Protokoll der Sitzung vom 24.10.2001

Nun hat der Amtsdirektor offensichtlich ihm obliegende Pflichten schuldhaft verletzt. Deren disziplinarische Verfolgung, insbesondere die Zuständigkeitsfragen, sind mit dem vorliegenden Gesetzentwurf übersichtlicher und klarer ausgestaltet worden.

Nach § 86 Abs. 2 des Gesetzentwurfs nimmt bei der Verfolgung von Dienstvergehen des Landrates, des hauptamtlichen Bürgermeisters oder des Amtsdirektors nicht die ehrenamtliche Gemeindevertretung, sondern die Rechtsaufsichtsbehörde an deren Stelle die disziplinarischen Befugnisse wahr, um damit ein Mindestmaß an Fachkunde, Verwaltungserfahrung und sachlicher Neutralität zu wahren. Das Verhältnis zwischen Hauptverwaltungsbeamten und Vertretungskörperschaft soll eben nicht durch ein Disziplinarverfahren übermäßig belastet werden.

Doch neben der Pflichtverletzung ist auch ein finanzieller Schaden entstanden. Soll die Gemeinde darauf sitzen bleiben? Wer macht für die Gemeinde diesen Schadensersatzanspruch geltend? Kann sich die Rechtsaufsichtsbehörde dem einfach entzie

hen und der Gemeinde antworten, dass sie dafür nicht zuständig sei? Das Landesbeamtengesetz und die Gemeindeordnung regeln diesen Fall bislang nicht.

Nach dem Landesbeamtengesetz kann gemäß § 43 ein Dienstvergehen disziplinarisch verfolgt werden. Führt die Pflichtverletzung des Beamten jedoch auch zu einem Schaden des Dienstherrn, so hat er diesem gemäß § 44 dafür zu haften. Das ist die beamtenrechtliche Innenhaftung, weil ein Amtsdirektor im Verhältnis zu einer amtsangehörigen Gemeinde eben nicht aus Amtshaftung gemäß Artikel 34 GG, § 839 BGB haften kann. Aufgrund des gleichen Interessenkonflikts sollte somit auch hier die Rechtsaufsichtsbehörde anstelle des Dienstherrn und zur Entlastung und Unterstützung der ehrenamtlichen Funktionsträger dieser Gemeinde deren Schadensersatzforderung nach § 44 Landesbeamtengesetz einklagen können.

Da nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dieser Anspruch neben der Leistungsklage auch mit Leistungsbescheid durchgesetzt werden kann, wird umso deutlicher, dass hierzu ein ehrenamtlicher Bürgermeister nicht imstande ist, da ihm bei Streitigkeiten mit seinem Amtsdirektor wohl kaum dessen unterstellte Amtsverwaltung helfen kann.

Daher haben Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt in ihren Gemeindeordnungen bestimmt, dass Ansprüche der Gemeinde gegen Gemeinderäte und gegen den Bürgermeister von der Rechtsaufsichtsbehörde geltend gemacht werden. Auch in Brandenburg bedarf es nach meinen praktischen Erfahrungen einer solchen Regelung, um mehr Rechtssicherheit zu erreichen. Ich wollte heute die Diskussion hierzu beginnen. Der Überweisung stimmen wir als PDS-Fraktion zu. - Danke.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke dem Abgeordneten Sarrach. - Da mir die Fraktion der SPD Redeverzicht angezeigt hat, gebe ich Herrn Abgeordneten Claus das Wort. Er spricht für die Fraktion der DVU.

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf will das Land Brandenburg ein eigenes Disziplinarrecht zur Ahndung von Dienstvergehen der Beamten schaffen. Im Einigungsvertrag wird gefordert, dass auch in den neuen Bundesländern das öffentliche Dienstrecht eigenständig zu regeln ist.

Wir als DVU-Fraktion bejahen den Föderalismus, würden es aber begrüßen, wenn sich alle Bundesländer zu einheitlichen Formulierungen mit gleich lautenden Paragraphen in den Landesdisziplinarordnungen durchringen könnten. Landesspezifische Besonderheiten könnten noch in einigen Absätzen gesondert geregelt werden.

Es besteht Regelungsbedarf, zumal die Mixtur aus analoger Anwendung von Bundesrecht und niedersächsischem Landesrecht zu Schwierigkeiten führen kann. In Niedersachsen haben wir einen Regierungspräsidenten und eine volle Mittelbehörde.

