Lothar Bisky
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie werden nicht verwundert sein, dass ich die Märchenstunde, die die Taten der Landesregierung in besonders hellem Licht erstrahlen lassen soll, nicht fortsetzen möchte.
Erst vor wenigen Tagen haben Sie, meine Damen und Herren von der CDU, ja eine Quittung ausgestellt bekommen, ebenso Sie, meine Damen und Herren von der SPD. Sagen Sie bitte nicht, das habe nur an Europa gelegen. Wenn in Brandenburg die Wahlbeteiligung so gering wie nirgendwo sonst ist, liegt das nicht nur an Europa.
Diese Koalition hatte am vergangenen Sonntag in den Wahllokalen ganz real noch 10 % der Brandenburgerinnen und Brandenburger hinter sich und ich warne davor, dass Sie jetzt versuchen, den restlichen 90 % mit einer Selbstloborgie weiszumachen, dass sie sich geirrt hätten.
Damit wir uns nicht missverstehen: Ich baue darauf, dass im
Herbst, wenn es um den neuen Landtag geht, wieder mehr Brandenburgerinnen und Brandenburger zur Wahl gehen. Ich hoffe darauf und ich habe keinen Grund, dies zu fürchten. Was am letzten Wochenende geschehen ist, ist ein Denkzettel für uns alle, auch für meine Partei, eine Ermahnung zu Sorgfalt und Verantwortungsbewusstsein und vor allem zu Konsequenz und Realismus. Sozial gerecht statt selbstgerecht!
Manche sagen nun: Neues Spiel - neues Glück. - Nein, so einfach wird es für niemanden von uns sein. Die Auseinandersetzungen gehen in die nächste Runde und an deren Ende wird wiederum gewählt und gewogen. Was am Ende dabei herauskommt, wird wesentlich davon abhängen, wie jeder von uns mit dem Ergebnis vom letzten Sonntag umgeht. Mit Bluffen allein wird man nicht vorankommen. Eine nüchterne Bilanz ist unverzichtbar.
Frau Enkelmann wird unsere alternativen Projekte für die Zukunft vorstellen. Ich konzentriere mich auf die Bilanz.
- Ihnen wird das Lachen noch vergehen. - Sie sieht folgendermaßen aus: 1991 gab es in Brandenburg noch das höchste Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner in Ostdeutschland, heute gibt es den geringsten Anstieg im Vergleich zu anderen ostdeutschen Flächenländern.
Weniger als ein Drittel aller Brandenburgerinnen und Brandenburger ist in ein Beschäftigungsverhältnis eingebunden. In keinem anderen ostdeutschen Land fällt diese Quote niedriger aus. Nirgendwo in Deutschland drängen sich so viele Bewerber um einen freien Job wie im Land Brandenburg - nämlich 30.
Brandenburgs Schülerinnen und Schüler sind nur ungenügend auf die Zukunft vorbereitet. Das belegen PISA und IGLU. Damit büßen sie gegenüber Altersgefährten aus anderen Bundesländern Chancen ein - kein Wunder in dem Land mit den niedrigsten Bildungsausgaben pro Schüler und mit immer weniger Schulen.
Noch nie hat die öffentliche Hand in Brandenburg einen geringeren Anteil des Landeshaushalts in Investitionen gesteckt. Gerade einmal ein Fünftel ist es noch.
Noch nie waren die Kommunen so schlecht gestellt wie jetzt und doch wird die Gesamtverschuldung des Landes allein in der ablaufenden Wahlperiode um rund 5 Milliarden Euro steigen.
Zugleich erleben wir eine Verschwendung, die einem die Haare zu Berge stehen lässt - Chipfabrik, CargoLifter, Lausitzring, Flughafen Schönefeld. Gigantische Summen an Steuergeldern werden in den märkischen Sand gesetzt. Von den versprochenen Arbeitsplätzen keine Spur. Die CDU-Wirtschaftsminister haben es nicht besser gemacht als die sozialdemokratischen, sondern ihre Vorgänger in dieser Hinsicht weit übertroffen.
Der ländliche Raum verödet. Der Trend zur Verarmung, zur Überalterung und zur Entvölkerung ist nicht gestoppt. Hier und da gibt es Leistungszentren im Land Brandenburg; das übersehen wir nicht. Doch ihre Ausstrahlung bleibt auf die unmittel
bare Umgebung beschränkt. Mit dem Speckgürtel ist Berlin nach Brandenburg hineingewachsen. Eine neue, eine brandenburgische Perspektive hat unser Land den Menschen dort noch nicht gegeben.
Politische Debatten über eine Fusionsperspektive 2006/2009 bieten keine Antwort auf das eigentliche Problem. Das Land, die Region verliert an innerem Zusammenhalt. Die Politik hat sich von den Bürgerinnen und Bürgern getrennt. Sie werden zu Zuschauern gemacht. Die SPD/CDU-Mehrheit reduziert den Landtag zum Gefolgsorgan der Landesregierung und schottet das Parlament gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern bewusst ab, zum Beispiel mit der Weigerung, die von über 150 000 Brandenburgerinnen und Brandenburgern getragene Volksinitiative gegen Kita-Kürzungen überhaupt zu behandeln. Überhaupt zu behandeln - darum geht es.
Bei der Gemeindegebietsreform wuchsen nicht Lebensorte zusammen, sondern wurden Kommunen häufig obrigkeitsstaatlich und zentralistisch aufgelöst und neu geordnet.
Die Medienstadt Babelsberg sieht nicht so aus, wie man es geplant und immer wieder versprochen hatte, und wenn ich den Presseberichten glauben kann, ist jetzt gar das Filmorchester bedroht. Ich hoffe, der Landesregierung fällt da etwas ein.
Mit vielen seiner Probleme steht Brandenburg nicht allein, steht auch der Osten nicht allein. Soziale Einschnitte bedrängen die Menschen in Ost und West, grenzen mehr und mehr von ihnen aus, nehmen ihnen Lebenschancen und Sicherheiten im Alter wie im Krankheitsfall, bei der Jobsuche und im Kampf um den täglichen Lebensunterhalt. Vieles wird teurer, vieles wird schlechter. Die finanziellen Spielräume der öffentlichen wie der privaten Haushalte verringern sich.
Die Massenarbeitslosigkeit aber ist geblieben. Perspektiven sind Mangelware. Die SPD/CDU-Koalition in Brandenburg hat der dafür verantwortlichen faktischen großen Koalition auf Bundesebene nichts entgegenzusetzen und sie hat dem auch nichts entgegensetzen wollen - anders übrigens als die häufig hier kritisierten rot-roten Koalitionen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin.
Brandenburg und seine Politiker als Flaggschiff und Lotsen des Ostens im wiedervereinigten Deutschland - diese Zeiten sind vorbei, nicht, weil Matthias Platzeck das nicht packt, er packt es nicht, weil sich die Zeiten verändert haben. Deshalb ist Realismus angesagt.
Wir bemerken sehr wohl Ihre Suche nach neuen Leitbildern für Brandenburg, Herr Ministerpräsident, und wir würdigen durchaus, dass Sie dabei nicht nur nach Bayern und Irland schauen.
Aber die Zeit der Deutungen und Symbole ist vorüber. Jetzt muss mit Bezug auf den konkreten Weg Brandenburgs in die Wissensgesellschaft zugepackt werden, wenn die zurückliegenden 15 Jahre nicht umsonst gewesen sein sollen und die bevorstehenden 15 Jahre genutzt werden sollen. Sagen Sie uns nicht, was Sie machen wollen, Herr Ministerpräsident, sondern sagen Sie uns vor allem, was Sie anders machen wollen - darum geht es -, anders auch als Ihr jetziger Koalitionspartner; denn Man
fred Stolpes vor fünf Jahren getroffene fatale Einschätzung, hier könne man sozialdemokratische Politik am besten mit der CDU machen, hat in der Konsequenz nicht nur die SPD auf das damals blamable Zustimmungsniveau der Union gebracht, sondern auch einen Kurs eingeleitet, der das Land sozial-, wirtschafts- und finanzpolitisch in den Abgrund treibt.
Das Klima von Toleranz, Offenheit und Liberalität wurde seit dem Regierungseintritt der CDU Stück für Stück von V-Leuten-Affären und Fußfessel-Debatten, von Verweigerung gegenüber dem Zuwanderungsgesetz und von Hasstiraden gegen die „kleine DDR“, wie das genannt wurde, oder die vermeintliche „DDR-Mentalität“ im Lande zerfressen.
Während Bundesregierung, Bevölkerungsmehrheit Ost und mit ihr die PDS und eben auch die SPD sich dem Irak-Krieg verweigerten, dienten Jörg Schönbohm und die Seinen das Land Brandenburg den USA als Teil der „Koalition der Willigen“ an.
