Protokoll der Sitzung vom 19.09.2001

(Beifall bei der PDS)

Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, diesem Antrag und seinem menschlichen Anliegen eine Chance zu geben, und appelliere auch an meine Kollegin Frau Schulz, wenn sie schon nicht diesen Antrag mit einzubringen vermochte, ihn doch heute wenigstens in der Sache mitzutragen. - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und PDS)

Das Wort geht an die SPD-Fraktion, an den Abgeordneten Rademacher. Bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Schicksale der beiden kosovarischen Familien in Guben und Forst haben auch mich sehr bewegt. Umso bedauerlicher ist es, dass der vorliegende Antrag - anscheinend mit Blick auf die medienwirksamen Einzelschicksale - voreilig geschrieben wurde.

Zunächst ist nämlich zu bemerken, dass dieser Antrag noch nicht einmal einen klaren Handlungsauftrag enthält. Was soll denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Kommission, die im Rahmen des geltenden Rechts Empfehlungen gibt, eigentlich machen? Soll es die Aufgabe dieser Kommission sein, als eine Art Aufsichtsbehörde alle Entscheidungen der Ausländerbehörde nachzuprüfen? Wenn dies das Ziel ist, so muss ich sagen: Eine solche Einrichtung muss nicht erst geschaffen werden.

Wenn es allerdings Aufgabe der von Ihnen angestrebten Härtefallkommission sein soll, Fälle neu zu bewerten, die bereits rechtlich einwandfrei entschieden sind, so wird sie mit allen Anträgen gleich verfahren müssen. Sie wird sie ablehnen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Herr Kollege, würden Sie mir zustimmen, dass mit dem Halbsatz „im Rahmen des geltenden Rechts” nicht nur das geltende Ausländerrecht gemeint sein wird, sondern dass wir daneben noch das höherrangige Recht des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland und einige internationale Verpflichtungen zu berücksichtigen haben, die offensichtlich - das ermöglicht ja dem Landrat als allgemeiner unterer Landesbehörde erst das Handeln - nicht in jedem Fall mit dem geltenden Ausländerrecht in Deutschland übereinstimmen?

Sie wissen aber auch, dass der Landrat darüber nicht entscheiden kann, weil er in dem Fall keine Vollzugsstelle ist.

(Beifall bei der CDU)

Damit will ich keineswegs infrage stellen, dass die Härtefallkommissionen in anderen Ländern eine sinnvolle Aufgabe erfüllen. Für uns ist jedoch zu diesem Zeitpunkt eine Härtefallkommission, wie sie in den anderen Bundesländern existiert, ohne jeden Nutzen. Zum einen beschäftigen sich die Härtefallkommissionen in den Bundesländern, in denen sie existieren, eben nur mit Härtefällen. Eine allgemeine Prüfung von Migrationsangelegenheiten im Einzelfall ist dort nicht vorgesehen.

Herr Abgeordneter, lassen Sie noch eine Zwischenfrage zu?

Ich frage Sie, ob Sie vernommen haben, dass wir sehr wohl mit den Kommissionen in den anderen Ländern vergleichen können und dass wir vieles offen gelassen haben, damit wir uns gemeinsam einigen können.

Das habe ich vernommen, aber ich weiß nicht, ob die anderen Länder ebensolche Stellen haben wie Brandenburg, da ich leider dazu noch keinen Vergleich habe.

(Vietze [PDS]: Nordrhein-Westfalen hat so etwas, Berlin hat so etwas!)

Es gilt lediglich für einen eng begrenzten Personenkreis, um es im Bereich des Möglichen auszuschöpfen.

(Zuruf des Abgeordneten Vietze [PDS])

Was Sie mit Ihrem Antrag hier in Aussicht stellen, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat damit leider gar nichts zu tun. Daran ändert auch die zutreffende Feststellung nichts, dass die Gesetzgebung zum Ausländer- und Asylrecht kompliziert ist. Hier wird aber das Zuwanderungsgesetz der Bundesregierung in absehbarer Zeit zu einer Klärung beitragen können. Sie helfen jedoch leider keinem Bürgerkriegsflüchtling, indem Sie die Einrichtung einer weiteren Kommission fordern, deren Handlungsauftrag so ungenau umrissen ist. Anstatt uns ein solch stumpfes Schwert zu präsentieren, schlage ich Ihren Parteikollegen im Bundestag vor, konstruktiv an den Vorschlägen des Bundesministers mitzuarbeiten.