Da wir uns für das Rechtsstaatsprinzip und die Wahrung der Grundrechte einsetzen, ist es keine Frage, dass bei Eingriffen,

die zugleich Rechtsverluste bedeuten, das Verfahren im Detail geregelt werden muss.

Die überwiegende Mehrheit der Beamtinnen und Beamten wird Recht und Gesetz beachten. Wie Sie wissen, gibt es aber auch Ausnahmen. Besonders dann, wenn in der Ministerialbürokratie Rechtsbrecher entdeckt werden, reagiert die Öffentlichkeit besonders sensibel.

Der Titel des Gesetzes verleitet zu der Vermutung, es diene dazu, die Beamten zu disziplinieren. Damit verbunden sind oft Vorstellungen von einem Über- und Unterordnungsverhältnis ohne persönliche Rechte. In früheren Zeiten hatte man ja die Vorstellung, dass nach der Verbeamtung das Lager der bürgerlichen Gesellschaft verlassen wird und der Eintritt in das Lager des Staates erfolgt. War man erst einmal Beamter, dann war man dem Staat einverleibt. So hieß es jedenfalls früher.

Traditionen sind zählebig. So haben wir auch in der heutigen Zeit immer noch die Vorstellung, dass sich der Beamte in einem besonderen Verhältnis gegenüber dem Staat befindet, was zu einer erheblichen Reduzierung an Rechtsschutz und insbesondere an Grundrechtsschutz führen kann. Dies wird in den Ausschussberatungen noch gesondert untersucht werden.

Beamte befinden sich in einer besonderen Treue- und Pflichtkonstellation gegenüber dem Dienstherrn. Wir haben im Grundgesetz den Satz festgeschrieben:

„Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.”

Damit will das Grundgesetz sagen, dass die ausgeübte Hoheitsgewalt auf die Willenskraft des Volkes zurückgehen muss.

Dies stellt nun besondere Anforderungen sowohl an den obersten Dienstherrn als auch an die Beamten im Land. Hierarchische Gliederungen und Weisungsgebundenheit sind aus dem öffentlichen Dienst nicht wegzudenken. Die Disziplinarordnung ist eine Warnung an sämtliche Beamte, keine Dienstverstöße zuzulassen, weil sonst ein Bruch in der Kette demokratischer Legitimation von Staatsgewalt entsteht. Der Staat bzw. seine Organe haben Verantwortung gegenüber den Bürgern, die nicht in ihren Rechten aufgrund von Dienstvergehen verletzt werden dürfen.

Meine Damen und Herren von der PDS, ich weiß, dass aus Ihren Kreisen schon der Vorschlag kam, alte Zöpfe, nämlich das Berufsbeamtentum, insbesondere das strikte Treueverhältnis, schrittweise abzuschneiden. Dies sagte der PDS-Abgeordnete Kreuzer am 11.12.1996 und dasselbe forderte sinngemäß der Abgeordnete Böttger, ebenfalls PDS, am 28.01.1998; beide sind in MecklenburgVorpommern vertreten. Diese Äußerungen können Sie nachlesen.

Die DVU steht zum Berufsbeamtentum. Nur auf diese Weise kann der Staat funktionsfähig bleiben. Besonders in Zeiten höchster Gefahr und in Notsituationen - ich denke an das Oderhochwasser oder an die augenblickliche Terrorismusbekämpfung - muss der Staat in höchstem Maß handlungsfähig sein.

Die Beamten haben die ihnen erteilten Weisungen auszuführen. Auch wenn die Formulierung „Befehl und Gehorsam” veraltet erscheint, findet sie dennoch in der Praxis ständig Anwendung.

Die Landesregierung hat seit der deutschen Einheit elf Jahre

gebraucht, um einen Gesetzentwurf vorzulegen. Das macht deutlich, in welchem Schneckentempo nicht nur diese Regierung, sondern auch ihre Vorgänger gearbeitet haben.

Der Landtag von Sachsen-Anhalt hat bereits 1994 und der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 1998 Disziplinarordnungen für Beamte verabschiedet.

Einer Überweisung in den Innenausschuss stimmen wir zu. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke dem Abgeordneten Claus. - Da mir die Fraktion der CDU ebenfalls Redeverzicht angezeigt hat, kommen wir zur Abstimmung.

