Protokoll der Sitzung vom 26.06.2002

Ich will nicht, dass jetzt jeder den Kopf hängen lässt und sagt „Wir können auf diesem Sektor nichts machen”, obwohl ich zugebe, dass wir noch viel zu tun haben.

Was Sie vorgeschlagen haben, liebe Kolleginnen und Kollegen der PDS-Fraktion, die Förderung nach § 10 Sozialgesetzbuch III - das war die freie Förderung, über die jetzt eben auch noch einmal gesprochen worden ist -, halte ich nicht für vernünftig. Das sind Förderungen, die der Bund auf den Weg bringt, und diese soll er auch bezahlen. Warum sollen wir dafür noch extra eine Kofinanzierung vornehmen?

Was die 12 000 ABM-Stellen angeht, so hat es dazu erst vor kurzem Gespräche mit allen Direktoren der Arbeitsämter in meinem Hause gegeben, bei denen auch die beiden Präsidenten zugegen waren. Wir werden diese 12 000 Stellen kurzfristig erreichen können. So lautet die Zusage mir gegenüber. Die Kofinanzierung des Landes steht, die Mittel sind bereits an die Landesarbeitsämter überwiesen. Deshalb bitte ich, das auch in einen Zusammenhang zu stellen, der deutlich macht: Hier wird von uns das Bestmögliche getan.

Nicht ausreichend waren die Ergebnisse der vergangenen Monate. Da haben wir bei 9 500 ABM-Stellen gelegen. Das ist zu wenig. Aber das kann das Land nicht beeinflussen - wir haben das Geld für die Kofinanzierung bereitgestellt -, das müssen die Arbeitsämter bewerkstelligen. Jetzt sind sie so weit, das zu machen, und ich denke, wir werden auch auf die 12 000 ABMStellen kommen, aber nicht mehr im Durchschnitt.

Meine Damen und Herren! Es bleibt dabei: Die aktive Arbeitsförderung ist uns wichtig. Wir werden alles uns Mögliche dafür tun, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Was nicht gehen wird, ist, dass wir von der Haushaltssperre ausgenommen sind. Dafür bitte ich um Verständnis.

(Beifall bei SPD und CDU)

Wir sind am Ende der Rednerliste und ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der PDS-Fraktion in der Drucksache 3/4444 zustimmen möchte, möge die Hand aufheben. - Gegenstimmen?

- Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:

Nachtragshaushalt 2002/2003

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 3/4504

Ich eröffne die Aussprache gewohnheitsgemäß mit dem Beitrag der beantragenden Fraktion. Frau Osten, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich nur wiederholen: Haushaltsdiskussionen sind zutiefst politische Diskussionen, bei denen es um Ziele, um Prioritäten geht. Sie gehören in das Parlament. Natürlich lassen die Haushaltsordnung und auch das Haushaltsgesetz zu, dass die Finanzministerin Richtlinienkompetenz und das Kabinett eine Gesamtverantwortung hat. Das brauchen Sie uns nicht zu erklären.

Ich möchte Sie aber daran erinnern, dass die Budgethoheit des Parlaments Verfassungsrecht ist und ich als finanz- und haushaltspolitische Sprecherin der PDS-Fraktion darauf aufmerksam machen muss, dass mit dieser Art einer Haushaltssperre, also gemäß einem Rasenmäher in einer Höhe von insgesamt 152 Millionen Euro - denn die 22 Millionen Euro, die schon verfügt sind, kommen noch hinzu - dem Land Schaden zugefügt wird und Sie eindeutig den eigenen Anspruch der Koalitionsvereinbarung, nämlich Politik entsprechend politischer Prioritäten durchzusetzen, verletzen.

