Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Herr Firneburg, ich weiß nicht genau, welchen Bericht Sie gelesen haben, wenn Sie Krisenherde herbeireden. Sie müssten im Zusammenhang mit Ihren Ausführungen auch darüber reden, wie die Kompetenzverteilung, das Abgeben und Bündeln von Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten auf EU-Ebene oder in der Verteilung zwischen der EU und den Einzelstaaten vonstatten geht. Dann bekäme man vielleicht doch ein eindeutigeres Bild.
Ich glaube, Sie haben heute Morgen auch Janusz Reiter, dem ehemaligen Botschafter der Republik Polen in Deutschland, nicht zugehört. Er hat uns heute Vormittag anlässlich der Feierstunde zu zehn Jahren Verfassung unsere Verantwortung für das Gelingen der EU-Osterweiterung mit all ihren Problemen und all ihren Chancen und für ein friedliches Miteinander noch einmal eindrucksvoll ins Stammbuch geschrieben. Dem kann man kaum etwas hinzufügen.
Der Minister hat bereits zu den Inhalten des Berichts ebenso wie meine Vorredner Stellung genommen. Da ich auch davon ausgehe, dass wir darüber noch einmal im Ausschuss inhaltlich diskutieren werden, finde ich es im Übrigen äußerst erfreulich, dass wir mit Herrn Schelter einen Minister haben, der gerade für diese Sache brennt; denn das ist wichtig.
Damit, meine Damen und Herren, erhält Brandenburg mit seiner langen EU-Außengrenze größere Bedeutung und im Lied der Regionen eine gewichtigere Stimme. Es sei mir gestattet, dies hier einmal anzumerken. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Tagesordnungspunkt aufrufe, möchte ich noch auf etwas eingehen, was offensichtlich zu Fragen geführt hat. Es ist Ihnen eine Einladung des Chefs der Staatskanzlei, Herrn Staatssekretär Rainer Speer, in die Fächer gelegt worden, deren Adressat ich bin. Diese ist aber für alle Abgeordneten gleichermaßen gültig. Um den Vorgang zu beschleunigen, habe ich dazu die Kopie meiner Einladung benutzt. Die Beschränkung auf eine Person ist also damit überhaupt nicht in Verbindung zu bringen, sondern die Einladung ist für jeden der 88 Abgeordneten gleichermaßen gültig.
Bericht der Landesregierung zum Beschluss des Landtages vom 21.11.2001 "Rahmenbedingungen für Mittelstand und Handwerk" - LT-DS 3/3522-B
Da die Fraktionen beschlossen haben, den Ausschussvorsitzenden für alle Fraktionen sprechen zu lassen, erhält das Wort Herr Heiko Müller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Grund dafür, dass wir heute nicht über diesen Bericht diskutieren, liegt insbesondere darin, dass wir am 5. Juni 2002 in der 37. Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft schon vom Minister Informationen zu diesem Bericht bekommen haben, allerdings verbunden mit der Mitteilung, dass es sich um einen Zwischenbericht handele. Insofern war die Verabredung zwischen den Fraktionen, jetzt auf den endgültigen Bericht zu warten, der für den September avisiert ist, danach wieder in den Landtag zu gehen und dann den gesamten Bericht zu diskutieren, glaube ich, im Sinne der Zeiteffizienz vernünftig. - Insofern danke ich für Ihre Aufmerksamkeit.
Keine Aufregung, meine Herren und Damen von der CDU! Diese Aussage stammt nicht von der PDS, sondern aus dem Jahre 1999, vom damaligen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe, nachzulesen in einem Brief an die Bürgerinnen und Bürger des Landes Brandenburg im Landtagswahlkampf. Als Herr Schönbohm seinerzeit heftig verärgert reagierte, bekräftigte Herr Stolpe seine Aussage nochmals: Es sei eine „Frage der Ehre” klarzustellen, dass der zentrale Unterschied zwischen Regierung und CDU die Arbeitsförderung sei.
