Protokoll der Sitzung vom 06.03.2002

Ich empfehle Ihnen noch einmal Burgharts Schrift von der “Pflicht zum guten Gesetz”. Ein gutes Gesetz muss angesichts der Übernormierung unserer Zeit notwendig sein, ein gutes Gesetz muss verständlich, vollständig, systemverträglich, funktionsgerecht und zielsicher sein.

Doch sehen wir uns Ihren Gesetzentwurf an. Was soll eigentlich die Buchstabenaneinanderreihung “BbgStHAOG” bedeuten? Bestandteile der Überschrift eines Gesetzes sind die Bezeichnung, die Kurzbezeichnung und die Abkürzung. Ist wie hier die Bezeichnung zu lang und eignet sich nicht als Zitiername, soll eine unmissverständliche Kurzbezeichnung bestimmt werden, was Sie nicht taten, wobei schließlich die Abkürzung genügend Ähnlichkeit mit dem ausgeschriebenen Zitiernamen haben sollte. Nun gut, dann haben Sie eben ein “Brandenburgisches Staatshaftungs-, Aufsichts- und Obhutsverhältnis-Gesetz” vorgelegt, das in weiten Teilen vom Staatshaftungsgesetz der DDR als dem nach dem Einigungsvertrag fortgeltenden Landesrecht

abgeschrieben wurde. Das erklärt, weshalb Sie anachronistisch noch immer von “staatlichen Organen” und “staatlichen Stellen” sprechen.

Allerdings muss ich Sie fragen, welchen Sinn es macht, den Spezialfall einer etwaigen Staatshaftung, nämlich die Haftung für Straftaten von Personen, die aufgrund gerichtlicher Entscheidungen in einem Sonderstatusverhältnis stehen, zu kodifizieren, wenn bereits ein unter systematischen Gesichtspunkten kaum zu ordnendes Dickicht von Anspruchsinstituten des Staatshaftungsrechts vorhanden ist. Es ist doch kein Mehr an Rechtsklarheit, wenn diesem unübersichtlichen Rechtsgebiet der Staatshaftung in Brandenburg noch weitere - wie ich meine, auch überflüssige - Normen hinzugefügt werden.

In Ihrer Gesetzesbegründung verweisen Sie doch selbst auf das Urteil - es ist möglicherweise sogar bahnbrechend - des OLG Karlsruhe bezüglich der “zufälligen” Opfer einer Gewaltstraftat. Danach kann die fehlerhafte Gewährung der Vollzugslockerung als Verletzung einer drittbezogenen Amtspflicht Amtshaftungsansprüche nach Artikel 34 GG und § 839 BGB auslösen.

Wenn das OLG zu diesem konkreten Lebenssachverhalt ausführt, dass die verletzte Amtspflicht nicht nur generell den Schutz der Allgemeinheit bezweckt habe, sondern auch dem grundrechtlich geschützten Anspruch des Einzelnen gegen den Staat auf Achtung seiner Würde und auf Leben und körperliche Unversehrtheit als subjektiv öffentliche Rechtsposition diene, dann heißt das nicht, dass auf das Eigentum und das Vermögen von Bürgern bezogene Schutzpflichten ausgespart werden. Ich frage mich, wie Sie zu dieser Schlussfolgerung kommen. Bitte, nehmen Sie von der DVU zur Kenntnis, dass die Garantie körperlicher Integrität und privaten Eigentums als zentrale Grundrechte der staatshaftungsrechtliche Ausgangspunkt im Verhältnis zwischen Bürger und Staat ist.

Die Anerkennung der einforderbaren Verpflichtungen der Staatsgewalt gegenüber den Staatsbürgern bildet die Basis von Regeln der Staatshaftung. Der Betroffene hat also - freilich nur bei Vorliegen eines Verschuldens - aus Amtshaftung einen Ersatzanspruch, soweit ihm ein Vermögensschaden entstanden ist. Der Vermögensschaden muss dabei auch nicht auf einer Verletzung der in § 823 Abs. 1 BGB aufgezählten Rechtsgüter basieren. Folgerichtig verurteilte das OLG auch den Täter zum Ersatz des künftigen Unterhaltsschadens.

