Protokoll der Sitzung vom 29.01.2003

Die Landesregierung unterstützt gerade die grenzüberschreitenden Aktivitäten der KMU in besonderer Weise. Insbesondere mit der Markterschließungsrichtlinie hat sie ein Förderprogramm erstellt, mit dem den Brandenburger Unternehmen der Zugang auch zum polnischen Markt erleichtert werden soll. Außerdem gibt es ein breites Netz an wirtschaftsberatenden Angeboten gerade in Bezug auf den polnischen Markt. Zu ihnen zählen die Deutsch-Polnische Wirtschaftsförderungsgesellschaft, die Grenzlandkammern, aber auch zahlreiche Serviceund Eurozentren in Schwedt, Frankfurt (Oder), Cottbus und Guben. Mit ihrer Hilfe können Marktanalysen erstellt, Kontakte aufgebaut, der Marktauftritt begleitet und Werbestrategien entworfen werden. Diese Angebote sollten noch stärker als bisher genutzt oder zumindest daraufhin überprüft werden, ob Wirtschaftskooperationen mit polnischen Unternehmern eine wirtschaftlich lohnende Perspektive darstellen. Ich möchte die Unternehmen auch von dieser Stelle aus noch einmal dazu ermutigen, ihre Chancen zu prüfen und gegebenenfalls auch zu ergreifen.

Ein weiterer Schwerpunkt, der mir am Herzen liegt, ist die Verbesserung der sprachlichen Kompetenz. Die Fähigkeit, neben der englischen Sprache auch die des polnischen Nachbarn zu sprechen, wird in einem Grenzraum, in dem die trennende Wirkung der Grenze in den nächsten Jahren weiter abnehmen wird, eine immer bedeutsamere Zusatzqualifikation werden. Dies sollten sich alle Menschen in der Region, die sich Gedanken über ihre Lebensplanung machen, stets deutlich vor Augen führen und es vor allen Dingen zu einem Teil ihrer individuellen Lebensplanung machen.

Von daher ist es gut, dass der Antwort auf die Frage 31.10 im Einzelnen zu entnehmen ist, an welchen Schulen des Landes Polnisch gelernt werden kann. Wahrscheinlich wissen nur wenige in diesem hohen Haus, dass nicht nur an der Viadrina in Frankfurt (Oder), sondern auch in Potsdam intensiv Polnisch studiert wird. An der Universität Potsdam gibt es einen Lehrstuhl für Polonistik, an dem nicht nur Lehramtsstudenten eingeschrieben sind, sondern eine rasant steigende Zahl von Studenten strebt den Magisterabschluss an, auch, um spätere Berufsaussichten zu verbessern.

Dies sind durchaus zukunftsweisende Möglichkeiten, über deren Nutzung wir verstärkt nachdenken sollten. Fremdsprachenkenntnisse sind förderlich, um später in einem Unternehmen zu arbeiten, das grenzüberschreitend sowohl in Deutschland als auch in einem Beitrittsland tätig ist. Sie sind wichtige Wettbewerbsvorteile bei der Arbeitssuche, gerade in Grenzräumen. Wir werben deshalb sehr dafür, dass in den Schulen die polnische Sprache gelehrt und gelernt wird.

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Die Landesregierung ist derzeit ebenfalls dabei, dieses Angebot weiter zu verbessern. In Potsdam wird nämlich nicht nur an der Universität Polnisch gelernt, vielmehr hat die Landesakademie für die öffentliche Verwaltung im Rahmen unserer Vorbereitungsstrategie einen Polnischkurs für die Bediensteten der Landesregierung eingerichtet, der bisher leider nur einen kleinen Teil der Interessenten aufnehmen kann.

Meine Damen und Herren, der Grund, sich mit unseren polnischen Nachbarn zu beschäftigen, muss allerdings nicht nur geschäftlicher oder dienstlicher Natur sein. Da Brandenburg und Polen mit Seen und Flüssen reich gesegnet sind und unsere Bürger vielfach auch die Leidenschaft des Angelns verbindet, habe ich mich über eine kleine Meldung Anfang letzten Jahres gefreut. Der Landesanglerverband Brandenburg und die grenznahen Anglerverbände Polens haben eine Vereinbarung zur gemeinsamen Nutzung der Angelgewässer unterzeichnet. Bislang musste ein deutscher Angelfreund dafür auch noch in einen polnischen Anglerverein eintreten. Nun werden die Mitgliedschaften gegenseitig anerkannt. Es sind kleine, aber auch wirkungsvolle Schritte.

(Beifall bei CDU und SPD)

- Ich sehe, dass es auch unter uns einige Angler gibt. - Denn nicht nur politisch und wirtschaftlich, sondern auch bei den verschiedenen Freizeitvergnügen wird der EU-Beitritt Polens so können wir sehen - zu einem „guten Fang“. Es wäre ein neues Thema, jetzt über den Tourismus zu sprechen. Jedenfalls wird auch der Tourismus zu einer der Zukunftschance für unsere beiden Länder werden.

Der Termin der Erweiterung der Europäischen Union mag protokollarisch festgelegt sein; von ihrer Wirkung her ist sie aber ein dynamischer Prozess. Man würde die Wirkung unzulänglich erfassen, wollte man das in die Zeit vor und nach dem Beitritt unterteilen. Der Beitritt Polens, des für uns wichtigsten Partners, wird voraussichtlich zum 1. Mai 2004 erfolgen. Dieses Datum bildet aus unserer Sicht keine Zäsur, denn die Europaabkommen zwischen Polen und der EU haben zum Beispiel den Warenverkehr schon weitgehend liberalisiert und auf diese Weise den Beitritt in wichtigen Teilfragen vorweggenommen. Die Auswirkungen der Erweiterung auf die Wirtschaft werden deshalb geringer ausfallen, als gemeinhin angenommen.

