Protokoll der Sitzung vom 22.11.2001

Bleibt noch Ihr Argument, dass die Teilnahme Jugendlicher an Kommunalwahlen auch in Brandenburg seit langem eine wichtige Forderung im politischen Raum sei. Ich kann diesen politischen Raum nicht erkennen. Ich habe - wie wohl alle Kolleginnen und Kollegen in diesem Parlament - sehr oft mit Jugendlichen Kontakt und werde in diesen Gesprächen mit ganz anderen Themen konfrontiert, die für die Jugendlichen interessant sind und die wir in der Tat hier im Landtag zu besprechen haben. Zu diesen Themen gehört aber nicht die Frage, ob sie mit 16 oder 17 Jahren wählen können.

(Beifall bei der CDU)

Da mich der Herr Präsident schon auf das Ende meiner Redezeit hinweist, möchte ich nur noch ebenso wie Herr Muschalla darauf hinweisen, dass es Beteiligungsmöglichkeiten für Jugendliche sehr wohl gibt. Ich nenne nur die Jugendparlamente und die Jugendgremien in einzelnen Kommunen, die besonders wichtig sind, um Jugendliche an Politik heranzuführen.

Lassen Sie mich an dieser Stelle noch betonen, das Rechte keine Einbahnstraße sind. Wir müssen zwischen Rechten und Pflichten eine klare Beziehung schaffen bzw. eine solche klare Beziehung in unserem Rechtssystem beibehalten.

(Beifall bei der CDU)

Als CDU-Fraktion werden wir Ihren Antrag ablehnen. Damit werden wir zugleich das Signal an die Jugendlichen aussenden, dass wir unabhängig davon ihre Interessen in unserer Politik jeden Tag berücksichtigen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Wir sind damit bei der Landesregierung. Herr Minister Schönbohm, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zuletzt haben Sie 1996/97 hier im Landtag umfassend über das Herabsetzen der Altersgrenze für das aktive Kommunalwahlrecht auf das 16. Lebensjahr beraten. Diese parlamentarischen Beratungen wurden von einer breiten und intensiven öffentlichen Diskussion begleitet. Im Antrag der PDS-Fraktion habe ich keine Erkenntnisse festgestellt, die nicht bereits beim letzten Mal erörtert wurden.

In der damaligen Diskussion - daran erinnere ich - wurden gegen die Absenkung des Wahlalters für das aktive Kommunalwahlrecht insbesondere folgende Gründe genannt: Im Sinne einer einheitlichen Legitimation sollte das aktive Wahlrecht auf der Kommunal-, Landes- und Bundesebene einheitlich sein. Die isolierte Einführung des Jugendwahlrechts bei Kommunalwahlen könnte zudem die Bedeutung des kommunalen Wahlrechts abwerten.

Ich erinnere ferner daran, dass in Hessen - das ist bei der Aufzählung vermutlich aus Zeitgründen vergessen worden - die Einführung des kommunalen Wahlrechts für 16-Jährige 1998 beschlossen worden war und aufgrund der dort gesammelten Erfahrungen am 26. März 2000 durch den Gesetzgeber rückgängig gemacht wurde. Man hat es dort wieder auf 18 Jahre angehoben.

(Zuruf der Abgeordneten Frau Dr. Enkelmann [PDS])

- Das hätten Sie doch erwähnen können. Wollten Sie nicht zwischen den Parlamenten unterscheiden?

(Vietze [PDS]: Ich habe noch die Chance zu reden!)

- Ich werde Ihnen zuhören, Herr Kollege Vietze.

Die Einräumung des Wahlrechts als das zentrale demokratische Mitwirkungsrecht müsse mit der Bereitschaft und der Möglichkeit zur Übernahme von Verantwortung korrespondieren. In Deutschland sei daher das Wahlrecht mit Ausnahme des kurzen Zeitraumes zwischen 1972 und 1975 stets an die Volljährigkeit geknüpft worden. Auch komme dem Wahlrecht mindestens die gleiche Bedeutung wie den Alltagsgeschäften des täglichen Lebens zu, die ein Minderjähriger als Folge der noch nicht erreichten Geschäftsfähigkeit eben noch nicht wirksam abschließen könne. Maßgeblicher Grund hierfür sei - so wurde damals erläutert -, dass die Geschäftsfähigkeit im bürgerlichen Leben einen Grad persönlicher Reife voraussetze, den das Bürgerliche Gesetzbuch erst mit der Vollendung des 18. Lebensjahres annimmt. An diesen Gründen hat sich, wie ich glaube, auch nach dem, was vorgetragen wurde, nichts geändert. Vielleicht kommt aber noch etwas Neues in Ihrer Erläuterung, Herr Vietze.

