Protokoll der Sitzung vom 31.12.2000

Und wenn Entwicklungszusammenarbeit trotz all dieser Probleme, die wir zu lösen haben und die wir lösen werden, stattfindet - und das alles als freiwillige Aufgabe -, glaube ich, dass dies der Anerkennung wert ist. Dass wir uns natürlich nach wie vor wünschen, sehr viel mehr in dieser Richtung tun zu können, habe ich bereits betont. - In diesem Sinne bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei CDU und SPD)

Damit sind wir bei der Landesregierung. Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Kuhnert, ich möchte mich bei Ihnen ausdrücklich bedanken für einen sehr nachdenklichen und zum Nachdenken anregenden Beitrag. Ich darf Ihnen versichern, dass wir, wie bereits vereinbart, weiter im Gespräch bleiben über die Möglichkeiten einer Weiterentwicklung der Entwicklungshilfe unseres Landes.

Herr Abgeordneter Firneburg, der Vorwurf der Hilflosigkeit aus Ihrem Munde ist etwas kurios. Ich würde Ihnen doch empfehlen, bevor Sie sich über die Sorgen aller Menschen auf dieser Erde Gedanken machen: Revidieren Sie Ihre Haltung gegenüber Ausländern und gegenüber der europäischen Integration!

(Beifall bei CDU, SPD und PDS)

Frau Abgeordnete Wolff, es tut mir Leid, dass ich innerhalb von zwei Tagen ein zweites Mal darauf hinweisen muss, dass das Verhalten der PDS doch sehr unterschiedlich ist - wenn es um die Fachdebatte in den Ausschüssen, um das Plenum oder um die Öffentlichkeitsarbeit geht.

Was die Debatte in den Fachausschüssen angeht, ist von Ihnen nichts zu hören. Sie gehen aber nach den Sitzungen vor die Presse und behaupten, dass Sie konstruktive Vorschläge unterbreitet hätten. In diesem Falle ist es genauso. Sie sprechen von Täuschung und davon, dass der Entwicklungshilfeminister dem Parlament etwas weismache. Ich bitte Sie ganz herzlich darum, dem Parlament nicht weiszumachen, dass die Lottomittel gekürzt worden seien. Das Gegenteil ist der Fall. Ich bitte Sie herzlich darum, dem Parlament nicht weiszumachen, dass ich behauptet hätte, das BEPI sei selbst schuld daran, dass es keine institutionelle Förderung mehr bekomme. Sagen Sie doch diesem Plenum des Parlaments und der Öffentlichkeit, wie Sie vorhatten, dieses Institut weiter zu fördern! Ihr Deckungsvorschlag war abstrus. Sie wollten dem Innenminister zumuten, dass er etwas aus seinem Etat, und zwar aus dem Bereich der EDV, für den Fortbestand des BEPI lockermacht. Das ist keine seriöse Politik.

(Beifall bei CDU und SPD)

Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Aber selbstverständlich.

Herr Prof. Bisky, bitte.

Herr Minister, ich würde gern wissen, von welchem Ausschuss Sie sprechen, in dem wir angeblich nicht mitarbeiten. Es wäre hilfreich, wenn Sie das konkretisieren könnten. Würden Sie mir die Freude tun?

Aber mit dem größten Vergnügen, Herr Abgeordneter Bisky. Es betrifft die beiden Ausschüsse, in denen ich die Ehre habe mitzuarbeiten, nämlich den Rechtsausschuss und auch den Europaausschuss. Ich bitte Sie aber, mir in Ihrer Frage nicht zu unterstellen, ich hätte gesagt, Sie würden nicht mitarbeiten. Sie arbeiten sehr gut mit. Allerdings vermisse ich die konstruktiven Vorschläge.

(Zurufe von der PDS)

- Ich vermisse die konstruktiven Vorschläge.

Frau Abgeordnete Wolff, es ist kühn, aus der Präambel unserer Verfassung auf einen Verfassungsauftrag in Sachen Entwicklungshilfe zu schließen. Der Weg der PDS zu einer Verfassungspartei ist offensichtlich doch noch ein sehr weiter.