Diesen zentralen Unterschied vermag die PDS und vermögen die Bürgerinnen und Bürger inzwischen nicht mehr zu erkennen. Abgeschafft ist die Arbeitsförderung noch nicht; aber was Sie im Koalitionsvertrag als „Verstetigung” bezeichnen, ist nichts anderes als eine stetige Abwärtsspirale.
Ich fordere vom neuen Ministerpräsidenten - leider ist Herr Platzeck jetzt nicht anwesend -, dass er zurückkehrt zu den Grundsätzen einer sozialdemokratischen Sozialpolitik.
Herr Ministerpräsident, Sie sprachen kürzlich auf dem SPDLandesparteitag von der Angst vor und dem miesen Gefühl in der Arbeitslosigkeit und von berechtigten Sorgen kleiner und mittlerer Unternehmen unseres Landes. Beides ist der beschäftigungsfeindlichen Wirtschaftspolitik geschuldet, die Ihr Wirtschaftsminister betreibt. Pleiten, Pech und Pannen, das erleben wir unter CDU-Ressortverantwortung, die laufende Legislatur als die Zeit höchster Arbeitslosigkeit, Insolvenzen auf Rekordniveau und den Crashkurs bei Prestigeprojekten. In Krisenzeiten wie diesen kürzen Sie weitere Mittel für die ohnehin schon stark gebeutelte Arbeitsmarktpolitik, meine Damen und Herren.
Der vorliegende PDS-Antrag zur Aufhebung der Haushaltssperre im Bereich der Arbeitsförderung ist kein haushaltstechnischer, sondern ein zutiefst sozialpolitischer Antrag. Es geht auch nicht allein um den vergleichsweise geringen Betrag der aktuellen Haushaltssperre in Höhe von 1,68 Millionen Euro. Es geht um eine ganz klare Tendenz der permanenten Rückführung von Geldern für die Arbeitsmarktpolitik.
Das, was bleibt, wird zum Teil auch noch für Programme verplant, die an der Realität vorbeigehen, wie das Mainzer Modell. An dem fragwürdigen Niedriglohnmodell haben Sie sich beteiligt. Die PDS-Fraktion hat das von Anfang an kritisiert. Die Mittel dafür haben Sie aus der Kofinanzierung von Arbeitsbeschaffungs- und Strukturanpassungsmaßnahmen herausgeschnitten. Was war das Ergebnis? Nur ein Bruchteil der Mittel ist tatsächlich abgeflossen. Der nicht unbedeutende Rest und weitere Mittel der Arbeitsförderung - insgesamt fast 3,78 Millionen Euro - mussten herhalten, um Haushaltslöcher zu stopfen, und gingen damit der Arbeitsmarktpolitik verloren.
Arbeitsmarktpolitik gibt. Es gibt ihn bei Jugendlichen an der so genannten zweiten Schwelle, bei Langzeitarbeitslosen, bei gering Qualifizierten, insbesondere bei Frauen. Doch nicht immer passt der Bedarf aktiver Lebenshilfe in das enge Korsett der Fördermöglichkeiten nach SGB III Arbeitsförderrecht. Darum beinhaltet unser Antrag die Unterstützung der freien Förderung. Es ließen sich durchaus auch andere Formen wie die Kofinanzierung des erst zaghaft greifenden neuen Instrumentes der Beschäftigung schaffenden Infrastrukturmaßnahmen finden. Hier sind wir offen für Diskussionen und Vorschläge. Es geht um Kreativität, um das Ausschöpfen aller Möglichkeiten. Politik darf sich im Bereich der Arbeitsförderung nichts ersparen. Jede Einsparung an dieser Stelle kommt uns allen teuer zu stehen.
