Protokoll der Sitzung vom 29.05.2002

Genau an dieser Stelle schließt sich der Kreis zu dem Anliegen unseres Antrages. Wenn wir wollen, dass die Jagd sozialer, wirtschaftlicher und umweltregulierender Bestandteil des Lebens im ländlichen Raum bleibt, muss die Jagd den gleichen Stellenwert in der Gesellschaft bekommen wie andere sinnvolle und ehrenamtliche Tätigkeiten, die überwiegend in der Freizeit betrieben werden. Zumindest aber darf sie nicht schlechter gestellt werden.

Gestatten Sie mir noch ein Wort zum zivilen Ungehorsam der Jägerschaft. Natürlich ist die Rechtslage bezüglich der Aneignung von verendetem Unfallwild eindeutig und die Form des Protestes der Jäger - nämlich auf die Aneignung zu verzichten formaljuristisch korrekt. Gleichzeitig weist es aber auch auf einen möglichen Regelungsbedarf hin. Zum Beispiel ist im Jagdgesetz nur die Nachsuche auf krankgeschossenes Wild

vorgeschrieben. Ich denke, der Antrag kann im Zuge der Jagdgesetznovellierung auch hier eine adäquate Umsetzung finden. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Ich bedanke mich. - Das Wort geht an die SPD-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Dr. Woidke.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Wildbestände in Brandenburg sind zu hoch und sie sind in den letzten Jahren gestiegen. Das ist eine Tatsache. Der hohe Wildbestand führt zu einer Vielzahl von Problemen, nicht nur bei Landwirten und Waldbesitzern. Die obere Jagdbehörde, aber auch die unteren Jagdbehörden waren und sind bemüht, die regionalen Abschusspläne so zu gestalten, dass die Schäden möglichst gering bleiben. Dies ist ein sehr dynamischer Prozess, da sich die Wildsau nach wie vor der Geburtenkontrolle nicht unterwerfen will.

(Heiterkeit und allgemeiner Beifall)

Die ständige Abstimmung zwischen den Behörden, den Jägern und den Jagdgenossenschaften bedarf nicht der Aufforderung durch den Landtag, sondern hier gibt es seit vielen Jahren, seit Bestehen dieses Landes, eine sehr gute Zusammenarbeit. Keiner sagt, dass diese Zusammenarbeit problemlos ist. Es gibt viele Probleme, beispielsweise eine möglichst reelle Schätzung der Bestände und auch die Zunahme von Schutzgebieten, in welchen die Jagd untersagt oder eingeschränkt ist und die zunehmend dem Wild als Ruhezonen dienen. Das läuft dann ungefähr nach dem Motto: Schlafen im Totalreservat und fressen beim Bauern nebenan.

(Allgemeiner Beifall)

Der Landesjagdverband war für das Land, aber auch die Regionen immer ein zuverlässiger Partner. Seine Mitglieder haben sich durch viele Bemühungen für die Hege und Pflege der Wildbestände, aber auch durch die Bemühungen für den Erhalt der natürlichen Umwelt insgesamt ein hohes Ansehen auch bei vielen Naturschützern im Land Brandenburg erworben. Ausdruck dessen war auch die formelle Anerkennung des Landesjagdverbandes als Naturschutzverband, auch wenn das einigen Mitgliedern von so genannten klassischen Naturschutzverbänden nach wie vor nicht schmeckt. Der Landesjagdverband ist kein anerkannter Naturschutzverband zweiter Klasse. Er ist schon aufgrund seiner Mitgliederzahl einer der aktivsten und vor allen Dingen in der gesamten Fläche des Landes aktiver Naturschutzverband. Ich würde mir wünschen, dass dieses auch von der Politik und der Verwaltung dieses Landes künftig stärker beachtet würde. Das gilt auch für den Problembereich der Jagdsteuer. Frau Wehlan hat dazu schon gesprochen.

Die Landkreise, aber auch das Land und der Bund nehmen die Leistungen der Jäger bei der Beseitigung, aber auch der zum Teil stundenlangen Nachsuche nach Unfallwild gern in Anspruch oder merken in den günstigsten Fällen nicht einmal, dass diese Leistungen überhaupt erbracht werden. Einige Landkreise

haben aufgrund dessen gehandelt und verzichten gänzlich auf die Erhebung der Jagdsteuer.