(Beifall bei der CDU)

Sie werfen der Landesregierung vor, sie sei oberflächlich gewesen in der Beantwortung Ihrer Fragen. Ich bitte um Nachsicht; Sie haben 77 Fragen gestellt und ein Antwortschreiben von über 50 Seiten bekommen, das nach bestem Wissen und Gewissen erarbeitet worden ist.

Es kann überhaupt keine Rede davon sein, dass es kein Gesamtkonzept einer Entwicklungshilfepolitik der Landesregierung gebe. Ich kann allerdings sehr gut verstehen, dass Sie die Ideologie in diesem Konzept vermissen. Wir machen nämlich keine ideologiebefrachtete Entwicklungspolitik,

(Beifall der Abgeordneten Frau Blechinger [CDU])

sondern eine sachbezogene. Meine Damen und Herren, das bedeutet eben auch, dass wir uns auf Entwicklungshilfeprojekte konzentrieren, wo es notwendig ist, und zwar nach einer strengen Prioritätensetzung, und wir müssen uns entsprechend unseren Möglichkeiten verhalten.

Entwicklungszusammenarbeit ist ein Teil einer globalen Struktur- und Friedenspolitik. Sie ist eine gemeinsame Aufgabe der Europäischen Union, von Bund und Ländern.

Angesichts der großen Dimension dieser Aufgabe und der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit der verschiedenen Ebenen ist eines klar: Die deutschen Länder, vor allem jene, die im Rah

men des Solidarpakts und des horizontalen Finanzausgleichs selbst auf Finanztransfers angewiesen sind, können beim Aufwand für die Entwicklungszusammenarbeit nicht an vorderster Stelle stehen. Trotzdem leistet auch Brandenburg auf vielen Feldern Entwicklungshilfe. Das gilt sowohl für die entwicklungspolitische Informations- und Bildungsarbeit im Land als auch im Hinblick auf konkrete Hilfsprojekte.

Diese Maßnahmen haben in vielen Regionen dieser Erde zur Verbesserung der Lage der Menschen beigetragen und das sollte nicht gering geschätzt werden. Wir haben Prioritäten gesetzt, auch weil die Gesamtsituation des Haushalts uns dazu zwingt. Deshalb mussten wir uns auch von einigen Fördervorhaben verabschieden. Wir werden aber auch in Zukunft Hilfe zur Selbsthilfe leisten, wo es sinnvoll ist und unseren Möglichkeiten entspricht. Dabei werden uns die Unternehmen Brandenburgs unterstützen. Von dieser Unterstützung durch die Wirtschaft unseres Landes können die Entwicklungsländer und unsere Unternehmen nur profitieren.

In der Debatte über den Doppelhaushalt 2002/2003 ist von der PDS behauptet worden, mit der Vorlage des Haushaltsplanentwurfes seien „die Totenglocken für die brandenburgische Entwicklungspolitik gestimmt worden”.

Die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage belegt: Diese Behauptung war - jetzt können Sie mitsingen -, ist und bleibt falsch. Richtig ist vielmehr: Auf vielen Feldern ist Brandenburg weiterhin in der Entwicklungshilfe engagiert. Das Land hat Projekte gefördert, durch die in Bosnien-Herzegowina Wohnungen für Kriegsflüchtlinge hergestellt wurden. Im Bereich des Umwelt- und Hochwasserschutzes hat das Land unter anderem mit Togo, den Philippinen, Peru und China zusammengearbeitet. Bei der Landwirtschaft hat sich das Land an Projekten in Mexiko, Moldawien, Usbekistan, Ägypten, Iran, Nepal, Vietnam, Korea, Indonesien und China beteiligt. Mit konkreten Projektvorhaben in Vietnam haben wir einen weiteren Schwerpunkt gesetzt. Dort wurde die dörfliche Infrastruktur nach der Entminung von früheren Kampfzonen zur Wiederansiedlung von Menschen in ihrer Heimat mitfinanziert. Wir haben die Trinkwasserversorgung in Krankenhäusern, Vorhaben der Berufsbildung, Arbeits- und Studienaufenthalte für junge Menschen in den Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas unterstützt. Wir unterstützen Vorhaben der Forschungskooperation mit Ägypten, China und weiteren Schwellen- und Entwicklungsländern.