Besondere Erwähnung verdienen die zahlreichen Veranstaltungen und Gespräche, die hierzu mit den unmittelbar betroffenen Jugendlichen geführt wurden. Hierzu sind bereits von den beiden Koalitionsfraktionen Ausführungen gemacht worden. Es hat sich herausgestellt, dass die selbst betroffenen Jugendgruppen mehrheitlich keine Veränderungen des Wahlrechts wollen. Das ist der entscheidende Punkt: Unseren jungen Menschen geht es zunächst einmal um eine qualifizierte Schul- und Berufsausbildung, die alle Chancen am Arbeitsmarkt und damit einen

aussichtsreichen Weg in die Zukunft ermöglicht und so Möglichkeiten gesellschaftlicher Mitwirkung eröffnet. Vornehmliche Pflicht der Politik ist es daher, auf dem Wege einer nachhaltigen Schul-, Wissenschafts-, Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik die hierfür erforderlichen Rahmenbedingungen zu schaffen. Die Landesregierung wird dies unverändert als eine ihrer zentralen Aufgaben ansehen. Insoweit ist das Herabsetzen des Wahlalters ein Nebenthema, das die wesentlichen Belange der Betroffenen verkennt.

Es erscheint zweifelhaft, ob sich die Lebenssituation und die Reife der Jugendlichen in den letzten Jahren grundlegend verändert haben. Dies wäre ja ein neuer Grund. Es sind aber Zweifel erlaubt, ob die heute 16- und 17-Jährigen das Jugendwahlrecht überhaupt wollten und die Einführung des Jugendwahlrechts bei den Jugendlichen tatsächlich ein größeres Interesse als bei der letzten Diskussion hervorriefe. Solange diese Zweifel nicht überzeugend ausgeräumt werden können, macht es nach meiner Auffassung keinen Sinn, die breite und intensive Diskussion der letzten Wahlperiode zu wiederholen. Hinzu kommt, dass seit 1996/97 keine neuen Argumente für oder gegen die Absenkung des Wahlalters vorgetragen worden sind. Zurzeit sind also keine durchgreifenden Gründe ersichtlich, die im Rahmen der Abwägung und im Gegensatz zum Ergebnis der Willensbildung in der letzten Wahlperiode für die Einführung des Jugendwahlrechts bei Kommunalwahlen sprechen könnten. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich danke Ihnen, Herr Minister Schönbohm. - Herr Vietze, Ihnen stehen noch drei Minuten Redezeit zu.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit der 1996/97 geführten Diskussion haben die Entscheidungen, die zwischenzeitlich in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen im Zusammenhang mit dem Wahlrecht für 16- bis 18-Jährige bei Kommunalwahlen gefällt wurden, und die Entscheidung in Hessen, das Jugendwahlrecht wieder außer Kraft zu setzen, sehr wohl eine ganze Reihe neuer Erkenntnisse und Erfahrungen gezeitigt, die es aus unserer Sicht legitimieren, dieses Thema wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Möglicherweise hat es auch damit etwas zu tun, dass die in den jeweiligen Ländern Regierenden unterschiedlich an das Thema herangehen. Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen haben eine andere Position zum Wahlrecht als das CDU-geführte Hessen. Insofern sollten wir einfach die Fähigkeit entwickeln, eigene Entscheidungen zu treffen. Es wäre angemessen, im Hauptausschuss noch einmal über diese Sachverhalte zu sprechen; es wäre sicherlich interessant, diese Erfahrungen zur Kenntnis zu nehmen und dann zur Grundlage einer Entscheidung zu machen.

Herr Minister Schönbohm, Sie haben von einem Akt persönlicher Reife gesprochen, die erst mit 18 Jahren erreicht sein solle. Wenn es ein Akt der persönlichen Reife ist, mit 16 Jahren Mitglied der CDU werden zu können, dann sollte ein 16-Jähriger auch das Recht haben, die CDU zu wählen, mindestens jedenfalls in einem Kommunalparlament.

