Gesetzes

Große Anfrage 19 der Fraktion der PDS

Drucksache 3/2285

Antwort der Landesregierung

Drucksache 3/2709

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der PDS-Fraktion. Frau Abgeordnete Große, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die PDSFraktion entschuldigt sich ausdrücklich nicht dafür, mit einer im Vorfeld mit Kommunalpolitikern, Kita-Erzieherinnen und Elternvertretungen erarbeiteten, aus 101 Fragen bestehenden Großen Anfrage die zuständige Kita-Abteilung der Landesregierung angeblich für ein halbes Jahr blockiert zu haben. So richtig können wir das angesichts des Umfangs der Antworten, vor allem aber angesichts deren Qualität ohnehin nicht glauben.

(Beifall bei der PDS)

Wir haben Grund zu der Annahme, dass die Landesregierung an den tatsächlichen Auswirkungen der Kita-Gesetzesnovellierung nicht sonderlich interessiert ist oder aber die ersten nicht ins Konzept der „bedarfsgerechten Flexibilisierung” passenden Signale nicht wahrhaben will. Wir konstatieren anhand der Antworten auf die Große Anfrage, die wiederum im Gespräch mit Eltern, Erzieherinnen, Leiterinnen und Kommunalvertreterinnen, durch den Vergleich von Kita-Satzungen und durch die Einsicht in Haushaltsansätze verschiedener Kommunen durch uns gegengeprüft wurden, eine Besorgnis erregende Entwicklung.

Zur Erinnerung: Noch vor einem halben Jahr ließen Sie, Herr Minister Reiche, eine Broschüre im Land verteilen, die allen versicherte: Die Position der Eltern wird nachhaltig gestärkt; für arbeitende und Arbeit suchende Eltern wird es keine Verschlechterungen geben; die Kommunen werden wegen der Kinderkostenpauschale keinen Nachteil haben; die Elternbeiträge werden sich nicht erhöhen; für Kinder ab zehn Jahre wird es alternative Freizeitangebote geben.

Wie sieht es nun wenige Monate nach In-Kraft-Treten der Novellierung aus? Der eingeschränkte Rechtsanspruch widerspricht deutlich der in der Antwort auf die Frage 98 vorgegebenen Feststellung:

„Das Kita-Gesetz gibt ausdrücklich die Gewährleistung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf vor...”

Dass die Gesetzesänderung besonders die Probleme Arbeit suchender Eltern verschärft, belegt die in diesem Zusammenhang zynisch wirkende Äußerung, verantwortungsbewusste Eltern würden im Interesse des Kindeswohls eine Betreuung durch bekannte Personen vorziehen.

Erwerbssuche begründet keinen Rechtsanspruch auf Kindertagesbetreuung. Gerade Eltern, die sich aufgrund der Arbeitslosigkeit in existenziellen Nöten, also Stresssituationen, befinden, können sich oft ihren Kindern nicht ausreichend emotional positiv zuwenden. Gerade diese Kinder müssten solange es geht in der Kita betreut werden.

(Beifall bei der PDS)

Die Bewertung der familiären Situation zur Begründung der Rechtsanspruchsvoraussetzung durch die Leistungsverpflichteten, vor allem aber die daraus folgende Kontrolle vor Ort in den Kitas, führt zu einem erheblichen bürokratischen und organisatorischen Aufwand, der die pädagogische Arbeit beeinträchtigt. Darüber hinaus - so schätzen es die Erzieherinnen ein - führt das zu einer Belastung des so wichtigen guten Vertrauensverhältnisses zu den Eltern. Somit führen die Regelungen zur Beschränkung des Rechtsanspruches bei Erzieherinnen und Eltern zu einer Drucksituation, zu schlechtem Gewissen.