Gemeinsam beendeten SPD und CDU den Traum vom selbstbewussten Brandenburg bei jeder Bundesratsentscheidung, die die negativen Auswirkungen der Hartz-Gesetze oder der Steuerreform auf Ostdeutschland billigend in Kauf nahm.
Sie haben wahrlich keinen Anlass, den Brandenburgerinnen und Brandenburgern Dankbarkeit und neuerlichen Vertrauensvorschuss abzuverlangen. Von zehn ursprünglichen Mitgliedern des Kabinetts sind noch drei vorhanden, sieben haben das Kabinett verlassen. Das ist immerhin eine hohe Quote. Aber es ist vielleicht noch nicht das Ende. Ich bleibe da Optimist.
Da Sie sonst niemand lobt, ersetzen Sie die entstandene Lücke mit Eigenlob, als Bezug ein Filmtitel: Das ist der große Bluff.
Abschließend habe ich noch eine Bitte. Hier und anderswo kann man große Plakate lesen mit dem Slogan „Brandenburg ist sexy“. „Oha!“, sage ich. Schaue ich mal runter, dann sehe ich, dass das von der Brandenburg-Partei ist und die Brandenburg-Partei CDU macht natürlich keinen Populismus, sondern da atmet immer tiefer deutsche Philosophie. Junge Union mit „Brandenburg ist geil“ lasse ich da einmal beiseite.
Ich habe dennoch eine Bitte an Sie, Herr Innenminister: Bitte keine sexuellen Belästigungen auf dem Weg zum Arbeitsplatz! - Ich bedanke mich.
Am 2. Februar 2004 wandte ich mich mit einem Brief an den Ministerpräsidenten, in dem ich meine Besorgnis über die sich zuspitzende Trennungsgeldaffäre äußerte und um eine größere Sorgfalt bei der Aufklärung sowie eine umfassende politische Auswertung ersuchte. Mit einer gründlichen Auswertung sollte aus Sicht der PDS-Fraktion auch eine Neuregelung der gesetzlichen Grundlagen in Angriff genommen werden, die der aktuellen verwaltungsorganisatorischen und sozialen Situation im Lande entspricht. Um das Nachdenken über diese Probleme zu befördern, hatte ich neun konkrete Fragen gestellt. Der Ministerpräsident hatte sich zwar im Hauptausschuss des Landtages am 19. Februar 2004 zur Trennungsgeldaffäre geäußert, aber wir konnten beide nicht davon ausgehen, dass damit dem Anliegen meines Briefes entsprochen worden wäre.
In einem zweiten Brief vom 4. April dieses Jahres habe ich deutlich gemacht, dass ich auch weiter eine schriftliche Antwort erwarte. Mir geht es dabei gar nicht um die Frage der zwischenmenschlichen Höflichkeit, sondern einzig und allein um die politische Dimension.
Ich frage deshalb die Landesregierung: Welche Gründe liegen vor, um einer Oppositionsfraktion Antworten auf ihre sachlich gestellten Fragen zur Trennungsgeldaffäre bisher zu verweigern?
Herr Staatssekretär, können Sie mir die Frage beantworten, wie Sie offene Briefe selbstherrlich definieren? Ist das eine Selbstdefinition des Ministerpräsidenten oder Ihres Amtes? Wer legt das fest?
Können Sie sich vorstellen, dass uns die Antworten nicht befriedigen, zumal wir neun Fragen gestellt hatten und bisher nur bestimmte Aspekte beantwortet sind?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe Schwierigkeiten, dem Gang der Debatte zu folgen.
Wie Sie aus dem Abwandern junger Menschen auch noch eine Erfolgsstory für die große Koalition hervorzaubern,
das verblüfft mich schon.
Es tut mir Leid. Ich will hier nicht über die Geburtsneigungen von Frauen - das ist ja ein weites Feld - oder von Männern reden. Aber Tatsache ist - ich hoffe, dass wir uns wenigstens darin einig sind -, dass sie in andere Bundesländer gehen und dass das ein Problem für das Land Brandenburg ist. Das ist ein Problem für das Land Brandenburg trotz Ihrer so erfolgreichen Regierungspolitik.
Da möchte ich sagen, ich bin ganz froh darüber, dass andere dieses Thema seriöser angehen. Da komme ich auf die Debatten,
in die die demographische Entwicklung eingeordnet werden muss: Aufbau Ost, Situation im Osten und das, was Dohnanyi und Rost vorgelegt haben. Ich finde, die gehen ernsthafter damit um. Ich sage Ihnen, wenn wir nicht anfangen, wirklich seriös über die Probleme zu reden und die Parteipolitik einmal weglassen und auch die Erfolgspropaganda,
dann wird es wirklich schwierig.
- Herr Klein, ich gehe von Folgendem aus:
Ja, natürlich.
Frau Blechinger, ich habe das Abwandern junger Leute zu DDR-Zeiten niemals bezweifelt. Ich verstehe nur nicht, dass Sie daraus, dass junge Leute jetzt abwandern, eine Erfolgsmeldung machen wollen.
Das hat mit der DDR bedingt zu tun. Übergeben Sie mir die DDR - über die Ost-CDU will ich gar nicht reden -, aber für das, was Sie hier, auch infolge der DDR, wirtschaftlich angerichtet haben, stehen Sie bitte gerade und reden Sie sich nicht heraus.
Um die Situation im Osten zu stabilisieren und möglicherweise auch jüngere Menschen hier zu halten, sind nach unserer Überzeugung drei Dinge notwendig.
Erstens die Stabilisierung der wirtschaftlichen und sozialen Lage in Brandenburg wie im Osten insgesamt. Das ist eine vorrangige Aufgabe der Landespolitik, aber nicht der Landespolitik allein. Ich hoffe, darin sind wir uns einig. Diese Stabilisierung wird nicht gelingen, wenn es kein mit dem Bund abgestimmtes Vorgehen gibt.
Zweitens ist die Eröffnung eines tatsächlichen Zukunftspfades für Brandenburg, eines Zukunftspfades für den Osten überhaupt, notwendig. Nach unserer Überzeugung kann eine überzeugende Perspektive hierfür nur durch Innovation und Bildung erschlossen werden. Da sind wir gar nicht einmal so weit voneinander entfernt, in den konkreten Konsequenzen dann allerdings doch.
Drittens stehen wir vor der Aufgabe, Demokratie und Zivilgesellschaft neu zu entdecken und zu gestalten. Der Osten ist in gewisser Hinsicht nach wie vor zwar eine übergreifende Region, vielleicht auch eine Krisenregion, aber wir hier in Brandenburg, auch in der Region Berlin-Brandenburg, spüren doch in einer Deutlichkeit wie vielleicht nirgendwo sonst, wie differenziert der Osten inzwischen ist, ökonomisch, sozial, kulturell, mental. Uckermark und Prignitz, Speckgürtel, Teltow-Fläming - das alles ist Brandenburg. Mittendrin ist die Metropole Berlin und nur 80 km davon entfernt die Oder und die neuen Wirtschafts- und Sozialräume der EU.
Bei aller Differenziertheit meinen wir: Zur Stabilisierung der wirtschaftlichen und sozialen Lage im Lande gibt es keine Alternative. Dafür sind politische Konzepte zu entwickeln, soweit Politik das beeinflussen kann. Darauf muss auch das Hauptaugenmerk bei allen landespolitischen Anstrengungen gelenkt werden. Es geht um die Stabilisierung der wirtschaftlichen Entwicklung im Lande.
Da ich das aus Zeitgründen nicht allzu umfangreich darstellen kann, möchte ich jetzt auf von Dohnanyi und Rost zu sprechen kommen. Ich zitiere, was ich für richtig halte: „Verstärkte Umwidmung von Infrastruktur auf direktere Unternehmensförderung durch unternehmensbezogene wachstumsrelevante Inves
titionen auch der Kommunen und Gebietskörperschaften.“ Diese Mittel könnten dann bei entsprechender Konzentration auch mit beachtlichem Effekt gezielt in den Ausbau einer industriellen Basis im Osten investiert werden. Dabei wird die PDS den Impuls der Dohnanyi-Gruppe zugunsten einer Enttabuisierung von Industriepolitik im Osten aufgreifen und offensiv ausfüllen. Wir meinen, das ist ein richtiger Ansatz, wiewohl wir mit dem Gesamtkonzept von Herrn von Dohnanyi in einer Reihe von Fragen nicht übereinstimmen.
Das Zweite, was wir unbedingt sagen wollen, ist Folgendes: Zukunft durch Bildung und durch Innovation. Da müssen wir konkreter werden. Der Ministerpräsident hat das in seiner Regierungserklärung gesagt. Das greifen wir gern auf. Das ist ein Ansatz, den auch wir für wichtig halten. Nun müssen wir zu Potte kommen und uns allmählich darüber verständigen, wie das geschehen soll.