Frau Finanzministerin im Übergang, es ist durchaus anzuerkennen, dass Sie zumindest einen Teil des ins Haus stehenden Risikos benennen. Sie zählen dabei rund 350 Millionen Euro zusammen. Ich möchte aber daran erinnern, dass die globale Minderausgabe im Einzelplan 08, also zur Beteiligung an Communicant, von 38 Millionen Euro schon konkret und Fördermittel für die Chipfabrik, weitere Mittel für LEG-Projekte, für den Flughafen und wahrscheinlich auch für CargoLifter in Rede stehen und bereits in Ihrem Blick sein sollten. Im nächsten Jahr kommt neben all den Unzulänglichkeiten, ja den Unwägbarkeiten, zumindest noch die globale Minderausgabe in Höhe von 149 Millionen Euro dazu.

Ich bin mittlerweile im Erleben der letzten zweieinhalb Jahre fest davon überzeugt: Sie haben, wertes Kabinett, die Sache nicht im Griff. Sie reden seit dieser Zeit von der Senkung der Nettokreditverschuldung, erhöhen sie ständig, strapazieren das Wort Konsolidierung und sind nicht in der Lage, Steuerentwicklungen einzuschätzen. Ich denke, wenn es kein Wirtschaftswachstum gibt, muss man auch damit rechnen, dass die Steuern nicht sprudeln.

Der entscheidende Grund, dass ich Ihnen eine verantwortungsbewusste Haushaltspolitik im Kabinett nicht zutraue, ist, dass Sie kein Kollektiv, kein Team mit einem gemeinsamen Ziel sind, sondern jeder kämpft für seine eigene Sache, aber gegeneinander. Von den Fußtritten unter dem Kabinettstisch haben

wir alle gehört. Sie schrecken auch nicht davor zurück, das öffentlich zu machen. Herr Minister Schönbohm ist da besonders aktiv.

Sie sind damit nicht in der Lage, den Brandenburgerinnen und Brandenburgern zu sagen, was man sich in diesem Land noch leisten kann. Sie stellen ein „Wünsch Dir was”-Programm auf und schlagen keine politisch begründeten Reduzierungen von Ausgaben bzw. Erhöhung von Einnahmen vor. Sie reduzieren alle Ressorts um den gleichen Teil und gefährden damit zum Beispiel die Qualität der Arbeit der Hochschulen im Land und das geht zulasten der Studierenden. Sie reduzieren damit die notwendigen ABM, die soeben in Diskussion standen, und machen die ausgiebige gründliche Haushaltsdebatte im Parlament überflüssig. Indem Sie sich verweigern, einen Nachtragshaushalt vorzulegen, nehmen Sie dem Parlament die Budgethoheit und verzichten damit auf die Vorschläge aller Fraktionen aus dem Parlament. Werfen Sie uns also nicht vor, dass wir uns dieser schwierigen Aufgabe nicht stellen! Ich gebe zu: Auch in unserer Fraktion gibt es harte Auseinandersetzungen zu Tabus. Allerdings sind wir uns einig: Belange der Jugend, des Arbeitsmarktes und der Kommunen gehören nicht unter den Rasenmäher der Finanzministerin.

(Beifall bei der PDS)

Da Sie auch immer gleich die Hände heben wegen der fehlenden Alternativen und bei der Aufzählung von Risiken und künftigen Problemen stehen bleiben, möchte ich für meine Fraktion noch einige Vorschläge bzw. Fragen formulieren.

Erstens: Kosten-Nutzen-Analysen sind vor Beginn von Maßnahmen oder der Ausrufung von Reformen durchzuführen. Sie leisten sich zum Beispiel eine Polizeireform, die vielleicht irgendwann - ich habe gehört: im Jahre 2010 - Einsparungen bringen soll, aber sich jetzt mit fragwürdigen Effekten darstellt und mehr finanzielle Mittel bindet als geplant. Muss man unbedingt auf den höchsten Leitungsebenen die Besoldung anheben? Können wir es uns leisten, 27 Millionen Euro für den Umbau einer Polizeischule auszugeben, der mit einem protestbegleitenden Umzug zustande gekommen ist? Wird die Reform vielleicht auch benutzt, um Dinge durchzusetzen, denen sonst die Zustimmung auch in der eigenen Fraktion versagt gewesen wäre?

