Protokoll der Sitzung vom 29.05.2002

Lebenslanges Lernen ist deshalb auch kein in jüngster Zeit entwickeltes Patentrezept zur Bewältigung der Transformation von der Industrie- zur Informationsgesellschaft, aber seine Bedeutung hat in den letzten Jahren stark zu genommen, wie Frau Siebke und Minister Reiche hier schon vorgetragen haben. In immer kürzeren Abständen halten technische Neuerungen Einzug in die Arbeitswelt, in immer kürzeren Abständen verändert sich bekanntes Wissen, ist damit überholt und muss durch neues Wissen ersetzt werden.

Wer diese Entwicklung nicht mitmacht oder verpasst, wird es auf dem Arbeitsmarkt in Zukunft noch schwerer haben. Vor allem das Land Brandenburg muss ein vitales Interesse an qualifizierten Arbeitskräften haben; denn die vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen werden sich nur dann zu einem starken Rückgrat der Wirtschaft unseres Landes entwickeln, wenn ihre Produkte hochwertig und damit konkurrenzfähig sind.

Deshalb ist es von großer Bedeutung, wenn die brandenburgischen Unternehmen der beruflichen Weiterbildung ihrer Mitarbeiter Priorität einräumen. Ein gut ausgebildeter Arbeitnehmer steigert einerseits den Wert des Humankapitals des Unternehmens, andererseits erhöhen zusätzliche Qualifikationen die Chancen der Menschen auf dem Arbeitsmarkt.

Den engen Zusammenhang zwischen lebenslangem Lernen und der heutigen Wissensgesellschaft hat auch die Landesregierung in der Beantwortung der Großen Anfrage betont. Auf die von mir skizzierten Herausforderungen reagiert sie durch eine Förderpolitik, die sich innerhalb des Landesprogramms “Qualifizierung und Arbeit für Brandenburg” speziell niederschlägt.

Finanziert aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen werden in der neuen Förderperiode themenspezifische Kampagnen durchgeführt, die unter der Bezeichnung “INNOPUNKT” dem Ziel dienen, Netzwerke aufzubauen, die nach dem Auslaufen der Förderung die jeweiligen Projektinhalte weiter tragen.

Ich denke, dass nicht alle Abgeordneten dieses Hohen Hauses über “INNOPUNKT” Bescheid wissen; deshalb möchte ich kurz etwas dazu erläutern: Drei der bisher veranstalteten Wettbewerbe des Projektes “INNOPUNKT” waren dem Leitgedanken der Qualifizierung verpflichtet. Unter dem Titel “FrauenIT-Kompetenz” wurden unter anderem Lösungen gesucht dahin gehend, im Rahmen von Kooperationspartnerschaften Arbeitnehmerinnen weiterführende Kenntnisse der Informationstechnologie zu vermitteln, um dadurch bestehende Arbeitsplätze zu sichern und zusätzliche Beschäftigungsverhältnisse zu schaffen.

Der Wettbewerb innerhalb des Projektes “INNOPUNKT - Qualifizierung nach Maß” hatte zum Ziel, Netzwerke zwischen kleinen und mittleren Unternehmen zur vorausschauenden Qualifizierungsbedarfsermittlung zu bilden. Solche Betriebe haben

oftmals Schwierigkeiten festzustellen, welche branchenspezifischen Kenntnisse ihren Mitarbeitern fehlen und wie sie erworben werden können. Deshalb sollten die eingereichten Vorschläge vor allem dazu führen, die Weiterbildungsbereitschaft der Unternehmen zu erhöhen.

Der jüngste Ideenwettbewerb steht unter dem Motto “Neues Lernen in Brandenburg” und stellt die Bildung von Lernnetzen zwischen kleinen und mittleren Unternehmen in den Vordergrund, deren Ziel es sein soll, neue Lern- und Lehrformen zu installieren.

“INNOPUNKT” hat sich also als qualifizierungsorientierte und evaluationsbasierte Schwerpunktförderung über die Grenzen Brandenburgs hinaus einen Namen gemacht. Eine Übernahme dieses Programms wird zurzeit in Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen geprüft.