Da gibt es Entwicklungen, die mich zufrieden machen, es gibt aber auch Entwicklungen, die ich für außerordentlich bedauerlich halte. Man kann nicht unentwegt nur die wissensintensivere Produktion und die damit verbundenen Arbeitsplätze beschwören. Man kann nicht nur abstrakt auf Informations- und Wissensgesellschaft gehen. Vielmehr muss man dafür im Lande auch konkrete Konzepte haben.
Ich sage im Sinne der Kürze meiner Ausführungen, weil ich das einigermaßen überschaue, was auf dem Gebiet hier in der Medienlandschaft vor sich geht: Das ist nicht überzeugend, wenn es darum geht, die jungen Leute hier zu halten. Nicht wenige oder kreative junge Leute im Film- und Fernsehbereich gehen auch weg. Das bedauere ich. Damit rede ich nicht herbei, dass die Medienstadt Babelsberg ein etwas provinzielles Mediendorf zu werden droht. Ich würde viel dafür geben, wenn Babelsberg eine dynamische Medienstadt würde. Das ist bis jetzt aber nicht der Fall.
Berlin und Brandenburg haben angefangen und Ihre Regierung hat mit Berlin ein Medienboard gegründet - der ist schon wieder weggelegt -, ein Filmboard, der erfolgreich gearbeitet hat -, der ist schon wieder umstrukturiert. Auf diesem Gebiet ist also keine positive Entwicklung festzustellen. Darauf müssen wir jetzt zu sprechen kommen, wie wir in diesem Bereich gemeinsam wieder eine positive Entwicklung einleiten. Anderenfalls wird das nichts, bleibt das Stümperei.
Da die Zukunft heute beginnt, haben wir nicht allzu viel Zeit, zu warten. Selbstverständlich müssen wir die Ausbildung verbessern, selbstverständlich müssen wir die Schulbildung verbessern. Bildung ist auf diesem Gebiet außerordentlich wichtig. Ich meine schon, dass es für diesen Bereich Vorschläge gibt, die man aufgreifen kann.
Wir haben ein Innovationsprojekt Ost vorgeschlagen. Ich will das hier nur kurz erwähnen. Das kann im Einzelnen nachgelesen werden. Wir sagen: Innovation statt Billiglöhne. Das ist die richtige Antwort auf die Herausforderungen im Osten. Wir registrieren durchaus aufmerksam, dass diese Position auch von ostdeutschen Sozialdemokraten, wenn auch manchmal etwas weiter von Potsdam entfernt, vertreten wird.
Was unter dem Schlagwort Sonderwirtschaftszone debattiert wird und damit als Heilmittel ins Gespräch kommt, erscheint vor dem Hintergrund der ostdeutschen Realitäten als altes Zeug, das nichts gebracht hat. Wenn man weiterhin darauf setzt, dann führt das nur dazu, dass wir auch weiterhin die Benachteiligten sind. Die politische Debatte erscheint vor diesem Hintergrund schnell als abgehoben und auch als zynisch. Ich glaube aber, dass wir auf diese Debatte ernsthaft eingehen sollten.
Wir brauchen neue Grundlagen für einen unverzichtbaren Neuansatz Ost. Ich sage nicht, dass wir die Rezepte haben, aber ich sage: Der Aufbau Ost als Nachbau West ist wirklich gescheitert. Folglich müssen wir nach den neuen Ansätzen suchen. Wir brauchen also einen Neuansatz Ost. Dafür müssen die bestehenden Leistungspotenziale, die vorhandenen Standortvorteile, die übergreifenden gemeinsamen Auffassungen und Erfahrungen der Ostdeutschen aufgegriffen werden.
Ich will Ihnen sagen, was wir dann auch noch brauchen, nämlich auf jeden Fall einen realistischen Blick. Wir wollen doch nicht Ihre Leistungen in Abrede stellen, wenn wir kritisch auf die Realität eingehen. Nach Ihren Reden - nicht nach der Rede des Ministerpräsidenten, sondern nach Ihren Reden, Herr Fritsch und Frau Blechinger - habe ich den Eindruck, Sie sind nicht bereit, sich der Realität zu stellen. Wenn Sie das nicht tun, dann haben Sie aber keine Chance, sie zu verändern. - Ich bedanke mich.
Herr Ministerpräsident, haben sie registriert, dass ich das im Zusammenhang mit unserem Innovationsprojekt Ost gesagt habe und Sie nicht vereinnahmen wollte und deshalb die positiven Ansätze anderer Sozialdemokraten benannt habe? Dass Sie das gesagt haben, was Sie behaupten, habe ich nie infrage gestellt.
Frau Ministerin, können Sie sich - erstens - vorstellen, dass die Situation der geringen Finanzen in der Stadt Berlin etwas damit zu tun hat, dass eine große Koalition Berlin zuvor in diese Notlage getrieben hat?
Zweitens: Sollten Vergleiche, wenn man diese schon anstellt, nicht besser mit den CDU-Bildungsministern in anderen Ländern erfolgen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einige ergänzende Bemerkungen zur Stellungnahme von Herrn Christoffers; ich muss die Ausführungen nicht wiederholen.
Von einer Regierungserklärung erwarten die Menschen mehr als Worte wie „Wir müssen den bitteren Tatsachen ins Auge sehen“ oder „Brandenburg ist besser als sein Ruf, wir müssen einen neuen Anlauf nehmen“. Damit sie hier im Lande weiter eine Zukunft sehen können, wollen die Brandenburgerinnen und Brandenburger auch wissen, wer die bitteren Tatsachen, denen sie ins Auge blicken sollen, verschuldet und zu verantworten hat.
Sie wollen wissen, wie der neue Anlauf, den die Regierung heute proklamieren will, konkret aussehen soll. Die Antwort auf diese und andere Fragen sind Sie schuldig geblieben. Ganz offensichtlich ist diese Regierung mit ihrem Latein am Ende.
Sie haben in den letzten Jahren ein klares Konzept verfolgt: Sie sparen bei den Schwachen der Gesellschaft, kürzen bei der Arbeitsmarktpolitik, bei der gesundheitlichen und sozialen Betreuung, bei Weiterbildung, Schülerbeförderung und vielem anderen mehr.
- Aber Ihre Prestigeprojekte, Herr Petke, haben Sie immer noch finanziert bekommen. Damit kommen wir zurück auf LEG, Lausitzring, CargoLifter, Chipfabrik, Schönefeld - ich könnte es fortsetzen.
Herr Petke, da Sie heute früh so redselig sind: In Ihrer unnachahmlichen Einfalt
haben Sie auch gestern wieder Vorschläge von der Opposition vermisst. Hätten Sie nur unsere alternativen Vorschläge bezüglich der Großprojekte befolgt, dann hätten wir jetzt einen blühenden Mittelstand im Lande; denn dann wäre das ganze Geld dorthin geflossen.
Dabei haben wir noch viele andere Vorschläge gemacht. Es sind aber nicht nur diese wenigen, in den Schlagzeilen aller Zeitungen befindlichen Projekte, die die Bertelsmann-Stiftung in ihrer Studie zu der Schlussfolgerung gebracht hat, Brandenburg habe sich unter allen Bundesländern in den letzten Jahren am schlechtesten entwickelt.
Herr Ministerpräsident, wenn Brandenburg den Ruf hat, den Sie heute beklagt haben, dann ist das nicht mit einer Aufforderung an die Medien - ich zitiere: „Wir brauchen Mutmacher in Brandenburg!“ - zu heilen. Es ist nicht nur ein Vermittlungsproblem, das die brandenburgische Landesregierung hat; es sind erhebliche Defizite und Schwächen im konzeptionell-strategischen Bereich, die diese Landesregierung vor allen anderen auszeichnen. Um diese Schwächen schrittweise zu beheben, bedarf es zunächst vor allem der gründlichen Analyse der eigenen Fehler. Genau das, Herr Ministerpräsident, haben Sie aber nicht gebracht. Auch in Ihrer heutigen Rede blieben Sie uns schuldig, darzulegen, was in der Landesregierung falsch gelau
fen ist. Insoweit lag die PDS ganz richtig, als sie in der vergangenen Woche die Initiative für einen Untersuchungsausschuss zur Verantwortung der Landesregierung bei der Vorbereitung und Realisierung der Chipfabrik Frankfurt (Oder) nicht nur aufgegriffen, sondern auch einen eigenen Antrag in den Landtag eingebracht hat.
Nach der heutigen Regierungserklärung sind bei mir jedoch einige Zweifel entstanden, ob sich die Erwartung des künftigen Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses, dass die Landesregierung ihren eigenen Aufklärungswillen dokumentiert, indem sie dem Ausschuss bis zum 10. Januar alle notwendigen Unterlagen übergibt, erfüllen lässt.
