Protokoll der Sitzung vom 19.09.2001

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 3/3141

1. Lesung

Auch zu diesem Tagesordnungspunkt wurde vereinbart, keine Debatte zu führen. Ich komme sofort zur Abstimmung. Das Präsidium empfiehlt Ihnen die Überweisung der Drucksache 3/3141 an den Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kultur. Wer diesem Überweisungsantrag folgt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist diesem Überweisungsantrag einstimmig zugestimmt worden.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 5 und rufe den Tagesordnungspunkt 6 auf:

Gesetz zur Umwandlung des Landesvermessungsamtes Brandenburg in einen Landesbetrieb

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 3/3231

1. Lesung

Auch zu diesem Tagesordnungspunkt wurde vereinbart, keine Debatte zu führen. Ich komme sofort zur Abstimmung. Das Präsidium empfiehlt die Überweisung der Drucksache 3/3231 an den Ausschuss für Inneres. Wer dieser Überweisungsempfehlung folgt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit haben Sie einstimmig der Überweisung in der genannten Form zugestimmt.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 6 und unterbreche die Sitzung des Landtages Brandenburg zu einer verkürzten Mittagspause bis 14.30 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung: 13.56 Uhr)

(Fortsetzung der Sitzung: 14.31 Uhr)

Wir setzen die unterbrochene Sitzung fort. Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Gesetz des Landes Brandenburg zur Gleichstellung von Männern und Frauen, zur Förderung von Behinderten sowie zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf und zur Bekämpfung von Diskriminierung, insbesondere von Familien mit Kindern und Betreuenden Allgemeines Gleichstellungsgesetz des Landes Brandenburg (AGG)

Gesetzentwurf der Fraktion der DVU

1. Lesung

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der antragstellenden Fraktion. Frau Abgeordnete Fechner, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gleichstellung hat vor allem etwas mit Gerechtigkeit zu tun. Von Gerechtigkeit gegenüber allen Bürgerinnen und Bürgern jedoch ist der auf der letzten Plenarsitzung debattierte Gesetzentwurf der PDS noch weit entfernt. Der von der PDS-Fraktion eingereichte Gesetzentwurf galt nur der Herstellung von Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen. Auch das bereits existierende Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst des Landes Brandenburg trifft nur auf einen bestimmten Personenkreis zu.

Aus diesem Grunde legen wir einen eigenen, auf Ausgleich und Gerechtigkeit für alle Bürgerinnen und Bürger des Landes gerichteten Entwurf eines Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes vor. Mit unserem Gesetzentwurf beabsichtigen wir nicht nur die Gleichstellung von Männern und Frauen. Nein, wir verfolgen eine Gleichstellung von Behinderten, Alleinerziehenden, von Menschen, die andere Menschen betreuen, und schließlich all jener in unserer Gesellschaft, die aus politischen oder weltanschaulichen Gründen benachteiligt oder gar diskriminiert werden.

Meine Damen und Herren, im Gegensatz zum bereits existierenden Landesgleichstellungsgesetz halten wir es nicht für nötig, die deutsche Sprache durch Anfügen von unsinnigen Endungen an gemeingebräuchliche Substantive zu verschandeln. Wir veranlassen den Verwaltungsapparat auch nicht, nebulöse und letztlich unwirksame Gleichstellungskonzepte zu erstellen; denn im jetzigen Landesgleichstellungsgesetz ist noch verankert, dass in jeder Dienststelle mit mehr als 20 Beschäftigten ein Gleichstellungskonzept zu erstellen ist, das die Förderung der Gleichstellung und den Abbau der Unterrepräsentanz von Frauen zum Gegenstand hat. Unser Gesetz enthält ganz konkrete Vorschriften, wie eine Gleichbehandlung aller benachteiligten Personen und Personengruppen zu erreichen ist, sodass sich die Erstellung von Gleichstellungskonzepten erübrigt. Für die Einhaltung bzw. Kontrolle oder Umsetzung dieses Gesetzes sind die Gleichstellungsbeauftragten zuständig.

Auch halten wir die Definition der Unterrepräsentanz für überarbeitungsbedürftig. In § 4 des Landesgleichstellungsgesetzes ist dazu Folgendes verankert:

„Unterrepräsentanz... liegt vor, wenn in einer Lohngruppe, Vergütungsgruppe oder Besoldungsgruppe innerhalb einer Laufbahn oder Berufsgruppe weniger Frauen als Männer beschäftigt sind.”

Das heißt, wenn in einer Dienststelle fünf Stellen mit der Lohngruppe 6 vorhanden sind, davon jedoch drei Stellen von Män

nern besetzt sind, dann liegt schon eine Unterrepräsentanz vor. Nach § 4 Abs. 2 des Landesgleichstellungsgesetzes sind die Dienststellen verpflichtet, durch Gleichstellungspläne und sonstige Maßnahmen auf die Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst und auf die Beseitigung bestehender Unterrepräsentanzen hinzuwirken.

