Ich wiederhole: Stichtag war der 31.08. Auf der Basis des Berichts können wir feststellen, dass 64 % der Einwohner unseres Landes bereits heute in Strukturen leben, die den Vorgaben der Leitlinien entsprechen, und dass für etwa ein weiteres Viertel der Einwohner von der Gemeindevertretung eine gute und leistungsfähige Kommunalstruktur auf den Weg gebracht worden ist.
Wöchentlich werden neue Bürgerentscheide und Genehmigungen beantragt, darum hier einige aktuelle Zahlen: Seit dem 31. August 2001 wurden elf weitere Neugliederungen mit 27 beteiligten Gemeinden genehmigt. Wir haben zurzeit Vertragsentwürfe für die Neugliederung von mehr als 170 Gemeinden vorliegen, die geprüft werden. Insgesamt sind es mehr als 600 Bürgerentscheide, die 500 Neugliederungen zur Folge hatten, sodass nur bei 50 das Quorum verfehlt wurde. Das heißt also, dass sich im Regelfall bisher alle Gemeinden, die Bürgerentscheide durchgeführt haben, für die Neugliederung ausgespro
chen haben. Wöchentlich kommen weitere Bescheide hinzu. Ich darf einmal so sagen: Im Lande herrscht eine rege Aktivität, die Neugliederung der Gemeinden selbst aktiv zu gestalten. Ich möchte mich bei all denjenigen, die daran mitwirken, herzlich bedanken.
Einige auf Eigenständigkeit und auf nicht leitliniengerechte Lösungen beharrende Gemeindevertretungen und Ämter haben sich nach intensiven Diskussionen davon überzeugen müssen, dass der andere Weg der beste ist. Ich möchte an die Kollegen im Parlament gerichtet auch sagen: Ich weiß, dass sich viele von Ihnen vor Ort in nicht immer ganz leichten Situationen befanden, und möchte mich bei Ihnen dafür bedanken, dass Sie auch persönlich dazu gestanden haben; denn die Summe aller Egoismen dient nicht dem Lande. Wir müssen gemeinverträgliche Lösungen auch durchsetzen. Die Reform ist also auf dem Weg.
In einigen Fällen streben Gemeinden, in denen der erste Versuch zur Neugliederung aufgrund des ablehnenden Votums im Bürgerentscheid fehlschlug, einen neuen Bürgerentscheid an; weil sie sagen, es muss doch eine Lösung geben, die die Bürger überzeugt. In einigen Ämtern gibt es nach wie vor Widerstand gegen leitliniengerechte Veränderungen, zum Teil gegen jede Veränderung, weil gesagt wird: Das, was wir haben, reicht uns. - Damit werden wir uns genauso auseinander setzen wie mit den Fragen der Kragen-Ämter oder der Modell-2-Ämter. In all diesen Fällen können Sie dem Bericht entnehmen, wo wir stehen.
Deutlich ist: Die Gemeinden und Ämter, die sich gegen diese Neugliederung sträuben, werden am Ende des Prozesses in der Minderheit sein. In diesen Fällen werden Gesetze unumgänglich sein; wir werden Entsprechendes dazu vortragen. Dies wird ein weiter, ein mühsamer Weg wegen der damit verbundenen Anhörungen sein, was ich aber nicht beklage, da dies zum Gesetzgebungsverfahren gehört.
Es muss nochmals betont werden: Die Leitlinien stehen nicht zur beliebigen Disposition. Sie sind die Grundlage der raumdifferenzierten Umsetzung der Gemeindestrukturreform und damit von allen Gemeinden und Ämtern bei der Entwicklung konkreter Strukturvorschläge zu beachten. Sie beinhalten auch klare Vorgaben für die Genehmigungsfähigkeit von beabsichtigten Gemeindezusammenschlüssen. Das Innenministerium ist an diese Leitlinien gebunden, weil alles das, was wir machen, vergleichbar und begründbar und an gemeinsamen Grundlagen orientiert sein muss.
Es geht in der jetzt noch verbleibenden Zeit der Freiwilligkeitsphase darum, viele der jetzt noch Zögerlichen davon zu überzeugen, dass eine Neugliederung auch in ihrem Interesse liegt, aber auch darum, deutlich zu machen, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit hat, durch gesetzgeberische Maßnahmen Zusammenschlüsse vorzunehmen, wenn diese nicht in einer Weise vorgenommen werden, die dem Gemeinwohl entspricht.