- Wir werden es erleben. Es wäre ja schön.
Herr Schönbohm hat sich gestern - wie bei jeder Kritik - ganz außerordentlich über die PDS geärgert. Das steht ihm auch zu.
Wir stimmen - welche Unverfrorenheit! - Ihren Reformen nicht zu. Herr Petke sagt dann: Wer Schönbohm-Reformen kritisiert, ist ein Anti-Reformer!
So weit die Steinzeitnaivlogik.
Der Tonfall, mit dem Sie Andersdenkende attackieren - ich sage: die Erregung; manchmal ist man erregt -, mag einige Ihrer Koalitionspartner beeindrucken; mich beeindruckt das gar nicht!
Der Angriff ist die beste Verteidigung; das wissen wir alle aus der Militärgeschichte.
Nur, wir sind nicht auf dem Schlachtfeld, sondern im Parlament.
Sie können schreien, wie Sie wollen. Ihre Reformen sind nicht meine Reformen. Damit könnten wir doch beide leben.
Wir unterbreiten Alternativen zu Ihrer Politik im Großen und im Kleinen.
Zu den Tatsachen gehört auch, dass Brandenburg mit zwei CDU-Wirtschaftsministern in einer Wahlperiode vom Wachstumsspitzenplatz auf den letzten Platz unter den Bundesländern gerutscht ist. Dabei war Ihr Versprechen, die Wirtschaft im Lande nunmehr voranzubringen.
Folgen Sie doch Frau Merkel. Sie hat schon vor wenigen Jahren die Bundesregierung heftigst attackiert, weil sie bezüglich Wachstums die rote Laterne in Europa trägt. Im Vergleich der Bundesländer tragen Sie jetzt die rote Laterne. Glauben Sie doch an Ihre Vorsitzende, lesen Sie, was Frau Merkel dazu sagt.
Meine Damen und Herren! „Haushaltskonsolidierung“ gehörte ebenso zu Ihrem Schlachtruf. Dabei haben Sie schnurstracks den katastrophalen Weg in Richtung Berliner Haushalt genommen; von Konsolidierung keine Spur. Im Gegenteil! Das gehört auch dazu, wenn wir den Tatsachen ins Auge sehen wollen.
Auch das gehört zu den Tatsachen: Opfer Ihrer großprojektionalen Verschwendungen sind die kleinen und mittleren Unternehmen, ist die Soziokultur, sind Frauenhäuser und vieles andere mehr, für deren Förderung das anderswo verschwendete Geld eben nicht mehr eingesetzt werden kann.
Und noch eins gehört zu den Tatsachen, denen wir ins Auge blicken müssen. Schließlich steht Ihren Erklärungen zu einem modernen Brandenburg die Aussage der Bertelsmann-Studie entgegen. Ich zitiere:
„So korrespondieren die niedrigsten Ausgaben für Forschung und Entwicklung sämtlicher Bundesländer in Brandenburg mit einem ebenfalls extrem niedrigen Punktwert von lediglich 1,96 bei Patentanmeldungen, Platz 12.“
Das sei aus der Bertelsmann-Studie zitiert.
Zu den Tatsachen, denen wir ins Auge sehen müssen, gehört, dass sich die von der Mitregierung der CDU erwarteten Wirtschaftsimpulse und die Haushaltskonsolidierung ins Gegenteil verkehrt haben.
Ich sage: Das Land ist aus dem Regen der SPD-Alleinregierung in die Traufe der großen Koalition geraten.
Um den Tatsachen ins Auge zu sehen:
Niemand übersieht die gelungenen Ansiedlungen. Niemand übersieht Schwarzheide, Schwedt, Potsdam, Teltow. Die Überlegungen der Regierung hinsichtlich wissensbasierter Produktion, der Rolle von Wissenschaft und Technologie, hinsichtlich eines modernen Brandenburgs kann ich unterstützen. Aber Ihre praktische Politik sieht ganz anders aus. Das liegt nicht an Ihrer Imagephilosophie.
Sie sagen in Ihrer Erklärung, Herr Ministerpräsident - ich zitiere -:
„Wir müssen es schaffen, zu einem motivierenden Positivbild der Schulen zu kommen.... Das ist eine gesellschaftliche Aufgabe für Lehrer, Eltern und Erziehende.“
Da sage ich: Wir müssen zu einer qualitativ verbesserten Bildung und Erziehung kommen. Dann verbessert sich allmählich auch das Bild der Schule. Wir könnten das nachhaltig tun, wenn bei einer Wiederholung der PISA-Studie dann wirklich bessere Ergebnisse kämen.
Das gilt sinngemäß auch für andere Politikbereiche. Alle Kosmetik, alle Imagepflege, alle Positivbilder allein stellen nur Werbeeffekte dar, nicht wirkliche Veränderungen. Eine andere Philosophie ist nötig für dieses Land.
Den Tatsachen ins Auge blicken, die Ursachen für Erfolge und Niederlagen analysieren, daraus die richtigen praktischen politischen Schlussfolgerungen für die Politik ziehen und realisieren und dann erst - falls es auch nötig ist - Imagepflege betreiben.
Es ist wie mit der Maut. Man bekommt sie hin oder man bekommt sie nicht hin. Da hilft keine Imagepflege.
Es ist wie mit der Bundesanstalt für Arbeit. Sie hilft ganz praktisch bei der Vermittlung von Arbeitsplätzen und kann sich ihre skandalös teuren PR-Aufträge sparen oder sie hilft nicht.
Dazu, den Tatsachen ins Auge zu schauen, gehört auch, die Reihenfolge zu ändern. Erst die Wirklichkeit positiv gestalten! Dann spart man die Kosten für die Imagepflege. Oder man gibt die Mittel dafür aus und behält dennoch ein schlechtes Image. Die Landespolitik gehört wieder vom Kopf auf die Füße gestellt. Wir bringen unsere Alternativvorschläge dazu ein.
Ich hatte das Wichtigste zu den Großprojekten schon gesagt. Darüber haben Sie immer gelacht und große, höhnische, ja auch arrogante Töne waren zu hören. Jetzt sage ich leise: Man kann Fehler machen. Aber kommen Sie nicht immer mit dem dummen Spruch: „Sie haben keine Konzepte.“ - Sie sind öffentlich. Sie können sie nachlesen. Sie stehen im Internet. Jeder Mensch kann sich davon überzeugen.
Weder die blühenden Landschaften noch die Chefsache Ost waren mit wirksamen politischen Ansätzen verbunden. Damit sollte Brandenburg endlich beginnen, Herr Ministerpräsident.
Nein, der Aufbau Ost als Nachbau West ist gescheitert. Das haben die Menschen erlebt. Unsere Chancen liegen in der Nutzung der wirklichen Potenziale des Ostens und nicht in einer Wirtschaftspolitik vorbei an den Menschen auf der grünen Wiese.
Bei dem, was den Haushaltsvorstellungen für 2004 zugrunde liegen könnte, ist von einem politischen Ansatz, Herr Ministerpräsident, von einem neuen politischen Ansatz wirklich nichts zu lesen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das, was Sie uns als Entwurf des Landeshaushalts 2004 vorgelegt haben, ist ein schlechter Haushalt. Nur eines ist tröstlich: Es ist der vermutlich letzte Haushalt, den die große Koalition in dieser Wahlperiode einreicht.
Angesichts der Erfahrungen mit den vergangenen beiden Doppelhaushalten ist es gut, dass Sie nun wieder zur Normalität, zu einem Jahreshaushalt, zurückkehren. Ich gehe allerdings davon aus, dass selbst dieser Jahreshaushalt das Schicksal seiner Vorgänger teilen wird: Kaum beschlossen folgt die erste Haushaltssperre, Nachtragshaushalte sollten unweigerlich folgen.
Dabei ist unbestritten: Es gibt in der gesamten Bundesrepublik eine Krise der öffentlichen Haushalte. Bundesfinanzminister Eichel musste gegenüber der Europäischen Kommission erneut den Offenbarungseid leisten: Auch in diesem Jahr wird die Bundesrepublik die Defizitkriterien, die mit der Euro-Einführung festgelegt wurden, nicht erfüllen können.
Die Finanzministerin hat Brandenburgs Situation heute mit dem gebührenden Ernst beschrieben. Dass unsere Kommunen aufschreien, ist angesichts bundes- und landespolitischer Entscheidungen, die sie unmittelbar treffen, nachvollziehbar.
Auch auf Bundesebene gibt es Verantwortlichkeiten. Da wir hier im Landtag sind, benenne ich aber in erster Linie die Landesregierung, die über den Bundesrat in die bundespolitische Entscheidungsfindung einbezogen ist, auch wenn Frau Ziegler - wie im Übrigen alle Finanzministerinnen und -minister, die ich seit 1990 hier erlebt habe - gern auf Berlin, auf die Bundesregierung, schimpft, so als hätte Brandenburg im Bundesrat regelmäßig gegen die Vorlagen der Bundesregierung votiert. Das war jedoch fast nie der Fall.