Auch den § 7 des jetzigen Landesgleichstellungsgesetzes haben wir kritisch bewertet. Dieser sieht nämlich vor, dass die Stellenausschreibung auf Verlangen des Gleichstellungsbeauftragten wiederholt wird, wenn nach der ersten Ausschreibung keine Bewerbungen von Frauen vorliegen. Dadurch werden in der Praxis Ausschreibungsverfahren unter Umständen unnötig verlängert.

Meine Damen und Herren, wie in der Vergangenheit schon mehrfach festgestellt wurde, ist das bisherige Landesgleichstellungsgesetz völlig unzureichend, da es Dienststellen und öffentliche Träger von Betrieben kaum zu konkretem Handeln zwingt. Das wollen wir ändern. Wir haben bei der Erstellung unseres Gesetzentwurfes einiges aus dem bereits vorhandenen Landesgleichstellungsgesetz und aus dem Gesetzentwurf der PDS übernommen; aber wir haben auch sehr viele neue Aspekte einfließen lassen. So enthält unser Gesetzentwurf beispielsweise ganz konkrete Vorgaben bezüglich Einstellung und beruflichen Aufstiegs, bezüglich Stellenausschreibung, Fortbildung, Teilzeitbeschäftigung und Flexibilisierung von Arbeitszeiten, Beurlaubung und Gleichbehandlung von Teilzeitbeschäftigten.

Diese konkreten Regelungen sind insbesondere auf die Bedürfnisse Behinderter zugeschnitten. Behinderte Mitbürgerinnen und Mitbürger sind gerade im Arbeitsbereich besonders benachteiligt. Aber auch Menschen, die sich erzieherisch und betreuend um Mitmenschen kümmern, kommen nach wie vor im Hinblick auf Beschäftigung und Verbesserung ihrer Arbeitsmarktchancen zu kurz. Deshalb sind auch Letztere, insbesondere allein erziehende Väter und Mütter, unter den besonderen Schutz des Gleichstellungsgesetzes zu stellen.

Wir als Fraktion der Deutschen Volksunion sind der Ansicht, dass nicht für jede einzelne schutzwürdige Personengruppe, also für Frauen, Behinderte, Erziehungspflichtige usw., ein eigenes Gesetz geschaffen werden muss. Wir haben ein Gesetz eingebracht, das allen benachteiligten Personen in unserer Gesellschaft gleiche Chancen im öffentlichen Dienst und, soweit es sich um öffentliche Auftragsvergabe handelt, zumindest mittelbar eine Gleichbehandlung im Bereich der privaten Wirtschaft verschaffen soll.

Natürlich werden durch unseren Gesetzentwurf behinderte Mitbürgerinnen und Mitbürger besonders gefördert. Dabei haben wir uns nicht - wie das neue Bundesgesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen - auf die Herstellung von Barrierefreiheit oder bloße Sollvorschriften zur Erreichung einer Gleichbehandlung durch die Träger öffentlicher Gewalt beschränkt. Nein, unser Gesetzentwurf stellt sicher, dass Behindertenbeiräten und Selbsthilfegruppen sowohl auf Landes- als auch auf kommunaler Ebene eigene Handlungsfähigkeit verschafft wird, um die Rechte von Behinderten durchzusetzen. Auch das wird mit unserem Gesetzentwurf erreicht. Darüber hinaus wird durch unser Gesetz entsprechende finanzielle und organisatorische Unterstützung von ehrenamtlich in der Behindertenhilfe tätigen Personen ermöglicht.

Nach unserem Gesetzentwurf haben - dies ist ein Novum - Behindertenbeiräte und Selbsthilfegruppen das Recht, mit Zustimmung der Betroffenen im Namen dieser Personen gegen Diskriminierung und Benachteiligung am Arbeitsplatz im Wege von Rechtsbehelfen und nicht zuletzt mithilfe von Strafanträgen vorzugehen. Damit beschränkt sich ihre Aufgabe nicht auf rein deklaratorische Lippenbekenntnisse oder beratende Hilfe, sondern macht Behindertenbeiräte und Selbsthilfegruppen zu selbstständigen und handlungsfähigen Organen.

Aber auch die Rechte der Gleichstellungsbeauftragten im Land Brandenburg haben wir gestärkt und damit deren Handlungsfähigkeit entscheidend verbessert. Im gesamten Land Brandenburg gibt es gegenwärtig ca. 160 kommunale Gleichstellungsbeauftragte, die haupt-, neben- oder ehrenamtlich wirken.

Die Gleichstellungsbeauftragten sollen nach bisheriger Gesetzeslage Benachteiligungen von Frauen aufzeigen und über die Einhaltung des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebots für Frauen wachen. Jedoch bleiben ihnen neben der Pflege von Kontakten zu Frauenverbänden und Gewerkschaften, Parteien, Kirchen sowie neben der Öffentlichkeitsarbeit kaum Handlungsmöglichkeiten. Bisweilen haben Gemeinden immer wieder für kurze Zeit gar keine Gleichstellungsbeauftragten oder die betroffenen Bürger wissen nicht, wo und wie sie deren Unterstützung in Anspruch nehmen können. Auch das wollen wir ändern.