Damit verbunden sind der Austausch von Studenten und von Lehrenden sowie die Zusammenarbeit bei wissenschaftlichen Projekten. Es gibt hierzu bereits eine Vielzahl bilateraler Hochschulverträge. Die Tatsache, dass sich die Zahl der Studenten aus den Entwicklungsländern, die in Brandenburg ein Studium aufgenommen haben, seit Mitte der 90er Jahre fast versechsfacht hat, kann uns dabei nur ermutigen. Die Angebote unserer Hochschulen werden immer besser angenommen.

Meine Damen und Herren, mein Haus hat auch die entwicklungspolitische Öffentlichkeitsarbeit vieler Träger unterstützt. Die Aufzählung dieser Beispiele ließe sich noch lange fortsetzen. In der Antwort auf die Große Anfrage sind sie erschöpfend dargestellt. Wir dürfen uns und unsere Möglichkeiten auf dem Feld der Entwicklungshilfe und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit nicht überschätzen und die Sparzwänge, die die Ge

staltungsspielräume noch lange einengen werden, nicht unterschätzen. Im Rahmen des Verantwortbaren und des Machbaren wird Brandenburg aber auch weiterhin seinen Beitrag dazu leisten, dass sich die Lebensbedingungen in der Dritten Welt und in den Schwellenländern weiter verbessern. Das ist auch eine wirksame Maßnahme gegen Terror. Das ist eine wirksame Maßnahme gegen organisierten Menschenhandel, eine wirksame Maßnahme gegen vielfache Gründe, aus denen Menschen ihre Heimat verlassen müssen.

Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund leistet Brandenburg, leistet diese Landesregierung, wie es in der Verfassung steht, einen verantwortlichen Beitrag in dieser Einen Welt. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Die verbleibenden fünf Minuten? - Frau Osten, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte gerne drei Vorbemerkungen machen. Erstens erkennen wir alle positiven Ergebnisse an, Herr Kuhnert und Herr Minister; das ist vollkommen klar. Aber für das Lob sind Sie zuständig, das haben Sie uns heute früh sehr gut bewiesen.

(Beifall bei der PDS)

Zweite Bemerkung: Die Spendierlaune des Ministerpräsidenten für Projekte der Entwicklungszusammenarbeit in allen Ehren, aber ich denke, dass gerade diese Menschen, die sich um das Schicksal anderer kümmern, das Recht haben, planmäßig unterstützt zu werden. Das heißt, diese Position gehört in den Haushaltsplan.

(Beifall bei der PDS)

Drittens: Ich muss mich vielleicht entschuldigen, dass ich mich so provozieren lasse, aber ich denke, Herr Minister Schelter, Sie sollten sich um Ihre Öffentlichkeitsarbeit kümmern. Mit ihr haben Sie genug Probleme.

(Beifall bei der PDS)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor fast genau zehn Jahren hat die übergroße Mehrheit des Brandenburger Landtages für die Landesverfassung gestimmt. Es sind hier noch viele Abgeordnete und viele Minister, die genau dieser Landesverfassung ihre Stimme gaben. Ich muss einfach daran erinnern, dass in dieser Verfassung steht, dass Brandenburg Bestandteil und Förderer der Einen Welt sein will. Damit ist dieser Verfassungsanspruch sehr eindeutig. Ich bedaure es sehr, dass sich so viele davon verabschiedet haben; denn in diesem Haushaltsplan, den uns übrigens die Regierung vorgelegt hat - Herr Minister, daran muss ich Sie schon erinnern, weil Sie in Ihrer Antwort die Verantwortung des Parlaments so hervorheben -, steht im Einzelplan 04 - und zwar genau an der Stelle, wo die Positionen für den Bereich Justiz und Europa vorgesehen sind - nun eine Null.