Brandenburg werde die Reformvorhaben der Bundesregierung im Bundesrat nicht blockieren, hörten wir vom SPD-Landesvorsitzenden am Wochenende. Hoffentlich sieht der Koalitionspartner das genauso; denn wir haben das unselige Theater zum Zuwanderungsgesetz noch in Erinnerung.
Die Frage nach einer möglichen Blockadehaltung gegenüber Reformen aber ist die falsche Frage. Um Reformen zu blockieren, bräuchte man erst einmal Veränderungen, die den Namen „Reform“ verdienen.
Solche sind nicht einmal am Horizont zu entdecken. Weder beim Arbeitsmarkt noch in der Gesundheitspolitik, bei der Rente oder gar der Kommunalfinanzierung gibt es Veränderungen, die zukunftsfähig und sozial gerecht sind. Die „Reformen“ der Bundesregierung bringen für ein Land wie Brandenburg nur einen Effekt: Die Löcher in den öffentlichen Haushalten werden größer. Hinzu kommt, dass die zusätzlichen Belastungen für viele Arbeitnehmer, Rentner und vor allem auch Familien nicht mehr verkraftbar sein werden.
Ich will es einmal an den Plänen für das Vorziehen der Steuerreform plastisch darstellen. Natürlich werden auch kleinere und mittlere Einkommen entlastet; das stimmt. Dies sieht dann wie folgt aus: Steuerzahler A mit einem Jahreseinkommen von 15 000 Euro hat eine Steuerersparnis von 276 Euro im Jahr. Nach Gesundheits- und anderen Reformen - etwa die Pendler und die Eigenheimbesitzer betreffend - wird von diesem Betrag fast nichts übrig bleiben. Steuerzahler B hat ein Jahreseinkommen von 1 Million Euro und er kommt auf eine Steuerersparnis von 67 000 Euro im Jahr. Ich frage: Ist das sozial gerecht?
Jeder, der sehen wollte, konnte aus bisherigen Steuerreformen zumindest eines lernen: Die ohnehin Armen wurden noch ärmer; die Reichen hingegen sahen sich mitnichten veranlasst, Steuerersparnisse in die Schaffung von Arbeitsplätzen zu investieren.
Die öffentlichen Haushalte hatten infolge dessen Einnahmeverluste in Größenordnungen zu verkraften.
Trotz all dieser bekannten Wirkungen hat die Brandenburger SPD schon wieder ihre Vorabzustimmung zum geplanten Vorziehen der Steuerreform erteilt, ohne dass zuvor die Folgen für unser Land abschließend geklärt waren. Wir würden ja nicht zum ersten Mal vom Bundesfinanzminister gelinkt werden, Frau Finanzministerin. Dass Sie, Herr Platzeck, als Gegenleistung für Ihre Zustimmung nur eine Teilkompensation der Verluste durch den Bund fordern, ist uns zu wenig.
Wir wollen die volle Kompensation für die Länder und die Kommunen. Ich sage Ihnen klipp und klar: Wenn Sie im Bundesrat die Zustimmung zu diesen Konditionen erklären, können Sie Ihren Haushaltsentwurf am selben Tag zurückziehen.
Sie, meine Damen und Herren von SPD und CDU, waren 1999 angetreten, um den Haushalt des Landes Brandenburg zu konsolidieren. Die SPD meinte damals, so etwas sei mit den „Roten“ von der PDS nicht zu machen. Wie die CDU ein Land an den Rand des Ruins bringt, haben wir unter Diepgen und Landowsky in Berlin - da das hier so häufig auftaucht - erlebt. Brandenburger und Berliner CDU können gar nicht genug die Nase rümpfen über die rot-rote Koalition in Berlin. Dass diese Regierung dort es aber vor allem mit den Ergebnissen jahrzehntelangen CDU-Filzes zu tun hat, wird allzu leicht vergessen, meine Damen und Herren.
- Sie vergessen das nur allzu gern.
Dies waren Ihre Brandenburger Träume, die ich noch einmal in Erinnerung rufe: Die große Koalition wollte ab 2002 keine neuen Kredite mehr aufnehmen.
Der Anteil der Investitionen an den Gesamtausgaben sollte gestärkt werden. Aufgaben sollten reduziert und vor allem die Anzahl der öffentlich Bediensteten sollte verringert werden. Eines war für Sie von SPD und CDU schon damals kaum ein Thema: Wie kommen wir im Land Brandenburg zu mehr Einnahmen? Das aber ist das entscheidende Thema. Bis heute bestreiten Sie, dass Brandenburg vor allem ein Einnahmeproblem hat. Die Steuerdeckungsquote für 2004 spricht eine deutlichere Sprache. Sie wird mit 45 % 2004 wesentlich unter den für dieses Jahr einmal anvisierten 52,6 % liegen. Trotz dieser akuten Einnahmeprobleme kennen Sie nur eine Antwort auf die selbst verschuldeten Probleme des Landeshaushalts: Kürzen, kürzen und nochmals kürzen!
Verkleistern Sie sich nicht weiter die Augen, reden Sie sich die Wirklichkeit nicht länger schön! Brandenburg nähert sich immer mehr dem Haushaltsnotstand. Sie und nur Sie tragen gemeinsam die Verantwortung für diese Haushaltssituation am Beginn des fünften Jahres der großen Koalition. Die Verlässlichkeit Ihrer Haushaltsplanung tendiert gegen null. Mit der in diesem Haushaltsplan und in Ihrer Rede fixierten Linie schaffen der Ministerpräsident und seine Kollegen nur eines: Sie vergrößern den Frust der Brandenburger auf die Politik und die Politiker.
Immer mehr Menschen verlassen - leider! - das Land, weil sie hier keine Lebensperspektive haben. Das ist eine Herausforderung für alle Fraktionen dieses Hauses - für alle, auch für uns.
Eindeutige Verlierer der so genannten Haushaltskonsolidierung der großen Koalition sind die Kommunen. Nicht nur, dass sie direkt von den Mindereinnahmen der Steuerreform betroffen sind. Darüber hinaus sinkt die Finanzausstattung im Gemeindefinanzierungsgesetz im Vergleich zu 2003 um 323 Millionen Euro. Zudem werden Zuwendungen in verschiedenen Haushaltsplänen künftig in Größenordnungen reduziert. Alle Einzelpläne verzeichnen einen flächendeckenden Kahlschlag im sozialen, kulturellen und sportlichen Bereich, der vor allem Aufgaben der kommunalen Daseinsvorsorge trifft.
Nun haben wir vernommen, dass sich die CDU angeblich so sehr für die Kommunen einsetzt. Herr Lunacek hat sogar den Beschluss des SPD-Parteitages, diese Kürzungen der Landesregierung zurückzunehmen, vorsichtshalber auf dem Konto der märkischen CDU verbucht. Bei alldem wollen wir nicht vergessen, dass im Kabinett auch vier CDU-Minister sitzen, die den Kürzungen beim Gemeindefinanzierungsgesetz und anderen Grausamkeiten zugestimmt haben. Oder täusche ich mich?
Das sollte man auch Ihrem CDU-Bürgermeister in Werder einmal sagen, Herr Minister Schönbohm, der vor zwei Wochen einen ganz anderen Eindruck öffentlich vermittelt hat.
Aber ich will mich, Herr Minister, nicht lange bei Ihrer Zustimmung zum Gemeindefinanzierungsgesetz und zum Landeshaushalt aufhalten, sondern auf etwas anderes zu sprechen kommen: auf die Verschwendung in Ihrem Hause. Während Sie den Kommunen zumuten, den Gürtel noch enger zu schnallen, kann ich in Ihrem unmittelbaren Verantwortungsbereich, dem Ministerium des Innern, keinen energischen Konsolidierungswillen feststellen.
Der Etat des Ministeriums soll um knapp 60 Millionen Euro aufgestockt werden. Davon sind 46 Millionen Euro für eine Erhöhung der Personalausgaben vorgesehen. Ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, dass der Personalkörper der Ministerialverwaltung - nicht der der Polizisten - in der gegenwärtigen komplizierten Haushaltssituation um 28 Beamtenstellen erweitert werden soll.
Das sind Mehrausgaben in Höhe von 2,5 Millionen Euro. Nicht den Umständen angemessen finde ich auch, dass Sie leitende Beamte wie Polizeipräsidenten, die Chefs der Fachhochschule und des LKA in höhere Besoldungsgruppen befördern.