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für 12 000 Beschäftigte wollen Arbeitsministerium und Landesarbeitsamt im Jahresdurchschnitt erreichen. Momentan liegen wir bei 9 900, im Schnitt der ersten fünf Monate bei 10 800. Wie wollen Sie denn das Ziel von 12 000 erreichen? Da rede ich noch gar nicht von den Wahlkampf-ABM, die Herr Gerster inzwischen in Aussicht gestellt hat. Die können weder das Landesarbeitsamt noch die Landesregierung finanzieren. Denn inzwischen steht die nächste Haushaltssperre vor der Tür. 25 Millionen Euro soll das MASGF erbringen. Die Spitze des Hauses kommentiert das mit Ratlosigkeit, was ich ihr übrigens nicht verübeln kann. Es ist schlichtweg nicht realisierbar, jedenfalls nicht ohne erneute drastische Einschnitte bei der Arbeitsförderung oder bei der Förderung der sozialen Infrastruktur. Da sind insgesamt nur etwa 50 Millionen Euro eingeplant, allein 40 Millionen für die Arbeitsförderung und 10 Millionen für die soziale Infrastruktur. Das macht die Dimension deutlich, meine Damen und Herren. Entweder streichen Sie diese freiwilligen Leistungen auf die Hälfte zusammen oder Sie entlassen 40 % des Personals bzw. streichen die Verwaltungsausgaben gleich für anderthalb Jahre. Schließlich blieben noch die Krankenhäuser und die Altenpflegeheime als Streichposten.
Bei solchen marginalen Handlungsspielräumen kann ich Ihnen, Herr Minister Ziel, zunächst keinen Vorwurf machen. Doch eines kann ich Ihnen nicht ersparen, nämlich zu warnen: Gehen Sie nicht länger den markigen Worten über ein irgendwann in Aussicht gestelltes Wirtschaftswunder auf den Leim! Wissenschaftliche Prognosen lassen ein solches weder kurz- noch mittel- oder langfristig erkennen. Stellen Sie angesichts der desolaten Wirtschafts- und Beschäftigungslage im Land und im Interesse der heute von Arbeitslosigkeit Betroffenen in den Kabinettsrunden die notwendigen finanziellen Forderungen! Ich kann Sie dabei unterstützen, Ihnen jedoch nicht alle Arbeit abnehmen.
Geld ist da, meine Damen und Herren, schauen wir doch genau hin. Es geht uns mit dem Antrag eben nicht um die Fortsetzung des sozial verantwortungslosen Umgangs der Landesregierung mit Landesvermögen, Steuern und Sozialabgaben, wie im jüngsten Bericht des Landesrechnungshofes anschaulich beschrieben, um die zweifelhafte Vergabe und Verschwendung von Fördergeldern, um noch mehr öffentliche Ausgaben für das Missmanagement in immer fragwürdigeren Landesbeteiligungen, um Schwindel erregende Versorgungsleistungen für Politiker, um überdimensionierte Kläranlagen, überteuerte Abwassergebühren oder überflüssige Abwasserleitungen in Naturschutzgebieten, um fragwürdige Auslandsaktivitäten ohne angemesse
ne Kosten-Nutzen-Relation, ohne Transparenz und Kontrolle der Mittelverwendung oder um eine verfehlte Wirtschaftspolitik, die den Mittelstand systematisch vernachlässigt. Nein, meine Damen und Herren, es geht um die Wahrnehmung von sozialer Verantwortung in einer Solidargemeinschaft, für die die Brandenburgerinnen und Brandenburger in nicht geringem Umfang Steuern und Sozialabgaben zahlen.
Die Landesregierung hat moralisch nicht das Recht, soziale Leistungen einzuschränken, wenn diese im Landeshaushalt ordnungsgemäß geplant wurden und sich wie jetzt dringender denn je als erforderlich erweisen. Diese Politik ist die Unterbreitung eines unmoralischen Angebotes.
Zur Erinnerung: Schon über Jahre hinweg ist Brandenburg bei ABM Schlusslicht aller Ostländer. Vier ABM kommen derzeit auf 100 Arbeitslose, in Sachsen-Anhalt fünf, in Thüringen sechs, in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern sieben. In Brandenburg kommen 23 Arbeitslose auf eine offene Stelle, in Sachsen-Anhalt 19, in Sachsen 17, in Mecklenburg-Vorpommern 15 und in Thüringen 12.
