sind auch auf dem Gebiet der Entwicklungspolitik und des Verständnisses verschiedener Kulturen und der Hilfe für andere zu ziehen. Ich denke, das könnte ein wirklicher Beitrag sein. Den kann dieses Land mit diesem Haushaltsplan leider nicht leisten. - Danke schön.
Wir sind am Ende der Rednerliste. Ich beende die Aussprache. Damit ist die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 36 in der Drucksache 3/3878 zur Kenntnis genommen worden.
Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag von Frau KaiserNicht, die für die beantragende Fraktion spricht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die PDS-Fraktion beantragt heute die Beendigung der im Land laufenden Rasterfahndung, mit welcher infolge der terroristischen Anschläge vom 11. September 2001 in New York in Brandenburg islamistische Terroristen ermittelt werden sollten.
Diese Rasterfahndung ist von ihren Voraussetzungen, Begleiterscheinungen und offensichtlich nicht vorhandenen Ergebnissen her weder verhältnismäßig noch angemessen. Sie hat sich als ungeeignet erwiesen, den gesetzlichen Zweck der Abwehr gegenwärtiger Gefahren für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person zu erreichen.
460 270 Datensätze sind an das Landeskriminalamt übermittelt worden. Damit ist nahezu jeder fünfte Brandenburger in das Visier der Fahnder geraten. Bei den übermittelten Daten fielen 27 683 Personen in das Netz der Rasterkriterien. Und? - Es gibt bisher ja wohl keinen Fahndungserfolg, keine Ermittlungsverfahren und keinerlei Minderung der angenommenen Gefahr. Das heißt, die Maßnahme ist zudem nicht zweckgerichtet.
Das belegen nach unserer Auffassung nicht nur die Urteile der Landgerichte in Berlin und Wiesbaden, sondern auch der Bericht des Landesdatenschutzbeauftragten. Auch die versuchte Antwort der Landesregierung auf meine Kleine Anfrage zum Thema war sehr deutlich, vor allem durch Verschweigen und Umgehen genau der kritischen Fragen. Auch wenn der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion in seiner Presseerklärung von heute meint, die Rasterfahndung sei bereits erfolgreich gegen Terrorakte eingesetzt worden, und sie für eine wirksame Fahndungsmethode hält, so irrt er in diesem Fall.
Genau diese Wirksamkeit und diesen Erfolg konnte uns nicht einmal die Landesregierung bisher nachweisen.
Meine Damen und Herren, grundsätzlich darf der Staat nur bei vermutetem Verdacht eingreifen. Gemäß § 46 Abs. 1 des Brandenburgischen Polizeigesetzes kann die Polizei von „öffentlichen Stellen und Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs die Übermittlung von personenbezogenen Daten bestimmter Personengruppen aus Dateien zum Zweck des automatisierten Abgleichs mit anderen Datenbeständen” eben auch nur verlangen, „soweit dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder Landes oder für Leib, Leben und Freiheit einer Person erforderlich ist”. Diese Rasterfahndung ist also an strenge Voraussetzungen gebunden. Die zurzeit durchgeführten Fahndungen stellen arabische oder muslimische Migranten sowie deren Kinder jedoch praktisch unter Generalverdacht.
Natürlich haben die Ereignisse des 11. September und das Bemühen, eine ähnliche Gefährdung auszuschließen, dann ihre eigene Dynamik entwickelt. Klar ist: Die Zustimmung zu dieser Rasterfahndung wurde durch das Amtsgericht Eberswalde unter dem unmittelbaren Druck der Terroranschläge in den USA gegeben. Heute stellt sich die Situation schon anders dar. Dennoch: Sowohl der Ministerpräsident als auch der Innenminister sahen für Brandenburg auch bereits Ende September 2001 keine unmittelbare Gefahr. Das Landgericht Berlin hat in seinem Beschluss vom 15.01.2002 zu den Beschwerden von drei ausländischen Studenten gegen die laufende Rasterfahndung festgestellt:
„Eine Gefahr ist nur dann gegenwärtig, wenn die Einwirkung des schädigenden Ereignisses auf das betroffene Schutzgut entweder bereits begonnen hat oder wenn diese Einwirkung unmittelbar oder in der allernächsten Zeit mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bevorsteht.”
