Protokoll der Sitzung vom 09.10.2002

Bei der 1. Lesung dieses Vertrages ist mir - es sei mir gestattet, darauf hinzuweisen - ein Lapsus unterlaufen, den ich korrigieren möchte. Jemand, der diesen Vertrag kritisch betrachtet und ihn verändern möchte, macht das in einer ganz legitimen Interessenvertretung und nicht, wie ich es damals gesagt habe, indem er nörgelt. Was ich mir am heutigen Tage aber von allen hier im Saal wünsche, ist eine optimistischere Betrachtung der Fusion der beiden Sender. Die Fusion wird im gewünschten Sinne nur gelingen, wenn wir mehr die Chancen des vereinigten Senders sehen und nicht die kleinen Risiken zu sehr in den Vordergrund stellen.

Wir werden der Beschlussempfehlung des Hauptausschusses folgen, die den Weg für einen neuen Sender für diese Region freimacht. Beim Entschließungsantrag der PDS werden wir uns der Stimme enthalten. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Ich danke dem Abgeordneten Klein und gebe das Wort an die Fraktion der DVU, Herrn Abgeordneten Schuldt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Demokratie bleibt auf der Strecke. Das Gesetz zu dem Staatsvertrag, der die Handschrift von Staatssekretär Speer trägt, ist ein beredtes Werk des Machterhalts der politischen Linken. Als etwas anderes ist dieser Tanz, den Sie bezüglich des Staatsvertrages über die Errichtung einer gemeinsamen Rundfunkanstalt vollführen, nicht anzusehen. Aber es ist ein Tanz auf dem heißen Blechdach.

In diesem Staatsvertrag werden entsandte Mitglieder von Fraktionen, die der Opposition angehören, einfach per Pinselstrich aus dem Rundfunkrat entfernt. Auch ein Vertreter des Bundes der Vertriebenen hat im Rundfunkrat keinen Platz. Uns als DVU-Abgeordnete geht es aber im Gegensatz zu den politisch links Stehenden in diesem Hause nicht darum, alle möglichen Pöstchen zu besetzen; uns geht es um Sachfragen. Wenn sich der Staat schon öffentlich-rechtliche Sender leisten will, dann hat er für eine gerechte, unparteiische, inhaltlich landesspezifische, flächendeckende und dem Anspruch öffentlicher Daseinsvorsorge entsprechende niveauvolle Versorgung der Bevölkerung mit Rundfunk und Fernsehen zu sorgen.

(Beifall bei der DVU)

Von alledem ist dieser Staatsvertrag weit entfernt. Die berlinfernen Regionen scheinen die beiden Landesregierungen nicht zu interessieren. Warum wurden die Regionalstudios für die Uckermark und die Prignitz nicht festgeschrieben? Deshalb unterstützen auch wir das Anliegen der beiden Intendanten von ORB und SFB. Wohl wissend, meine Damen und Herren, liebe

Kolleginnen und Kollegen, dass wir den Staatsvertrag hier und heute nicht verändern können, sondern zu ihm nur Ja oder Nein sagen können, bitte ich Sie, die Entscheidung, die Sie im Hauptausschuss getroffen haben, noch einmal zu überdenken.

Über die verfassungsrechtlich fragwürdige Ausgestaltung der Programmgrundsätze habe ich sowohl im Hauptausschuss als auch hier im Plenum schon genügend gesagt; Sie können dies in den Protokollen nachlesen. Haben nicht namhafte Verfassungsrechtler bei der öffentlichen Anhörung zum Rundfunkstaatsvertrag deutlich genug moniert, dass zum Beispiel in § 4 bezüglich der Programmgrundsätze eine Bezugnahme auf eine politisch unparteiische Berichterstattung sowie eine Verpflichtung zu einer an den Grundwerten der freiheitlich-demokratischen Grundordnung orientierten Programmgestaltung fehlen? Konsequenzen hat die Landesregierung in dieser zentralen Frage aber nicht gezogen. Ein Schelm, der Böses dabei denkt!