(Beifall bei der PDS - Zuruf von Minister Schönbohm)

Dieses Recht hat man mit 16 Jahren nicht nur bei der CDU, sondern auch bei uns. Und ich finde, diese Möglichkeit sollte man einfach jungen Leuten einräumen.

(Kolbe [SPD]: Bei uns mit 14, Herr Vietze! Wer bietet mehr?)

- Bei Ihnen mit 14, umso besser.

Herr Vietze, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Aber bitte.

Frau Hartfelder, bitte.

Meinen Sie nicht auch, dass es das Recht und die Pflicht ist, wählen zu gehen, und dass wir in der Politik darauf achten sollten, dass es nicht unbedingt die Pflicht ist, in die CDU zu gehen?

(Lachen und Beifall bei der PDS)

Frau Hartfelder, ich bin für Ihre Frage in einem derartigen Maße dankbar, dass ich sagen kann: Es ist ja auch so, dass es durchaus andere Parteien gibt, die sich jungen Leuten anbieten und im Übrigen von denen auch angenommen werden, auch bei Wahlen.

Hier wurde dargestellt, was eine Befragung von 5 000 Jugendlichen zuwege gebracht hat. Darauf möchte ich doch noch einmal aufmerksam machen. Bei der Bürgermeisterwahl in Luckenwalde gab es eine TED-Umfrage. Dabei ging es um den Bürgermeisterinhaber - CDU -; er hat bei der TED-Umfrage 75 % der Stimmen erhalten. Die Kandidaten von SPD und PDS kamen unter „ferner liefen”.

Herr Abgeordneter, ist das eine Antwort auf die Frage?

Das Wahlergebnis vor einer Woche war auch überzeugend. Der Amtsinhaber ist mit 22 % hängen geblieben, und in der Stichwahl befinden sich die Kandidaten von SPD und PDS, die nach der TED-Umfrage überhaupt keine Chance gehabt hätten.

(Beifall bei der PDS)

Ich finde, man sollte diese Vergleiche sein lassen, weil sie nichts bringen.

(Unruhe im Saal - Glocke des Präsidenten)

Ich habe nur noch eine Minute Zeit. Ich möchte einfach dafür werben, diese beiden Gesetzesinitiativen in den Hauptausschuss zu überweisen, weil ich meine, die Erfahrungen in SchleswigHolstein, in Nordrhein-Westfalen und übrigens auch in Mecklenburg-Vorpommern, weil das so oft zitiert wird, sollten ausgewertet werden. In Mecklenburg-Vorpommern hat der Innenminister Gottfried Timm - SPD - Folgendes gesagt - das möchte ich zum Schluss zitierend erwähnen -:

„Warum ist es sinnvoll, Jugendliche an der Kommunalwahl zu beteiligen? Sinnvoll ist es deshalb, weil wir anstreben, die demokratischen Strukturen und Grundwerte zu festigen. Ich meine, was Jugendlichen zur Funktionsweise der Demokratie erläutert wird, das sollten sie auch in der Wirklichkeit erleben.”

Wie wahr gesprochen, Unterstützung aus Brandenburg! Und wir sollten darüber reden. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS)

Nun sind wir am Ende der Rednerliste und ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Die Fraktion der PDS beantragt die Überweisung ihres Entwurfs, Drucksache 3/3508, an den Hauptausschuss. Wer diesem Überweisungsansinnen folgen will, möge die Hand aufheben. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist die Überweisung mehrheitlich beschlossen.

(Beifall bei der PDS - Zurufe von SPD und CDU)

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf, Drucksache 3/3509. Auch hier beantragt die PDS-Fraktion die Überweisung an den Hauptausschuss. Wer diesem Überweisungsansinnen folgen möchte, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen?

(Zuruf von der SPD: Ja! - Lachen bei der PDS)

Stimmenthaltungen? - Damit ist der Überweisungsantrag mehrheitlich abgelehnt.

Wir kommen damit zur Abstimmung in der Sache. Wer dem Gesetzentwurf, Drucksache 3/3509, folgen möchte, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf in 1. Lesung abgelehnt und damit erledigt.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 7.