Im Spree-Neiße-Kreis haben wir vor Jahren Einnahmen und Kosten nebeneinander gelegt und festgestellt, dass die Erhebung der Jagdsteuer nicht zu Mehreinnahmen, sondern im Wesentlichen nur zu Mehrkosten aufseiten des Landkreises führt. Daraufhin wurde konsequenterweise auf die Erhebung der Jagdsteuer durch den Landkreis Spree-Neiße verzichtet. Ich denke, dass auch die anderen Landkreise rechnen und diese Steuer Frau Wehlan hat es schon gesagt -, die aus Zeiten stammt, als die Jagd den oberen Zehntausend vorbehalten war, abschaffen sollten. Vielleicht können sich auch Innenministerium und Innenausschuss zu einer Lösung dieses Problems auf Landesebene für das gesamte Land durchringen.

(Beifall bei der PDS)

- Moment noch. - So einfach, wie sich die PDS das vorstellt nach dem Motto, die Kreise erheben nicht mehr und das Land zahlt stattdessen, wird es allerdings nicht gehen. Aber vielleicht gibt es ja bald die von einigen Mitgliedern dieses Hauses mehrfach angekündigte Lösung. Bis dahin verbleibe ich mit einem kräftigen Waidmannsheil! - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei SPD und CDU)

Waidmannsdank, antwortet man wohl. - Das Wort geht an die DVU-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Claus.

Bevor der Abgeordnete hier ist, begrüße ich noch Gäste vom Hermann-Duncker-Gymnasium aus Rathenow. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Jagd zählt zum ältesten Handwerk des Menschen und begleitet ihn seit Urzeiten. Dies wird anschaulich durch die Bezeichnung unserer ersten Kulturstufe als Jäger und Sammler.

Während die Jagd aber früher zu den wichtigsten Lebens- und Überlebensstrategien des Menschen gehörte, ist dieser Aspekt heute völlig in den Hintergrund getreten. Dadurch haben sich auch die gesellschaftliche Bedeutung und der Stellenwert der Jagd gewandelt.

Heute hat das Ansehen der Jagd und damit das der Jägerinnen und Jäger in Teilen der Bevölkerung Schaden genommen. Die Diskussionen über die Jagd werden meistens durch Emotionen, Vorurteile und mangelndes Wissen über das, was die Jäger in den Revieren wirklich tun, bestimmt. Wenn es darum geht, Hirschbraten mit Preiselbeeren und Kroketten zu essen, dann sind viele dabei. Die Diskussionen um die Jagd werden aber leider auch durch die so genannten schwarzen Schafe, die es ohne Zweifel in der Jägerschaft gibt, bestimmt. Für diese darf es auch in Zukunft keine falsch verstandene Kameradschaft geben. Dass aber die schwarzen Schafe das Gesamtbild der Jägerschaft prägen, ist in keiner Weise sachgerecht und angemessen. Aus

diesem Grunde können wir von einer Jägerschaft ausgehen, die sich ihrer Verantwortung für das Wild und seinen Lebensraum sehr wohl bewusst ist.

Die DVU-Fraktion bekennt sich ohne Wenn und Aber dazu, dass die Jagd nur unter Berücksichtigung und unter Einbindung ökologischer Erfordernisse ausgeübt werden soll. Die Waidgerechtigkeit verpflichtet die Jäger moralisch, die Tiere zu hegen, ihnen in Notzeiten beizustehen und ihnen beim Erlegen Leiden und Qualen zu ersparen.

Zur Hege gehören eben nicht nur die Erhaltung eines artenreichen und gesunden Wildbestandes zur Trophäenschau und um zu Wildbret zu kommen, sondern sehr wohl auch die Pflege und Sicherung des dazugehörenden Lebensraumes. Zu diesem Leitbild gehören ortsansässige Jäger, die die Region und ihre Reviere, in denen sie zu Hause sind, wie ihre Westentasche kennen. Diese reviernahe, im ländlichen Raum verankerte Jagd gilt es zu unterstützen.