Auch Ihr Lieblingskind, der Verfassungsschutz, soll 250 000 Euro mehr erhalten. Das ist eine Steigerung um mehr als 20 %. Angesichts Ihrer V-Mann-Affären sollten die Mittel hier eher gekürzt werden. Das ist unser Vorschlag.
Zudem sind Ihre Reformen ja auch nicht billig. Für den Umzug der Fachhochschule und des Landeskriminalamtes soll das Land in den nächsten Jahren etwa 52 Millionen Euro aufbringen. Sie sind also nicht das Denkmal preußischer Sparsamkeit, Herr Schönbohm.
Beim Bildungshaushalt nehmen wir zwar eine Erhöhung von rund 109 Millionen Euro zur Kenntnis. Allerdings werden diese Mittel nicht zur Verbesserung der Lehr- und Lernbedingungen eingesetzt, sondern ausschließlich zur Begleichung erhöhter Personalausgaben; wogegen wir nichts haben. Sie wissen aber auch immer vorher, dass diese eintreten. Diese Ausgaben wachsen um 110 Millionen Euro an, und dies, obwohl über 2 170 Lehrerstellen abgebaut werden. Die von Ministerpräsident Platzeck benannte Priorität Bildung ist im Plan nicht zu erkennen. Für die Erfüllung des eigentlichen Bildungsauftrags fehlt das Geld, für die Bürokratie ist es vorhanden. So sollen die Regionalschulämter 3 Millionen Euro mehr erhalten. Gleichzeitig werden 500 000 Euro bei der Weiterbildung, mehr als 257 000 Euro bei der Projektarbeit der Landeszentrale für politische Bildung und 1 Million Euro im Landesjugendplan gestrichen. Der gesamte Etat für die politische Bildungsarbeit der Stiftungen und kommunalpolitischen Vereinigungen fällt dem Rotstift zum Opfer. Dagegen protestieren wir.
Das und auch die Reduzierung des Landesjugendplans um eine weitere Million sind nicht nur jetzt, vor den Kommunalwahlen die falschen Signale. Sie brechen zum wiederholten Male Ihre eigene Koalitionsvereinbarung, die eine stabile Größenordnung des Landesjugendplans von 13,29 Millionen Euro vorsah. Halten Sie sich doch bitte wenigstens bei der Jugend an das, was Sie vereinbart haben, meine Damen und Herren!
Der Minister, der diesen Haushalt zu verantworten hat, fordert zudem in schöner Regelmäßigkeit die kostenlose Kita-Erziehung. Das halte ich nun wirklich für eine Nullnummer, Herr Reiche.
Ich wäre auch dafür. Aber man kann nicht auf der einen Seite im Lande immer alles erhöhen und auf der anderen Seite fordern, der Bund möge die kostenlose Kita-Finanzierung sicherstellen. Im Übrigen würde ich Ihnen auch empfehlen, sich über die Berliner Kita-Situation wirklich ins Bild zu setzen. Wenn Sie deren Niveau erreichten, wäre ich heilfroh.
Scheinheilig ist auch Ihr Agieren in Sachen finanzieller Unterstützung des Ehrenamtes. Durch falsche finanzpolitische Entscheidungen wird anerkannte Arbeit infrage gestellt, bei der mit wenig Geld viel bewegt werden kann, etwa bei Frauenhäusern oder bei soziokulturellen Projekten. Bei Verbänden im Bereich des Landwirtschaftsministeriums werden die Zuschüsse fast halbiert. In diesem Jahr sind es allerdings nicht die Naturschutzverbände, sondern es ist zum Beispiel die Landjugend. Ich könnte unzählige Beispiele dafür nennen, dass sich schon jetzt Menschen an uns wenden und gegen die Kürzungen protestieren: vom Bund Deutscher Schiedsmänner bis zum Filmverband, der eine Null-Zuwendung bekommen soll. Was nützt da die schönste Rede, Herr Minister Baaske, zum Tag des Ehrenamtes, die Sie jüngst gehalten haben?
Auch Ehrenämter sind nicht zum Nulltarif zu haben.
Zum Thema Verkehr möchte ich unter Bezugnahme auf die Rekordunfallzahlen Brandenburgs nur Folgendes feststellen: Die Kürzung bei der Verkehrserziehung und -aufklärung um 250 000 auf nur noch 50 000 Euro und die fehlende Bereitstellung von Mitteln für die Schul- und Spielwegsicherung sowie Verkehrsberuhigung - dafür gab es einmal 450 000 Euro - sind mit Sicherheit die falsche Reaktion auf die bekannten Probleme.
Was die Wirtschaftsförderung anbelangt, will ich nur ein Beispiel herausgreifen - das liegt mir allerdings am Herzen -: die Filmförderung. Um den Medienstandort Babelsberg zu stärken, ihm zu helfen, sich der mächtigen Konkurrenz in Köln, Hamburg und München zu erwehren, ist eine Kürzung - Sie, Frau Ministerin, sagen, die Förderung sei in etwa gleich geblieben - der Zuschüsse für die Berlin-Brandenburger Filmförderung um 1,2 Millionen, also um rund 16 %, mit Sicherheit das falsche Signal.
Die Streichung der wenigen Mittel für den Filmverband - das sind 30 700 Euro im Wirtschaftsministerium - ist peinlich und eine Kampfansage der Landesregierung an den Medienstandort Babelsberg.
Dass Sie wenig oder nichts für den Medienstandort tun, mag man hinnehmen, aber dass Sie dort, wo in einem Verband mit wenig Geld kreative Kräfte am Medienstandort gehalten werden sollen, auch noch das Geld streichen, das ist ein Skandal, meine Damen und Herren.
Die falschen Signale in der Wirtschaftsförderung finden ihre Fortsetzung in der Arbeitsmarktpolitik, bei der erneut um 6 Millionen Euro reduziert werden soll, und zwar nicht wegen Auswirkungen der Bundesgesetzgebung, sondern infolge der wie es heißt - „Konsolidierungsbeschlüsse zum Haushalt 2004“.
Lassen Sie mich noch etwas zur Art und Weise Ihrer Haushaltssanierung sagen. Wir wissen ja, dass die Landesregierung
nicht angetreten ist, um den Parlamentariern das Lesen ihres Kompendiums zu erleichtern. Transparenz der Haushaltsplanung war in Brandenburg schon immer ein Fremdwort. Dazu gehört natürlich auch in diesem Jahr die Einplanung von globalen Minderausgaben in Höhe von insgesamt 121,9 Millionen Euro. Hinzu kommt, dass eine ganze Reihe von Ausgaben - so für die Chipfabrik - überhaupt nicht im Plan ausgewiesen sind oder zwar als Summe erscheinen, aber ohne eine solide Begründung. Dabei geht es im Unterschied zur Verbandsförderung um Millionengrößen. Wir könnten Ihnen aus allen Ministerien Beispiele nennen, bei denen mal eine, mal zwei und manchmal eben auch noch mehr Millionen einfach so in den Haushalt eingestellt werden, zum Beispiel für den weiterhin in den Sternen stehenden Dauerbrenner Flughafen Schönefeld.
Ein Beispiel zum Abwasser. Die Landesregierung irrt, wenn sie meint, durch Umschichtung und Verschleierung den Missbrauch öffentlicher Mittel im Bereich der Abwasserentsorgung unkontrolliert weiter praktizieren zu können. Die Zusammenlegung des Abwassertitels mit dem Trinkwassertitel - das ist rein rechnerisch und verstößt insofern nicht gegen die Hygiene soll offensichtlich die lästige Kontrolle durch das Parlament erschweren.
Das ist eine im Einzelplan 10 durchgängig probate Methode. So tauchen zum Beispiel jahrelang spezifisch zuordnungsfähige Titel aus dem Bereich Land- und Forstwirtschaft nunmehr ganz pauschal im Bereich ländliche Entwicklung auf.
Beispiel 2: Im Haushalt des für das Sparen in besonderer Weise zuständigen Finanzministeriums findet man eine Summe für Gutachten in Höhe von 4,2 Millionen Euro - das sind rund 3,5 Millionen Euro mehr als 2003 -, ohne dass auch nur mit einem Wort erläutert wird, warum denn diese große Summe erforderlich ist.
