Protokoll der Sitzung vom 21.06.2001

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die ersten Konsequenzen der Kita-Gesetz-Änderung sind seit dem 01.07.2000 da, weil seitdem die Kürzungen gelten. Frau Hartfelder, ich weiß, dass auch SPD- und CDU-Fraktion sich die Kita-Novelle anders vorgestellt haben; denn noch am 22. Februar 2000 - sie kennen Ihren eigenen Beschluss, Ihre Presseerklärung - haben Sie beschlossen: Finanzielle Mehrbelastungen der Kommunen sollen im Zuge der Kürzung vermieden werden. - So weit zur Irreführung.

Das Lob der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter macht sich immer gut, Herr Reiche. Aber ein Teil der Jugendämter hatte für die Beantwortung der wenigen Fragen, die Sie ihnen im Zuge unserer Großen Anfrage gestellt haben, eine ganze Woche Zeit. Wie sie da zu einer genauen Analyse kommen sollten, bleibt natürlich wirklich offen.

Fakt ist eins: Auch einzelne Abgeordnete der Koalitionsfraktionen stimmten der Novelle nicht zu. Wir hätten die Chance nutzen können und sollten sie in der Zukunft auch nutzen, nach einer genauen Analyse, die wir nach wie vor einfordern, Korrekturen an den Stellen anzubringen, bei denen es wirklich Probleme gibt.

(Schippel [SPD]: Da sind wir auf dem guten Wege!)

Ich möchte dazu auch kommen. Die Beantwortung der Großen Anfrage wäre auch für die Landesregierung eine Chance zur Korrektur gewesen. Frau Hartfelder und Herr Reiche, ich dach

te, Sie hätten die rosaroten Brillen und die Scheuklappen inzwischen abgesetzt. Denn Fakten und Folgen dieser Politik müssen zur Kenntnis genommen werden. Es sind auch keine Vermutungen, wie Frau Redepenning meinte. Fakt ist: Kommunen mit vielen Kita- und Hortkindern haben finanzielle Einbußen - zum Teil von 20 % der Kostendeckung. Kleine Kitas im ländlichen Raum wurden in zusätzliche Organisations- und Finanzschwierigkeiten gebracht. Das weiß zum Beispiel auch Herr Homeyer er könnte es wissen - aus dem Jugendamtsbericht MärkischOderland. Arbeitsplätze der Erzieherinnen sind wegbeschlossen worden. Der Beleg ist: In 133 Kitas und Horten von MärkischOderland arbeiten derzeit 811 Personen. Nach dem neu ermittelten Betreuungsumfang gemäß geänderten Rechtsansprüchen verbleiben rechnerisch 720 Personen. Das hätte man wissen können. Das ist ausgerechnet.

Fast alle Eltern im Land müssen mehr für die Betreuung und Bildung ihrer Kinder bezahlen, und es gibt Kinder, die gern noch in den Hort gehen würden, dies aber nicht können. So befinden sich zum Beispiel 50 % der Eltern in Strausberg im Einkommensbereich unter 40 000 DM. Für diese ist der Beitrag aus der Familienkasse sehr hoch.

Herr Minister, Eltern, Erzieherinnen und Kommunalpolitiker wissen das. Sie merken das auch täglich. Mit Ihrer Antwort auf die Große Anfrage müssen diese zur Kenntnis nehmen, dass die Landesregierung dies nicht wissen und auch nicht merken will.

(Beifall bei der PDS)

Das provoziert Politikmüdigkeit. Dem ist auch mit Zynismus nicht beizukommen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Abgeordnete?

Ja, natürlich. Solange es nicht von meiner Redezeit abgeht.

Bitte sehr, Frau Redepenning.

Sie haben mich soeben bezüglich meiner Vermutungen angesprochen. Ich habe auch in verschiedenen Kreisen gefragt und habe keine konkreten Zahlen erhalten. Mich würde interessieren, in welchen Fällen Sie konkrete Zahlen bekamen und ich nur Vermutungen ausgesprochen habe.