Weniger gern sehen die kleinen Leute unseres Landes den dünkelhaften, von weither angereisten Hobbyjäger, der mit seinem dicken Portemonnaie über die Jagdpacht einheimische Jäger verdrängt, sich dafür aber selten vor Ort blicken lässt, weil er in der Regel wenig Zeit hat.

Zur Jagd gehören Engagement, Pflege des Reviers und genaue Kenntnisse vor Ort.

Meine Damen und Herren, wir alle wissen, ein Hauptproblem sind die übermäßig großen Bestände an Schalenwild. Gerade die - ich sage einmal - Träger der treuen großen Bambiaugen werden von Förstern und Naturschützern gern als kleine braune Waldscheren bezeichnet. Die Verjüngung unserer Wälder kann nicht stattfinden, weil die Rehe die Triebe junger Bäume abfressen, weil Rot- und Damwild die Bäume schälen und fegen und Krummholz und Rotfäule verursachen. Die Verbiss- und Schälschäden in Brandenburgs Wäldern haben sich von 1999 bis zum Jahr 2001 um fast 30 % erhöht. Gegen Verbissschäden wurden im Land Brandenburg jährlich etwa 6 Millionen DM für Wildzäune ausgegeben. Die über Jahre beständig angestiegenen Wildstrecken sprechen für sich.

Uns allen ist bekannt, dass Brandenburg bei Wildunfällen wegen seines großen Waldbestandes traditionell im Spitzenfeld der deutschen Bundesländer liegt. Im Jahr 2001 wurden fast 11 000 Wildunfälle mit 239 zum Teil schwer verletzten Autofahrerinnen und Autofahrern registriert. Bundesweit wird schon seit Jahren an Möglichkeiten zur Senkung der Wildunfälle experimentiert, so auch in Brandenburg. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort geht an den Abgeordneten Helm. Er spricht für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr

verehrte Kolleginnen und Kollegen von der PDS, mit Ihrem Antrag habe ich ganz erhebliche Probleme,

(Zuruf von der PDS: Schade!)

erstens weil Sie mir nicht erklären konnten, was die Reduzierung von Wildschäden mit der Jagdsteuer zu tun hat, zweitens weil die Wildschäden sich am wenigsten durch politisches Handeln reduzieren lassen, drittens weil die Landesregierung eigentlich nicht dazu da ist, so wie es in Ihrem Antrag formuliert ist, die Jäger über den Sinn der Jagd aufzuklären, und weil außerdem Ihre Forderung, die Sie hier haben, von der Landesregierung eigentlich hinsichtlich des notwendigen Rahmens mit der im September vergangenen Jahres verabschiedeten Hegerichtlinie bereits umgesetzt wurde

Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Selbstverständlich.

Frau Wehlan, bitte.

Hochgeschätzter Kollege Helm, wie erklären Sie der Landesjägerschaft das Fehlen des von Ihrer Fraktionsvorsitzenden angekündigten Entschließungsantrages zur Abschaffung der Jagdsteuer? Die Argumente aus meinem Redebeitrag, die Sie angefragt haben, waren doch vorher schon bekannt.

Frau Kollegin, dazu sage ich später noch etwas. Aber ich sehe den inhaltlichen Zusammenhang nicht. Der Antrag heißt “Maßnahmen zur Reduzierung von Wildschäden” und dann beziehen Sie sich inhaltlich nur auf die Jagdsteuer. Dann hätten Sie doch diesen Antrag anders formulieren und wir hätten darüber auch anders debattieren können. Aber jetzt rede ich erst einmal über Wildschäden und nicht über die Jagdsteuer. Das mache ich später aber noch.

Klar und deutlich ist, dass die Verhinderung oder Verminderung von Wildschäden in erster Linie Sache der Flächennutzer, der Eigentümer und des Jagdpächters ist.

(Vereinzelt Beifall bei CDU und SPD)

Das regelnde Element zur Verhinderung ist die Wildschadenskasse, das heißt die Schadensentschädigung, die mehr oder weniger wirkt, und die, wenn man sich nicht einig wird, über die untere oder obere Jagdbehörde den Konsens herzustellen versucht.