Ich kann hier nicht auf alle Details eingehen, ich sage nur: Das Gesamtausgabenvolumen hat sich gegenüber 2003 kaum verändert. 461 Millionen Euro sollten in dieser Wahlperiode als Schulden neu aufgenommen werden, jetzt werden es 4,6 Milliarden Euro sein. Warum sich die Gesamtverschuldung allein in dieser Wahlperiode von 12,8 auf mindestens 17,5 Milliarden Euro erhöht haben wird und die Investitionsquote mit 20,6 % den absoluten Tiefstand seit Bestehen des Landes erreichen wird - das sind Dinge, über die wir in den künftigen Beratungen noch zu diskutieren haben. Wir haben - weil Sie das fragen werden - in den vergangenen Wochen unsere Vorschläge zu einer grundlegenden Veränderung in der Wirtschafts- und Haushaltspolitik öffentlich unterbreitet. Wir haben neben manch kritischer Wertung auch viel Zustimmung für diese Pläne von anerkannter Seite erfahren. Auch Brandenburger Politiker, die es wollten, konnten und können unsere Vorschläge lesen. Wir wollen mit anderen ins Gespräch kommen über eine radikale Änderung der Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik des Bundes gegenüber den neuen Ländern; über eine Wende Ost, denn der Aufbau Ost als Nachbau West ist gescheitert; über eine langfristige finanzielle Entlastung der gesamten Gesellschaft. Den Weg hin zu einer selbsttragenden wirtschaftlichen Entwicklung des Ostens haben wir im Detail in einem Projekt „Herausforderung 80 in acht Punkten“ zusammengefasst. Wir haben ein Innovationsprojekt Ost vorgelegt.
Ich komme zum Ende, Herr Präsident.
Wir laden Sie zur Diskussion dieser Vorschläge ein. Wir sagen nicht, dass wir in allen Fragen den Stein der Weisen gefunden hätten, aber seriöse Vorschläge haben wir unterbreitet. Der von Ihnen nach vier Jahren großkoalitionären Regierens vorgelegte Haushalt ermöglicht Ihnen manches, aber eines ermöglicht er Ihnen hoffentlich nicht: Die äußerst bescheidene Bilanz ist nicht dazu angetan, arrogant gegenüber anderen Vorschlägen zu reagieren. Hochmut kommt vor dem Fall. Das belegt auch Ihr Haushalt. - Ich bedanke mich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube mich zu erinnern, dass kürzlich mit großem medialen Getöse auf Antrag der CDU/CSU ein Untersuchungsausschuss des Bundestages zu den vermeintlichen Wahlkampflügen der SPD eingesetzt worden ist. Dieser hätte mit dem Kurs der Agenda 2010 ein wahres Betätigungsfeld.
Ich darf aus dem Wahlprogramm der SPD zur Bundestagswahl 2002 zitieren:
„Wir bekennen uns zur besonderen Verantwortung gegenüber den Schwächeren in unserer Gesellschaft. Deswegen wollen wir im Rahmen der Reform der Arbeitslosen- und Sozialhilfe keine Absenkung der zukünftigen Leistungen auf Sozialhilfeniveau.“
So heißt es im Wahlkampfprogramm.
Im rot-grünen Regierungsprogramm 2002 bis 2006 heißt es:
„Auch unter den Bedingungen zunehmender Globalisierung sind informierte und mit Rechten ausgestattete Arbeitnehmer Garanten für wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Erfolg. Im Gegensatz dazu gefährden Sozialdumping und der Abbau von Arbeitnehmerrechten nicht nur den sozialen Frieden, sondern auch die internationale Wettbewerbsfähigkeit.“
Das steht im Programm der rot-grünen Regierung, das ist keine Erfindung von mir.
Allein an einer Auseinandersetzung über den eklatanten vermeintlichen Wahlbetrug der Agenda 2010 hat die Union aber kein Interesse. Sie unternimmt den Versuch, im Detail ein wenig abgewandelt, im Grundsatz völlig deckungsgleich und einigungsbereit, im Wettbewerb um die härtesten Spar- und Streichprogramme mitzuhalten. Die Agenda 2010 ist de facto die Agenda der großen Koalition bundesweit, aber Sozialabbau und weitere Umverteilung von unten nach oben sind nicht alternativlos, nur weil sie von SPD und Grünen, von Union und FDP im Gleichklang vertreten werden.
Minderheiten bei SPD und Grünen, vor allem aber Gewerkschaften und soziale Bewegungen wagen es immerhin, eine Politik, die völlig einseitig zulasten der sozial Schwachen geht, als solche zu benennen und zu kritisieren. Sie legen zugleich alternative Konzepte vor. Man mag ja Einwände gegen die Konzepte des DGB haben, so einfach - ohne inhaltliche Auseinandersetzung - vom Tisch zu wischen sind sie nicht
übrigens auch nicht die Vorschläge, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihrem Aufruf „Sozialstaat reformieren statt abbauen - Arbeitslosigkeit bekämpfen statt Arbeitslose bestrafen“ dieser Tage der Öffentlichkeit unterbreitet haben.
Die märkische SPD schwankt zwischen 1 : 1-Umsetzungsrhetorik, wie schon bei Hartz, ein wenig Ostnachbesserungswünschen und vereinzelter Grundsatzkritik. Leichte kosmetische Korrekturen an der Agenda dank - ich sage ausdrücklich: dank - des Einsatzes von Abgeordneten der SPD erstritten, ändern nichts daran, dass diese Agenda ungeeignet ist, die Auf-derKippe-Situation des Ostens, um Thierse zu zitieren, zu entschärfen. Das trifft auch für das Land Brandenburg zu.
Ich finde, wenn allein die Absenkung der Arbeitslosenhilfe auf Sozialhilfeniveau in Brandenburg einen Verlust an Kaufkraft von 250 bis 260 Millionen Euro nach sich zieht,
dann darf man doch erwarten, dass sich die Wirtschaftsweisen in der SPD über die wirtschaftlichen Folgen Gedanken machen, wenn sie es schon nicht zu den sozialen Folgen tun.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat errechnet, dass allein durch die angestrebten Sparmaßnahmen infolge zurückgehender Binnennachfrage in den nächsten zwei Jahren über 100 000 Arbeitsplätze wegbrechen. In welch krassem Missverhältnis steht das zu den 44 Arbeitsplätzen, die mit einer dreistelligen Millionensumme öffentlicher Mittel auf dem Lausitzring geschaffen wurden.
Wer aktuelle Studien oder den Dritten Kinder- und Jugendbericht für Brandenburg zur Kenntnis nimmt, der wird im Übrigen auch nicht um die Feststellung umhinkommen, dass damit die Politik die Armutsrisiken noch weiter verschärft. In Ostdeutschland lebten 2002 fünfmal so viele Empfängerinnen von Arbeitslosenhilfe wie in Westdeutschland. Wer damit meint, auf die Pläne zur Absenkung auf Sozialhilfeniveau nur mit ein wenig Nachjustierung reagieren zu können, diese Pläne aber im Grundsatz billigt, handelt aus meiner Sicht sozialpolitisch verantwortungslos.
Meine Damen und Herren, die fast täglichen Meldungen über erneut bevorstehende Beitragssatzerhöhungen in der Krankenund Rentenversicherung machen doch zweierlei deutlich:
Erstens: Die sozialen Sicherungssysteme sind reformbedürftig - das sage ich ausdrücklich - und: Dafür braucht man Konzepte. Ich muss Ihrem aber nicht automatisch folgen.
Zweitens: Die Rezepte der Bundesregierung waren falsch. Sie haben sich bisher weder mit dem einen noch mit dem anderen Trick so recht aus der wahren Affäre ziehen können, sie haben sich nur über Wasser gehalten. Das geht jetzt nicht mehr. Jetzt wollen sie die falschen Medikamente, allerdings in noch höherer Dosis, verabreichen und das geht schief.
Die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme ist bisher vor allem an den Faktor Arbeit gekoppelt, mehr noch an die spezifische Form der Arbeitnehmertätigkeit. Dieses Modell ist vor allem wegen der chronischen Arbeitsmarktkrise in Schwierigkeiten geraten. Dieses Problem allein auf den Schultern derer abzuladen, die noch Arbeit haben, und ihnen dabei auch die Einkommen zu beschneiden, etwa durch Niedriglöhne, ist weder sozial gerecht noch rechnet es sich.
Die Antwort der Agenda 2010 heißt Entsolidarisierung und Privatisierung. Unsere Antwort heißt: Stärkung von Solidarität und Wiederherstellung von sozialer Gerechtigkeit.
Die Agenda 2010 fordert zwar viele, aber nicht alle zur Lösung auf. Große Vermögen gelten für Bundesregierung und Union als unantastbar. Wir wollen dagegen, dass sich Steuern und Abgaben nach der finanziellen Leistungsfähigkeit rechnen.
Der Sozialstaat bleibt finanzierbar, wenn alle Bürgerinnen und Bürger, auch die Beamten, Selbstständigen und Abgeordneten, nach ihrem Leistungsvermögen dazu beitragen.
Die Steuerpolitik muss deshalb so ausgerichtet werden, dass Unternehmen und hohe Einkommen wieder stärker an der Finanzierung öffentlicher Aufgaben beteiligt werden. Hierzu gehört die Erhebung einer Vermögensteuer. Bei einem Steuersatz von 1,5 % und einem Freibetrag von 500 000 Euro für eine vierköpfige Familie brächte das Mehreinnahmen von immerhin 23,9 Milliarden Euro.
