Protokoll der Sitzung vom 31.12.2000

Auf dem Lausitzring jagen die Hoffnungen nach wie vor wenigen Arbeitsplätzen voraus.

Obwohl CDU und SPD sich immer ähnlicher werden: Die Haushaltskonsolidierung, die sie sich 1999 als eines der vorrangigsten Anliegen auf die Fahne geschrieben haben, ist gescheitert. Ständig müssen sie die gesteckten Ziele korrigieren. Und das wird so weitergehen. Oder glauben Sie wirklich, Frau Finanzministerin, dass die für 2002 vorgesehenen 421 Millionen Euro angesichts der großen Projekte ausreichen? Greift hier wenigstens noch das Prinzip Hoffnung?

Andere, den Sozialdemokraten ehemals wichtige Prinzipien haben Sie, meine Damen und Herren von der SPD, hingegen einfach fallen lassen und scheinen bereit, dem Koalitionsfrieden weitere zu opfern.

Herr Ministerpräsident, wenn Sie in Ihrer Regierungserklärung behaupten, dass diese Regierung die ersten zweieinhalb Jahre erfolgreich gestaltet hat, dann möchte ich Sie doch mit auch nüchternen, der PDS-Nähe nicht verdächtigen Artikeln zur Bilanz aus den „Potsdamer Neuesten Nachrichten” mit der Überschrift „Ehrgeizige Ziele - ernüchternde Halbzeitbilanz” konfrontieren oder mit einer ganzen Reihe anderer Analysen, die das anders sehen. Ja, die Ergebnisse sind ernüchternd. Es würde Sie ehren, wenn Sie das feststellten, anstatt die Lage des Landes schönzureden. Ich habe ja manchmal den Eindruck, dass ich in einem ganz anderen Land lebe als Sie.

Oder meinen Sie mit den großen Erfolgen die Gemeindegebietsreform? Es deutet doch alles, aber auch alles darauf hin, dass die Ergebnisse der Freiwilligkeitsphase hinter den gesteckten Erwartungen zurückbleiben.

Und dann auch noch das Verfassungsgerichtsurteil zu Teupitz. Haben Sie sich Ihren Reformerfolg wirklich so vorgestellt, Herr Innenminister? Es muss doch ziemlich ärgerlich sein, wenn man seine diesbezüglichen Wahlversprechen bricht und dennoch nicht die gewünschten Ziele erreicht.

(Zuruf von Minister Schönbohm)

- Ich kann Ihnen das sagen. Sie haben 1999 im Wahlkampf gesagt:

„... die gewachsenen Gemeinden in ihrem historischen Bestand zu erhalten und den Gemeinden die größtmögliche Kompetenz zu gewährleisten.”

(Minister Schönbohm: Danach kommt der zweite Satz!)

Ja, der zweite Satz - ich habe hier das Protokoll von Diedersdorf vom 24.04.1999 - lautet:

„Wir sind der Auffassung, dass dieses in dem jetzigen Modell, das wir haben, sichergestellt werden kann und dass in bestimmten Bereichen eine Weiterentwicklung notwendig ist.”

Das machen Sie ja nicht. Sie machen etwas ganz anderes.

(Beifall bei der PDS)

An einem scheinbar kleineren Problem will ich die konservative Wende im Land kurz verdeutlichen. 1999 gehörte die Entwicklungshilfe noch zu den Haushaltsposten in diesem Lande. Dann hat man aufgrund - wie Sie sagen - anderer landespolitischer Prioritätensetzung nichts mehr auf dem Gebiet ausgeben wollen. Das Brandenburgische Entwicklungspolitische Institut, BEPI, wurde nicht mehr gefördert und es wurde auch abgelehnt, dieses Institut überhaupt weiter arbeiten zu lassen. Das von uns Beantragte wurde abgelehnt.

(Zuruf von Minister Prof. Dr. Schelter)

- Ja, Moment, Herr Schelter. 0,0023 % des Landeshaushaltes wollten wir haben. Ich wiederhole: 0,0023 %! Es hat nicht stattgefunden, das Geld ist nicht bewilligt worden im Haushalt.