(Beifall bei SPD und CDU)

Im Ausländerrecht werden wir niemals alle Wünsche erfüllen können. Wir können aber auch ohne die Einrichtung einer Kommission, wie Sie sie vorschlagen, mehr Transparenz und Gerechtigkeit schaffen.

Die Mehrheit der SPD-Fraktion wird dem Antrag trotz des Antrages auf namentliche Abstimmung und Überweisung nicht zustimmen. - Ich danke für Ihr Zuhören.

(Beifall bei SPD und CDU)

Das Wort geht an die DVU-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Claus. - Herr Claus ist offensichtlich nicht darauf eingestellt. Wir sind in der Lage zu erkennen, dass nicht Herr Claus spricht, sondern Frau Fechner. Bitte sehr, Frau Abgeordnete.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema Härtefallkommission ist ja seit kurzem wieder in vieler Munde. Und so verwundert es auch nicht, dass die PDS-Frakti

on dieses erneut aufgegriffen hat und heute hier einen Antrag einbringt.

Bereits im Dezember 1999 wurde auf Antrag der PDS über genau dieselbe Problematik debattiert. Die Mehrheit des Parlaments sprach sich damals gegen die Einführung einer Härtefallkommission aus.

Ich bin davon überzeugt, dass sich der damalige Standpunkt der Koalitionsparteien bzw. der von Herrn Minister Schönbohm zur Einrichtung einer Härtefallkommission nicht geändert hat und dass demzufolge der Antrag heute hier keine Mehrheit finden wird. Aber schön, dass wir noch einmal darüber gesprochen haben.

Meine Damen und Herren, die PDS-Fraktion hat wortgleich denselben Antrag wie im Dezember 1999 heute hier im Plenum eingebracht. Lediglich die Begründung wurde ein wenig modifiziert.

Und noch eine Änderung gibt es: Die PDS-Fraktion hat dieses Mal eine Mitstreiterin aus der SPD-Fraktion gewonnen. Damit wird verständlich, warum die PDS diesen Antrag heute erneut einbringt. Sie hofft auf die zahlreiche Unterstützung der SPDGenossen. Aber vielleicht will sie ja auch nur den zurzeit herrschenden Koalitionsfrieden ein wenig stören. Sei es wie es sei: Den Standpunkt der DVU-Fraktion zur Einrichtung einer Härtefallkommission hatte ich bereits im Dezember 1999 eindeutig dargelegt, auch in Bezug auf die rechtlichen Belange. Das alles zu wiederholen erspare ich mir heute.

(Vietze [PDS]: Sehr gut! - Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, wir sind der Meinung, dass es in unserem Rechtsstaat genügend rechtliche Möglichkeiten gibt, auch für Ausländer und Asylbewerber behördliche Entscheidungen gerichtlich beurteilen zu lassen. Dass dies den Betroffenen auch bekannt ist, belegen die Fallzahlen bei den Verwaltungsgerichten. Über 5 000 asylrechtliche Verfahren waren im vergangenen Jahr bei den Verwaltungsgerichten im Land Brandenburg anhängig, ca. 70 beim Oberverwaltungsgericht. Will man jetzt etwa für jede Personengruppe, für jede Minderheit, die mit der gerichtlichen Entscheidung nicht einverstanden ist, eine Härtefallkommission einrichten?

Meine Damen und Herren, unsere Fraktion der Deutschen Volksunion will gar nicht bestreiten, dass es vereinzelt Fälle gibt, bei denen Auslegungsspielräume bestehen. Exakt in dieser Auslegungsfähigkeit liegt aber das Problem. Diese machte in den anderen Bundesländern schon vor längerer Zeit umfassende ergänzende Weisungen für die Verwaltung erforderlich. Und genau das führte im Sinne der objektiven Gerechtigkeit zu den Defiziten in der Anwendungspraxis des Landes Brandenburg, wo es solche Weisungen noch nicht gibt.