Alle Gemeindevertreter, Bürgermeister und Amtsdirektoren, die bisher nicht bereit waren, leitbildgerechte Strukturen zu entwickeln, sollten genau prüfen, ob sie es gegenüber ihren Bürgern verantworten können, die Gestaltungsräume ihrer Politik nicht auszureizen; denn im Rahmen dieser Politik haben sie die Möglichkeit, durch die Gebietsänderungsverträge gestaltend mit da
rauf einzuwirken, wie die Beziehungen zwischen den verschiedenen Gemeinden in Zukunft geregelt werden. Gerade die Möglichkeiten der Ortsteilverfassung und der Gestaltung eines sanften Überganges in die neue, größere Gemeinde durch auf den Einzelfall angepasste Lösungen sind der große Vorzug einer Neugliederung durch Vertrag zwischen den Gemeinden.
Der Bericht gibt ein klares Bild: Wo stehen wir? Was ist noch zu leisten? Es kann jetzt, fünf Monate vor Ablauf der Freiwilligkeitsphase, gesagt werden: Politischer Gestaltungswille, verbunden mit intensiven Gesprächen mit den Menschen vor Ort - wir haben Hunderte von Beratungsgesprächen mit Gemeindevertretern in Einwohnerversammlungen und Amtsausschüssen geführt - führen zum Erfolg. Wir müssen dafür werben und die Bürger überzeugen und nicht einfach verkünden. Wir haben bisher das Erforderliche getan und werden es auch weiter tun. Dafür bitte ich um Ihre Unterstützung. - Herzlichen Dank.
Ich danke Herrn Minister Schönbohm. - Das Wort erhält nun die Fraktion der PDS, Herr Abgeordneter Sarrach.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor einem Jahr hat der Landtag die Leitlinien der Landesregierung zur Gebietsreform zur Kenntnis genommen, sie jedoch nicht beschlossen. Die PDS-Fraktion hat sich aus Ihnen bekannten Gründen gegen diese Leitlinien ausgesprochen.
In diesem einen Jahr ist viel passiert. Die Landesregierung hat ihre Leitlinien in alle Gemeinden getragen und immer wieder auf ihre unbedingte Einhaltung gepocht, als seien sie ein vom Landtag beschlossenes Gesetz.
Verfassungsrechtlich kann es nicht Leitlinien der Regierung überlassen bleiben, die Gründe des öffentlichen Wohls zu konkretisieren. Das ist dem Parlament vorbehalten. Das Parlament muss schließlich auch selbst das System für die gemeindliche Neugliederung aufstellen. Bürger Schönbohm,
Sie können nicht den Grundsatz: Der Staat bin ich!, für sich in Anspruch nehmen. Nein, Bürger Schönbohm, Sie sind nicht der Staat.
Zwischenzeitlich sind dann teilweise Inhalte der Leitlinien wie die Mindesteinwohnersollzahl oder die Ortsteilverfassung in Gesetzesform gegossen worden, ein Gesetz, das nicht mehr und nicht weniger ist als ein Gesetz zur Förderung freiwilliger Zusammenschlüsse. Das hatten wir auch schon 1998 in Brandenburg; denn andererseits ist der Landtag beim Budgetrecht des Ortsbeirates und dem Vetorecht des Ortsbürgermeisters erheblich von den Leitlinien abgewichen und hat dies anders und deutlich schlechter für die Ortsteile geregelt.
Kriterien für die Umwandlung der Ämter in Einheitsgemeinden, Kriterien für die Lösung der Stadt-Umland-Problematik fehlen
im Gemeindereformgesetz gar völlig. Darauf wird im vorliegenden Bericht allerdings nicht Bezug genommen.
Ausgespart sind auch andere Fakten. Wenn die Landesregierung auf Seite 3 des Berichts mit Bezug auf die Arbeit der Enquetekommission feststellt, dass der Reformbedarf parteiübergreifend unbestritten war, so ist das falsch.
