Protokoll der Sitzung vom 27.06.2002

Damit hin ich hei Beispielen aus der Praxis. Im Ausschuss haben wir inzwischen über mehrere Beispiele gesprochen. beispielsweise über Walddrehna bei Luckau. Mit persönlicher Rückendeckung des Umweltstaatssekretärs. der örtlichen unteren Behörden und nach Gesprächen mit Verbandsvorsteher und der obersten Wasserbehörde soll hier eine zentrale Kläranlage für den Ort errichtet werden, die entgegen der eindeutigen Beschlusslage des Gemeinderates den Ortskern von Walddrehna an dieses Klärwerk anschließen soll.

Ich denke. da können selbst die Kollegen Gemmel und Zimmermann nur staunen, wie aus ihren Versprechen, die sie vor Ort

gegeben haben, sich nämlich für dezentrale Lösungen einzusetzen, plötzlich Luftblasen werden. Alles findet nicht mehr statt.

Oder das Beispiel Uenze/Kleinow in der Prignitz. Um einen unwirtschaftlichen Kanalanschluss zu rechtfertigen, wird wochenlang mit Unterstützung des Ministeriums verbreitet, dass dort dezentrale Kläranlagen wegen hoher Grundwasserstände nicht funktionieren würden. Nun wissen wir inzwischen aber sehr gut, dass es genau in diesen Gemeinden eine ganze Reihe von dezentralen Anlagen gibt, die sehr wohl und sehr gut funktionieren.

Das dritte Beispiel wäre Briescht/Kossenblatt bei Storkow - das haben wir im Ausschuss erschöpfend diskutiert -: Erst nach der dritten Nachfrage gibt die Landesregierung zu. dass die dortige 12 km lange Abwasserleitung 35 % über den ohnehin sehr großzügig bemessenen Förderhöchstsätzen liegt. Dennoch wird dieses Vorhaben gegen den Willen von über 85 % der Einwohner in das Förderprogramm aufgenommen.

Die Reihe der Beispiele ließe sich fortsetzen.

(Schippe) [SPD]: Hier sitzen lauter kommunale Abgeordnete !i - Es sind Landesmittel, Herr Kollege Schippet. Es sind Landesmittel, die in Form von Fördermitteln hier zum Einsatz kommen. Da liegt unsere Verantwortung. Die müssen wir wahrnehmen! (Beifall hei der PDS)

Meine Damen und Herren. in jedem dieser Orte und vielen anderen mehr bilden sich Bürgerinitiativen. In jedem dieser Orte wird durch solche Entscheidungen Politikverdrossenheit, wird Wut organisiert und es wird Ohnmacht, die sich gegen ein solches Kartell von Verwaltung, das in den Zweckverbänden, in den obersten Behörden usw. entscheidet. spürbar. Es gibt Empörung und Protest gegen diese Entscheidungen. Das sollten wir wahrnehmen.

Die Auseinandersetzung mit dieser Thematik, diesen Problemen und diesen Bedürfnissen. die die Bürgerinnen und Bürger vor Ort haben, sollten wir ernsthaft führen. Wir sollten im Ausschuss darüber nachdenken: Wie könnten wir Variantenvergleiche so gestalten, dass sie durchschaubar, von den Bürgerinnen und Bürgern nachvollziehhar sind, dass es sich tatsächlich um Variantenvergleiche und nicht um Gutachten handelt, die sozusagen Gefälligkeitsgutachten für die eine oder die andere Seite sind?

Insofern wünschte ich mir, dass wir im Ausschuss die Gelegenheit haben. uns damit zu beschäftigen, damit wir den Bürgerinitiativen und auch den Kommunalvertretern am Ende Instrumente an die Hand geben. die sie befähigen. Entscheidungen zu fällen, die umweltverträglich, aber auch kostenverträglich sind und tatsächlich zu den günstigsten Lösungen für die Bürgerinnen und Bürger und für die Uniwelt führen. - Danke.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort geht an die SPD-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Gemmel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen ! Frau Dr. Enkelmann. die Abwasserwende ist eingeleitet und wird sich auch gegen Widerstände durchsetzen. Daran sollten wir zumindest alle glauben.

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Das ist Ihre Hoffnung, Herr Kollege?)

- Das ist keine Hoffnung, sondern die Beschlüsse, die wir fassen. sind so gut, dass sie sich durchsetzen werden.

Die Opposition fordert mit ihrem Antrag eine Art Oberschiedsrichter für die Bewertung der Förderfähigkeit von Abwasseranlagen. Nur darum geht es. Ich will gern zugeben, dass auch wir hei der Erarbeitung der neuen Förderrichtlinie diese Möglichkeit zunächst geprüft haben. Wir haben dies aber auf Eis gelegt.

(Beifall hei der PDS)

Ich will Ihnen auch sagen, warum. Ein wesentlicher Grund dafür war folgender: Egal, wer auch immer in den letzten Monaten einen Variantenvergleich vorgelegt hat, er wurde von der

Ge genseite im Ergebnis als unseriös und manipuliert bezeichnet. Auch wenn der Vergleich nach den Vorgaben der Förderrichtlinie erstellt wurde, auch wenn er richtig. ordnungsgemäß erstellt wurde, wurde er, wie gesagt. infrage gestellt.