Nach Meinung des Gerichts wäre für eine gegenwärtige Gefahr mindestens zu fordern, dass ein sofortiges Einschreiten der Polizei unerlässlich erscheint, um den Schaden für das Schutzgut effektiv abwenden zu können. Dafür - immer noch die Meinung des Gerichts - bestehen hier keine ausreichenden Anhaltspunkte. Des Weiteren stellt es fest: Die Einleitung einer Rasterfahndung ist jedenfalls nicht schon deshalb gerechtfertigt, weil sich nicht definitiv ausschließen lässt, dass sich in Deutschland so genannte Schläfer aufhalten.
Meine Damen und Herren, ich erinnere Sie daran, dass Innenminister Schönbohm nach dem 11. September eine mögliche Gefahrensituation für Brandenburg ausschließlich auf die Nähe zur Bundeshauptstadt zurückführte, da in Brandenburg selbst keine herausgehobenen Angriffsziele für Terroristen sind. Wenn man jetzt aber in der Bundeshauptstadt für sich das Vorliegen einer besonderen Gefahrensituation ausgeschlossen hat, müssen wir sie uns in Brandenburg nicht speziell einreden.
Auch wenn die Fahndungsaktion in Brandenburg im Wesentlichen durchgelaufen ist, sollten deutliche Konsequenzen gezogen werden. Die PDS fordert: Es muss die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Rasterfahndung gestellt werden. Aufwand und Nutzen müssen verglichen und über den künftigen Umgang mit dem Mittel der Rasterfahndung muss nachgedacht werden.
Mit der Forderung nach sofortiger Beendigung der jetzigen Rasterfahndung in Brandenburg lassen wir uns von der Auffassung leiten, dass die Voraussetzungen, unter denen das Amtsgericht Eberswalde der Einleitung der Fahndung zugestimmt hat, nicht mehr gegeben sind. Damit gibt es auch keine Rechtfertigung dafür, sensible Daten von Personen, für deren Gefährlichkeit keine Anhaltspunkte gegeben sind, länger zu speichern. Dieser anhaltende Eingriff in die Grundrechte von Bürgern ist nicht dadurch zu rechtfertigen, dass weitere Ermittlungen bei einem ganz geringen Teil der so genannten Trefferfälle stattfinden. Wie gesagt: Mehr als 27 000 Personen befinden sich nach wie vor im Datenabgleich. Angesichts dieser hohen Zahl ist es auch nicht zu akzeptieren, dass von einer automatischen Löschung abgesehen werden soll oder in vorsintflutlicher Weise die Löschung von Hand erfolgt, weil die Polizei über keine entsprechende Software verfügt.
Wir kritisieren auch den Umgang mit Daten, die das LKA an das Bundeskriminalamt weitergeleitet hat. Da das LKA datenschutzrechtlich für die Durchführung der Rasterfahndung verantwortlich ist, unterliegen die an das Bundeskriminalamt übertragenen Daten der Weisungshoheit des LKA. Hierzu stellt der Landesbeauftragte für den Datenschutz fest, dass das LKA die Datenübertragung mit klaren Weisungen hätte verbinden müssen. Das ist jedoch offensichtlich nicht erfolgt.
Zu klären ist auch, inwieweit es bei der Polizei und im Innenministerium Überlegungen und Aktivitäten gegeben hat, Erkenntnisse aus dem Datenabgleich, die nicht im Zusammenhang mit den terroristischen Anschlägen vom 11. September stehen, für andere Zwecke zu nutzen, zum Beispiel zur Ermittlung von Sozialleistungsmissbrauch. Eine solche zweckentfremdete Verwendung der Daten ist nach dem Polizeigesetz unzulässig.
Wir fordern, dass der Innenminister dazu eindeutig Stellung bezieht. Wir halten es für erforderlich, dass die Landesregierung eine kritische Evaluierung der groß angelegten Rasterfahndung vornimmt und den Landtag mit den Ergebnissen befasst.