Ich denke, dass ich mit dieser ausführlichen Information auch zu einem Lernprozess innerhalb dieses Hohen Hauses beigetragen habe.

Wenn wir über berufliche Weiterbildung sprechen, sollten auch die entsprechenden Verbesserungen im Job-AQTIV-Gesetz Erwähnung finden. Sie zielen ja einerseits darauf ab, bei Unternehmen die Weiterbildungsbereitschaft zu erhöhen, indem den Arbeitgebern Lohnkostenzuschüsse gewährt bzw. die Weiterbildungskosten der Arbeitnehmer bezuschusst werden. Um die Nachhaltigkeit zum Beispiel auch von Regie-ABM zu erhöhen, werden deren Träger durch das Job-AQTIV-Gesetz verpflichtet, mindestens ein Fünftel der Zeit für die Qualifizierung der Teilnehmer vorzuhalten.

Meine Damen und Herren, besonders wichtig finde ich die Aussagen zur Berufsausbildung in der Antwort auf Frage 3 der Großen Anfrage. Wir haben in der SPD-Fraktion schon vor längerem über die Weiterentwicklung der dualen Berufsausbildung gesprochen. In der Beantwortung der Großen Anfrage steht es schwarz auf weiß:

“Es gibt gemeinsame Länderpositionen der Kultus-, Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialministerkonferenz, die Ausbildung und die Weiterbildung durch Wahlpflichtbausteine und Zusatzqualifikationen miteinander zu verzahnen. Damit werden auch während der Ausbildung die Bereitschaft und die Fähigkeit zum lebenslangen Weiterlernen geschaffen.”

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Konzack. - Meine Damen und Herren, ich kann die Aussprache damit beenden und feststellen, dass Sie die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 38, die Ihnen in Drucksache 3/4121 vorliegt, zur Kenntnis genommen haben.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 8 und rufe Tagesordnungpunkt 9 auf:

Tierschutz bei Tiertransporten

Große Anfrage 41 der Fraktion der DVU

Drucksache 3/3852

Antwort der Landesregierung

Drucksache 3/4284

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt mit dem Beitrag der DVU. Herr Abgeordneter Claus, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Tiertransporte - viele von uns überholen täglich LKWs auf Landstraßen und Autobahnen unseres Landes, auf deren Ladefläche Rinder, Schweine oder Geflügel augenscheinlich zusammengepfercht sind.

Der umfassende Schutz von Tieren - sie sind keine Sache, sondern Mitgeschöpfe - ist besonderes Anliegen der DVU-Fraktion. Dazu gehört für uns die artgerechte Tierhaltung genauso wie der schonende Tiertransport. Hinzufügen möchte ich aber: Eine Verkürzung der Transportzeiten kann nur umgesetzt werden, wenn eine entsprechende Infrastruktur besteht, die Tiertransporter nicht stundenlang im Stau stehen und die Tiererzeuger nicht die Zeche zahlen, indem sie unattraktive Preise in den umliegenden Schlachthöfen zahlen müssen.

Im Übrigen will ich darauf hinweisen, dass bei Tiertransporten zurzeit noch die 8-Stunden-Regelung existiert. Notwendig ist auf jeden Fall eine deutliche Verkürzung der erlaubten Transportzeiten für Schlachttiere auf vier Stunden, eine Verbesserung der Vorschriften für Versorgung und Pflegebedingungen und eine Erhöhung des Platzangebotes. Darüber hinaus sind transparente Zulassungsverfahren für Tiertransporte einzuführen. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, initiativ zu werden; das wissen einige von Ihnen genauso gut wie ich.

Unsere DVU-Fraktion ist der Meinung, dass es für die europäische Politik eine Schande ist, dass immer noch Steuergelder dafür ausgegeben werden, Tiere unter skandalösen Bedingungen über viele Stunden und Tage durch ganz Europa zu karren. Den Tieren werden dabei in unverantwortlicher Weise vermeidbare Schmerzen und Leiden zugefügt. Eine Streichung der Exportsubventionen ist deshalb schon lange überfällig.

