Protokoll der Sitzung vom 06.03.2002

An dieser Stelle zitiere ich einen Kalenderblattspruch, der mir letztens aufgefallen ist und sehr gut auf die Situation passt:

“Der Irrtum hat drei Stufen. Die erste Stufe ist, dass man ihn begeht; das ist menschlich. Die zweite Stufe ist, dass man ihn nicht wahrhaben will; auch das ist noch menschlich, wird aber bereits tragisch. Die dritte Stufe ist, dass man den Irrtum nicht rückgängig machen kann oder will oder jedenfalls glaubt, ihn nicht rückgängig machen zu können; das ist töricht.”

Meine Damen und Herren, zu jedem Schlüssel gibt es in der Regel ein Duplikat. Deswegen bitte ich Sie, einen zweiten Versuch zu starten. Zwei Türen bleiben Ihnen ja noch.

Herr Abgeordneter, da Sie gerade über den Irrtum sprachen, nehme ich an, dass Sie dem Irrtum erliegen, noch Redezeit zu haben.

Herr Präsident, eben blinkte gerade noch die gelbe Lampe, das heißt, ich habe noch eine Minute Zeit.

Wählen Sie besser, wählen Sie klug! Zwei Türen bleiben Ihnen noch, nachdem Sie hinter der ersten Tür nichts gefunden haben.

Im Übrigen lege ich den Kollegen, die hier einige Unwahrheiten verbreitet haben, nahe, bestimmte Protokolle aus den Untersuchungsausschüssen - ich verweise auf die Anhörung von Dr. Köllen, Geschäftsführer der IVG - nachzulesen. Der stärkste Tobak, den ich heute hier gehört habe, kam von Herrn Ehler.

Herr Abgeordneter Schulze, ich habe Sie sehr freundlich auf das Ende Ihrer Redezeit hingewiesen.

Lassen Sie mich noch den Irrtum von Herrn Ehler richtig stellen, den er hier öffentlich verbreitet hat. Er sprach von 1,4 Milliarden DM Mehrkosten für die Verkehrsanbindung in Sperenberg.

Herr Abgeordneter Schulze, klären Sie das bitte im persönlichen Gespräch.

Sie wissen, dass das ein tumbes Märchen ist. - Ich danke Ihnen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Das Wort geht jetzt an die Landesregierung. Herr Minister Fürniß.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem ich vor zwei Jahren begann, mich mit diesem Projekt zu beschäftigen, habe ich drei Dinge relativ schnell gelernt. Erstens ist dieses Projekt - diese Einschätzung gilt heute noch; hier gibt es, wenn ich es richtig verstanden habe, keine großen Unterschiede - für die wirtschaftliche Entwicklung und die Schaffung von Arbeitsplätzen in dieser Region nicht nur notwendig, sondern unverzichtbar.

(Beifall bei CDU und SPD)

Das Zweite, was ich gelernt habe: Es ist ein sehr schwieriges Projekt, weil es nicht immer ganz einfach ist, die unterschiedlichen Interessenlagen zusammenzubringen. Das gilt für die Interessenlagen der Gesellschafter genauso wie für die Interessenlagen der an den Konsortien beteiligten Unternehmen und letztlich auch für die politischen Interessenlagen. Die Erfahrung dieser zwei Jahre hat aber gezeigt, dass die Gesellschafter zusammenstehen und den Ausbau von Schönefeld zu einem internationalen Drehkreuz gemeinsam wollen. An dieser Haltung der Gesellschafter gibt es keinen Zweifel.

Das Dritte, was ich gelernt habe: Diesem Projekt ist nur zum Erfolg zu verhelfen, wenn wir uns von der Auffassung verabschieden, wir könnten eine politische Lösung für dieses Projekt finden. Für dieses Projekt gibt es keine politische, sondern nur eine wirtschaftlich vernünftige Lösung.

(Zurufe von der PDS - Gegenruf von der SPD: Halb- schwanger geht nicht!)

Eine wirtschaftliche Lösung bedeutet, in einer vorgegebenen Zeit zu Ergebnissen zu kommen. Dies bedeutet für uns als Gesellschafter, dass die Interessen der öffentlichen Hand gewahrt sein müssen. Wir müssen uns um die Interessen der Menschen in dieser Region bemühen, um Handlungsfähigkeit herzustellen. Das heißt, wir müssen in der zur Verfügung stehenden Zeit Ergebnisse erzielen. Außerdem müssen wir - hier gebe ich Ihnen Recht, Frau Tack - auch in Alternativen denken.

(Frau Tack [PDS]: Sie sagen es!)