Wenn Sie von der DVU nun eine verschuldensunabhängige Staatshaftung ohne spezielle Haftungsbegrenzungen wollen, so bringen Sie mir erstens den Nachweis, dass dieser Spezialfall nicht vom geltenden Staatshaftungsgesetz der DDR abgedeckt wird, und bringen Sie zweitens eine Novelle zum Staatshaftungsgesetz ein, bevor Sie mit dem vorgelegten Gesetzentwurf am Staatshaftungsrecht herumstümpern. Denn es bedarf beispielsweise keiner Regelung - wie in Ihrem § 2 Abs. 1 - hinsichtlich der Unterscheidung von Schäden an Körper, Eigentum oder Vermögen. Das in § 1 des Staatshaftungsgesetzes der DDR geschützte Rechtsgut “Vermögen” umfasst nach Auslegung bereits das gesamte Vermögen, also auch Eigentum im Sinne des Artikels 14 des Grundgesetzes, nicht nur Eigentum an Sachen, sondern auch Forderungen und Rechte sonstiger Art.

Drittens wäre einfach die Entwicklung der Rechtsprechung abzuwarten; denn Handlungsbedarf in Ihrem Sinne bestünde

erst wieder, wenn weitere Gerichte im Bereich der Vollzugslockerung keine drittbezogene Amtspflicht anerkennen sollten. Das sehe ich derzeit nicht. Wir lehnen Ihren Gesetzentwurf und dessen Überweisung deshalb ab.

(Beifall bei der PDS und des Abgeordneten Muschalla [SPD])

Wir sind damit bei der Landesregierung, die Verzicht signalisiert, womit wir die Rednerliste abgearbeitet hätten.

Wir kommen zur Abstimmung. Die DVU beantragt die Überweisung ihrer Drucksache 3/3901 an den Rechtsausschuss. Wer diesem Überweisungsansinnen folgen will, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Damit ist die Überweisung mehrheitlich abgelehnt worden.

Wir kommen zur Abstimmung in der Sache. Wer dem Gesetzentwurf in 1. Lesung folgen möchte, möge die Hand aufheben. Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf mehrheitlich abgelehnt worden und damit erledigt.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 5 und rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Struktur und Aufgaben der Landesgesellschaften

Bericht der Landesregierung

Drucksache 3/3739

Weiterhin liegt Ihnen ein Entschließungsantrag der Fraktion der PDS in Drucksache 3/3966 vor.

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung. Frau Ministerin der Finanzen, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Landtag hat die Landesregierung beauftragt, ihm über Maßnahmen der Effizienzsteigerung sowie der Verbesserung von Transparenz und Kontrolle bei den Landesgesellschaften zu berichten.

Der am 18.12.2001 von der Landesregierung beschlossene Bericht liegt Ihnen vor. Er enthält das Konzept für eine nachhaltige Optimierung der Beteiligungspolitik. Neben der konsequenten Reduzierung und Optimierung des Beteiligungsportfolios sollen die organisatorischen Strukturen und Kompetenzen so gestaltet werden, dass Zielverfehlungen und unwirtschaftliches Handeln möglichst frühzeitig erkannt und wirkungsvoll bekämpft werden können. Außerdem soll die Kontrolle des Regierungshandelns durch das Parlament noch besser gewährleistet werden.

Richtschnur der künftigen Beteiligungspolitik der Landesregierung werden die im Bericht aufgeführten Leitlinien sein.

Erstens: Das bisher aufgebaute Beteiligungsportfolio wird grundsätzlich nicht weiter vergrößert. - “Grundsätzlich” heißt:

Es gibt natürlich auch Erweiterungsmöglichkeiten. - Die Landesregierung prüft die Reduzierung der Beteiligungen auf die im Interesse des Landes unbedingt notwendige Zahl.

Zweitens: Sollte eine Aufgabenerledigung in privatrechtlicher Form besser und wirtschaftlicher sein, ist zunächst zu prüfen, ob auf vorhandene Landesgesellschaften zurückgegriffen werden kann, bevor eine neue Beteiligung eingegangen wird. Dabei ist aber die Landeshaushaltsordnung restriktiv anzuwenden.

Drittens: Angestrebt wird ein optimiertes Zielportfolio, in dem der Fokus des Interesses auf den derzeit fünf Schlüsselbeteiligungen liegt, zu denen ich im Folgenden noch weitere Ausführungen machen werde.

Viertens: Abgesehen von den Schlüsselbeteiligungen werden zum Zielportfolio zunächst neun Gesellschaften gehören, an denen das Land mit weiteren Mitgesellschaftern beteiligt ist. Es handelt sich um Bund-Länder- oder Länderunternehmen, bei denen das Land keine alleinige Entscheidungskompetenz hat, zum Beispiel um den Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg und die Deutsch-Polnische Wirtschaftsförderungsgesellschaft.

