Protokoll der Sitzung vom 19.12.2002

Bei den Verhandlungen zum Solidarpakt II wurde der infrastrukturelle Nachholbedarf neu bewertet. Wie die Ergebnisse der Solidarpaktverhandlungen zeigen, wurde auch ein immenser Nachholbedarf anerkannt. Aufgrund dieser Ergebnisse gilt es, dass seitens der neuen Länder darauf gedrängt wird, dass die derzeitigen Regelungen des Bundesfernstraßengesetzes den neuen Erkenntnissen zum infrastrukturellen Nachholbedarf angepasst werden.

Meine Damen und Herren, wir haben bereits jetzt die Initiative ergriffen, um erstens Planungssicherheit zu schaffen. Zweitens wollen wir vermeiden, dass wir einem Zeitdruck bei der Suche nach Partnern für die Änderung des Bundesgesetzes ausgesetzt werden. Drittens ist die Änderung ein Signal an die Wirtschaft und die Investoren, den Infrastrukturausbau in den neuen Ländern schnell voranzutreiben.

Die bestehende Infrastrukturlücke soll so schnell wie möglich geschlossen werden. Wir sind uns wohl darin einig, dass die Straßeninfrastruktur für viele Unternehmen bzw. Investoren ein entscheidender Faktor für die Standortwahl ist. Hier positive Signale zu setzen ist also auch ein Beitrag zur Wirtschaftsförderung.

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Antrag und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Schrey, und gebe das Wort an die Fraktion der PDS. Bitte, Frau Abgeordnete Dr. Enkelmann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die PDS-Fraktion ist sehr wohl für Beschleunigung, wenn es zum Beispiel um die Umsetzung von Ideen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, um die Ausreichung von Mitteln für soziale oder Jugendprojekte oder um den heutigen Feierabend geht. Wir sind also schon für Beschleunigung. Auch dann, wenn es um den Abbau überdimensionierter Bürokratie geht, finden Sie uns an Ihrer Seite.

Wir haben mit Ihrem Antrag aber ein Problem, weil Sie damit wieder einmal eine Legende nähren oder einen Pappkameraden aufbauen. Hier ist es die Legende, dass Infrastrukturbedingungen allein quasi automatisch dafür sorgen, dass sich wirtschaftliche Entwicklungen vollziehen. Wir beide, Herr Schrey, wissen genau, dass das nicht funktioniert.

Es wäre hilfreich, wenn Sie sich einmal mit der Frage beschäftigten, was die tatsächlichen Ursachen dafür sind, dass Genehmigungsverfahren sehr lange dauern oder sich verzögern.

(Zurufe von der CDU)

Ja, genau das ist Ihre Aussage, dass durch die Naturschutzverbände und durch andere Träger öffentlicher Belange oder durch die Möglichkeit der Beteiligung der öffentlichen Hand die Verfahren verzögert werden. Ich sage Ihnen: Das ist falsch. In einer Studie des Umweltbundesamtes ist untersucht worden, wo die Ursachen wirklich liegen. In dieser Studie ist herausgefunden worden, dass die Ursachen zum Beispiel in der fehlenden fachlichen Ausstattung der Verwaltung, in der fehlenden Software bei der Verwaltung liegen. Das geht bis hin zu einer Überforderung der Verwaltung wegen einer zu geringen Personalausstattung. Diese Ursachen hat das Umweltbundesamt festgestellt. An diese Ursachen sollten Sie herangehen. Das Beschleunigungsgesetz nützt Ihnen da überhaupt nichts.

Frau Abgeordnete Dr. Enkelmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, gern.

Bitte schön, Herr Abgeordneter Dellmann.

Frau Dr. Enkelmann, kennen Sie aus der Vergangenheit in Brandenburg einen konkreten Fall, in dem es durch die Nutzung des gegebenen Instrumentariums in § 17 des Bundesfernstraßengesetzes zu Nachteilen bei der Beteiligung von Trägern öffentlicher Belange oder auch von anderen Verbänden gekommen ist? Können Sie einen konkreten Fall nennen, in dem dies so gewesen ist?

Es gibt eine ganze Reihe von Beispielen dafür - die auch Sie, Herr Dellmann kennen dürften -,

(Dellmann [SPD]: Nein, ich kenne keine Fälle!)

dass Umweltverbände nicht oder nur unzureichend gehört wurden. Dabei haben wir die Erfahrung gemacht, dass mit einer vorgezogenen Bürgerbeteiligung oder mit einer vorgezogenen Einbeziehung von Verbänden Konflikte bereits im Vorfeld, also bereits im Zuge der Erarbeitung von Planungsunterlagen, vermieden werden konnten. Auch hierfür gibt es eine ganze Reihe von Beispielen. Ich plädiere eher für diesen Weg.

