Protokoll der Sitzung vom 31.12.2000

Ich halte es für durchaus angebracht, zur Hälfte der Wahlperi

ode Bilanz zu ziehen: Was ist erreicht? Was liegt noch vor uns? Die Öffentlichkeit hat ein Recht auf diese Auskünfte. Mit verantwortlicher Politik hat es wohl wenig zu tun, Herr Bisky, wenn Sie das als irrationales Theaterspiel verunglimpfen, bzw. wie heute wieder - als Provinzposse und Trauerspiel. Auf dieser Bühne gehören Sie zum Ensemble, auch wenn nicht immer ganz klar wird, welche Rolle Sie zu spielen gedenken.

(Beifall bei der SPD - Zurufe bei der PDS)

Mut machen können Sie den Brandenburgern so jedenfalls nicht.

(Zuruf bei der PDS)

Die wichtigste, alle Politikbereiche betreffende Entscheidung war natürlich, die Nettoneuverschuldung des Landes auf null zu bringen, auch wenn der dafür ursprünglich vorgesehene Zeitrahmen erweitert werden musste. Die Sinnlosigkeit, immer mehr Landeseinnahmen über den Kapitaldienst den Banken in die Tresore zu spülen und damit das Land immer handlungsunfähiger zu machen, leuchtet wohl jedem ein.

(Zurufe bei der PDS)

Die Umkehrung dieses Prozesses ist alternativlos. Über das Wie und Wann dieses Prozesses wird es nach wie vor kontroverse Meinungen und hoffentlich auch konstruktiven Streit geben. Das ändert an der Zielstellung insgesamt aber nichts. Es wird auch in Zukunft so bleiben, auch wenn wir erwarten, dass das Leben noch mehr - vielleicht auch mehr kostenträchtige - Überraschungen für uns bereithält.

Der gegenwärtige Doppelhaushalt zeigt deutlich, dass wir auf Konsolidierungskurs geblieben sind. Nach heutiger Erkenntnis können wir das Ziel der Nettoneuverschuldung von null im Jahre 2005 erreicht haben, und zwar bei nahezu gleich bleibendem jährlichen Etat von circa 10 Milliarden Euro. Das gelingt natürlich nur, wenn neben gleich bleibenden Rahmenbedingungen, die ja nicht zwangsläufig zu erwarten sind, die Personalausgaben des Landes wirklich auf einen Wert von circa 20,7 % gesenkt werden und sich die Einnahmesituation nicht verschlechtert.

Um dies zu erreichen und gleichzeitig die Verwaltungsarbeit leisten zu können, ist die Verwaltungsstrukturreform unumgänglich. Die Arbeiten zur Modernisierung sind in vollem Gange und beginnen bereits zu wirken. Die Zielstellung und die Arbeit der AVO werden dabei von uns nachhaltig unterstützt.

(Beifall bei SPD und CDU)

Neben der Konzentration von Aufgaben und dem damit verbundenen Wegfall von Abteilungen in den Verwaltungen, der Einführung von sechs Verwaltungsregionen im Lande, dem E-Government und anderen Optimierungsvorhaben ist der Abbau von Normen und Standards eine wichtige, wenn auch komplizierte Aufgabe für die nächste Zeit. Damit können Zeit und Geldressourcen eingespart werden. Es können auch die Bürgernähe verbessert und die Beschleunigung der Verwaltungsvorgänge erreicht werden.

Auch andere Sparpotenziale mussten und müssen erschlossen

werden, und zwar, ohne die Kofinanzierung der Bundes- und der EU-Mittel und prioritäre Politikfelder zu gefährden. Das ist keine leichte Aufgabe. Deshalb haben wir uns in der Koalition auf Kriterien verständigt, nach denen künftig zu treffende Entscheidungen beurteilt und geprüft werden sollen. Dazu gehören die Schaffung neuer bzw. die Erhaltung bestehender Arbeitsplätze, die Wertschöpfung im Lande, das Steueraufkommen, die Entwicklung des Bruttosozialprodukts. Finanzpolitische Entscheidungen, die diesen Kriterien in hohem Maße entsprechen, werden Priorität vor anderen haben müssen.

Ich halte es für sinnvoll, einmal eine Studie in Auftrag zu geben, die die Effizienz des Mitteleinsatzes im Land Brandenburg unter diesen Kriterien analysiert und ein möglichst objektives Bewertungsraster erzeugt.

Neben all diesen Maßnahmen, die auf die Konsolidierung bei gleichzeitiger sozial ausgewogener Erfüllung der Aufgaben ausgerichtet sind, gilt es natürlich, Fehler in der Zukunft - Stichwort: LEG - zu vermeiden.

Fehler vermeiden ist aber nicht gleichbedeutend mit Risiko vermeiden. Großvorhaben, die bei der Realisierung deutlich positive Folgewirkungen haben - zum Beispiel der Flughafen Schönefeld und die Chipfabrik - sind nie risikolos. Eine gründliche Abwägung der Risiken ist erforderlich. Aber ohne die Bereitschaft, trotzdem solche Investitionen zu fördern, würde es in Brandenburg keine Entwicklung geben. Dennoch werden wir auch in Zukunft darauf achten müssen, dass die unternehmerischen Risiken so weit wie möglich bei den Unternehmen bleiben und nicht beim Steuerzahler abgeladen werden.