Aber auch das aus dem Jahre 1968 stammende “Europäische Übereinkommen über den Schutz von Tieren beim internationalen Transport” des Europarates muss dringend im Sinne des Tierschutzes überarbeitet werden. Die Tatsache, dass besonders gravierende Mängel bei Tiertransporten außerhalb unserer Grenzen festgestellt wurden, macht deutlich, wie wichtig internationale Vorschriften und besondere Kontrollen sind.

Es wird aber auch deutlich, wie bedeutsam eine Begrenzung von Tiertransportzeit und -entfernung ist. Schlachttiere sollten künftig in aller Regel nur bis zum nächstgelegenen Schlachthof transportiert werden.

Der Hinweis, dies stehe dem EU-Binnenmarkt entgegen, stellt Marktordnungsprinzipien über ethische Grundsätze. Das ist politisch nicht verantwortbar. Wenn es etwa im Sondermüllbereich die Möglichkeit regionaler Andienungspflichten gibt, sollte es solche Regelungen im Bereich der Lebendtiertransporte allemal geben.

Regionale Schlachtkapazitäten sind nicht nur aus Tierschutzgründen erforderlich, sondern sind auch ein Element der ökonomischen Stabilisierung der ländlichen Räume unseres Landes. Es ist doch kein Geheimnis, meine Damen und Herren, dass es der EU seit Jahren nicht gelingt, die Bedingungen bei Tiertransporten zu verbessern. Hierzu hat der Bundesrat auf Initiative Schleswig-Holsteins folgende Eckpunkte beschlossen: Streichung gegenwärtig geleisteter Exporterstattungen für lebende Schlachttiere, Verkürzung der erlaubten Transportzeiten auf vier Stunden, Verbesserung der Vorschriften für Versorgung und Pflege, Erhöhung des Platzangebotes und transparente Zulassungsverfahren für Tiertransporte. Diese Forderungen werden von der Bundesregierung unterstützt.

Allerdings konnte im Agrarrat im Juli 2001 zunächst nur eine Entschließung als Absichtserklärung durchgesetzt werden, wonach Tiertransporte stärker begrenzt und strengere Vorschriften bei unerlässlichen Tiertransporten erlassen werden sollen. Die geltenden Vorschriften sollen wirksam angewendet und streng überwacht werden.

Im Agrarausschuss des Europäischen Parlaments wurde am 10. Oktober 2001 ein Berichts- und Entschließungsentwurf angenommen, in dem Rat und Kommission aufgefordert werden, Tiertransporte nachhaltig zu verbessern. Es ist vorgesehen, die Transporte grundsätzlich auf acht Stunden bzw. 500 Kilometer zu begrenzen und nach einer Dauer von vier Stunden bzw. 250 Kilometern den Tieren die Möglichkeit zu geben, sich hinzulegen und frisches Wasser aufzunehmen.

Nach Erkenntnissen der Landesregierung gibt es aber im Land Brandenburg keine Versorgungsstationen, in denen Ruhepausen eingelegt und die Tiere mit Futter und Wasser versorgt werden können. Das Land Brandenburg unterhält mit Frankfurt (Oder)Autobahn sowie Forst-Autobahn die Grenzkontrollstellen mit den höchsten Tiertransportzahlen aus den Ländern Mittel- und Osteuropas. Die diesen Grenzkontrollstellen zugeordneten Quarantäneställe sind ausschließlich Einrichtungen des Grenzveterinärdienstes im Rahmen der tierseuchenrechtlichen und tierschutzrechtlichen Grenzkontrollen und stehen als planmäßige Aufenthaltsorte im Rahmen der Transportpläne für die Wirtschaftsbeteiligten nicht zur Verfügung - so die Aussage der Landesregierung.

Die DVU-Fraktion tritt für Transportzeiten ein, die eine Anpassung an regionale Schlachtkapazitäten ermöglichen. Eine Festlegung, die für alle regionalen Gegebenheiten eine einheitliche Transportzeit vorsieht, ist nicht unbedingt sachgerecht.