Sie sagen, Haupthemmnis sei die Beteiligung einer breiten Öffentlichkeit an Entscheidungsprozessen, also die Beteiligung von Fachverbänden und anderer Träger öffentlicher Belange. In der heutigen Fragestunde gab es einen Disput über Versäumnisse in der DDR-Gesellschaft. Ich sage Ihnen ganz offen: Auch ich bin froh darüber, dass wir in der jetzigen Gesellschaft tatsächlich die Möglichkeit einer breiten Öffentlichkeitsbeteiligung in Genehmigungsverfahren haben.

(Zuruf des Abgeordneten von Arnim [CDU])

- Herr von Arnim, das hatten wir zu DDR-Zeiten eben gerade

nicht und ich bin froh, dass wir das heute haben. Genau deswegen sind wir so sensibel, wenn Sie an dieser Stelle die Schere ansetzen. Das machen wir nicht mit.

Wie man Konflikte lösen kann, hat Staatssekretär Appel unter anderem am Beispiel des Umgangs mit der Ortsumfahrung im Bereich Fürstenberg im Zuge der B 96 deutlich gemacht. Hier ist es durch eine breite öffentliche Beteiligung, durch die Einbeziehung möglichst vieler Betroffener, und zwar von Betroffenen aus Ravensbrück und von Umweltverbänden, gelungen, zu einer Lösung zu kommen.

Eine vorgezogene Beteiligung kann also dazu führen, dass Konflikte rechtzeitig erkannt werden, dass Lösungen entwickelt werden, wenn die Betroffenen an einem Tisch zusammenkommen. Schließen Sie deshalb die Träger öffentlicher Belange nicht aus, sondern holen Sie diese, und zwar rechtzeitig, an einen Tisch. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Dr. Enkelmann. - Die Fraktion der SPD hat Redeverzicht angezeigt. Ich gebe das Wort an die Fraktion der DVU. Bitte, Frau Abgeordnete Hesselbarth.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der Koalitionsfraktionen ist wie ein Hustenbonbon:

(Heiterkeit bei der CDU)

Er nutzt nicht, er schadet aber auch nicht.

Statt der in § 17 Abs. 1 b noch vorgesehenen Frist bis Ende 2006 mag auch aus unserer Sicht über diesen Zeitraum hinaus bei UVP-pflichtigen Vorhaben statt der Planfeststellung die Plangenehmigung beibehalten werden und dies mag durchaus bis zum Auslaufen des Solidarpakts II fortgeführt werden. Wenn man den nach wie vor desolaten Zustand der Autobahnen in den neuen Bundesländern betrachtet, dann erscheint dies auch durchaus als sinnvoll. Tatsächlich ist gerade die Infrastrukturpolitik in Brandenburg nicht gerade berühmt, Herr Schrey, unter den neuen Bundesländern, wenn man dagegen die Freistaaten Sachsen und Thüringen betrachtet, die mittlerweile durchaus Westniveau erreicht bzw. sogar überschritten haben. Insoweit kann man aus Ihrem Antrag, meine Damen und Herren von SPD und CDU, durchaus einen Sinn herauslesen, nämlich den, bestehende Disparitäten bei der Straßeninfrastruktur unbürokratischer und schneller auszugleichen, wenn man die Fakten Ihrer Politik nicht täglich vor Augen hätte, wenn man mit dem Auto auf Brandenburgs Straßen unterwegs ist.

Betrachtet man Ihren Antrag aus praktischer Sicht, so wird ziemlich schnell klar, dass er eher dazu geeignet ist, sich hinter Paragraphen zu verschanzen als beim Ausbau der Infrastruktur wirklich anzupacken.

Was ist nun der Vorteil der Plangenehmigungen gegenüber den Planfeststellungsverfahren? - Im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung bei Plangenehmigungen ist zum einen kein Erörterungstermin vorgesehen. Aber auch bei Planfeststellungen kann

der Erörterungstermin unterbleiben, wenn es sich um Straßenänderungen handelt.

Kommen wir zum Rechtsschutz. Rechtsansprüche werden bei einer Plangenehmigung durch die Einbeziehung der Öffentlichkeit nicht begründet. Ist das ein Vorteil?

Eine eigenständige Klagebefugnis besteht in gleicher Weise auch bei Planfeststellungen nicht, wenn ein Kläger nicht geltend machen kann, in seinen Rechten verletzt zu sein. Wenn lediglich einfache Belange berührt sind, dann reicht dies für eine Klagebefugnis da wie dort nicht aus.

Kommen wir zu Entscheidungen über Einwendungen. Hier ist insoweit eine Verringerung des Verfahrensaufwands bei Plangenehmigungen gegeben, als Äußerungen aus der allgemeinen Öffentlichkeit keine Einzelbescheidung, sondern lediglich eine Gesamtwürdigung erfahren. Zum anderen sind aber auch bei der Plangenehmigung unter bestimmten Voraussetzungen Einzelzustellungen erforderlich.