Erste Defizite zeichnen sich auch im pädagogischen Bereich ab. Da die sechs Stunden Kernbetreuungszeit häufig zeitlich verschoben wahrgenommen werden müssen, zum Beispiel bei Erwerbstätigen im Dienstleistungsbereich, gibt es kaum feste Gruppen. Bei häufig wechselnden Erzieherinnen ist Bindungslosigkeit also vorprogrammiert. Wohin das führt, ist bekannt. Wir hatten in der gestrigen Debatte dazu Aussagen.

Bei der Antwort auf die Frage 70 wird deutlich, dass der Bildungsauftrag durch die Kitas während der gesamten Betreuungsdauer und Öffnungszeit wahrgenommen wird. Aus dieser Antwort ergibt sich eindeutig eine Ungleichbehandlung, da ja der Betreuungsanspruch von der Erwerbssituation der Eltern abhängig gemacht wird. Die jüngsten Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchungen belegen klar die Benachteiligung von Kindern aus sozial schwächer gestellten Familien.

Da die Landesregierung nicht die Notwendigkeit der Schaffung anderer Einrichtungen vorschulischer Bildung und Erziehung in Betracht zieht, müsste sie notwendigerweise den Besuch einer Kita zur Pflicht machen, um die Chancengleichheit der Kinder zu gewährleisten.

Zur Situation in den Kommunen: Die Antwort auf die Frage 31 ist im Klartext nichts anderes als die Aufforderung, Kita-Plätze abzubauen. Einnahmeverluste sollten nach dem Willen der Landesregierung und des Gesetzgebers durch die Einschränkung des Angebotsumfanges ausgeglichen werden.

Als fatal bewerten wir die Antwort der Landesregierung auf die Fragen 44 bis 46, in der beleidigt festgestellt wird, dass es nicht erst der kritischen Stellungnahme der Kommunen bedurfte, um die Schwierigkeit und die Belastung der Kommunen vorauszu

sehen, wenn sie gegenüber ihren Bürgern Leistungseinschränkungen durchzusetzen haben.

Dass sich die Landesregierung bisher außerstande sieht, die Defizite im Haushalt der Städte und Gemeinden zu benennen, ist wenig glaubwürdig. Uns liegen erhebliche geplante Mindereinnahmen bei fast allen Städten und Gemeinden vor - und das trotz der noch erfolgten Ausgleichszahlungen. Die Stadt Potsdam rechnet mit etwa 2 Millionen DM, die Stadt Zehdenick und Gemeinden mit 750 000 DM, Nauen mit 315 000 DM. Um die 300 000 DM liegt es bei fast allen Städten dieser Größenordnung.

Die Einnahmeverluste können nach Einschätzung der Kommunen schon deshalb nicht durch die Einschränkung des Angebotsumfanges ausgeglichen werden, weil sowohl Betriebs- als auch Personalkosten nicht kurzfristig zu minimieren sind.

Zu den Gebühren und Elternbeiträgen: Mit Sorge betrachtet die PDS die Entwicklung auf diesem Gebiet. Die Landesregierung räumt zwar Erhöhungen ein, führt diese aber nicht auf die Einsparung von 54 Millionen DM im Jahre 2001 zurück, sondern schiebt den schwarzen Peter den Kommunen zu, die angeblich unfähig sind, Kosten sparende Angebotsformen zu entwickeln.

Die Behauptung, die Kommunen würden versuchen, ihre Einnahmesituation durch die Erhöhung der Elternbeiträge zu verbessern, unterstellt einfach einen leichtfertigen Umgang mit diesem Problem und ignoriert die tatsächlichen Bemühungen der Kommunen, diesen Spagat hinzubekommen.

Insgesamt kann festgestellt werden, dass teilweise erhebliche Gebührenerhöhungen zu verzeichnen sind. Brieselang mit bis zu 500 % ist nur die Spitze des Eisberges. Dies trifft wegen der geltenden Regelungen bei der Staffelung der Beiträge die weniger Verdienenden mehr als die gut Verdienenden. Die Jugendämter sind schon kommunalaufsichtlich mit der Überprüfung sozial unverträglicher Gebühren befasst.