Sie leisten Sich eine Gebietsreform, deren Ergebnis in Bezug auf Qualität und Kosten noch völlig offen ist. Aber was hat sie bereits gekostet? Neben den Kopfgeldern eine Unmenge bezahlter Beamtenstunden. Wir leisten uns eine Chipfabrik mit konkretem Geld, mit zugesagten Bürgschaften und mit Fördermitteln, die nicht wirklich Bestandteil des Haushaltsplanes sind, und werden immer unsicherer, den wirtschaftlichen Erfolg betreffend. Sie leisten sich die Idee eines Großflughafens, der 30 Millionen Euro für Rückbau vorsieht, 81 Millionen Euro für Umsiedlungen, 276 Millionen Euro für den Bau einer zusätzlichen Start- und Landebahn, 500 Millionen Euro für Straßenund Schienenanbindung, 933 Millionen Euro für das Gebäude.

Da eine Privatisierung wohl in den Sternen steht, frage ich mich: Aus welcher Kasse soll der Anteil des Landes bezahlt werden?

Zweitens: Ausgabengrenzen eines Haushaltsplanes sind einzuhalten, meine Damen und Herren Minister! Die außer- und

überplanmäßigen Ausgaben im Jahr 2001 sprechen eine andere Sprache. Hier ging es übrigens um 360 Millionen DM.

Drittens: Die Wirkung von Fördermitteln - verlorene Zuschüsse werden sie mittlerweile genannt - muss man genauer analysieren. Es nutzt dabei nicht die CDU-Erklärung, sie zur heiligen Kuh zu machen, sondern es geht um die eigene Forderung auch aus Ihren Fraktionen -, sie beschäftigungswirksam einzusetzen. Wie werden die Projekte, die die großen Summen beinhalten, denn betreut und begleitet?

Werte Kolleginnen und Kollegen des Übergangskabinetts! Wenn Sie morgen so weitermachen wie bisher, steuert das Land auf einen finanziellen Kollaps zu. Das ist übrigens auch das Ergebnis einer langfristigen Analyse des Finanzministeriums. Nehmen Sie also zur Kenntnis, dass sich die PDS-Fraktion dem schwierigen Prozess einer wirklichen Konsolidierung stellen will! Der Weg dazu ist ein Nachtragshaushalt.

Nehmen Sie zur Kenntnis, dass es das Budgetrecht des Parlaments gibt, dass die Haushaltssperre von 130 Millionen Euro noch lange nicht die Hälfte des zu erwartenden Ausfalls abdeckt und dicke Fragezeichen im Haushaltsplan bleiben!

Nehmen Sie zur Kenntnis, dass der Haushaltsplan Grundlage der Arbeit von Hochschulen, Landeseinrichtungen, Schulen, Verwaltungen und vieler ehrenamtlich engagierter Menschen in Vereinen und Organisationen ist und jede Haushaltswillkür die Ergebnisse dieser Arbeit infrage stellt!

Wenn Sie diese Argumente ernst nehmen, sollten Sie diesem Antrag der PDS-Fraktion, für eine parlamentarische Debatte politische Prioritäten im Haushaltsplan 2002/2003 zu diskutieren, zustimmen, auch, verehrte Kolleginnen und Kollegen, weil sich dies sonst der eigenen Einflussnahme entziehen könnte. Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Wir haben hier erneut den Fall, den wir schon mehrmals diskutiert haben: Wenn eine Begründung auf fünf Minuten beschränkt ist, dann sollte sie auch an fünf Minuten orientiert sein. Ich hatte nicht das Gefühl, dass Sie überhaupt eine zeitliche Orientierung hatten, weshalb Herr Vietze leicht schmunzelnd in seiner Bank saß.

(Vietze [PDS]: Wir haben ein ganz inniges Verhältnis, Herr Präsident, Sie brauchen sich keine Sorgen zu ma- chen!)

- Keine Einzelheiten!