Aus den Stadt- und Kreisverwaltungen. Wir haben dazu öffentliche Beratungen durchgeführt, zum Beispiel in den Kreisen Märkisch-Oderland, Oberhavel und Uckermark. Wir haben größere Kommunen, so zum Beispiel Potsdam, direkt befragt. Diese Zahlen lagen zum Teil auch schon im letzten Jahr vor.

Die Landesregierung dreht, statt wahrzunehmen, was sich wirklich tut, wider alle Vernunft und Fakten im Kabinettsstübchen

weiter an der Abwärtsspirale - auf Kosten von Kindern, Familien und Kommunen. Ich frage mich wirklich: Wie weit sind politische Vernunft und politische Moral gekommen, wenn voriges Jahr den Kommunen empfohlen wurde, die finanziellen Defizite durch eine Verringerung des Betreuungsumfanges auszugleichen - im Hortbereich ist ja ein Drittel des Betreuungsumfanges weggefallen -, und Frau Ziegler jetzt plant, erneut um 20 Millionen DM zu kürzen, und dies mit den gesunkenen Kinderzahlen in Kindertagesstätten und Horten begründet, ganz zu schweigen vom Schönreden der Kinderkostenpauschale, die ja, wenn man auch nur ein Wort vom Vorjahr glauben soll, eben nicht nur für die Betreuung in Kindertagesstätten eingesetzt werden sollte? Dass der Geburtenrückgang hiermit nichts zu tun hat, hat Frau Redepenning schon gesagt.

Lassen Sie mich noch zwei spezielle Fragen ansprechen, zunächst die Horte an Förderschulen. Nicht genug damit, dass diesen Kindern für den jeweiligen Hort kein entsprechender Förderbedarf attestiert wird, hier haben die Kinder, die bisher selbstverständlich bis zur 6. Klasse in den Hort gingen, nunmehr den Nachweis einer speziellen Berechtigung im Rahmen des begründeten Rechtsanspruches zu erbringen. Hier besteht ein Problem für die Eltern und für die Horte. Meiner Meinung nach muss hier eine Sonderlösung gefunden werden.

Ich komme zum Schluss. Wir unterstreichen die Forderung an das Land, dass eine umfangreiche Analyse nach Umfang und Qualität der Kindertagesbetreuung vorgelegt werden muss und dass die benannten Gesetzeslücken zu schließen sind. Die Möglichkeit zur Betreuung, Bildung und Förderung aller Kinder, unabhängig vom Geldbeutel oder Erwerbsstatus der Eltern, in gut ausgestatteten Kindertagesstätten und Horten durch ausgebildetes Fachpersonal bleibt unsere Forderung an die Landesregierung und die Aufgabe, der wir uns stellen. Ich hoffe, es gibt mit der SPD nicht nur keine Verschlechterungen auf diesem Gebiet, sondern möglicherweise Verbesserungen.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Kaiser-Nicht, und stelle fest, dass wir damit am Ende der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt angekommmen sind und Sie die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 19 in der Drucksache 3/2709 zur Kenntnis genommen haben.

Während der Aussprache sind Gäste in den Landtag gekommen, die dem Kita-Alter bereits entwachsen sind. Es sind Schüler der 12. Klasse des Einstein-Gymnasiums in Potsdam. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 8 und rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Beabsichtigter Bau einer neuen Bundesstraße mit Grenzübergang („Grenzübergang Hohenwutzen Süd”) durch das Oderbruch

Große Anfrage 23 der Fraktion der DVU

Drucksache 3/2366

Antwort der Landesregierung

Drucksache 3/2869

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt und erteile der einreichenden Fraktion das Wort. Bitte sehr, Herr Abgeordneter Claus.

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Man sagt: Alle Wege führen nach Rom. Aber offensichtlich führen nur wenige nach Polen. Aus diesem Grund beabsichtigt die Landesregierung, einen neuen Grenzübergang im Bereich Hohenwutzen Süd zu errichten. Das finden aber die direkt Betroffenen gar nicht lustig und fühlen sich wenig oder falsch informiert.