Nach unserem Gesetzentwurf wird der Gleichstellungsbeauftragte sowohl der Kommune als auch der einzelnen Dienststelle sowie nicht zuletzt der Gleichstellungsbeauftragte des Landes, welchem wir Verfassungsrang verleihen, zu einem handlungsfähigen Organ und direkten Ansprechpartner. Nach unserem Gesetzentwurf schaffen wir mit dem Amt des Gleichstellungsbeauftragten einen Quasi-Anwalt nicht nur für Frauen, sondern für viele Personen und Personengruppen in unserer Gesellschaft, die im öffentlichen Leben benachteiligt werden. Nach unserem Gesetzentwurf wären Gleichstellungsbeauftragte zu allen von unserer Rechtsordnung vorgesehenen Rechtsbehelfen zugunsten benachteiligter Personen berechtigt, einschließlich der Strafantragstellung bei Diskriminierung. Ja, auch der Bereich der Diskriminierung und insbesondere des Mobbings am Arbeitsplatz wird durch unseren Gesetzentwurf besonders berücksichtigt.

Diskriminierung von Minderheiten, insbesondere von Behinderten oder weniger leistungsfähigen Personen wie Alleinerziehenden, verringert nicht nur die Wettbewerbschancen dieser Personen und Personengruppen am Arbeitsmarkt, sondern verschlechtert auch die Leistungsfähigkeit von Dienststellen, Behörden und Betrieben. Die Normgebung in diesem Bereich zeigt zwar einige brauchbare Ansätze, reicht jedoch für eine echte Bekämpfung von Diskriminierung längst nicht aus.

Mit dem Problem des Mobbings wurden die Gerichte bisher völlig allein gelassen. In der Regel erhalten Betroffene keinerlei Hilfe. Für diese prekäre Thematik interessierte sich bisher offenbar niemand.

Kommen Sie bitte zum Schluss Ihres Beitrages!

Mobbing am Arbeitsplatz nimmt unter anderem bedingt durch die wirtschaftliche und soziale Lage in der Bundesrepublik Deutschland immer schlimmere und menschenverachtendere Formen an. Daher bilden Diskriminierung und Mobbing ein Kernproblem, welches direkt mit der Gleichstellungsfrage korrespondiert.

Meine Damen und Herren, Sie haben gehört, dass ich zum Schluss kommen muss. - Ich räume durchaus ein, dass unser Gesetzentwurf eventuell noch einiger Ergänzungen bedarf. Deshalb würde ich mich freuen, wenn Sie einer Ausschussüberweisung zustimmen würden. - Ich danke.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort geht an die Koalition. Für die Koalitionsfraktionen spricht der Abgeordnete Homeyer.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die einbringende Fraktion versucht mit diesem Gesetzentwurf, in einem Rundumschlag neben der Verfassung auch noch diverse weitere Gesetze mit dem Ziel zu novellieren, benachteiligte Gruppen gleichzustellen.

Dieser Gesetzentwurf und der eben von Ihnen gehörte Redebeitrag erinnern mich an manche Karikaturen so genannter Sonntagsreden. Sie haben das Ziel, sämtliche Benachteiligungen, die es unbestritten gibt, zu beseitigen - ein wahrlich hehres Ziel! Aber die gesetzlichen Rahmen gibt es bereits. Zur Umsetzung dieses Ziels kommt es jedoch auf die Menschen an; denn hierzu bedarf es in erster Linie der Toleranz, des Verständnisses, der Rücksichtnahme und auch des Engagements.

(Schuldt [DVU]: Warum handeln Sie dann nicht?)

Deshalb wundert mich, dass gerade von Ihrer Fraktion, meine Damen und Herren von der DVU, ein solcher Antrag kommt, der unter anderem die Diskriminierung aufgrund weltanschaulicher, politischer oder religiöser Positionen beseitigen will. Genau zu dieser Diskriminierung nämlich rufen Sie ständig in Ihren Publikationen und auch auf Ihren Websites auf. Beginnen Sie, meine Damen und Herren von der DVU, Toleranz und Respekt gegenüber Andersdenkenden vorzuleben! Dann wären wir in Brandenburg schon ein gehöriges Stück weiter. - Wir lehnen Ihren Gesetzentwurf ab.

(Beifall bei CDU und SPD)

Das Wort geht an die PDS-Fraktion. Für sie spricht die Abgeordnete Frau Bednarsky.

Ich begrüße derweil die Gäste von der Feuerwehr. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser so genannte Gesetzentwurf ist für alle, die sich in diesem Haus, in Verwaltungen und Unternehmen, in Vereinen und Verbänden oder anderswo für die Gleichstellung engagieren, eine Zumutung.

Hinter einer schönen bayerischen Fassade stecken Schlagworte, zusammengeschusterte Regelungen und wolkige Formulierungen, mit denen sich die DVU zur Vorkämpferin für die Gleichstellung stilisieren will.