Protokoll der Sitzung vom 10.10.2002

Das heißt, in den Städten leben 19 000 Menschen weniger. Genau das kennzeichnet den Weggang der Menschen aus der Uckermark. Diese Menschen haben in Schwedt, in Angermünde und in den anderen Städten nicht gezeltet, sondern sie haben dort gewohnt. Also haben wir in diesen Städten den größten Anteil an Wohnungsleerstand. Er muss als erstes beseitigt werden, denn unsere Städte brauchen ansehnliche Gesichter. Außerdem müssen wir darüber nachdenken, dass es in dem einen oder anderen Dorf aufgrund der Agrarpolitik der Jahre 1960 bis 1990 Fehlentwicklungen gab, die zu einer Industrialisierung der Landwirtschaft führten. Dadurch wurde dort Wohnungsbau gefördert, der nicht notwendig war. Insofern müssen wir auch über diese kleineren Einheiten nachdenken.

Es gibt in meinem Hause diesbezüglich keine Abgrenzungspolitik. Vielmehr sind wir für die Städte zuständig, während das Landwirtschaftsministerium für die Dörfer zuständig ist. Wir werden diese Überlappungen miteinander genau besprechen; die Staatssekretäre sind dazu im Gespräch; Dietmar Schulze nickt sogar mit dem Kopf.

(Zuruf von der SPD: Womit denn sonst? - Heiterkeit bei SPD und PDS)

Wir werden dafür eine Lösung finden, allerdings nicht allein, sondern nur mithilfe der Bundesregierung, denn zurzeit können wir natürlich den Dörfern - ich kenne deren Notlage - nicht mit Mitteln helfen, die für die Städtebauförderung vorgesehen sind. Damit verstieße ich gegen Förderrichtlinien. Das will hier niemand; das gab es hier schon.

(Frau Wehlan [PDS]: Dann müssen Sie sie ändern!)

- Natürlich muss an dieser Stelle etwas geändert werden. Das Dorferneuerungsprogramm muss geöffnet werden. Vielleicht muss auch die Grenze von 15 % Leerstand geändert werden, denn die Dörfer haben in der Regel keine Fluktuation in diesem Sinne, wie ich es gerade am Beispiel der Uckermark dargestellt habe. Also muss sich auch diese Grenze ändern.

Wenn wir das geschafft haben, können wir gern über diese Gemeinsamkeiten reden.

Herr Minister, Ihre Äußerung hat eine erneute Frage provoziert. Würden Sie sie beantworten?

Die Zeit dafür wird aber nicht auf meine Redezeit angerechnet!

Selbstverständlich nicht.

Ich muss alles sagen, was mir hier aufgeschrieben worden ist.

Bitte schön, Herr Dr. Wiebke.

Herr Minister, könnte es sein, dass die Aufgeregtheit der Debatte doch dafür spricht, dass es Abgrenzungsprobleme gibt?

(Heiterkeit und Beifall bei der PDS)

Nein, überhaupt nicht. Der Vizepräsident dieses Landtages hat einmal gesagt, er habe noch nie einen Abgeordneten erlebt, der sich aus dem Nichts heraus so erregen kann. Deswegen war das jetzt rein schauspielerisch. Es gibt an dieser Stelle überhaupt keine Probleme.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Besonders strukturschwach und förderbedürftig sind die zentrenfernen Regionen - im Nordwesten die Prignitz, im Nordosten die Uckermark, aber auch die Lausitz im südlichen Brandenburg. Die Ursachen für die Strukturschwäche und für die hohe Förderbedürftigkeit liegen in dem gewaltigen Abbau von Arbeitsplätzen im Bereich der Landwirtschaft und der mit der Landwirtschaft verbundenen Einkommensbereiche - er hat bis Mitte der 90er Jahre stattgefunden - sowie in den gravierenden strukturellen Veränderungen in der Industrie und der Ressourcenerschließung, also im Hinblick auf die Energieversorgung auf Braunkohlenbasis.