Unsere Fraktion war es, die aufgrund dieser Problematik einen Antrag hier im Plenum eingebracht hatte, welcher jedoch keine Mehrheit fand.

Meine Damen und Herren, zum Abschluss meiner Rede sei mir noch eine Bemerkung gestattet. Es verwundert mich doch immer wieder die Wandlungsfähigkeit der PDS-Genossen. Wie schon mehrere Redner hier in diesem Hause festgestellt haben,

hat die PDS eine Wandlung vom Saulus zum Paulus vollzogen. Vielen der hier Anwesenden wird noch die restriktive Ausländerpolitik des SED-Staates im Gedächtnis haften geblieben sein. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die rigorose Abschiebungspraxis hinsichtlich der Vertragsarbeiter aus Vietnam, Mosambik, Algerien, Angola und wo sie alle herkamen nach Ablauf ihrer Vertragszeit. Auch an die vom SED-Staat geforderte Isolierung der Vertragsarbeiter sei in diesem Zusammenhang erinnert. Besonders zu den Vertragsarbeitern, die nach Westberlin bzw. in die damalige Bundesrepublik reisen durften, waren Kontakte unerwünscht. Aber schön, dass die PDS so wandlungsfähig ist. Nicht umsonst nennt mancher sie die Partei der Wendehälse. - Ich danke.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort geht an die CDU-Fraktion. Für sie spricht die Abgeordnete Frau Richstein.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist bereits allen Fraktionen aufgefallen, dass wir genau den gleichen Antrag vor knapp zwei Jahren im Plenum behandelt haben. Ich war schon versucht, meinen damaligen Redebeitrag hervorzukramen oder ihn aus dem Protokoll zu zitieren, da sich an den Umständen nicht allzu viel geändert hat.

Ging es der PDS vor knapp zwei Jahren noch um Härtefälle und hier zitiere ich Frau Wolff:

„... Abschiebungen trotz erheblicher Gefahr für Leib und Leben oder die Trennung von Familien. Sonderfälle wie unbegleitete Minderjährige, Folteropfer oder Opfer frauenspezifischer Verfolgung...”,

so geht es der PDS-Fraktion heute um soziale Integration. Oder geht es Ihnen vielleicht nur um die öffentliche Diskussion einer Dissonanz zwischen dem Innenministerium und einem Landrat?

Der konkrete Fall, den Sie auch angesprochen hatten, Frau Wolff, war eine vietnamesische Familie, wo der Familienvater ein Stipendiat war, der hier in Deutschland eine Aufenthaltsgenehmigung hatte und ausgebildet wurde, um dann in sein Heimatland zurückzukehren und dort Aufbau- und Entwicklungsarbeit zu leisten. Die beiden anderen Fälle, die Familien aus dem Kosovo, die seit 1993 bzw. 1994 in Deutschland leben, sind keine Härtefälle; sie sind Altfälle.

Die Bundesrepublik Deutschland hat zu jedem Zeitpunkt Bürgerkriegsflüchtlinge als „Gäste auf Zeit” willkommen geheißen, aber die Innenministerkonferenz war sich im November 2000 einig, dass grundsätzlich alle Flüchtlinge die Verpflichtung haben, in ihre Heimat zurückzukehren. Vor diesem Hintergrund kann ich auch nicht nachvollziehen, warum Kollege Freese heute in der „Berliner Zeitung” äußert:

„Der CDU-Innenminister bewegt sich nicht und wir sind nicht in der Lage, ihm in einer gesellschaftspolitisch so wichtigen Frage die Grenzen zu zeigen.”

(Zuruf von der PDS: Recht hat er!)

Was soll bitte der Landesminister für Inneres an Bundesgesetzen oder an Beschlüssen der IMK ändern? Der Bundesminister des Innern ist meines Wissens noch immer ein Minister, der von der SPD gestellt wird.

(Zuruf von der SPD)