Letztlich geht es dabei um die Frage der künftigen Anwendung der polizeilichen Eingriffsbefugnis der Rasterfahndung. Wir setzen uns dafür ein, dass in Brandenburg damit ein kritischer, sensibler Umgang gepflegt wird, der über die selbstverständliche Wahrung der rechtlich vorgeschriebenen Voraussetzungen hinausgeht. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf einen Artikel in der „Deutschen Richterzeitung” Nr. 1/2002, in dem an der Rasterfahndung kritisiert wird, dass eine Vielzahl unverdächtiger Personen in die Fahndung einbezogen wird, dass potenziell sämtliche Datenbestände in Dateien herangezogen werden können und damit die Zweckbindung der dort vorhandenen Daten umgangen wird,
dass die traditionelle Suche nach verantwortlichen Personen dergestalt umgekehrt wird, dass sie zunächst als verantwortlich angesehen werden und ihnen gegenüber vorliegende Verdachts
momente erst durch die Rasterfahndung ausgeschlossen werden. Die Zwecktauglichkeit der Rasterfahndung ist vorher kaum bekannt gewesen und wegen der weitgehenden Anonymität ist für die Betroffenen auch kaum Rechtsschutz möglich.
Die PDS-Fraktion beobachtet kritisch die Absicht, das Mittel der Rasterfahndung leichter handhabbar zu machen und damit auch eine Herabsetzung der Eingriffsschwelle zu erreichen, indem man die präventive Anwendung anstrebt. Manch einer möchte die Rasterfahndung am liebsten zu einer Routineangelegenheit machen, die sozusagen im polizeilichen Alltag zur selbstverständlichen Anwendung kommt.
Insofern ist selbst die notwendige Modernisierung der Datenverarbeitung in den kommunalen Meldebehörden mit Skepsis zu betrachten. Ich mag es nicht glauben, dass die Mehrheit des Landtages tatsächlich gläserne Brandenburger Bürger anstrebt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Fahndung wird immer eine polizeiliche Maßnahme sein. Aber eine Fahndung, die unter richterlicher Kontrolle, unter unabhängiger Kontrolle, steht, ist mir zehnmal lieber als das, was ich zum größten Teil meines Lebens vorher erfahren musste,
Lassen Sie mich noch eines sagen - auch zum Unterschied zur Vergangenheit -: Durch die offenen Grenzen, durch ein offenes Europa, durch eine offene Welt haben es Terroristen - um diese und deren Bekämpfung geht es - wesentlich leichter, Grenzen zu überschreiten. Da war - das muss man wohl zugeben - die Mauer ein Schutz. Aber diese will ich nicht wiederhaben.
Die Durchführung der Rasterfahndung ist nicht, wie behauptet wird, eine Willkürmaßnahme der Landesregierung oder gar des Innenministers. Sie beruht auf einer Genehmigung und einem Beschluss des Amtsgerichtes Eberswalde. Wir als Fraktion haben keinen Anlass, die sorgfältige Prüfung der Juristen irgendwie in Zweifel zu ziehen.
tensätze gelöscht werden, die nicht zur unmittelbaren Gefahrenabwehr weiter benötigt werden. Aber, Frau Kollegin KaiserNicht, wieso unterstellen Sie, dass diese Daten nicht gelöscht werden? Die Voraussetzungen dafür und die notwendigen gesetzlichen Bestimmungen sind vorhanden und Sie können davon ausgehen, dass diese eingehalten werden.
Was sich aus der Rasterfahndung ergeben hat, ist die Notwendigkeit der Evaluierung der Melderegistersoftware, damit Daten zeitnah übermittelt und zusammengestellt werden können. Diese Evaluierung muss das Innenministerium vornehmen. Das ist auch überhaupt nicht zu kritisieren.
In den ersten Momenten nach dem Vorfall im September vorigen Jahres, als wir festgestellt haben, dass wir in Brandenburg nicht mehr in der Lage waren, Daten von Einwohnermeldeämtern schnell und präzise zu erfassen, war die Angst hier sehr groß. Das muss nicht sein. Insofern ist das ein normaler Vorgang und eine positive Erfahrung aus dieser Maßnahme.
Die PDS schreibt in der Antragsbegründung selbst, dass es in Berlin und Hessen negative Urteile gab. Aber diese Urteile - auch das ist Rechtsstaat und Föderalismus - gelten nur für Berlin und Hessen und nicht für Brandenburg. Insofern ist es nach wie vor eine demokratisch legitimierte Maßnahme.
Die PDS behauptet, in Brandenburg könne keine andere Sicherheitslage bestehen als in der Hauptstadt. Das ist richtig. Aber dem ist entgegenzuhalten, dass es, wenn die Angriffsziele in der Bundeshauptstadt sind, wahrscheinlich ist, dass das Rückzugsgebiet derer, die es darauf abgesehen haben, Brandenburg ist.