Was haben wir, was hat die Koalition in den letzten zweieinhalb Jahren getan, um der Lösung gesellschaftlicher Probleme näher zu kommen, und was gedenken wir künftig zu tun? - Der Grundsatz, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren, hat angesichts unverändert hoher Arbeitslosenzahlen nichts an Aktualität verloren. Mit dem Programm „Arbeit statt Sozialhilfe” konnten circa 6 000 Menschen in zum Teil auch dauerhafte Erwerbsarbeit gebracht werden. Der Anteil an wirtschaftsintegrierten Vergabemaßnahmen konnte gesteigert werden und weist zurzeit deutschlandweit den höchsten Anteil aus. Das muss fortgesetzt werden, auch wenn wir bedenken, dass Investitionen, die beispielsweise 1 Million Euro pro Arbeitsplatz kosten, das Äquivalent für circa 200 geförderte Arbeitsplätze für ein Jahr oder für 20 geförderte Arbeitsplätze für zehn Jahre sein können, wobei wir nicht einmal wissen, ob der geförderte Platz am ersten Arbeitsmarkt nach zehn Jahren überhaupt noch existiert. Das ist also durchaus eine ernst zu nehmende Alternative, die jedes Mal einer sorgfältigen Prüfung bedarf. Es kann keine pauschale Ablehnung der Förderung von AB-Maßnahmen auf dem zweiten Arbeitsmarkt geben.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Gleich wichtig und wesentlich nachhaltiger für den Einzelnen sind die Maßnahmen zur beruflichen Qualifikation und zur Förderung von Existenzgründungen, wobei besonderer Wert auf die Chancengleichheit für Frauen und Männer gelegt werden soll. Große Anstrengungen wurden unternommen, um trotz des Rückganges der Zahl betrieblicher Ausbildungsplätze jedem Brandenburger Schulabgänger einen Ausbil

dungsplatz anzubieten. Diese Zusage gilt natürlich auch für die kommenden Jahre.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Dr. Ehler [CDU])

In zunehmendem Maße können wir erfreulicherweise auch die Ansiedlung von derzeit noch kleinen Unternehmen in den Bereichen der innovativen und Hochtechnologien feststellen. Insbesondere in den Bereichen Informationstechnologie, Mikroelektronik, Biotechnologie sind über Aus- und Neugründungen viele Keimzellen für künftige Technologiestandorte entstanden, die bereits heute Weltniveau besitzen und Brandenburg zu einem führenden Bundesland auf diesem Arbeitsfeld machen. Diesen Keimzellen muss jegliche politische Unterstützung zuteil werden; denn sie sind die Zukunftsbranchen von morgen.

Diese Unterstützung darf sich aber nicht auf die Bereitstellung von Fördermitteln beschränken - so wichtig dieser Teil auch sein mag -, sondern genauso wichtig ist ein investitionsfreundliches Gesamtklima. Ich denke, dass mit der Einrichtung der ZAB ein wichtiger Schritt in diese Richtung getan wurde. Die Rundumbetreuung von Investoren und Existenzgründern ist oftmals viel mehr wert als Geld allein. (Beifall bei SPD und CDU)

Das gilt auch für die Aktivitäten, die die Brandenburger in Richtung Ausland unternehmen, Herr Bisky.

Die Behauptung, entwicklungspolitisch finde - weil wir kein Geld einsetzen können - gar nichts mehr statt, ist schlichtweg falsch. Wir haben sehr viele Initiativen, die über die einzelnen Ressorts in die Nachbarländer und weiter in die Welt hinaus reichen.

Natürlich sind für uns auch die infrastrukturellen Rahmenbedingungen wichtig und weiterentwickelt worden. Die Weiterentwicklung muss fortgesetzt werden. Die Defizite auf den Gebieten Verkehr, Städtebau sowie medienmäßige Erschließung sind deutlich abgebaut worden. Wohnungen stehen in ausreichender, man muss sogar feststellen, in mehr als ausreichender Menge zur Verfügung. Das Stadtumbauprogramm trägt sowohl der sinkenden Bevölkerungszahl in den ländlichen Gebieten als auch den wirtschaftlichen und sozialen Belangen der Einwohner Rechnung. Mit diesem Programm kann erreicht werden, dass die Städte noch lebenswerter werden und das Wohnumfeld weiter verbessert wird.

Genauso wichtig wie die bauliche ist die geistige, intellektuelle Infrastruktur. Gut ausgebildete junge Menschen sind die sicherste Zukunftsinvestition für Brandenburg und

(Beifall bei der SPD)

- es kommt noch ein wichtiger Satz - jeder Jugendliche, der das Land verlässt, ist einer zu viel.