(Allgemeine Heiterkeit - Frau Osten [PDS]: Soll ich jetzt die Hälfte meiner Rede zurücknehmen?)

Das heißt, Frau Osten hat schon alles gesagt, was gesagt werden musste? - Wunderbar.

Das Wort geht an die SPD-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Bischoff.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Steuerzahler! Zum Thema Übergang nur so viel: Hätte die Koalition nicht - sorgfältig auf der Grundlage der Verfassung prüfend - heute Morgen Ihren Neuwahlantrag abgelehnt, befände sich jetzt das ganze Parlament im Übergang. Was wäre dann eigentlich mit Ihrem Antrag auf Nachtragshaushalt? Was wäre dann mit der schwierigen finanziellen Situation, wenn wir ein halbes Jahr lang Stillstand in Fragen des Parlaments bezüglich der Neuwahl gehabt hätten?

(Zuruf von der PDS)

Brandenburg - das möchte ich laut und deutlich sagen - hat Ja gesagt, hat im Bundesrat seine klare Zustimmung zur größten Steuerreform der deutschen Nachkriegsgeschichte gegeben, die übrigens mit einem einheitlichen Votum verabschiedet wurde.

(Zuruf von der PDS: So etwas gibt es!)

Steuerentlastung auf der ganzen Linie, Steuerentlastung für Familien, Beschäftigte und auch Unternehmen. In Stufen werden bis 2005 alle spürbar von Steuern entlastet. Ab 2003 zahlen Familien und Beschäftigte 4,8 Milliarden Euro weniger als im Jahr 2002. Bei einem Jahresbruttoeinkommen in Höhe von 20 000 Euro zahlt ein Familienvater künftig so gut wie keine Steuern mehr; bei einem Jahresbruttoeinkommen in Höhe von 30 000 Euro beträgt die Entlastung 15 %.

(Zuruf von der PDS: Wenn das Stoiber hört!)

Wenn diese Entlastung hochgerechnet auf 500 000 Haushalte nur fünf Jahre lang zur Rückführung der Kreditlinie des Landes verwendet werden würde, würde uns dies heute bereits um 1 Milliarde Euro entlasten. Diesen Weg haben wir aber bewusst nicht eingeschlagen.

Steuersätze sinken, Freibeträge steigen. Prozentual ist die Entlastung bei geringen Einkommen am größten. Mehr Eigenverantwortung für die Bürger - das ist unser Ziel, das ist gewollt und im Haushalt auch veranschlagt. Dennoch: Die Einnahmen bleiben derzeit hinter den vorsichtigen Steuerschätzungen zurück. Grund: Das weltweite Wirtschaftswachstum ist verhalten, Umsatzsteuer und Mittel aus dem Länderfinanzausgleich bleiben mit einem Minus von rund 244 Millionen Euro deutlich hinter unseren Erwartungen zurück.

Es mussten - wie in allen Ländern - sofort haushaltswirtschaftliche Maßnahmen ergriffen werden. Immerhin ein Lichtblick: Im Jahr der Fußballweltmeisterschaft sprudelt die Biersteuer überraschend gut, nämlich mit plus 11 %, das entspricht 2 Millionen Euro. Leider können wir damit nicht den Regenwald schützen, sondern nur unsere Landeskasse auffüllen.

Kurz zum Antrag: Es geht keineswegs - liebe Frau Kollegin Osten - um neue Ausgaben, sondern um einen Einnahmerückgang. Aber okay - schieben wir einmal die Landeshaushaltsordnung usw. beiseite -, einmal angenommen, wir würden - unabhängig vom Haushaltsrecht - Ihrem Antrag zustimmen, also einen Nachtragshaushalt für 2002 im Oktober dieses Jahres beschließen, dann hätten wir mit Beschluss im Oktober noch exakt zehn Wochen Zeit. Binnen zehn Wochen also - bis zum

Jahresende - soll um über 300 Millionen Euro gekürzt werden. Das ist wenig realistisch und birgt auch die Gefahr weiterer Schulden.