(Zuruf von der PDS: Das ist erbärmlich!)

Deshalb sage ich Ihnen: Uns hat einmal etwas geeint, nämlich die Sorge um die Armut in der Welt. Ich weiß, das Land Brandenburg kann wenig. Die konservative Wende in der Politik sehe ich darin, dass es jetzt gar nichts mehr macht. Es kümmert Sie schlicht nicht mehr.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, vor Jahren war hier die Rede von einer Weltinnenpolitik und von der Einen Welt; jetzt habe ich den Eindruck, in der Tendenz verändert sich der Blick in „Meine Welt”. Das halte ich für falsch.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, ich könnte die kritische Bilanz fortführen. Aber ich kann das nicht allumfassend tun; denn von mir erwarten Sie ja selbst das Belegen der Zitate. Es geht schwerer, wenn man alles, was man sagt, belegen muss, als wenn man etwas behauptet, was man nicht belegen muss.

Deshalb Ausblick: Aus Ihren Worten, Herr Ministerpräsident, ging hervor, dass Sie keine grundsätzliche Änderung Ihrer Regierungspolitik beabsichtigen. Also - so sehe ich das - Augen zu, weiter so und durch!

Wir warten, um auf das Theater zurückzukommen, wie auf Godot auf das Gesetz zur Reform der Gemeindefinanzierung. Wir erwarten allerdings auch Klarheit in Bezug auf die Verwaltungsreform. Dazu haben wir von Ihnen gehört, bis 2006 wird die Verwaltung um 9 300 Stellen verschlankt. Was ist Verschlankung? Doch nicht nur die Anstellung schlanker Angestellter. Ist es das Aufheben der Planstellen, Einsparen oder was

ist es? Dazu hätten wir gerne klare Aussagen. Aber wir haben durchaus die Geduld, darauf zu warten.

Sie erwarten von der Opposition sicherlich auch, dass sie etwas beiträgt. Das haben wir auch gemacht. Wir haben realistische Beiträge eingereicht. In dieser Landtagssitzung haben Sie 15 Anträge der PDS. Da können Sie immer noch sagen, fünf davon taugen Ihrer Auffassung nach nichts. Aber Sie können vielleicht auch sagen: Es wird gearbeitet.

Wir arbeiten an alternativen Vorschlägen zu der Politik, die Sie hier bieten. Wir werden weiterhin daran arbeiten, Alternativen zur großen Koalition entwickeln und in die öffentliche Diskussion im Lande einbringen. Dabei geht es um Schwerpunkte, Abwehr von Kürzungen im Sozialbereich, Verbesserung der Chancen für Jugendliche durch Bildung, Ausbildung und Schaffung von Arbeitsplätzen, Vorschläge für eine wirksamere Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik, stärkere Förderung des Mittelstandes, finanzielle Besserstellung der Kommunen und öffentliche Sicherheit sowie bescheidene, aber vorhandene Entwicklungszusammenarbeit als kleiner Beitrag des Landes zur internationalen Sicherheit.

Präzise ausgearbeitete, realisierbare Alternativen für die Landespolitik konstruktiv zu entwickeln und einzubringen, das bleibt Bestandteil der linken Oppositionspolitik in diesem Landtag. Wir wollen Menschen für unsere Vorschläge gewinnen; Opposition aber braucht dieses Land angesichts der großen Koalition mehr denn je.

(Beifall bei der PDS)

Um auch das noch einmal und deutlich zu sagen: Unser Ziel ist eine sozial gerechtere Landespolitik in Brandenburg mit mehr Chancen und Lebensperspektiven für Jüngere, mit mehr sozialer Sicherheit, mehr Bildung und Kultur. Dafür wollen wir Mehrheiten gewinnen, dafür suchen wir Verbündete, dafür streiten wir. Wir streiten nicht dafür, die CDU in einer konservativen Stolpe-Regierung zu verdrängen oder gar zu ersetzen.