Doch nun zu Ihnen, meine Damen und Herren von der PDS: Der Volksmund spricht von Krokodilstränen, wenn jemand Betroffenheit mimt, nur um sich wichtig zu machen. Sie pochen auf die Interessenvertretung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, um so weitere Punkte nicht ansprechen zu müssen. Aber sie vergessen dabei nicht nur die schon von mir angesprochenen Kriterien, sondern zum Beispiel auch, dass die freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter keine Interessenvertretung haben und laut Staatsvertrag dem Intendanten völlig ausgeliefert sind, der bestimmen kann, womit sich die Redakteure befassen sollen. Aber warum sollten Sie auch, sitzen Sie doch selbst in Berlin in der Regierung. Hat nicht auch Berlin diesen Vertrag unterschrieben? Sicherlich werden Ende des Monats Ihre Genossen in Berlin, Herr Kollege Prof. Bisky, ebenfalls dem Gesetz zum Staatsvertrag zustimmen. Also spielen Sie hier kein Theater und lassen Sie die Tränen! Wir glauben Ihnen sowieso nicht,

(Beifall bei der DVU)

zumal Ihre Parteifreunde im ORB-Rundfunk und -Fernsehen absichtlich vergessen zu berichten, dass es unsere DVU-Fraktion war, die von Anfang an gegen diesen Vertrag auftrat.

Kurz und gut, aufgrund der eklatanten gesetzgeberischen Mängel lehnen wir den Gesetzentwurf der Landesregierung ab. Ich hoffe, Sie tun das auch. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke dem Abgeordneten Schuldt und gebe das Wort an die Fraktion der CDU, Herrn Abgeordneten Schöps.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aufgrund des eben Gesagten stelle ich zwei Vorbemerkungen voran. Zunächst ein kurzes Wort zu der Diskussion um das Bundespersonalvertretungsgesetz: Das gesamte Bundespersonal, aber auch die Mitarbeiter des Norddeutschen Rundfunks und des Mitteldeutschen Rundfunks leben gut mit diesem Bundespersonalvertretungsgesetz. Jetzt sollten wir endlich aufhören, es in den Mittelpunkt zu stellen.

(Beifall bei der CDU)

Es ist eine ordentliche Interessenvertretung und damit hat es sich. Damit können wir die Klassenkampfparolen à la Marx auf der einen Seite und à la Murks auf der anderen Seite abtun und uns den Dingen widmen, die die Größe dieses Vertrages ausmachen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Zum Entschließungsantrag der PDS muss ich sagen: Guten Morgen, Genossen. Am 11. Juni 2002 hat das Kabinett beschlossen, die Studios in Perleberg und Prenzlau einzubeziehen. Wir sind mit diesem Entschließungsantrag einverstanden und werden uns der Stimme enthalten. Die Regierungskoalition hat am 11. Juni 2002 schon die entsprechenden Beschlüsse gefasst. Warum sollen wir es heute noch einmal machen? Dann haben Sie Ihren populistischen Erfolg; das ist auch in Ordnung.