- Erinnern Sie sich nicht mehr an das Minderheitenvotum, Herr Schippel, der CDU-Abgeordneten Homeyer und Werner? - Die CDU-Fraktion lehnte die Empfehlungen der Enquetekommission ab, weil bei finanzieller Entlastung der Kommunen die derzeitige Struktur der Ämter beibehalten werden könne. Der Kommission machte die CDU den Vorwurf, sich wider besseres Wissen für eine Reform der Kommunalstrukturen ausgesprochen zu haben, wo doch eine bessere finanzielle Ausstattung schon alle Probleme lösen könne.
Diese Totalverweigerung der CDU-Fraktion, formuliert im April 1999, ist nachzulesen im Abschlussbericht der Kommission. Ich habe mir die Zitate deswegen erspart, Herr Schippel.
Ich will Ihnen zugestehen, dass Sie diese Fakten schamhaft aussparen wollen, aber wir werden Ihnen den ständigen Vorwurf nicht durchgehen lassen, die PDS blockiere alle Reformen, während Sie im Gegensatz zu Ihren Aussagen von vor zwei Jahren wie die Axt im Walde den kommunalen Kahlschlag betreiben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit den Leitlinien empfiehlt die Landesregierung, dass sich mehr als die Hälfte der Ämter zu Einheitsgemeinden umwandeln sollen. Dabei entwickelt die Regierung einen außerordentlich starken Druck insbesondere auf die Ämter im berlinnahen Raum.
Auch die neuen Zahlen können nicht über den bisherigen Erfolg der Reform hinwegtäuschen. Bis Ende August 2001 haben sich zwei der 152 Ämter zu amtsfreien Gemeinden umgebildet; es gibt 49 amtsangehörige Gemeinden weniger. Ich merke an, dass zwei Drittel der Freiwilligkeitsphase vorbei sind.
Diese bescheidenen Zahlen waren offensichtlich Anlass, die Ausgangsbilanz der Reform im Nachhinein zu verändern. Jetzt können sich 1,66 Millionen Brandenburger, also 64 % der Bevölkerung, darüber freuen, dass sie bereits vor Beginn der Reform leitliniengerecht gelebt haben. Vorher ging es um die Anzahl der Gemeinden mit weniger als 500 Einwohnern. Durch die Schaffung dieser Bezugsgröße ist also der Erfolg der Reform einerseits schon jetzt gesichert; andererseits wird so versucht, auf die noch nicht leitliniengerechten Gemeinden, die sich in einer scheinbaren Minderheit befinden, zusätzlichen Druck auszuüben. Besonders stark ist der Druck auf die Gemeinden, für die sich abzeichnet, dass leitbildgerechte Strukturen durch den Gesetzgeber geschaffen werden müssen - so der Bericht. Das betrifft dann nur 6 bis 11 % der Bevölkerung. Wer möchte schon zu einer solchen Minderheit gehören, der Totalverweigerung unterstellt wird?
In einer ausgesprochenen Fleißarbeit hat das Innenministerium detailliert den Stand der Gemeindereform in den einzelnen Kreisen dargestellt. Dafür bedanke ich mich.
Auch wenn nach unserer Kenntnis manche Angaben über bevorstehende Gemeindezusammenschlüsse eher von Wunschdenken geprägt sind, will ich mich an diesen Zahlen orientieren. Sie stellen dar, dass in voraussichtlich 13 von 35 Ämtern im berlinnahen Raum bis zum Ende der Freiwilligkeitsphase die Bildung einer Einheitsgemeinde stattfinden wird. In 19 Fällen gibt es Schwierigkeiten, wobei in elf dieser Ämter alle oder fast alle Gemeinden das Amt erhalten wollen. Für uns ist das ein deutlicher Beleg für den Unsinn, alle Ämter im engeren Verflechtungsraum in amtsfreie Gemeinden umwandeln zu müssen.