Wir bleiben bei unserer 1999 in den Wahlkämpfen versprochenen Politik. Wir setzen uns ein für eine veränderte Richtung der Landespolitik hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit, nicht um eine Regierungsteilnahme um jeden Preis.

Sie von der CDU sollten uns als Ihre inhaltliche Alternative fürchten, nicht als Ihren Ersatz in einer konservativen Regierung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der PDS)

Abschließend möchte ich noch einmal auf das Vertrauen zu sprechen kommen, das Sie, meine Damen und Herren von SPD und CDU, gerade versuchen wiederzufinden - so entnehme ich der Presse. Sie brauchen nicht nur Vertrauen untereinander, Sie brauchen auch das Vertrauen der Bevölkerung. Da Sie sich, Herr Ministerpräsident und Herr Innenminister, so gerne auf die preußische Tradition berufen: Einer der Oberpreußen, Otto Fürst von Bismarck, hat in diesem Zusammenhang etwas sehr Richtiges gesagt. Ich zitiere ihn:

„Das Vertrauen ist eine zarte Pflanze. Ist es einmal zerstört, kommt es so bald nicht wieder.”

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort geht an die SPD-Fraktion. Für sie spricht der Fraktionsvorsitzende Fritsch.

Bevor er seinen Redebeitrag beginnt, begrüße ich herzlich junge Gäste vom Humboldt-Gymnasium in Potsdam. Schön, dass Sie da sind.

(Allgemeiner Beifall)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben eine Regierungserklärung des Ministerpräsidenten mit sehr vielen konkreten Bilanzaussagen und Vorhaben für die Zukunft gehört und wir haben die inszenierungsanalytische Erklärung des theaterpolitischen Sprechers der PDS gehört,

(Heiterkeit und Beifall bei SPD und CDU)

die allerdings inhaltlich so wenig Substanz hatte, dass das erklärte Ziel, die CDU damit das Fürchten zu lehren, heute mit Sicherheit nicht erreicht wird, Herr Bisky.

(Beifall bei SPD und CDU)

Lassen Sie mich deshalb zum Thema zurückkommen, zur Halbzeitbilanz: Brandenburg in der Mitte zwischen zwei Legislaturperioden, zwischen zwei Landtagswahlen. Das ist schon der richtige Zeitpunkt, eine Zwischenbilanz zu ziehen.

Die Regierung hat eine zusammenfassende Darstellung der bisherigen Arbeit und Hinweise für die zweite Hälfte der Legislaturperiode gegeben. Rückblickend auf die vergangenen zweieinhalb Jahre stellen wir allerdings fest: In keiner der beiden vorausgegangenen Legislaturperioden wurden unser Land und die von uns zu vertretende Politik so intensiv, so stark wie zurzeit von weltpolitischen, von europapolitischen und von bundespolitischen Ereignissen überlagert. Unsere Programme, die Ideen der Landesregierung und des Parlaments, die Realisierung der im Koalitionsvertrag festgelegten Vorhaben mussten ständig den neuen Situationen angepasst werden, um auf aktuelle Entwicklungen zu reagieren. Dafür reicht es nicht, Beschlüsse im Kabinett und im Parlament zu fassen. Sie müssen auch umgesetzt werden, um praktische Politik zu werden. Das bedeutet viel Überzeugungsarbeit unter der Bevölkerung.

Wir haben den 1999 eingeschlagenen Weg vom Grundsatz her nicht verlassen. Die im Koalitionsvertrag vereinbarten Vorhaben und Ziele werden weiter verfolgt, wenn auch teilweise unter veränderten Rahmenbedingungen. Von einem Abdriften der Regierung in konservative Politik, wie von Herrn Bisky behauptet, kann deshalb keine Rede sein.

(Beifall bei SPD und CDU - Ha, ha! bei der PDS)

Im Gegenteil. Sehen Sie sich die Reformvorhaben an, die das Ziel der Effizienzsteigerung und der Haushaltskonsolidierung verfolgen, verfolgen müssen, und Sie werden feststellen, dass die Ansätze durchaus als progressiv zu bezeichnen sind.

Ich halte es für durchaus angebracht, zur Hälfte der Wahlperi