- Ich komme darauf gleich noch zurück. - Die Botschaft an unsere Verhandlungspartner lautet: Wir sind den Weg der Privatisierung gegangen und wir wollen die Privatisierung zu einem Erfolg bringen. Aber wir sind auch in der Lage, dieses Projekt auf einem anderen Wege zu realisieren; wir sind nicht erpressbar.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten von Arnim [CDU])

Das heißt aber auch, wenn das richtig ist, was ich sage, dass wir nur dann herausfinden können, wie ein Verhandlungsergebnis aussieht, wenn wir verhandeln. Nur dann, wenn wir mit dem Konsortium in Verhandlungen eintreten, können wir feststellen, wie weit die Bereitschaft gegeben ist, zu einem wirtschaftlich vertretbaren Ergebnis zu kommen. Für alle, die in dem Aufsichtsrat von PPS bzw. BBF sitzen gibt es nur eine Messlatte, nämlich die, ob es möglich ist, ein wirtschaftlich vertretbares Ergebnis zu erzielen. Alle anderen Kriterien haben dahinter zurückzutreten.

Dann müssen wir diese Verhandlungen schnell abschließen, um wiederum möglichst schnell, wenn das denn notwendig sein sollte, auf Alternativen umsteigen zu können, um diese dann voranzutreiben. Das tun wir. Sie dürfen nicht glauben, dass wir nicht auch in Strukturen und Strategien denken dahin gehend, was ist, wenn wir in den Verhandlungen nicht zu dem Ergebnis kommen, das wir wollen. Aber unser klares Ziel ist zunächst einmal, in den Verhandlungen zu einer Privatisierung zu kommen, dies allerdings zu wirtschaftlich vertretbaren Ergebnissen für das Land.

Ich möchte jetzt gern Sie, Frau Tack, auf etwas ansprechen, was

Sie hier erwähnt haben. Sie haben gesagt, wir ließen uns von Gerichtsurteilen treiben. Mein Verständnis von Rechtsstaat ist anders, nämlich so, dass es gut und richtig ist, dass jeder, der das Gefühl hat, seine Interessen vor Gericht wahren zu sollen, dies auch wirklich tun kann. Dass das für uns manchmal schwierig ist, ist gar keine Frage. Aber ich würde das nicht als “treiben lassen”, sondern als eine notwendige Begleitung in einem Rechtsstaat bezeichnen. So sollten wir es auch belassen.

Der Vergleich der DDR-Regierung mit den seit der Wende frei gewählten Bundesregierungen auf der Basis des Begriffs Schlüsseltechnologie ist eine Verharmlosung, die nicht nur nicht zulässig ist, sondern die der Sache auch nicht gerecht wird.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD - Zurufe von der PDS)

Meine Damen und Herren, klar ist - erstes Argument -, dass wir einen Flughafen in dieser Region brauchen, weil die Kapazitäten der jetzigen Flughafensysteme nicht ausreichen. Jetzt gibt es eine Aufteilung in drei Standorte mit insgesamt sechs Start- und Landebahnen, die weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll ist. Die Gesamtbilanz, bezogen auf Flächenverbrauch, Anlagebewirtschaftung, Lärm- und Verkehrsbelastung, fällt bei der Konzentration des Luftverkehrs auf einen Flughafen deutlich günstiger aus.

Zweites Argument: Mit der Entscheidung für den Ausbau des Flughafens Schönefeld können wir auf vorhandene Strukturen aufbauen.

Drittes Argument: Wir können bei der Entwicklung zu einem Luftdrehkreuz, die notwendig und möglich ist, die Lage dieses Flughafens in der Hauptstadtregion, aber auch bei der geostrategischen Betrachtung der Märkte in Skandinavien und Osteuropa als großen Vorteil für uns betrachten.

Natürlich ist es keine Frage, dass es dann, wenn drei Flughäfen zusammengelegt werden, auch Synergieeffekte bei den Arbeitsplätzen gibt. Das ist nicht zu bestreiten; das wird so sein. Klar ist aber auch - das wissen wir von den Flughäfen, die weltweit betrieben werden -, dass man erstens dabei Geld verdienen kann und dass zweitens das meiste Geld im Flughafenumfeld verdient wird. Deshalb ist es so wichtig, dass wir in Brandenburg das Flughafenumfeld entwickeln. 60 % des Umsatzes werden nicht auf dem Flughafen, sondern im Flughafenumfeld gemacht.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang einige Flughäfen als Beispiele anführen. Flughafen Detroit: 70 000 Arbeitsplätze bei 40 Millionen Passagieren. Flughafen Madrid: 155 000 Beschäftigte bei 50 Millionen Passagieren. Amsterdam: 1999 51 000 Beschäftigte. Das sind 45 % mehr als 1989. München: Derzeit 18 000 Beschäftigte, und zwar mit einer klaren Prognose auf 30 000 im Jahre 2010. Frankfurt - trotz allem, was Sie zitiert haben -: Tatsache ist, dass auf dem Flughafen Frankfurt am Main und um diesen Flughafen herum 60 000 Menschen beschäftigt sind. Das ist die größte nationale Arbeitsstätte mit einer Lohnund Gehaltssumme von jährlich fast 2 Milliarden DM.