232 111 Brandenburgerinnen und Brandenburger waren Ende Mai offiziell arbeitslos - Rekordarbeitslosigkeit, meine Damen und Herren! Zudem verzeichnen wir den höchsten Anteil an Langzeitarbeitslosen in der laufenden Legislatur. 40 % aller Arbeitslosen sind bereits über ein Jahr ohne Beschäftigung auf dem ersten oder zweiten Arbeitsmarkt. Wie oft muss ich eigentlich in diesem Hause von dieser Stelle aus noch traurige Rekorde am Arbeitslosenmarkt verkünden?
Angesichts dieser Zahlen kritisiert die PDS-Fraktion entschieden die Verhängung von Haushaltssperren im Bereich der Arbeitsförderung. Ich sage es noch einmal: Dafür sprechen wir der Landesregierung moralisch jedes Recht ab. Sollen sozial Benachteiligte auch noch die politischen Fehler der Landesregierung bei der Verschwendung von Landesgeldern bezahlen? Nicht mit uns.
In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass zu Zeiten der SPD-Alleinregierung die Arbeitsmarktpolitik ausdrücklich von Haushaltssperren ausgenommen wurde, zu Zeiten, in denen die Arbeitslosigkeit aber noch weit unter dem jetzigen Niveau lag. Heute, in Zeiten von Rekordarbeitslosigkeit, insbesondere in Ostdeutschland, wandelt sich der Kampf gegen Arbeitslosigkeit zunehmend in einen Kampf gegen Arbeitslose.
Brandenburg hat die Chance, nach meiner Auffassung angesichts der desolaten Beschäftigungslage aber auch die Pflicht, dem Trend einer Überforderung von Arbeitsmarktpolitik und einer Unterforderung von Wirtschaftspolitik nicht zu folgen. Deshalb fordere ich erstens eine beschäftigungswirksame Wirtschaftspolitik mit solider Mittelstandsförderung, zweitens ein Festhalten am Grundsatz "Besser Arbeit als Arbeitslosigkeit finanzieren" und drittens den Verzicht auf jegliche Haushaltssperre im Bereich der Arbeitsförderung. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Forderung nach Aufhebung der Haushaltssperre im Bereich der Arbeitsförderung kann ich persönlich, wie Sie wissen, durchaus zustimmen, und zwar zum einen deshalb, weil wir in den zurückliegenden Haushalten schon mit 60 % Einsparung bei den Landesmitteln für Arbeitsförderung einen überdurchschnittlichen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung geleistet haben - deutlich mehr als in anderen Bereichen -, und zum anderen deshalb, weil die Zahl der Arbeitslosen im Vergleich zu den Vorjahren immer noch steigt: 232 000 Arbeitslose - die Zahl ist schon genannt worden. Das Schlimmere daran ist, dass die Zahl der Langzeitarbeitslosen ständig steigt. Inzwischen sind es 92 000. Das sind knapp 10 % mehr als im Mai vorigen Jahres. Genau das ist eine Klientel, die Schritt für Schritt aus der Gemeinschaft ausgegrenzt wird. Für sie gibt es oft nur noch die Möglichkeit, auf dem so genannten zweiten Arbeitsmarkt eine Beschäftigung zu finden. Angesichts dieser Situation ist eine Kürzung wirklich nicht angebracht.
Vor drei Jahren waren zum gleichen Zeitpunkt - im Mai 24 000 Menschen in ABM, jetzt sind es knapp 10 000. Vor drei Jahren befanden sich 33 500 Menschen in SAM, jetzt sind es knapp 9 000. Das wirkt sich natürlich auf den Arbeitsmarkt und auf die besonders betroffenen Langzeitarbeitslosen aus.