Fünftens: Bei weiteren elf Unternehmen - es handelt sich immerhin um gut ein Drittel der bestehenden Beteiligungen - wird geprüft, ob von den vertraglich angeordneten Möglichkeiten zu einer Beendigung des Beteiligungsengagements Gebrauch gemacht werden soll oder ob wegen sonstiger Änderungen der Sachlage ein Fortbestand der Beteiligung infrage gestellt wird.

Meine Damen und Herren! Wir haben in den letzten Wochen eine sehr intensive und gute Diskussion zum Komplex Landesgesellschaften geführt. Dabei wurden viele kritische und schwierige Fragen, insbesondere zu Risiken, zur zentralen oder dezentralen Führung sowie zur Fortführung von LEG-Projekten, aufgeworfen.

Ohne das Ergebnis der kritischen Überprüfung vorwegzunehmen, kann ich mir vorstellen, dass sich das aus den derzeit 33 unmittelbaren Beteiligungen bestehende Zielportfolio künftig auf ungefähr 20 verringern lässt. Das Land Brandenburg würde damit in Zukunft über ein überschaubares, transparentes und effizientes Beteiligungsportfolio verfügen und damit würde in vollem Umfang das in der Landeshaushaltsordnung festgeschriebene Subsidiaritätsprinzip berücksichtigt. Der Staat soll sich danach an Unternehmen eben nur dann beteiligen, wenn er so seine Aufgaben am besten und am wirtschaftlichsten erledigen kann.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat bereits mit folgenden Straffungsmaßnahmen begonnen:

Erstens wird die Abwicklung von sieben Unternehmen forciert. Dabei wiegt die Liquidation der Landesentwicklungsgesellschaft natürlich am schwersten.

Zweitens hält die Landesregierung gemeinsam mit dem Bund und Berlin allen Widrigkeiten zum Trotz daran fest, die BBF zu privatisieren.

Drittens werden im Geschäftsbereich des Wirtschaftsministeriums drei Unternehmen fusioniert und unter dem Dach der ZukunftsAgentur Brandenburg mit der ILB verzahnt.

Viertens ist die Veräußerung der Landesbeteiligungen an den Ruppiner Kliniken eingeleitet worden.

Diese Maßnahmen bewirken bereits eine erhebliche Reduzierung der Beteiligungen des Landes und tragen entscheidend zur angestrebten Steigerung von Effizienz und Transparenz im Beteiligungsbereich bei. Wir sind dabei aber nicht stehen geblieben. Das Ministerium der Finanzen hat in Abstimmung mit dem Ausschuss für Haushalt und Finanzen des Landtags eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft beauftragt, ein Gutachten zur Risikobewertung von Landesgesellschaften und zu möglichen Synergieeffekten zu erstellen. In das Gutachten wurden die fünf bestehenden Schlüsselbeteiligungen sowie die beiden in Liquidation befindlichen Gesellschaften Brandenburgische Landgesellschaft und Landesentwicklungsgesellschaft einbezogen.

Unter Schlüsselbeteiligungen verstehen wir Gesellschaften, die besondere Chancen, zum Teil aber auch Risiken in sich bergen. Bei diesen Unternehmen können sich Risiken aufgrund der Höhe des Landesanteils und der Größe des Unternehmens besonders nachteilig auswirken. Zu den Schlüsselbeteiligungen gehört neben der Investitionsbank des Landes, der ZukunftsAgentur Brandenburg, der Land Brandenburg Lotto GmbH und der Landesagentur für Struktur und Arbeit auch die Brandenburgische Bodengesellschaft. Letztgenannte Gesellschaft bleibt hinsichtlich ihres bisherigen Aufgabenbestandes unverändert und muss den im WGT-Gesetz enthaltenen Auftrag abarbeiten.

Ich komme nun zu den zwei wesentlichen Ergebnissen des Gutachtens. Ein Vorschlag sieht eine weitgehende Bündelung und Optimierung der Angebote von ILB, ZAB und LASA vor, die sich insbesondere durch die Einbeziehung der LASA in den Kooperationsverbund ZukunftsAgentur Brandenburg erreichen ließen. Dies wäre ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einer zentralen Anlaufstelle für Investoren in unserem Land.