Ich denke, dass damit der Brandenburger Entwicklungspolitik und ihren Akteuren genauso wenig geholfen ist wie mit der Rede von Herrn Kuhnert, obwohl mir seine Wünsche sehr nahe sind. Aber das, was wirklich beschlossen wird, und das, was wir konkret gestalten, bleibt weit dahinter zurück.

Es ist auch ein Fakt, der hier zu benennen ist, dass die Entwicklungspolitik im zuständigen Ausschuss nur noch auf Antrag der PDS behandelt wird und die Äußerungen von Minister Schelter zu den angeblichen Brandbriefen, die die SPD-Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul zur Rettung des Brandenburger Entwicklungspolitischen Instituts an den Ministerpräsidenten geschrieben hat, ohne Reaktion der SPD-Mitglieder blieben.

Dies alles erleben wir, obwohl in beiden Bundesparteien öffentliche Zeichen pro Entwicklungspolitik vorhanden sind. Über die entwicklungspolitischen Beschlüsse des Nürnberger Parteitages der SPD hat zumindest die PDS hier gesprochen. Auch von der der CDU nahe stehenden Konrad-Adenauer-Stiftung wurden auf einer Fachtagung bemerkenswerte Ansätze formuliert. Von SPD und CDU war allerdings in den Haushaltsberatungen zum Thema Entwicklungspolitik überhaupt nichts zu hören.

Zwei Akzente möchte ich in meinem abschließenden Beitrag noch setzen. Das ist zum Ersten die in Ihrer Antwort - konkret auf Frage 7 - mehrfach aufgestellte Behauptung - der Herr Minister hat das in seiner Rede auch gebracht -, dass wir uns keine Entwicklungspolitik mehr leisten können. Wenn uns auch in diesem Zusammenhang andere, sonst übliche Ergüsse erspart blieben, dass Entwicklungspolitik einfach keine Landesaufgabe sei, so steht doch die Frage des Sich-Leisten-Könnens. Ich muss einfach daran erinnern, dass dieser Betrag, der hier weggefallen ist - es geht um den Erhalt des Entwicklungspolitischen Instituts und um Projektförderung -, ganz locker einmal für ein Gutachten zum Beispiel beim Beteiligungsbericht ausgegeben wurde oder dass er selbstverständlich in einer Haushaltssperre bei Verwaltungskosten ganz schnell wegfallen kann.

Also werfen Sie uns bitte nicht vor, wir wollten irgendetwas stören. Wir finden die Reserven für solche Beträge. Das haben wir in der Haushaltsberatung auch bewiesen.

(Beifall bei der PDS)

Selbst wenn man die Verfassung einmal außen vor lässt, kann es nicht sein, dass es Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz gibt - von 1994, von 1998, man hat sich sogar zu dem von 1988 bekannt -, wo der Ministerpräsident sozusagen seine Unterschrift darunter setzt, wo eindeutig festgelegt wird, dass man personell helfen will, dass man Projekte mit fördern will, dass man entwicklungspolitische Informationsarbeit leisten möchte. Hier wird ein neuer Beschluss vorbereitet. Es geht um den Weltgipfel „Rio plus 10” in Johannesburg. Er wird sich damit beschäftigen. Dort sollte Ihre Unterschrift, Herr Ministerpräsident, nicht nur Symbol sein.

Frau Abgeordnete, bitte kommen Sie zum Schluss Ihrer Rede!

Einen zweiten Aspekt möchte ich nur noch anreißen. Ich denke, die Schlussfolgerungen aus den Ereignissen des 11. September

sind auch auf dem Gebiet der Entwicklungspolitik und des Verständnisses verschiedener Kulturen und der Hilfe für andere zu ziehen. Ich denke, das könnte ein wirklicher Beitrag sein. Den kann dieses Land mit diesem Haushaltsplan leider nicht leisten. - Danke schön.