Protokoll der Sitzung vom 29.05.2002

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 3/4270

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der PDS-Fraktion. Möchten Sie die Begründung und den Redebeitrag zusammen vortragen?

(Frau Wehlan [PDS]: Ja!)

- Sehr schön, dann wissen wir Bescheid. Das Wort geht an Sie, Frau Wehlan.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Antrag fordern wir die Landesregierung auf, geeignete Maßnahmen zur Reduzierung von Wildschäden zu ergreifen und die Wilddichte der jagdbaren Schalenwildarten so weit zu reduzieren, dass ein auf den Lebensraum bezogen wildökologisch vertretbares Maß erreicht wird. Eine Maßnahme, die wir uns in diesem Zusammenhang vorstellen, ist die Abschaffung der Jagdsteuer bei angemessener Kompensierung des finanziellen Ausgleichs für die Landkreise.

Ich bin gespannt, welcher Ressortchef die Redezeit der Landesregierung zu diesem Antrag gestalten wird. Dreht sich die Diskussion primär um kommunale Finanzen oder wird deutlich, warum sich bereits die Agrarpolitiker des Landes auf dem Landesjägertag vor einem Jahr so nachdrücklich und einmütig für die Abschaffung der Jagdsteuer ausgesprochen haben?

Auch der diesjährige Landesjägertag war von diesen Bekenntnissen geprägt und sollte die höhere Weihe durch den Redebeitrag der Fraktionsvorsitzenden der CDU, Frau Blechinger, erfahren, die einen Entschließungsantrag ihrer Fraktion zur Abschaffung der Jagdsteuer ankündigte und dabei die großen Bauchschmerzen ihres Koalitionspartners SPD mit diesem Antrag beschrieb. Von Herrn Birthler wissen wir, dass bei der SPD von Bauchschmerzen keine Rede sein kann. Sein diesbezüglicher Brief an den Innenminister sei seit Wochen unbeantwortet geblieben.

Sei es wie es sei, wir haben mit unserem Antrag für eine Debatte im Landtag gesorgt und Herr Stolpe hat gestern verkündet, dass der Koalitionsstreit zwischen SPD und CDU beendet ist/beendet wird,

(Minister Schönbohm: Diskussion!)

was auch für den sachlichen Inhalt unseres Antrages hoffen lässt.

Worum geht es uns mit unserem Antrag?

Erstens: Wir müssen wieder Wilddichten erreichen, die ein auf den Lebensraum bezogen vertretbares wildökologisches Maß

haben. Dafür sind viele Einflussfaktoren maßgeblich. Denken Sie an die schneisenfreien Schlaggrößen, an das veränderte Tag/Nachtverhalten unserer jagdbaren Arten, an den fortgeschrittenen Waldumbau mit Zäunen, dichtem Unterstand und künftig vermehrter Mast, an Zerschneidungseffekte durch die Zunahme des Verkehrs usw. Dabei wird eines deutlich: Die Jägerschaft allein wird vielleicht nicht mehr Herr der Lage, aber ohne die Jäger geht nichts.

Zweitens: Die Wildschäden müssen ehrlich ermittelt und einheitlich bewertet werden. Wir begrüßen die Aktivitäten der Wildforschung im Land Brandenburg dazu, insbesondere zur wildökologischen Lebensraumbewertung und zur gutachterlichen Bewertung von Verbissschäden.

Frau Abgeordnete, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Ja, natürlich.

Herr Helm, bitte.

Werte Frau Wehlan, könnten Sie in Ihrer verbleibenden Redezeit vielleicht noch kurz erläutern, welchen Zusammenhang Sie zwischen Wildschäden und der Erhebung der Jagdsteuer sehen?

Ja, natürlich, Herr Helm. Sie haben sicherlich auch unseren Antrag dazu gelesen.

(Zurufe von der CDU: Ja eben!)

Darin wird dieser Zusammenhang eigentlich auch schon deutlich. Aber ich merke, dass Sie nicht nur Probleme haben, mit Ihrem Koalitionspartner SPD zurechtzukommen, sondern auch in Ihrer eigenen Landtagsfraktion.

Frau Wehlan, es gibt noch einen zweiten Fragesteller. Herr Dr. Wiebke steht noch dort.

Ja, natürlich.

Frau Kollegin Wehlan, Ihre Fraktion hat sich gerade so vehement für die Fortsetzung der Funktionalreform eingesetzt. Finden Sie nicht auch, dass die Gestattung durch das Landesgesetz, wonach den Kreisen überlassen bliebe, die Jagdsteuer abzuschaffen oder sie gar nicht erst einzuführen, auch im Sinne der Funktionalreform wäre, sodass man all die Postulate mit den Menschen, mit den Abgeordneten vor Ort in Kenntnis der loka

len und örtlichen Situation durchsetzen könnte, wenn man das so wollte? Oder muss der Landesgesetzgeber - möglicherweise sogar gegen gesetzessystematische Bedenken - diese Jagdsteuer von oben abschaffen?