Die Besteuerung von Zinseinkünften entsprechend dem persönlichen Steuersatz könnte zu Mehreinnahmen in Höhe von 15 Milliarden Euro führen. Die Einführung einer Börsenumsatzssteuer von 1 % auf Wertpapierumsätze würde Mehreinnahmen in Höhe von 13 Milliarden Euro für die öffentlichen Kassen bedeuten.
Für die sozialen Sicherungssysteme heißt unsere Antwort nicht Herausnahme von immer mehr Leistungen aus diesen Systemen und ihre private Absicherung, sondern Verbreiterung der Finanzierungsgrundlagen der Sicherungssysteme, langfristig in Richtung einer allgemeinen Erwerbstätigenversicherung.
- Meine Damen und Herren, wenn ich die Ergebnisse Ihrer Politik kritisiere, heißt das nicht, dass ich ein anderes System einführe. Aber Sie müssen nicht ausgerechnet die Kritik am alten System abweisen. Wenn das das einzige ist, was Sie übernehmen, tun Sie mir Leid.
Meine Damen und Herren! Der wichtigste Beitrag zur Stabilisierung der öffentlichen Haushalte und der Sozialsysteme ist und bleibt der nachhaltige Abbau der Massenarbeitslosigkeit und die Schaffung dauerhafter und existenzsichernder Arbeitsplätze. Eine neuartige Vollbeschäftigung wird nur dann herzustellen sein, wenn gesellschaftlich notwendige Arbeit neben klassischer Erwerbsarbeit bezahlbar gemacht wird. Ein öffentlich geförderter Beschäftigungssektor bietet diese Chance.
Zu einer Politik der Verarmung von Menschen und Regionen gibt es Alternativen: Stärkung der Binnenkaufkraft, öffentliche Finanzierung von Arbeit, bessere Finanzausstattung der Kommunen, damit sie investieren können, im Übrigen die von der PDS seit Jahren geforderte Risikoabsicherung für Existenzgründer, für freie Berufe, kleine und mittelständische Unternehmen, indem man ihnen einen freiwilligen Beitritt zur Arbeitslosenversicherung ermöglicht.
Ein weiterer Vorschlag: Die Arbeitgeberbeiträge zu den sozialen Sicherungssystemen sind nicht mehr nach der betrieblichen Lohnsumme, sondern nach der Bruttowertschöpfung des Unternehmens zu berechnen.
Dadurch wird Arbeit geschaffen und nicht bestraft.
Meine Damen und Herren, es ist ein Irrglaube anzunehmen, dass weniger Sozialstaat zu mehr Beschäftigung führt. Das gilt besonders für den Osten. Wir fordern daher die Landesregierung und besonders die SPD auf, nicht mit einem „Augen zu und durch!“ dem Kanzler ihre Treue zu erweisen, sondern die
Interessen der Bürgerinnen und Bürger im Land Brandenburg wirksamer zu vertreten. - Ich bedanke mich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es folgen vier Anmerkungen. Erstens: Von Vertretern der großen Koalition hören wir immer wieder, dass es zu ihrer Haushaltspolitik keine Alternative gäbe. Warum sind Sie so pessimistisch, meine Damen und Herren? Wir haben Alternativen zu Ihrer Haushaltspolitik!
Sparen Sie nicht zulasten der Kommunen; denn das geht zulasten der Lebensqualität der Menschen. Wir haben Vorschläge entwickelt, wie man mit Umverteilungen im vorhandenen Entwurf und - das betone ich - ohne die Aufnahme von Riesensummen, mit dem gleichen Geld, auf die Drangsalierung der Kommunen verzichten kann. Unsere Vorschläge sind eine Alternative. Wir haben sie öffentlich gemacht und werden Ihnen diese alternativen Vorschläge in den nächsten Wochen immer wieder vorhalten, bis Sie sie annehmen, ablehnen oder durch bessere ersetzen; das ist theoretisch immer möglich. Aber erzählen Sie doch bitte nicht weiterhin das Ammenmärchen, dass es zu Ihren
Kürzungsvorschlägen, etwa im Bereich der Musikschulen und der Weiterbildung, beim Blinden- und Gehörlosengeld, bei der Kita-Finanzierung und eben auch bei der Kommunalfinanzierung, keine Alternativen - keine Alternativen zu Ihren nahezu göttlichen Vorschlägen - gäbe!
Kommen Sie von diesem hohen Ross herunter! Stehen Sie zu Ihren Kürzungsvorschlägen und versuchen Sie nicht, uns und der Öffentlichkeit Einsicht in die Notwendigkeit zu predigen!
- Ich bin erstaunt, dass das jetzt gerade von Ihnen kommt. Haben Sie wenigstens so viel Aufrichtigkeit, zu Ihren Kürzungsvorschlägen zu stehen!
Herr Innenminister, Sie haben Mecklenburg-Vorpommern angesprochen. Folgen Sie doch dem Beispiel Mecklenburg-Vorpommerns! Dort gibt es auch einen Nachtragshaushalt, aber in zwei Bereichen wird nichts zurückgefahren: Kommunen und Bildung. Wenn Sie auch so handeln, werden wir Sie loben.
Zweitens: Herr Lunacek hat uns gestern wissen lassen, Land und Kommunen gingen beim Sparen anteilig vor, trügen die gleiche Last. Darin erkenne ich einen Hauch von Realismus. Doch warum geht es bei Ihnen immer nur um die Last? Vermitteln Sie dem Land und den Kommunen doch einmal die gleiche Freude, indem Sie Ihre Kürzungsvorschläge bei den Kommunalfinanzen einfach zurücknehmen!
Einig sind wir uns allerdings darin, dass das System der Kommunalfinanzierung schon seit langem der Reform bedarf. Das will ich ausdrücklich festhalten. Ich gehe davon aus, dass es darüber keinen Zweifel gibt.
Das Problem besteht offensichtlich darin, dass die Kommunen als letztes Glied der Kette den Entscheidungen auf Bundes- und auf Landesebene geradezu ausgeliefert sind und kaum noch über eigene Handlungsspielräume verfügen. Sie erfüllen zum übergroßen Teil Aufgaben, die ihnen vorgegeben werden, und müssen mit dem Geld auskommen, das ihnen zur Verfügung gestellt wird.
Wenn gegenwärtig eine schwierige Finanzsituation sowohl im Bund als auch im Land zu sehen ist, dann ist es doch unzweifelhaft so, dass es die Kommunen noch schwerer haben als die Länder oder der Bund. Die Kommunen verfügen über den geringsten Handlungsspielraum und sind unmittelbar mit den Problemen konfrontiert, in erster Linie mit den vielen Arbeitslosen.
Herr Lunacek und Herr Schönbohm, ich bin immer dafür, über Freiräume zu reden. Diesbezüglich besteht zwischen uns kein Widerspruch. Sie können auch Ihre Argumentation gegen den Fürsorgestaat entfalten. Sagen Sie dies aber den Menschen dort, wo die Arbeitslosenquote über 30 % beträgt! Sagen Sie es Ihnen ins Gesicht! Diese Menschen erwarten durchaus, dass ihnen bessere Möglichkeiten geboten werden. Es ist doch nicht so, dass sie nur mutig sein und sich richtig entscheiden müssten. Diese Menschen haben keine Chance auf einen Arbeitsplatz.
Deswegen verlassen sie unser Land. Ich bin für die Wahrheit. Lassen Sie uns Freiräume so schaffen, dass die Menschen auch eine Chance haben! Das ist aber nur durch eine Stärkung der Kommunen möglich.
Drittens. Es ist Fakt, dass die kommunalen Investitionen in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen sind. Jeder weiß, dass sich diese negative Entwicklung zulasten vor allem von kleinen und mittleren Unternehmen niederschlägt, denen die öffentlichen Aufträge eindeutig fehlen. Das trägt selbstverständlich zu einer Erhöhung der Arbeitslosigkeit bei und vertieft die Probleme in der kommunalen Infrastruktur, die wiederum Voraussetzung für gute Ansiedlungsbedingungen ist. Es ist noch nicht lange her, da hat diese große Koalition, da hat die Landesregierung sich noch mit hochfliegenden Plänen zur Verbesserung der Finanzsituation der brandenburgischen Kommunen geäußert. Davon haben Sie nichts erfüllt. Dies muss man feststellen, auch wenn Sie nicht allein daran schuld sind. Der schreiende Widerspruch zwischen dem großspurigen Auftreten der damals noch oppositionellen CDU im Landtagswahlkampf 1999 und Ihrem hilflosen Agieren für mehr Geld, Herr Innenminister, spricht Bände. Ich stelle fest: Sie haben die dort gemachten Versprechungen nicht gehalten.