Eine wesentliche Ursache dafür ist, dass die LAWA-Leitlinien zur Durchführung von Kostenvergleichsrechnungen dem heutigen Entwicklungsstand von Hauskläranlagen bei weitem nicht mehr entsprechen. Ein Beispiel dafür: Für die Nutzungsdauer einer Kleinkläranlage sollen nach den LAWA-Leitlinien lediglich 10 bis 15 Jahre angesetzt werden. Ich gebe den Fachleuten Recht, die sa gen. dass die Anlagen mindestens 25 bis 30 Jahre halten. Das ist auch logisch: denn hierfür werden die gleichen Materialien wie für die Großkläranlagen eingesetzt.

Weitere Streitpunkte hei der Ermittlung realer Kosten für dezentrale Varianten sind oftmals die fehlende Ermittlung des tatsächlichen grundstücksbezogenen Investitionsbedarfs. Hierbei geht es um die Frage: Neubau oder Erweiterung? Das ist dann eine Kostendifferenz von circa 5 000 DM zu 12 000 DM.

Das Herausrechnen bereits bestehender genehmigungsfähiger Kleinkläranlagen ist das nächste Stichwort. Ich sage bewusst: genehmigungsfähiger Kleinkläranlagen. Wir haben ja gestern den Beschluss gefasst: Mindestens 15 Jahre Bestandssicherheit. Das bedeutet. dass die in Kostenrechnungen künftig nicht mehr auftauchen dürfen. Das verändert den Variantenvergleich natürlich ganz erheblich.

Überzogene Kostenansätze für Wartung und Kontrolle. Auch dazu haben wir einen weisen Beschluss gefasst: zweijähriger Turnus.

Die überhöhten Kosten für die Schlammabfuhr durch unsachgemäße Satzungen. Hierbei wird Wasser kostenträchtig durch die Gegend gefahren. Hier wollen wir zu einer bedarfsgerechten Entsorgung kommen.

Im Klartext heißt das: Die Kosten für dezentrale Varianten werden systematisch hochgerechnet und gleichzeitig werden die wirklichen finanziellen Risiken bei der zentralen Variante als Kosten nicht erfasst. Das ist eine Tatsache.

(Frau Dr. Enkelmann [PDS!: Sehr richtig!)

So kommt bei Variantenvergleichen oftmals auch noch für das kleinste Dorf im Ergebnis heraus. dass auf gar wundersame Weise die zentrale Lösung immer die günstigste ist.

(Frau Dr. Enkelmann 1PDS]: Sehr richtig! Das stört auch uns, Herr Germriet )

Liebe Kolleginnen und Kollegen. diese Diskrepanz zwischen seriöser Berechnung und Manipulation ist auch mit zusätzlichen Gutachten nicht zu beseitigen. Das ist das eigentliche Problem, das wir haben.

Sie haben völlig Recht: Variantenvergleiche auf der Basis fehlender verbindlicher Vorgaben. die so weit an der Realität vorbeigehen. können nicht Entscheidungsgrundlage für die Förderminelhewilligung im Lande sein.

Die SPD-Fraktion hat in Übereinstimmung mit dem Minister dies als zentrales Problem erkannt und arbeitet derzeit an neuen verbindlichen Vorgaben für einen fairen Variantenvergleich, da sind wir mitten in der Arbeit. Diese Vorgaben werden nach der Sommerpause vorgelegt. Wie gesagt: Die sind dann verbindliche Gnmdla ge für die Förderentscheidung des Landes und die werden dann auch in den Ministerien geprüft. Dort sind hoch bezahlte Ministerialbeamte. deren Leistung wir auch abfordern müssen.

Der Weg, den Sie vorschlagen, nämlich weitere Gutachten erstellen zu lassen, erhöht die Planun gskosten und hilft in keiner Weise, den Streit in der Region zu beseitigen: ganz im Gegenteil: Dadurch kann der Streit eher noch befördert werden.

Das von Ihnen geforderte Oberschiedsgericht könnte nur in spektakulären Einzelfällen wirken. In den vielen Einzelfällen, in. denen sich niemand rührt, könnte weiterhin munter investiert werden. Auch das wollen wir nicht. Wir wollen einen Zwangslauf, das heißt. dass hei jedem Projekt eine ganz scharfe Kontrolle nach festgelegten Kriterien erfolgt. Eine solche Kontrolle gibt es real bisher nicht.

Unsere politischen Vorgaben sind darin, wie gesagt. noch nicht enthalten. - Ich bekomme hier schon erste Ermahnungen, zum Ende zu kommen. Ich bin gleich am Ende mit meinen Ausführungen. Herr Präsident. Lassen Sie mich bitte noch zwei Anmerkungen machen. - Dabei geht es um die Einzelprobleme, die Sie angesprochen haben. Was Sie dazu gesagt haben, kann so nicht stehen bleiben.