Sie können also nicht ernsthaft bestreiten, dass im Flughafen und um den Flughafen herum zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden. Die Wirklichkeit kann man auch in einem Parlament nicht wegdiskutieren.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Die Wirklichkeit ist, dass dieses Projekt für unser Land, für die Hauptstadtregion Arbeitsplätze schaffen, die Region attraktiver machen und uns an die internationalen Strukturen anbinden wird.

(Homeyer [CDU] - an die PDS gewandt -: Genau das wollen die doch nicht!)

Deswegen ist dieses Projekt für uns nicht nur wünschenswert, sondern unverzichtbar. - Vielen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke Herrn Minister Fürniß und gebe das Wort noch einmal an die Fraktion der SPD. Herr Abgeordneter Dellmann, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie wissen, dass die SPD-Fraktion das Projekt BBI für Berlin und Brandenburg realisieren will und realisieren wird. Wir wollen einen zukunftsfähigen Flughafen für die Region Berlin-Brandenburg am Standort Schönefeld. Wir wollen nicht, dass dieser Flughafen in Leipzig oder in Stendal entsteht. Wir wollen, dass dieser Flughafen eine Zukunft für die Wirtschaft und die Arbeitsplätze in unserer Region bedeutet.

(Beifall bei SPD und CDU)

Angesichts der Kritik vonseiten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und der Rechnungshöfe an dem aktuellen Verfahrensstand - ich nenne als Beispiel hier nur den Landesrechnungshof Brandenburg, der das Gesamtrisiko der Privatisierung auf bis zu 1,3 Milliarden Euro schätzt - ist aber zu fragen, was wir zugunsten des Projekts jetzt tun müssen.

(Zurufe von der PDS)

Meine Damen und Herren, mit uns wird es keine Privatisierung zu jedem oder um jeden Preis geben.

Gibt es Alternativen? - Es gibt etliche Alternativen; allerdings muss über eines Einigkeit herrschen: Bei Alternativen bedarf es der Änderung von Parametern des Verfahrens. Gelten müsste: Zuerst die Planung, dann der gegebenenfalls privat finanzierte Bau des BBI.

Erste Priorität ist, dass das Planfeststellungsverfahren vorangetrieben und zu einem erfolgreichen Abschluss geführt wird. Hierbei ist ausdrücklich zu begrüßen, dass sich das MLUR der Landesplanung Schönefeld angenommen hat - aus meiner Sicht eine längst überfällige Maßnahme - mit der erneuten Auslegung der Planungsunterlagen, Begründung der Standortauswahl SXF und der Anhörung der betroffenen Gemeinden.

Die SPD-Fraktion begrüßt in diesem Zusammenhang des Weiteren, wie verlässlich die Zusagen zu den Umsiedlungen Diepensee und Selchow von den BBF-Gesellschaftern, insbesondere von der Landesregierung Brandenburg, aktuell umgesetzt werden.

Nach Vorliegen eines gerichtsfesten Planfeststellungsbeschlusses könnte der Flughafen zum Bau und Betrieb ausgeschrieben werden. Dann bestünden keine rechtlichen Risiken mehr für die öffentliche Hand, die in Verträge übernommen werden müssten. Vielmehr ergäbe sich die Möglichkeit, einen höheren Verkaufspreis zu erzielen, und zwar ohne rechtliche Risiken gegenüber den Erbauern und den Betreibern des Flughafens.

Ein Flughafen mit erfolgreicher Planfeststellung und Baurecht wäre sicherlich wertvoller, zumal davon auszugehen ist, dass sich bis zum Zeitpunkt einer erneuten Ausschreibung auch die internationale Luftfahrtbranche noch weiter erholen wird. Auch aus diesem Grunde haben wir hinsichtlich der Privatisierung der BBF auch gar keinen Grund, nervös zu werden.

Da der von einigen ursprünglich befürchtete Abfertigungsnotstand der Berliner Flughafensysteme außer Sicht ist, muss zudem über die Beschleunigung des Schließungsverfahrens in Berlin-Tempelhof nachgedacht werden. Wenn wir dies forcieren, dann brauchte die BBF die 10 Millionen Euro Verlust aus dem Tempelhof-Betrieb nicht mehr zu tragen und hätte eine solidere Basis.