Diese Bedenken können wir als DVU-Fraktion gut nachvollziehen. Denn die Antwort auf unsere Große Anfrage 23 ist anscheinend in der Frühstückspause beantwortet worden. Unsere über vier Seiten detailliert nach Sachgebieten aufgeschlüsselten Fragen wurden ohne Unterteilung pauschal auf eineinhalb Seiten beantwortet. Diese Antworten ließen mehr Fragen offen, als beantwortet wurden. Es kann aber nicht sein, dass in der Beantwortung unserer Großen Anfrage sogar noch weniger steht, als wir jetzt nach und nach in der Zeitung lesen können. Neue Fragen kommen hinzu. Daher kann ich es uns nicht ersparen, die karge Pauschalantwort im Einzelnen zu hinterfragen und die Widersprüche darin aufzuzeigen.

Beispielsweise wird gesagt, dass der gegenwärtige Planungsstand eine detaillierte Beantwortung nicht zulasse. Also ist der gegenwärtige Planungsstand völlig unkorrekt. Dieser unkorrekte Planungsstand reicht aber offenbar als Grundlage zur Einleitung eines Raumordnungsverfahrens aus. Meine Damen und Herren, ich werde den Eindruck nicht los: Sie wollen die Katze erst aus dem Sack lassen, wenn Sie klare Fakten geschaffen haben.

Diese Befürchtung hat übrigens auch das Aktionsbündnis gegen diese Trasse. Befürchtet wird wohl nicht zu Unrecht, dass dieser unkonkrete Plan sehr schnell Gesetzescharakter erlangen könnte. Daher wird schon die nächste Aktion vorbereitet.

Weiterhin konnten wir der Presse entnehmen, dass offenbar das Gebiet vom Schiffmühler Dreieck bis Neurüdnitz als Trasse in die engere Auswahl gerückt ist. In der Antwort konnte ich noch nicht einmal diese Angabe finden.

Doch das ist noch nicht alles. Offenbar sieht der Landesentwicklungsplan neben den schon relativ konkreten Trassenplänen auch einschneidende Beschränkungen des kommunalen Planungsrechts vor. Daher stelle ich die Frage an die Landesregierung: Um welche Beschränkungen handelt es sich hierbei, gegen die gerade die Gemeinden im Amt Falkenberg-Höhe Sturm laufen?

Bemerkenswert erscheint uns in der sehr pauschalen Kurzantwort auch die Begründung zu sein, weshalb die neue Trasse unbedingt gebaut werden muss. Ohne Umschweife macht der Minister klar, worum es wirklich geht: um die möglichst schnelle und ungehinderte Durchleitung der Warenströme, wenn Polen

erst einmal Mitglied in der EU ist. Diese Darstellung nimmt den größten Raum in der Beantwortung ein. Die persönlich betroffenen Bürger vor Ort werden mit keinem einzigen Wort erwähnt.

Da ich mich eng an unsere Große Anfrage und ihre Beantwortung halten möchte, komme ich nun auf einzelne Sätze Ihrer Antwort zurück. Dabei erspare ich es Ihnen nicht, unsere Sichtweise im Einzelnen darzustellen.

Hauptgrund ist es, wie schon gesagt, günstige Voraussetzungen für die Integration Polens in die Europäische Union zu schaffen. Haben unsere Bürger, die mit den Auswirkungen der EU-Politik schon geraume Zeit zurechtkommen müssen, nicht das gleiche Recht? Gerade von uns Ostdeutschen verlangt man doch seit mehr als zehn Jahren immer neue Opfer und Einschränkungen. Die einzige relative Sicherheit der Bürger in der heutigen Zeit, in der sich eine Krise an die andere reiht, sind ihre Grundstücke und ihr Lebensumfeld. Und wenn diese nun zufällig in ein Planungsgebiet geraten, welches für Globalisierungsstrategen von Interesse ist, haben sie offensichtlich Pech gehabt.

Es ist schon seltsam: Während sich ansonsten die vielfältigen Verbände, die unter dem Umweltschutz firmieren, für die Unterschutzstellung jedes künstlichen Karpfenteiches hartnäckig einsetzen, herrscht hier Funkstille. Hier soll eine Trasse quer durch das schützenswerte Oderbruch geschlagen werden, dessen negative Folgen für Mensch und Natur heute noch gar nicht vollständig abzusehen sind.