Sie haben als Beispiel Tauche angesprochen. Tauche hat die Förderanfrage zurückgezogen. Es gibt also keinen Variantenvergleich, der überhaupt bewertet werden könnte.

Zu Briescht und Kossenblatt liegen keine Förderanträge. also auch kein hewertharer Variantenvergleich vor.

Uenze liegt bei mir in der Prignitz. Dort wird mit Sicherheit nichts vorbereitet. Da kann ich Ihnen die Sorge wirklich nehmen. Was Sie dazu gesagt haben. ist natürlich Unfug.

Gestatten Sie mir eine letzte Bemerkung. Die Koalition hat bereits alle notwendigen Landtagsbeschlüsse gefasst. Lassen Sie uns diese doch jetzt erst einmal in Ruhe abarbeiten. Dann werden wir sehen, oh cs notwendig ist, zusätzliche Prüfungen einzuführen. - Ich danke für ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei SPD und CDU)

[eh danke auch. - Wir sind damit hei der DV U-Fraktion. Für Sie spricht der Abgeordnete Claus.

Herr Präsident? Meine Damen und Herren? Werte Kolleginnen und Kollegen, wir sind wieder einmal bei der unendlichen Geschichte Abwasser, wie es in diesem Landtag schon häufig der Fall war.

Das Land Brandenburg hat europaweit die höchsten Abwasserbeseitigungskosten und einen schier unüberwindbaren Schuldenstand der Abwasserzweck-verbände in Höhe von circa 1.5 Milliarden Euro.

Gerade das Problem mit den Klärwerken und Abwasseranlagen ist für viele Menschen unseres Landes finanziell so einschneidend, dass es hier erheblichen Klärungsbedarf gibt.

1990 wurde der Bau von möglichst großen Kläranlagen einschließlich wahnwitziger Leitungsnetze und Pumpstationen zum politischen Dogma erhoben. Die Gemeinden und Bürger hatten in der übergroßen Mehrheit nie eine Chance, bezahlbare und wirtschaftlich effektiv arbeitende Kleinkläranlagen genehmigt zu bekommen. Seit dem vergangenen Jahr sollen nun endlich Kleinkläranlagen stärker finanziell gefördert werden. Wie Sie wissen. haben wir dafür im Ausschuss bzw. im Landtag Geld bereitgestellt. nämlich circa 3 Millionen Euro.

Meine Damen und Herren. es ist jedoch bereits fünf nach zwölf. Dieser Sektor wird nur noch eine Nischenexistenz fristen können; denn der überwiegende Teil der Haus- und Grundstückseigentümer ist über die jeweilige Gemeinde in einen Abwasserzweckverband eingebunden. Diese Zweckverbände denken gar nicht daran, irgendjemandem Ausnahmegenehmigungen zu erteilen. Bürgerinitiativen und Bürgerproteste. die sich dagegen seit Jahren Luft machen, sind einsame Rufer in der Wüste. Das hat seinen Grund.

Aufgabenträger der Abwasserbeseitigung sind nach § 66 Abs. 1 des Brandenburgischen Wassergesetzes die Gemeinden. Sie können allerdings Aufgaben der Abwasserbeseitigung gemäß § 68 Abs. 1 Brandenburgisches Wassergesetz auch von ihnen zu gründenden Abwasserzweckverbänden übertragen. Ebenso ist eine Übertragung der Aufgaben nach § 5 Abs. 4 der Amtsordnung auf die Ämter möglich. Das Wassergesetz erlaubt es ferner. dass die Gemeinden, Ämter und Zweckverbände auch Dritte mit der Erfüllung der Abwasserbeseitigung beauftragen können.

Diese Beauftragung bedeutet allerdings nicht, dass sich damit die Gemeinden, Ämter und Zweckverbände ihrer Verantwortung für die Abwasserbeseitigung entziehen können. Der Dritte wird nur als Erfüllungsgehilfe tätig, sodass die Aufgabenträgerschaft der kommunalen Körperschaften unangetastet bleibt.

Sofern die Gemeinden von ihrem Recht zur Aufgabenübertragung auf Wasserzweckverbände oder Ämter Gebrauch machen, können sie entscheiden. ob die Aufgaben vollständig oder nur teilweise übertragen werden sollen.

Die DVU-Fraktion möchte darauf hinweisen, dass cs keine Stelle oder Institution gibt. welche die Angemessenheil der Preise. sozusagen der Abwasserpreise, kontrolliert.

Der Umfang der Gebührenerhebung des Aufgabenträgers soll durch das Kostenüberschreitungsverbot des § 6 Abs. 1 Satz 3 Kommunalabgabengesetz begrenzt werden.

Aber wir sind uns, glaube ich, alle einig, dass sich für diejenigen Gemeinden, die noch keine Kläranlage haben, die Bedingungen für den Bau derselben verschlechtert haben. Dies fällt vor allem auf den ländlichen Raum zurück. Für die Bürgerinnen und Bürger, die in diesen ländlichen Gemeinden leben, wird es teurer werden, weil, wie Sie. Frau Dr. Enkelmann, schon sagten, die Landesregierung nicht gerade groß bestrebt ist, Kleinkläranlagen zu fördern. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.