Die Koalitionsfraktionen empfehlen Ihnen, die Drucksache 3/3364 an den Ausschuss für Inneres - federführend - und an den Rechtsausschuss - mitberatend - zu überweisen. Wer diesem Überweisungsantrag folgt, den bitte ich um sein Handzeichen. Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist die Überweisung einstimmig beschlossen.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 9 und rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:

Bericht über den Stand der Umsetzung der Leitlinien für die Entwicklung der Gemeindestruktur im Land Brandenburg

Bericht der Landesregierung

Drucksache 3/3365

Zudem liegt Ihnen ein Entschließungsantrag der Fraktionen von SPD und CDU in der Drucksache 3/3457 vor.

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt mit dem Beitrag der Landesregierung und erteile wiederum Herrn Minister Schönbohm das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 20. September vergangenen Jahres haben Sie den Innenminister aufgefordert - ich zitiere aus Ihrem Auftrag -

„... mit ausreichendem zeitlichen Abstand vor Ablauf der Freiwilligkeitsphase über den Stand der Umsetzung der Leitlinien in den Kommunen zu unterrichten. Hierbei ist in besonderem Maße darauf einzugehen, in welchem Umfang die Umsetzung auf freiwilliger Basis erfolgt bzw. zu erwarten ist und ob bzw. in welchem Umfang sich die Notwendigkeit gesetzgeberischer Akte zur Durchsetzung der Leitlinien abzeichnet.”

Diesen Bericht haben wir Ihnen - ich sage mit Blick auf Frau Enkelmann: mit Stand vom 31.08. - vorgelegt. Auf diesen Punkt komme ich gleich noch zu sprechen.

Der Bericht liegt Ihnen also vor und zeigt, dass die Reform auf einem guten Weg ist. Die Mehrheit der Gemeinden und Ämter geht konstruktiv an die Erfordernisse der Gemeindeneugliederung heran.

Täglich gibt es neue Entwicklungen, weswegen ich Frau Enkelmanns Unterstellung vom 19.10. in der „Märkischen Oderzeitung” - ich zitiere - „Fehler, Falschmeldungen und Lügen” mit aller Entschiedenheit zurückweise.

(Beifall bei der CDU)

Vielleicht kann das jemand der Kollegin Enkelmann mitteilen. Wenn Sie es sich genau ansehen, steht - Sie können doch lesen auf Seite 2 der Anlage zum Bericht für das Amt Wandlitz darum ging es bei Ihrer Diskussion -, dass davon ausgegangen wird, dass die Mehrzahl der Gemeinden auf dem Weg zu einer leitbildgerechten Lösung ist. Darin steht nicht, dass sie diese leitbildgerechte Lösung schon vereinbart hätten. Ich hoffe, dass Sie diese leitbildgerechte Lösung unterstützen und nicht verhindern wollen. Dann werden wir auch gemeinsame Ergebnisse haben. Darum wäre meine Bitte, Folgendes zu beachten: Der 31.08. war der Stichtag. Alles, was danach geschehen ist, haben wir wegen fehlender hellseherischer Fähigkeiten nicht in den Bericht aufgenommen.

(Prof. Dr. Bisky [PDS]: Herr Innenminister, Frau Enkel- mann lügt nicht!)

- Sie hat gesagt, ich würde lügen. Das weise ich zurück - damit das klar ist. Wenn Sie dies für eine Diktion halten, die wir hier einführen sollten, dann will ich nur sagen, dass das nicht akzeptabel ist.

(Vietze [PDS]: Wir werden es ihr sagen!)

Das Zitat, das ich nicht wiederholen will, stand in der „Märkischen Oderzeitung”.

(Prof. Dr. Bisky [PDS]: Ich habe von Frau Enkelmann und nicht von Ihnen gesprochen!)

- Gut, dann kann das Frau Enkelmann mit der Zeitung ausmachen.

Ich wiederhole: Stichtag war der 31.08. Auf der Basis des Berichts können wir feststellen, dass 64 % der Einwohner unseres Landes bereits heute in Strukturen leben, die den Vorgaben der Leitlinien entsprechen, und dass für etwa ein weiteres Viertel der Einwohner von der Gemeindevertretung eine gute und leistungsfähige Kommunalstruktur auf den Weg gebracht worden ist.