Zielstellung ist es, die peripheren ländlichen Räume Brandenburgs weiterhin zu unterstützen, was eine Förderung in anderen Räumen des Landes nicht ausschließt. Unerlässlich ist dabei, die verschiedenen Förderinstrumente im Rahmen einer integrierten Förderung einzusetzen, um auf diesem Wege Synergieeffekte zu nutzen. Schwerpunkte der Förderung werden auch weiterhin in den Bereichen der Infrastrukturverbesserung, bei einkommens- und arbeitsplatzrelevanten Vorhaben und in der Bodenverordnung gesehen. Die Dorfentwicklung bleibt dabei ein wesentliches Element der Landespolitik, weil die unmittelbaren Interessen der Bewohner angesprochen sowie private und kommunale Maßnahmen miteinander verknüpft werden können. Die zukünftige wirtschaftliche, soziale und ökologische Entwicklung sollte von einer zunehmenden Ausgewogenheit zwischen ländlichen und städtischen Räumen einschließlich ihrer dörflichen und städtischen Siedlungen sowie durch Interessenausgleich, Kooperation und Partnerschaft bestimmt sein.

Meine Damen und Herren, ich hebe abschließend noch einmal hervor: Die ländliche Entwicklung bleibt auch weiterhin ein Schwerpunkt der Politik der Landesregierung. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Schönen Dank, Herr Minister Meyer. Sie hätten noch drei Minuten Redezeit gehabt, aber Sie haben sehr stark gekürzt.

(Minister Meyer: Ich hatte ein paar Zwischenfragen mehr erwartet!)

Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt. Ich stelle fest, dass Sie die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 45 der Fraktion der PDS, Drucksache 3/4888, zur Kenntnis genommen haben.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 6 und rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Entwicklung des Energie- und Medienverbrauchs sowie der Betriebskosten in den Landesliegenschaften seit Einführung des Energiemanagements im Haushaltsjahr 1996 bis 2000 (gemäß Beschluss des Landtages Brandenburg vom 13.12.1996 [DS 2/3493-B])

Bericht der Landesregierung

Drucksache 3/4918

Es wurde vereinbart, zu diesem Bericht keine Debatte zu führen, sodass ich feststelle, dass Sie auch den Bericht in der Drucksache 3/4918 zur Kenntnis genommen haben.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 7 und rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Organstreitverfahren der Fraktion der PDS, VfGBbg 98/02

Beschlussempfehlung und Bericht des Hauptausschusses

Drucksache 3/4933

Auch in Bezug auf diesen Tagesordnungspunkt wurde vereinbart, keine Debatte zu führen, sodass wir sofort zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung kommen. Wer dieser Beschlussempfehlung des Hauptausschusses, Drucksache 3/4933, seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit haben Sie dieser Beschlussempfehlung einstimmig zugestimmt.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 8 und rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Novellierung des Gentechnikgesetzes

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 3/4923

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt mit dem Beitrag von Frau Dr. Enkelmann. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wussten Sie schon, dass in den Landkreisen Uckermark und Märkisch-Oderland im Rahmen von Freisetzungsvorhaben genmanipulierter Mais und Raps angebaut werden? Wussten Sie schon, dass im Landkreis Potsdam-Mittelmark transgene Raps- und Kartoffelpflanzen angebaut werden? Wussten Sie schon, dass nur in Ausnahmefällen ökologische Begleitforschungen über langfristige Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt vorgesehen sind und dass diese im Übrigen finanziell nicht von den privaten Unternehmen getragen werden, sondern dass die Landesregierung dafür etwa 100 000 Euro im Jahr ausgibt? Wussten Sie schon, dass Genehmigungen für Freisetzungen genmanipulierten Pflanzenmaterials außer an Basisstandorten im vereinfachten Verfahren erfolgen, das heißt ohne Öffentlichkeitsbeteiligung? Wussten Sie schon, dass das Bundesgentechnikgesetz eine Information der betroffenen Landesregierung über erteilte Genehmigungen zu Freisetzungen nicht vorsieht?