Der einzige nennenswerte Vorteil bei der Plangenehmigung ist letztlich der, dass eine Beteiligung anerkannter Naturschutzverbände nicht erforderlich ist.

Im Übrigen sind Plangenehmigungen kein wirksames Mittel, um die Infrastruktur im Bereich der Fernstraßen forciert zu entwickeln. Insbesondere sind beim Zeitfaktor keine relevanten Unterschiede zum Planfeststellungsverfahren mehr ersichtlich, da die Öffentlichkeitsbeteiligung bei Plangenehmigungen im Wesentlichen dem Anhörungsverfahren bei Planfeststellungen entspricht.

Im Bereich der individuellen Kontaktierung von privat Betroffenen ist die Plangenehmigung sogar eher aufwendiger als die Planfeststellung. Während in einem Planfeststellungsverfahren mit Ausnahme nicht ortsansässiger Betroffener keine Einzelkontaktierungen erforderlich sind, wird es im Hinblick auf § 17 Abs. 1 a Ziffer 1 nach wie vor unabdingbar sein, Rechtsbeeinträchtigte zu ermitteln und gegebenenfalls um Zustimmung zu ersuchen. Nur auf diese Weise kann letztlich beurteilt werden, ob größere Rechtsbeeinträchtigungen nicht einvernehmlich gelöst werden können und sich dann als Rechtsinstrument die Plangenehmigung sogar verbietet.

Kurz und gut, der vorliegende Antrag dient nicht dazu, die Verkehrsinfrastruktur zu verbessern, aber er schadet auch nicht. Daher werden wir dem Antrag unsere Zustimmung nicht versagen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Hesselbarth, und gebe das Wort an die Landesregierung. Ich vermute, dass Sie, Herr Minister Meyer, das übernehmen werden, wenn Sie denn so weit sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte um Entschuldigung. Ich war schon so weit, ich war nur sprachlos, nachdem ich hörte, wer hier worüber spricht und sich vorher

überhaupt keine Gedanken macht, wozu er sprechen soll, dann aber Abgeordnete wie Herrn Schrey im Prinzip der Unwahrheit oder der Unkenntnis zeiht, obwohl dieser das gesagt hat, was jahrzehntelange Erfahrungen in Brandenburg, was jahrzehntelange Erfahrungen in den alten Bundesländern besagen: dass die Plangenehmigung ein wirksames Mittel ist, um die Verfahrensprozesse zu beschleunigen und damit die Infrastruktur nach vorn zu bringen. Das ist wirklich ein Vorgang, den ich kaum fassen kann, meine Damen und Herren.

(Beifall bei SPD und CDU)

Deswegen begrüße ich diesen Vorschlag.

Frau Vorsitzende, Sie sind noch nicht lange dabei. Aber ich meine, nach drei Jahren Erfahrung darf ich Ihnen das sagen. Sie wissen, dass ich sonst in solchen Dingen sehr zurückhaltend bin. - Dass in der Plangenehmigung weniger Paragraphen bewegt werden müssen als in einer Planfeststellung, sollten Sie in dieser Zeit schon gelernt haben. Die Plangenehmigung hat sich in der Tat zu einem sehr erfolgreichen Instrument der rechtlichen Absicherung von Straßenbauvorhaben - vor allem in den neuen Bundesländern - entwickelt. Sie kommt dort zur Anwendung, wenn die Bürger ihr Einverständnis erklärt haben oder nicht wesentlich betroffen sind - und nur in diesem Fall. Deshalb gibt es einen Beschleunigungseffekt, der dazu führen kann, dass wir mit einer fertig geplanten Maßnahme in der Schublade Geld abrufen können, auf das ein anderer, der noch im Verfahren der Planfeststellung steckt, noch nicht zugreifen kann. Das hat sich in den letzten zehn Jahren durch einige zusätzliche Maßnahmen positiv für das Land Brandenburg ausgewirkt.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und CDU)

Hinzu kommt die Zeitersparnis. Die Zeitersparnis, die hier auch angezweifelt wurde, ist in der Tat nicht erheblich. Aber das ist eine andere Zeitrechnung, die Sie ansetzen. Eine Zeitersparnis von 50 % - wir brauchen in der Tat bei 160 Verfahren, die wir durchgeführt haben, nur die Hälfte der Zeit - ist für mich erheblich. Zeit ist in dieser Frage sehr wichtig. Es ist auch nicht nur die Zeitersparnis, sondern daraus resultiert natürlich auch eine investive Ersparnis.

Frau Dr. Enkelmann, ich darf Sie beruhigen. Die Umweltverträglichkeit wird aufgrund der Sonderregelung für die neuen Bundesländer und Berlin im Benehmen mit den zuständigen Stellen umfassend geprüft und die Träger der öffentlichen Belange werden in das Verfahren einbezogen. Wir machen das andere dann noch einmal im Detail.