Die Politik sollte sich grundsätzlich aus einem sich selbst regelnden System heraushalten, denn sie kann es nicht besser. Der Rahmen dazu ist mit dem Jagdgesetz und der gemeinsamen Richtlinie für die Hege und Bejagung des Schalenwildes der Länder Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern großflä

chig vorhanden. Hier steht eindeutig geschrieben: Größe, artgerechte Ausstattung und Äsungskapazität der Lebensräume sowie die berechtigten Ansprüche der Land- und Forstwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden sind maßgebend für den Umfang der örtlich anzustrebenden Wildbestände. - Im Endeffekt entscheiden letztendlich die untere Ebene, die Hegegemeinschaften und der Jagdpächter über den Zielbestand, der gefordert wird und der zu verantworten ist. Das ist auch richtig so. So gesehen - der Meinung bin ich - ist hier parlamentarisches Handeln überhaupt nicht angezeigt und auch nicht leistbar. Übrigens wird Ihre Forderung, Frau Wehlan, auch vom Landesjagdverband abgelehnt.

Was aber zunehmend Sorge bereitet - Herr Dr. Woidke hat bereits darauf hingewiesen -, ist die Tatsache, dass die Wildentwicklung in den ausgewiesenen Naturschutzgebieten durch die beschränkte Einflussnahme der Jagd unkontrolliert verläuft und sich diese Gebiete diesbezüglich zunehmend als Schaderregerbiotope in der Fläche entwickeln. Die Jagdpächter angrenzender Gebiete sind machtlos gegenüber steigenden Wildschäden. Andererseits werden Haftungsforderungen der Geschädigten an den Jagdpächter gestellt.

Auch Vorstellungen speziell der Grünenlobby von einer natürlichen Wilddynamik und der Wiederzulassung von Wildkrankheiten mit allen Risiken für Mensch und Tier halte ich für verantwortungslos.

Erschwerend für die Jagdausübung ist auch die Tatsache, dass die Freizeitaktivitäten der Gesellschaft in der Natur, in den Jagdrevieren jagderschwerend wirken und die Jagd auf Tageszeiten begrenzt wird, die zunehmend geringere Jagderfolge bescheren. Politisch ist auch das nicht beeinflussbar, es sei denn, wir verbieten den Bürgern die Bewegung in der freien Natur.

Das andere angesprochene Problem ist die Jagdsteuer. Im Prinzip bin ich auch Ihrer Meinung. Es geht aber nicht, die Mittel der Jagdabgabe zur Versorgung von Unfallwild zu verwenden. Die Jagdabgabe erfüllt einen ganz anderen Zweck. Sie wirkt jagdfördernd, um den Lernort Natur besser zu erfassen. Sie dient der Hege, der Biotop- und Reviergestaltung und auch der Schießausbildung der Jäger. Es ist also nicht möglich, daraus Aufgaben zu finanzieren, die der öffentlichen Hand obliegen.

Es wurde klar und deutlich gesagt, welche Pflichten die Jäger haben. Es gibt auch hier Beispiele dafür, dass einige Kreise dieses Problem einvernehmlich gelöst haben. Ich bin aber auch der Meinung: In den Kreisen, in denen bis jetzt kein Konsens erreichbar war, kann ich den Jagdverbänden nur empfehlen, die bis jetzt aus moralischer Pflicht durchgeführte Versorgung des Unfallwildes bis zu einer einvernehmlichen Regelung auszusetzen. Man wird dann ganz schnell merken, dass die Entsorgungskosten die Einnahmen aus der Jagdsteuer erheblich übersteigen. Allein die Entsorgung eines verunfallten Wildes kostet bei der Tierkörperbeseitigung 50 bis 70 Euro. Dazu kommen Transport und Erfassung. Im Einzelfall sind den Kreisen für ein Stück Schwarzwild Kosten in Höhe von 2 000 Euro entstanden. Insgesamt gesehen ereigneten sich im Land Brandenburg 10 600 Wildunfälle.

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss Ihres Beitrages!