Herr Dr. Wiebke, Sie wissen ja auch, dass mit dem Kommunalabgabengesetz der Landesgesetzgeber selbst die Offerte zur Einverleibung einer Jagdsteuer gibt

(Beifall bei der PDS)

und dass der Landesgesetzgeber selbst bei der Kontrolle in Bezug auf Haushaltssicherungskonzepte sehr deutlich auf die Einnahmeseite schaut.

(Homeyer [CDU]: Aber einige Kreise haben das schon abgeschafft, Frau Wehlan!)

Insofern ist diese Frage, denke ich, ein bisschen differenzierter zu sehen.

(Beifall bei der PDS)

Den zweiten Grund, weshalb wir für diesen Antrag um Ihre Stimmen werben, nannte ich bereits.

Drittens: Der Stellenwert der Jagd in der Gesellschaft als sozialer, wirtschaftlicher und umweltregulierender Bestandteil des Lebens im ländlichen Raum muss von der Landesregierung stärker hervorgehoben werden.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Die Jagd ist nicht als Form der Freizeitgestaltung begüterter Mitbürger und damit verbundenem Statussymbol zu betrachten.

Viertens: Die vereinzelt praktizierte Form der Jägerschaft, zivilen Widerstand gegen die Erhebung der Jagdsteuer zu leisten, soll durch eine landesweit geltende Regelung ersetzt werden, die den Beteiligten Rechtssicherheit gibt und einen waidgerechten Umgang mit der Kreatur sichert.

(Zuruf des Abgeordneten Homeyer [CDU])

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Ihnen die Definition für Steuern ins Gedächtnis rufen:

“Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein.”

Bezogen auf die Jagdsteuer handelt es sich ausschließlich um die Erzielung von Einnahmen, ein anderer sinnvoller Nebenzweck ist nicht erkennbar, es sei denn, irgendjemand verbindet mit der Jagd etwas, was ganz überwiegend an Status, Reichtum und Trophäen gekoppelt ist. Vielleicht trägt ja die ausgeprägte Traditionspflege bei Jägern zu diesem Nimbus bei. Auch

sprachlich lassen zum Beispiel die Begriffe “Niederwild” und “Hochwild” auf Zeiten schließen, in denen Wild nach sozialer Zuordnung jagdbar war.

(Zuruf des Abgeordneten Homeyer [CDU])

Wir betrachten die Jagd in Brandenburg nicht als Luxusgut – auch deshalb unser Antrag -, was natürlich nicht heißt, dass wir gegen jede Steuer wären, denn für Vermögens- und Spekulationssteuer sind wir durchaus zu haben. Welcher Zweck soll jedoch mit einer Besteuerung der Jagd erreicht werden?

Die Bestände der Schalenwildarten haben sich in den letzten Jahrzehnten rapide erhöht - für die detaillierte Information empfehle ich Ihnen das Studium des Jagdberichtes des Landes Brandenburg -, gleichzeitig klagen die Landwirte über hohe Wildschäden, die Waldbesitzer über Verbiss und hohe Zaunkosten, Autofahrer und Versicherungen über die wachsende Zahl an Wildunfällen.

(Kolbe [SPD]: Jetzt beantworten Sie doch mal die Frage von Herrn Helm in dem Zusammenhang!)

- Mir ist Ihr Name entfallen, aber ich möchte Ihnen einfach nur sagen: Wenn Sie Ihre Fragen in der Diskussion in der eigenen Fraktion nicht beantwortet bekommen, dann hören Sie einfach zu.

(Beifall bei der PDS)

Dass die Jägerschaft versucht, dieses Problems Herr zu werden, können Sie an den ebenfalls kontinuierlich gestiegenen Abschusszahlen ablesen. Offensichtlich ist es jedoch nicht gelungen, den Kreislauf der Zunahme der Populationen zu durchbrechen. Hier müssen die Anstrengungen verstärkt, neue Jagdmethoden entwickelt und die Jagdbehörden bei der Abschussplanung mit anderen Befugnissen ausgestattet werden. Die neue Richtlinie für die Hege und Bejagung des Schalenwildes, die gemeinsam mit dem Land Mecklenburg-Vorpommern erlassen wurde, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Weitere Regelungen werden bei der Novellierung des Jagdgesetzes sicherlich folgen.

Fakt ist, dass sich die Bedingungen, unter denen die Jagd ausgeübt wird, verändert haben. Fakt ist auch, dass die Situation nur mit den Jägern verändert werden kann.