Sollten Sie tatsächlich all das nicht wissen, dann empfehle ich die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage in der

Drucksache 3/4802 zu lesen. Darin hat sich im Übrigen die Landesregierung auch für eine Kennzeichnungspflicht von gentechnisch veränderten Lebensmitteln ausgesprochen. Das unterstützen wir sehr. Hoffentlich meinen wir beide das Gleiche, nämlich tatsächlich eine umfassende Kennzeichnungspflicht, das heißt also auch eine Kennzeichnung zum Beispiel von Zusatzstoffen und Aromen, die bis jetzt in der EU-Verordnung nicht vorgesehen ist.

Ich hoffe sehr, dass sich der zuständige Minister - wer auch immer das heute oder in der nächsten Zeit sein wird - für die nach wie vor fehlenden Ausführungsvorschriften einsetzt.

Dennoch befinden wir uns in der Frage der Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel am Ende der Kette von Entscheidungen. Selbst bei umfassender Kennzeichnungspflicht kann heute kaum noch ausgeschlossen werden, dass gentechnisch veränderte Produkte zum Konsumenten gelangen.

Das Problem ergibt sich unter anderem aus Folgendem: Schon heute ist klar, dass sich bei der Freisetzung genmanipulierter Pflanzen zum Beispiel durch Pollenflug eine Kontamination benachbarter Felder nicht verhindern lässt. Biobauern gehen davon aus, dass es ihnen in Zukunft kaum noch möglich sein wird, gentechnikfreie Produkte anzubauen. Sie fürchten daher um ihre Existenz. In Kanada zum Beispiel haben Bauern bereits die Firma Monsanto, die im Übrigen auch in Brandenburg tätig ist, verklagt.

Wir wissen natürlich auch, dass ein Nachweis schädlicher Auswirkungen auf die Umwelt heute nur in Einzelfällen möglich ist. Dazu sind die bisherigen Verfahren zur Risikoabschätzung völlig unzureichend. Bekannt sind aber bereits Schädigungen, zum Beispiel bei Insekten durch Kartoffeln, die mit dem Gen des Schneeglöckchens gekreuzt worden sind. Wir wissen, dass das auf den Marienkäfer und damit auf die natürlichen Bekämpfer von Blattläusen Auswirkungen hat.

Auch die Weitergabe von Fremdgenen von Pflanze zu Pflanze ist inzwischen nachgewiesen. Bekannt sind zum Beispiel Herbizidresistenzen bei Unkräutern. Pervers ist etwa, dass ein und dieselbe Firma sowohl herbizidresistente genmanipulierte Sojabohnen als auch das dazugehörige Unkrautbekämpfungsmittel auf den Markt gebracht hat.

Eine Reihe wichtiger Sicherheitsfragen ist nach wie vor offen, zum Beispiel: Was geschieht mit gentechnisch veränderten Pflanzen nach deren Freisetzung? Ist deren unkontrollierte Ausbreitung möglich? Sind diese Pflanzen ohne Folgen für die Umwelt aus dem Ökosystem rückholbar? Welche Auswirkungen gibt es überhaupt auf andere Organismen einschließlich des Menschen?

Das hat im Übrigen die Landesregierung auch in ihrer Antwort auf eine andere Kleine Anfrage vom Februar 2000 bestätigt. Es sei - ein Zitat der Landesregierung - „eine Fülle von Fragestellungen in diesem Zusammenhang weder experimentell noch im großflächigen Anbau noch in üblicher landwirtschaftlicher Praxis erfasst”.

Völlig ungeklärt ist bis heute: Wer trägt ein mögliches Risiko? Rückstellungsfonds für Folgeschäden gentechnischer Freiset

zungsversuche - ein solcher Rückstellungsfonds wird im Übrigen auch von der Landesregierung unterstützt, aber er fehlt bislang im Gentechnikgesetz des Bundes - gibt es eben nicht. Die dazu notwendige Rechtsverordnung wurde in der letzten Legislaturperiode durch die rot-grüne Bundesregierung mit Rücksicht auf die Befindlichkeiten der Versicherungswirtschaft nicht auf den Weg gebracht.