(Beifall bei der SPD)

Sie wissen: Bereits heute klagen die Branchen der IUK- und Biotechnologie, aber auch des Handwerks über Fachkräfte

mangel. Der künftige Mangel an Auszubildenden lässt Fehlentscheidungen in der Berufswahl im Interesse der Schüler und der Unternehmen immer weniger zu. Deshalb müssen die Berufswahlentscheidungen sorgfältig vorbereitet und abgewogen werden, um die nötige Treffsicherheit zu erreichen. Dies erfordert Vorbereitung und geschieht nicht von allein. Die vielfältigen Kontakte zwischen Schulen und Unternehmen, die aus unserer Initiative „Schule und Wirtschaft” entstanden sind, zielen genau in diese Richtung.

Wissenschaft, Bildung und Ausbildung bilden immer einen der Schlüssel für die Zukunft eines Landes. Die im Koalitionsvertrag festgeschriebene Bildungs- und Wissenoffensive wird zügig weiter vorangebracht.

Mit der Schulgesetzänderung im Jahr 2001 wurden erste Weichen für eine moderne Bildung gestellt. Die Einführung verschiedener Neuerungen wie Fremdsprachenunterricht ab der 3. Klasse, leistungsbezogene Versetzung, Bewertung des Arbeits- und Sozialverhaltens, Prüfungen nach der 10. Klasse, Zentralabitur, die Aktion „Schüler fit für die Wirtschaft” oder das Fach Arbeitslehre in seiner neuen Form wird eine bedeutende Qualitätsverbesserung bewirken.

Die Medienoffensive m.a.u.s. - dies wurde bereits erwähnt - ist ein weiterer Baustein dafür.

Auch die Absicht, die Schulzeit auf zwölf Jahre zu verkürzen, behalten wir bei. Die Schulversuche „4 plus 8“ und „6 plus 6“ werden uns zusammen mit der Auswertung der PISA-Studie helfen - Sie wissen, dass dabei nicht immer Einigkeit unter den Koalitionsfraktionen besteht -, die zukünftigen Strategien festzulegen.

(Zuruf von der PDS: Das haben wir uns schon gedacht!)

Dann sagen Sie doch nicht andauernd, es sei kein Unterschied mehr zwischen den Parteien zu erkennen.

(Zurufe der Abgeordneten Prof. Dr. Bisky und Frau Dr. En- kelmann [PDS])

Neben vielen anderen noch auszuwertenden Erkenntnissen zeigt uns diese Studie auch, dass eine lange gemeinsame Schulzeit der Schüler offensichtlich von großem Vorteil für das zu erreichende Bildungsniveau ist. Dies ist seit langer Zeit eine Forderung der SPD.

(Beifall bei der SPD - Frau Kaiser-Nicht [PDS]: Sagen Sie das einmal Frau Blechinger!)

Das sind Themenfelder, bei denen Sie - wenn Sie die Meinungsbildungsprozesse beobachten - die Unterschiede zwischen den Parteien sehr deutlich feststellen können. Dass diese Unterschiede im Ergebnis nicht mehr erkennbar sind, liegt im Wesen eines Kompromisses; denn wir beschließen gemeinsam.

(Zuruf der Abgeordneten Frau Kaiser-Nicht [PDS])

Das gilt übrigens auch für den Kompromiss zwischen LER und dem Fach Religion.

(Zuruf bei der PDS)

Dieses Ziel erreichen zu können heißt Rechtsklarheit, Rechtssicherheit und Rechtsfrieden herzustellen. Das bedingt aber auch, dass dieses Ziel von allen Beteiligten prioritär verfolgt wird und nicht mitten auf dem Wege immer wieder Versuche unternommen werden, die Ergebnisse und Zwischenergebnisse aufzuweichen. In dem Falle wäre im Interesse des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit ein Urteil des Verfassungsgerichtes in der Tat besser geeignet, Klarheit zu schaffen. Wir hoffen, dass es dazu nicht kommen muss.

Eine gute Schulbildung ist Voraussetzung für gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt und für gute Zugangsbedingungen zu den Hochschulen. Deshalb bleiben wir bei der Aussage: Schule, Wirtschaft und Wissenschaft sind eine funktionale Einheit. Nur der gut ausgebildete Schulabgänger wird einen vernünftigen Arbeitsplatz finden. Der Unternehmer ist darauf angewiesen, gut ausgebildete Lehrlinge zu bekommen, und beide sind darauf angewiesen, aus der Wissenschaft immer neue Impulse und Anregungen zu bekommen.

Wir haben in der Wissenschaft, bei den Hochschulen in diesem Jahr eine Trendwende zur besseren Ausfinanzierung erreicht. Das heißt nicht, dass alle Wünsche erfüllt sind, aber es lässt hoffen, auch wenn das Optimum aus Sicht der Hochschulen noch nicht erreicht ist.

Mit der hohen Konzentration universitärer und außeruniversitärer Forschung im Raum Berlin-Brandenburg haben wir ein großes Potenzial innovativer Einrichtungen, das für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Diese Entwicklung - der schnelle Technologietransfer direkt aus der Forschung hin zu Unternehmensgründungen und Umsetzung patentierten Wissens in international verkaufbare Produkte - ist im Wettbewerb mit anderen Regionen die große Chance für Brandenburg,

(Beifall bei der SPD)