In der heutigen 2. Lesung liegt der Rundfunkstaatsvertrag zur Fusion von ORB und SFB nun zur endgültigen Entscheidung vor. Reichlich 50 Jahre SFB und reichlich ein Jahrzehnt ORB gehen nun zu Ende und münden in einer neuen Anstalt, dem RBB. Das ist schon ein historischer Moment. Landtag und Land Brandenburg haben Grund genug, diese Fusion der beiden öffentlichen Rundfunkanstalten als einen Erfolg der Politik von den beiden Ländern zu werten. Auch wenn im Einzelnen nicht jeder von der Fusion Betroffene das aus seiner Sicht Maximale erreicht hat, was angesichts der Tatsache, dass zwei Bundesländer, noch dazu von zwei unterschiedlichen Regierungskoalitionen getragen, miteinander verhandelt haben, auch nicht anders sein kann, ist der vorliegende Fusionsstaatsvertrag ein durchaus gutes Ergebnis und beispielgebend für die ganze ARD. Wenn wir unsere preußische Senderfusion mit der süddeutschen Fusion von SDR und SWF zum heutigen SWR vor drei Jahren vergleichen, können wir eine erheblich weniger komplizierte Vertragsgestaltung feststellen. Bei uns ist keine Interessenvertretung der einzelnen Länder über komplizierteste Handlungsvorgaben bei der Gremienarbeit definiert, sondern eine Anstalt quasi als Einländeranstalt geschaffen worden, auch wenn sie zwei Länder betrifft. Das mag einerseits wie ein Risiko aussehen, zwingt andererseits aber letztendlich zu gemeinsamen und vor allen Dingen länderübergreifenden Denkstrukturen und ermöglicht damit eine gemeinsame Zukunftsgestaltung. Wir haben ein Gesamtkonzept entwickelt, das für die neue Rundfunkanstalt Kreativität befördert sowie breiten Raum für die senderinterne Gestaltung der Anstalt ermöglicht.

Die Politik hat sich aus der Programmgestaltung komplett herausgehalten und überlässt den Senderverantwortlichen die Programmplanung. Leistungsentwicklung und Veränderungen sind nun möglich. Somit ist die Voraussetzung dafür geschaffen, dass ein moderner und leistungsfähiger neuer ARD-Kanal entstehen kann.

Auch dass der Rundfunkrat lediglich aus 30 Mitgliedern besteht - woanders sind es über 50 -, vereinfacht die spätere Arbeit der Gremien. Die Tatsache, dass der Intendant in Zukunft mit Zweidrittelmehrheit gewählt werden muss, verhindert das schnelle Durchschlüpfen eines nur mit knapper Mehrheit getragenen schwachen Kandidaten. Bei dem hier anzuwendenden Zweidrittelquorum ist ein breiter Konsens der dafür zuständigen gesellschaftlichen Kräfte notwendig. Und das, meine ich, meine Damen und Herren, ist nun wirklich gut so.

(Beifall bei der CDU)

Worauf es in Zukunft genauso ankommt, ist, dass der Sender wirtschaftlich effizient funktioniert und die neuen Strukturen so ausgebaut werden, dass dem Hauptanliegen, nämlich ordentliches und von den Zuschauern, sprich Auftraggebern, eingeschaltetes Programm unter Einhaltung finanzieller Obergrenzen, Rechnung getragen wird.

Die Stellung innerhalb der ARD wird ab Fusionsbeginn an Bedeutung gewinnen. Das heißt, es kann mehr brandenburgisches, also auch ostdeutsches Programm im Gesamtprogramm der ARD gezeigt werden. Der andere ostdeutsche Sender, der Mitteldeutsche Rundfunk, hat vieles seit Jahren mit innovativen Formaten erreicht. Sendungen wie das Boulevardmagazin „Brisant“ - da gibt es 2 300 Sendungen für die ARD bisher, das sind zumal 22,9 % Marktanteil bundesweit zum Beispiel am 9. Oktober dieses Jahres - oder die Sendung „Riverboat“, Marktanteil 20,6 %, noch dazu am Freitag um 22 Uhr, sind Quotenrenner, weil sie gut sind, und stellen deutschlandweit Spitzenniveau dar. Möge dem neuen RBB Ähnliches gelingen!

Es wird nun an den künftigen Machern liegen, Unverwechselbares zu schaffen und Brandenburg-Berlin überregional erkennbar zu machen. Auch das ist Wirtschaftsförderung. Unterschiedliche Mentalitäten müssen dabei harmonisiert werden. Mark und Metropole müssen bei Rundfunk und Fernsehen nun zusammenwachsen. Möge es gelingen, dass der RBB in Zukunft neben dem MDR eine zweite starke Stimme aus dem Osten wird und dass Zuschauer über alle politischen Denkrichtungen hinweg mit ihrem neuen RBB zufrieden sein können.