Ähnlich verhält es sich mit den Ämtern nach Modell 2, deren Entwicklung in etwa der Hälfte der Fälle noch ungewiss ist. Große Probleme gibt es auch mit den anvisierten Eingemeindungen in kreisfreie Städte. Der Innenminister geht davon aus, dass zum Ende der Reform circa 137 bis 146 amtsfreie Gemeinden und nur noch 39 bis 47 Ämter bestehen bleiben. Für die so genannte Freiwilligkeitsphase hatte Herr Schönbohm angekündigt, dass sich 70 bis 80 % der Gemeinden freiwillig zusammenschließen werden. Davon ist er nach Ablauf eines Jahres weit entfernt und es bleiben nur noch fünf Monate Zeit. Sie versuchen in Ihrem Entschließungsantrag der Koalition, mit Drohgebärden den ohnehin starken Druck auf Widerstand leistende Gemeinden weiter zu erhöhen, um eine Niederlage zu vermeiden; denn wenn sich die freiwilligen Zusammenschlüsse nicht in dieser Größenordnung abspielen werden, dann wird es eng für Herrn Schönbohm. Wenn man die Zahlen addiert, die im Bericht genannt werden, so geht die Regierung optimistisch davon aus, dass zwischen 325 und 355 Gemeinden sich nicht freiwillig den Vorgaben der Leitlinien unterwerfen wollen. Vom Landtag zu erwarten, dass er kurz vor den Kommunalwahlen Hunderte von Gemeinden zwangsweise zusammenschließt, ist jedoch - so hoffe ich - blauäugig.
Wir beantragen eine Überweisung dieses Berichts in den Ausschuss für Inneres, um die nötige differenzierte Diskussion zu ermöglichen, zu der der Entschließungsantrag der Koalition keinen Beitrag leistet.
Herr Abgeordneter Sarrach, ich habe seit einiger Zeit die rote Lampe eingeschaltet. Ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.
Welche Angst müssen Sie in der Koalition haben, dass Sie den Stand der Reform so schönreden und eine Sprache benutzen, die an ein Politbüro erinnert!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Sarrach, ich kenne kein Politbüro und Sie sind vermutlich zu jung, um diesbezüglich etwas näher zu kennen. Insofern verstehe ich Ihre Bemerkung nicht.
Wir stellen fest: Der Auftrag des Parlamentes, einen Zwischenbericht zur Gemeindereform zu geben, ist durch die Landesregierung erfüllt worden. Unser Entschließungsantrag ist keine Drohgebärde, er ist nicht aus Ängstlichkeit gestellt worden, sondern weil wir feststellten - das finden Sie in dem Entschließungsantrag -, dass es neben Erfolgen auch noch ein paar ungelöste Probleme gibt. Es gibt aber keine Erkenntnisse, die dafür sprechen, von den Leitlinien abzuweichen, weil sie schlichtweg nicht umsetzbar seien. Ich weise im Speziellen auf KragenÄmter und Ähnliches hin. Wir werden daran festhalten.
Herr Sarrach, in Bezug auf die von Ihnen angesprochenen Einwohnerzahlen mache ich Sie auf Folgendes aufmerksam: Ich habe mir vom Innenministerium eines anderen Bundeslandes Angaben zum Vorhaben Gemeindereform aus dem Internet ziehen lassen. Damit wir uns nicht falsch verstehen - das ist nicht vergleichbar mit Brandenburg. Da steht zum Beispiel:
„Einheitsgemeinden sind die effektivste und leistungsstärkste Form kommunaler Selbstverwaltung auf Ortsebene. Einheitsgemeinden sollten mindestens 7 000 Einwohner haben. Die Mindestgröße bei Ämtern oder Verwaltungsgemeinschaften sollte mindestens 10 000 bis 12 000 Einwohner betragen. In dem Bereich von Verwaltungsgemeinschaften sind Gemeinden mit mindestens 1 200 Einwohnern anzustreben.”
In Bezug auf die Kritik an der Durchführung der freiwilligen Umsetzungsphase steht dort, unmittelbar nach der Verabschiedung des Leitbildes solle begonnen werden; die freiwillige Phase solle im Jahr 2002 enden. Die parlamentarische Entscheidung solle spätestens im Spätsommer des Jahres 2002 abgeschlossen sein, um ausreichend Zeit für die Kommunalwahlen zu haben, die in diesem Bundesland 2004 stattfinden, also noch später als bei uns.
Herr Sarrach, Sie werden aufpassen müssen. Das ist ein Entwurf einer Landesregierung, an der Sie zumindest in Form eines Tolerierungsmodells beteiligt sind. Das ist der Entwurf von Sachsen-Anhalt. Hören Sie auf, den Leuten hier in Brandenburg Angst zu machen!