Ebenso wird vorgeschlagen, Ansatzpunkte für mögliche Synergien zwischen der ZAB und den auf dem Liegenschaftssektor tätigen Gesellschaften BBG, BLG i. L. und LEG i. L. zu nutzen. Durch eine enge Zusammenarbeit könnten über die ZAB zusätzliche Käuferpotenziale erschlossen werden, während die ZAB gleichzeitig Investoren Informationen über geeignete Grundstücke und Standorte geben könnte.

Diese Vorschläge begrüße ich ausdrücklich. Sie führen zu der von der Landesregierung gewünschten verstärkten Kooperation der Landesgesellschaften und eben zu einer zentralen Anlaufstelle für Investoren.

Das Gutachten hat aber auch aufgezeigt, dass die Spielräume für Bündelungen tatsächlich eher gering sind. Unser Beteiligungsportfolio entspricht dem Durchschnitt der übrigen Länder. Mit den von mir angestrebten lediglich rund zwanzig Beteiligungen könnten wir im Ländervergleich sogar zum Vorreiter für eine schlanke Beteiligungsstruktur werden.

Meine Damen und Herren, die zweite große Aufgabe ist die Schaffung von optimalen organisatorischen Strukturen. Diese stellen wir durch Einführung eines zielorientierten Beteiligungscontrollings sowie durch eine optimierte zentrale Beteiligungsverwaltung und Beteiligungssteuerung sicher.

Zunächst zum Beteiligungscontrolling: Controlling bedeutet,

verkürzt gesagt, Steuerung durch Planung und Kontrolle. Beteiligungscontrolling ist auf die Ziele des Fachressorts ausgerichtet. Schließlich wurde auf dessen Initiative die Beteiligung eingegangen. Controlling setzt also Zielvorgaben der Fachressorts zwingend voraus. Eben deshalb wird im Bericht ein Zielsystem und ein Einstieg in ein Beteiligungscontrolling vorgeschlagen.

Für die wichtigen Beteiligungen, auf die das Land maßgeblichen Einfluss hat, wird ein Zielsystem etabliert, bei dem so genannte Zielbilder als Steuerungs- und Kontrollinstrumente eingesetzt werden. Hierzu muss das Fachressort über die Festschreibung des Geschäftszwecks in den Satzungen der Unternehmen hinaus konkrete fachliche Vorgaben entwickeln. Diese werden dann Grundlage für die mittelfristigen Planungen der Unternehmen und die Aufstellung der jährlichen Wirtschaftspläne sein.

Die Aufgabenerfüllung des Unternehmens basiert auf dieser Planung und orientiert sich an den Vorgaben. Die Zielvorgaben sind damit Maßstab für die tägliche Arbeit der Unternehmen und für deren Kontrolle.

Eine Schlüsselfunktion kommt dabei den Aufsichtsräten zu. Die Landeshaushaltsordnung sieht ausdrücklich vor, dass der Einfluss des Landes auf Unternehmen über die Aufsichtsräte geltend zu machen ist. Den Aufsichtsräten landesbeteiligter Unternehmen gehört daher stets ein Vertreter des Fachressorts an, um zu gewährleisten, dass die Geschäftspolitik mit den vom Land verfolgten Zielen übereinstimmt. Den Aufsichtsräten kommt also eine zentrale Rolle als Bindeglied zwischen den Gesellschaften und dem jeweiligen Fachressort zu.

(Zuruf von der PDS)

Wir haben im Bericht auch dargelegt, wie wir die Gesellschafterstellung des Landes künftig stärken und ein gemeinsames und zwischen Fachressorts und Ministerium der Finanzen abgestimmtes Handeln sichern wollen. Dazu sind Koordinierungsinstrumente vorgesehen, die erstens eine Festlegung von klaren Verantwortlichkeiten in den Fachressorts, zweitens regelmäßige Abstimmungen zwischen Fachressort und Aufsichtsratsmitglied sowie drittens zwischen Beteiligungsverwaltung und Fachressort bewirken.

Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang betone ich, dass die LEG-Krise nicht den Blick darauf verstellen darf, dass bei der überwiegenden Zahl der Landesgesellschaften gute Arbeit geleistet wird und die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Fachressort und Beteiligungsverwaltung vernünftig funktioniert. Auch die LEG-Mitarbeiter sind davon nicht ausgenommen. Ich danke ausdrücklich all denjenigen, die als Mitglieder von Aufsichtsräten immer auf die Berücksichtigung der Interessen des Landes geachtet haben und auch weiterhin achten werden.