Wenn ich abschließend einem DEFA-Klassiker, dem Mehrteiler „Sachsens Glanz und Preußens Gloria“ ein Sinnbild entlehne, dann können wir für die nun kommenden RBB-Zeiten vielleicht sagen: Dem sächsischen MDR-Glanz kann in Zukunft wieder preußisches RBB-Gloria entgegenstrahlen. Der RBB kann an die Geschichte unserer Region anbinden und ein Programm machen, das uns Brandenburger innerhalb der ARD deutlich identifiziert und in unsere föderale Bundesrepublik tragen kann. Ich hoffe, dies gelingt. Nun denn: Glück auf, Rundfunk BerlinBrandenburg!

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Schöps. - Ich erteile nun für die Landesregierung dem Chef der Staatskanzlei, Herrn Speer, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Namen der Landesregierung möchte ich mich für die grundsätzliche Unterstützung, selbst von der PDS, bei der Zusammenführung beider Rundfunkanstalten bedanken. Das tue ich nicht bei Ihnen, Herr Schuldt; denn Sie sind ja für die Abschaffung des öffentlichrechtlichen Rundfunks generell, weshalb ich Ihr Begehren, im Rundfunkrat zu sitzen, auch gar nicht nachvollziehen kann.

Ich möchte mich bedanken für die vielen Anregungen, die während der Beratungen eingebracht wurden und die in wichtigen Punkten auch in den Entwurf des Staatsvertrages Eingang gefunden haben.

Herr Prof. Bisky, es gibt keine Merkwürdigkeiten. Sie konstruieren sie nur immerfort, zuletzt im Hauptausschuss. Wir haben deutlich gemacht - ich habe es mehrfach erklärt -, dass es in der Verhandlungssystematik lag, dass wir mit einem Paket an Änderungen, die Sie kennen, die auch Gegenstand der Volksinitiative sind, Berlin gegenübergetreten sind und Berlin dies nicht akzeptiert hat. Das ist keine Merkwürdigkeit, sondern das ist Schicksal von Forderungen in Verhandlungen. Manche Forderungen werden angenommen, andere eben nicht. Das ist keine Merkwürdigkeit. Ich möchte die Unterstellung, die auch etwas mitschwingt, dass hier mit Winkelzügen und Tricks gearbeitet werde, für die Landesregierung klar zurückweisen.

Der Vertrag - das ist hier schon mehrfach betont worden - ist ein guter und tragfähiger Kompromiss. Er ist ein wichtiger Grundstein zur Stabilisierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Medienlandschaft Berlin-Brandenburg und auch in der ARD. Deswegen bitte ich um Ihre Unterstützung. Mit Ihrer Stimme können Sie den Weg frei machen für den Start des gemeinsamen Rundfunks, zumindest für die Brandenburger Seite. Ich bedanke mich noch einmal für Ihre Unterstützung. Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke Herrn Staatssekretär Speer.

Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt. Wir kommen zur Abstimmung.

Ich rufe zur Abstimmung die Beschlussempfehlung des Hauptausschusses, Drucksache 3/4893, auf. Wer dieser Beschlussempfehlung seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist die Beschlussempfehlung mehrheitlich angenommen und das Gesetz zum Staatsvertrag über die Errichtung einer gemeinsamen Rundfunkanstalt der Länder Berlin und Brandenburg in 2. Lesung verabschiedet.

Ich rufe jetzt zur Abstimmung den Entschließungsantrag der Fraktion der PDS, Drucksache 3/4938, auf. Wer diesem Entschließungsantrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Entschließungsantrag mehrheitlich angenommen worden.

(Beifall bei der PDS)

Ich schließe Tagesordnungspunkt 5.

Ich unterbreche die Sitzung für eine Mittagspause bis 13 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung: 11.57 Uhr)

(Fortsetzung der Sitzung: 13.01 Uhr)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist 13 Uhr. Ich eröffne

den Nachmittagsteil der 63. Landtagssitzung und rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

2. Lesung des Gesetzes zur Umsetzung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes und zur Stärkung der parlamentarischen Kontrolle

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 3/4275

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Inneres