Wie wir weiter lesen, bestehen sowohl auf deutscher als auch auf polnischer Seite derzeit noch keine Vorstellungen zur genauen Lage und zum zeitlichen Planungsablauf. Genaues weiß man also noch nicht, doch dass dieses rund 60 Millionen DM kosten soll, schon.

Man macht sich in der Beantwortung unserer Großen Anfrage nicht einmal die Mühe, diese Widersprüche im Text auszumerzen. Man spricht nebulös von der deutschen und von der polnischen Seite. Wir fordern klare Antworten.

Welche einzelnen Gesprächs-, Experten- und Planungsgruppen sind nun konkret in dieses Projekt eingebunden? Es gilt die zukünftig zu erwartenden Verkehre aufzunehmen. Doch auf welche Planungszahlen stützt sich dieser zu erwartende Verkehr und wie kamen diese zustande? Wer erarbeitete diese Planzahlen? Es ist schon seltsam, wie man sich offensichtlich um klare und einfache Antworten drückt. Stattdessen schwenkt man jetzt ganz plötzlich vom Thema ab und teilt uns mit, dass es nach dem Beitritt Polens in die EU keinen Grund mehr gebe, den Grenzübergang Hohenwutzen weiterhin für den Warenverkehr zu sperren.

Das ist doch gar nicht das Thema unserer Großen Anfrage gewesen, da es um die Trasse Hohenwutzen Süd geht. Wir fragten an, ob man nicht die bereits bestehenden Grenzübergänge so ausbauen könnte, dass ein Neubau im Oderbruch nicht mehr nötig sei. Dazu erhielten wir die äußerst „aussagekräftige” Antwort, dass eine deutsch-polnische Expertenkommission diese Möglichkeit nicht feststellen konnte. Da fragt man sich: Warum nicht? Das ließ man wiederum offen.

Zum Schluss der Antwort nannte man noch einige Zahlen, die aber mitnichten zur Auflösung beitrugen. Man spricht von einer

drei Jahre alten verkehrsplanerischen Studie, die zu dem Schluss kommt, dass täglich ca. 4 000 Kraftfahrzeuge die Grenze nach Polen in einer imaginären Elbe-Oder-Trasse queren werden. Beim flüchtigen Lesen wird der Eindruck erweckt, dass diese Fahrzeugzahl über den neu zu bauenden Grenzübergang geleitet werden müsste. Bekanntlich bestehen jedoch innerhalb der Elbe-Oder-Trasse - was auch immer damit gemeint sei, der Minister ist gerade nicht im Saal, aber er wird bestimmt wissen, warum gerade dort ein Grenzübergang sein soll - nicht wenige Grenzübergänge. So sollte es doch möglich sein, bei einem ordentlichen Ausbau der vorhandenen Kapazitäten diese überschaubare Zahl auf die bestehenden Grenzübergänge zu verteilen. Offenbar schätzt man den künftigen Bedarf auf polnischer Seite anders ein, da für die neu zu errichtende Trasse noch gar keine Einzelvereinbarung vorliegt.

Wenn diese Trasse jedoch so wichtig wäre, wie man uns weismachen will, dann müsste doch gerade die polnische Seite ein großes Interesse daran haben, mittels einer möglichst dichten Verkehrsinfrastruktur ihre Warenströme nach Westeuropa schicken zu können. Soweit zur Antwort der Großen Anfrage. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Claus. - Ich gebe das Wort an den Abgeordneten Homeyer. Er spricht für die Koalitionsfraktionen SPD und CDU. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die europäische Osterweiterung ist eine historische Chance, die wir annehmen und gestalten müssen. Der Aufbau der Verkehrsinfrastruktur im Grenzraum und im grenznahen Raum zu Polen ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die ökonomischen Vorteile, die aus der europäischen Osterweiterung für das Land Brandenburg, die Unternehmen und die hier lebenden Menschen entstehen, genutzt werden können. Wir stehen gegenüber der Bundesrepublik Deutschland und der gesamten Europäischen Gemeinschaft in der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass die brandenburgische Grenze nach Polen ihrer Funktion als innereuropäische Grenze künftig gerecht werden kann.