Ich möchte nochmals betonen, dass die derzeit geltende EURegelung, die bei Lebendviehtransporten Transporte bis acht Stunden erlaubt, zweifellos nicht der Weisheit letzter Schluss sein kann. Den meisten von Ihnen ist auch bekannt, dass die Hauptbelastung der Tiere nicht nur in der Länge der Transportzeiten besteht, sondern auch im Be- und Entladen der jeweiligen Transporte zu sehen ist. Wenn Sie etwas davon verstehen, wissen Sie, dass die Tiere dabei den größten Stress erleiden.

Meine Damen und Herren, dass die gesetzlichen Bestimmungen bei Tiertransporten eingehalten werden, sollte selbstverständlich sein. Das gilt ebenso für die Verordnungen der EU.

Entscheidend ist aber die Kontrolle, die allein die Einhaltung gewährleistet. Hier bestehen im Land Brandenburg noch Lücken, die dringend geschlossen werden müssen.

Die DVU-Fraktion ist sich sicher, dass verkürzte Transportzeiten, verbunden mit einer Streichung der EU-Exporterstattung und der Sicherung der erhaltenswerten brandenburgischen Schlachthöfe, dazu beitragen können, den Tierschutz bei Tiertransporten im Land Brandenburg zu verbessern. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich bedanke mich, Herr Abgeordneter Claus. - Ich gebe jetzt das Wort an den Abgeordneten Klein. Er spricht für die Koalitionsfraktionen.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Thema der Großen Anfrage 41 der DVU-Fraktion ist der Tierschutz bei Tiertransporten. Transporte lebender Tiere rufen bei uns meist Unbehagen hervor und stehen auch aufgrund zahlreicher Medienberichte über Tierschutzprobleme immer wieder in der Aufmerksamkeit unserer Bürger.

Der Tierschutz beim Transport lebender Tiere wird innerhalb der EU durch verschiedene Richtlinien und Verordnungen geregelt. Die Tierschutztransportverordnung von 1997 setzt das EU-Recht in nationales Recht um. Dennoch kommt es trotz dieser Vorschriften und der umfangreichen Kontrollen immer wieder zu Verstößen und Missständen beim Transport von Tieren.

Dem Land Brandenburg kommt an der EU-Außengrenze zu Osteuropa eine besondere Bedeutung zu. Das Land ist für den Vollzug und die Überwachung tierschutzrechtlicher Regelungen zuständig. Der Umfang, den diese Aufgabe hat, wird daran deutlich, dass allein im Jahr 2001 17 814 Tiertransportkontrollen im Land Brandenburg durchgeführt wurden. Dabei wurden 162 Verstöße festgestellt. Wenn man diese Zahl in Relation zur Gesamtzahl der Kontrollen setzt, erscheint es im ersten Moment wenig, aber wenn man bedenkt, dass damit immer Schicksale von Tieren verknüpft sind, ist die Zahl von 162 Verstößen natürlich zu hoch.

In den vergangenen Jahren wurde viel unternommen, um die Transportbedingungen für die Tiere zu verbessern. Beispielhaft nenne ich die Verkürzung der Transportdauer und der zulässigen Transportzeiten, das Erfordernis einer Sachkundebescheinigung für die Fahrer usw. Ziel ist es, zu einer weiteren Harmonisierung im Tierschutztransportrecht innerhalb der EU zu kommen.

Alle bisherigen Regelungen zur Verbesserung des Tierschutzes können jedoch nicht verhindern, dass die Tiere beim Transport leiden bzw. Stress ausgesetzt sind. Dem kann nur dadurch be

gegnet werden, dass der Transport lebender Tiere auf ein Mindestmaß herabgesetzt wird.

Erstens: Schlachttiere sollten deshalb zum nächstgelegenen Schlachthof transportiert werden, auch wenn dies im EU-Binnenmarkt nicht rechtsverbindlich festzuschreiben ist.

Zweitens: Es muss nach wie vor Ziel sein, die Ausfuhrerstattung der EU für lebende Schlachttiere bei der Ausfuhr in Drittländer abzuschaffen. Erst dann wird es zu wirklichen Verbesserungen kommen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.