Entgegen der in der Antwort auf die Frage 59 gegebenen Prognose steigt die Zahl der nach § 90 Abs. 3 SGB VIII zugewiesenen Kinder, wodurch auch die Kreishaushalte mehr belastet werden.

Zu den Horten: Hinsichtlich spezieller Entwicklungsprobleme und zum Freizeitverhalten der Kinder über zehn Jahre hat die Landesregierung bedauerlicherweise keine Kenntnis. Sicherheitshalber tritt die Landesregierung

”... allen Vermutungen entgegen, die Differenzierung würde ausschließlich unter dem Aspekt der Kostenersparnis betrieben.”

Es folgt dann der wirklich revolutionäre Vorschlag:

„Wenn für diese Altersgruppe ein pädagogisch betreuter Bauspielplatz das geeignete Angebot darstellt, dann sind als pädagogische Fachkräfte womöglich nicht nur Erzieherinnen, sondern beispielsweise auch Handwerker und Ähnliches geeignet.”

Das ist die Antwort auf Frage 94.

Unsere heutige Debatte findet eine Woche vor der Entscheidung beim Landesverfassungsgericht über die Zulässigkeit der Volksinitiative „Für unsere Kinder” statt.

Ich gehe davon aus, dass wir uns heute nicht zum letzten Mal mit den Folgen der Kita-Gesetzesnovellierung beschäftigen. Wir möchten Ihnen, verehrter Herr Minister, einfach ersparen, dass Sie sich demnächst wie schon bei den Lehrerinnen und Lehrern für die unterschätzte Erziehungskompetenz womöglich bei den Eltern, Erzieherinnen und Kommunen für die aus der Novellierung erfolgte Fehlentwicklung entschuldigen müssen.

(Beifall bei der PDS)

Wir ermuntern Sie also zunächst zu einer wirklichen Analyse der Situation im Kita-Bereich, ausgehend von den Bedürfnissen der Kinder. Vielleicht kommen Sie dann zu der gleichen Erkenntnis wie die Bundesfamilienministerin Christine Bergmann am 03.05.2001 in Lübben bei einer Informationskampagne zum neuen Elternzeitgesetz:

„Der Standard Ost in der Kinderbetreuung muss zum gesamtdeutschen Standard werden. Im Osten muss das Angebot nicht ab-, sondern vielmehr in den alten Bundesländern aufgebaut werden.”

(Beifall bei der PDS)

Wie der Presse zu entnehmen war, plant das Kabinett aber weitere Kürzungen in Höhe von 20 Millionen DM im Jahre 2002 und 24 Millionen DM im Jahre 2003. Die ohnehin schon schwierige Situation würde sich damit weiter dramatisch verschlechtern und zu katastrophalen Einschnitten im Leben von Kindern, Familien, Frauen und auch Kommunen führen. Wir fordern die Landesregierung daher dringend auf, von diesen Plänen abzusehen. - Danke.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Große. - Nun gebe ich das Wort an die Fraktion der SPD. Frau Abgeordnete Redepenning, bitte.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die PDS formulierte eine Große Anfrage zu den Auswirkungen der Änderung des Kita-Gesetzes und im nächsten Atemzug müsste die heutige Diskussion ja noch viel weiter gehen.

Ich frage mich, weshalb überhaupt über die Auswirkungen gesprochen wird, wenn eine der Schlussfolgerungen der Landesregierung doch ist, dass zu diesem frühen Zeitpunkt Aussagen zu den Veränderungen zu treffen noch nicht möglich ist, geschweige denn diese zu bewerten.

Die Aussage, dass die Bedeutung von Kindertagesbetreuung in der kommunalpolitischen Diskussion zugenommen hat, meint wahrscheinlich die Resonanz, die es auf die Änderung des KitaGesetzes an sich gab.