Auf anderen Gebieten werden die vollen Wirkungen des EUBeitritts Polens erst später greifen. Die vereinbarten Übergangsregelungen bezüglich der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Dienstleistungsfreiheit geben uns Gelegenheit, unseren nationalen Arbeits- und Dienstleistungsmarkt auf die Herausforderungen einer größeren EU besser einzustellen.

Zu nennen sind hierbei auch die Regelungen über die Grenzabfertigung. Wenn Sie erwähnten und auch kritisierten, dass es zwar ein Treffen in Guben/Gubinek gegeben habe, es aber zu keiner endgültigen Lösung gekommen sei, dann ist darauf zu entgegnen, dass die Lösung nicht in unserer Hand liegt. Wir hatten Gespräche mit der Zentralregierung aus Warschau. Die Entscheidungen müssen nun in Warschau getroffen werden. Da wir sowieso nur eine begrenzte Kompetenz haben, in deren Rahmen wir außenpolitisch tätig werden können, können wir die Entscheidung unseres Partnerlandes Polen doch nicht vorwegnehmen und dem Innenminister in Polen vorschreiben, wie er seine Entscheidung zum Grenzübergang in Guben/Gubinek zu treffen hat. Wir hätten auch gern eine Lösung für die vorhandenen Probleme. Nur müssen wir unseren polnischen Partner mit auf diese Reise nehmen, um auch ein gemeinsames Ergebnis zu erzielen.

Nicht unmittelbar nach dem Beitritt Polens, aber in einigen Jahren werden die Schengen-Regeln auch dort vollständig anwendbar sein. Der trennende Charakter der heutigen Grenzübergänge wird dann verschwinden. Dann wird es nur noch echte Brücken der Gemeinsamkeit zu Polen geben, weil sie ohne zeitraubende Grenzkontrollen passiert werden können.

Aber es sollte auch erwähnt werden, dass man die deutsch-polnische Grenze nicht ohne weiteres mit der deutsch-französischen vergleichen kann; denn wir haben aufgrund der Tatsache, dass ein Fluss die deutsch-polnische Grenze bildet, ein Problem: Wir können nicht Grenzübergänge wie Straßen bauen, was natürlich viel günstiger wäre, sondern wir müssen jeweils Brücken bauen, was nicht nur aufwendig, sondern auch sehr teuer ist.

Die Tatsache, dass die Erweiterung einen fortlaufenden Prozess darstellt, findet in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit Polen ihre Entsprechung. Bei unseren Bemühungen, sie so effektiv wie möglich auszugestalten, bildet der Beitritt Polens nicht den Schlusspunkt, sondern eine Zwischenstation. Brandenburg und Polen werden noch enger zusammenrücken, die Kooperation wird noch vielfältiger werden. Aus unserer Sicht besonders wichtig ist darüber hinaus, dass sich das Bewusstsein, von einer Randlage in das Zentrum Europas zu rücken, noch stärker ausprägen wird.

Mit den polnischen Partnern haben wir seit der Gründung des Landes Brandenburg eine vielgestaltige, konstruktive und grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Hervorheben möchte ich, dass wir uns Mitte März mit den beiden Nachbarwoiwodschaften zu einem Workshop in Frankfurt (Oder) und Subice treffen werden. Wir werden dort einen Rückblick und eine Bestandsaufnahme vornehmen, aber auch Chancen und Szenarien der Erweiterung erörtern und unsere Vorbereitungsstrategie mit der polnischen Seite abstimmen. Von diesem Workshop erwarten wir wertvolle Erkenntnisse für die Ausgestaltung unserer weiteren Zusammenarbeit. Vielleicht erreichen wir sogar eine gemeinsame Vorbereitungsstrategie als Zeichen für eine gemeinsame Region Brandenburg - Westpolen.

Ich bin der Auffassung, dass wir uns bei den anstehenden Fragen der EU-Erweiterung auf einem guten Weg befinden. Dafür legt auch die Antwort auf die Große Anfrage Zeugnis ab. Vor uns liegen aber - das will ich nicht verschweigen - anspruchsvolle

Arbeiten. Über den aktuellen Stand ihrer Erledigung und die künftig zu ergreifenden Maßnahmen wird der dritte Bericht zur Vorbereitung des Landes Brandenburg auf die EU-Erweiterung, den wir im Laufe dieses Jahres vorlegen werden, ausführlich informieren.

Die Entwicklung der nächsten Jahre wird wie der dritte Bericht durch einen gewissen Perspektivwechsel geprägt sein. Mit dem Näherrücken des Beitrittsdatums wird der Aspekt der Vorbereitung auf dieses Ereignis in unserer langfristig angelegten Planung immer stärker zurücktreten und dem Gedanken einer gleichberechtigten Integration und Zusammenarbeit innerhalb der EU Platz machen.

Spätestens nach den Ratsbeschlüssen von Kopenhagen vom Dezember 2002 ist eine Phase des Übergangs eingeleitet worden, in der die beitrittsvorbereitende Ausrichtung der Politik zwischen Mitgliedstaat und Bewerber immer mehr einer kooperativen Konzeption unter gleichgestellten Partner weicht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die heute zu diskutierende Große Anfrage 48 macht eines deutlich: dass die deutsch-polnische Grenzregion unsere volle Aufmerksamkeit braucht, damit wir die anstehenden Aufgaben zum Nutzen dieser Region erfüllen können. Ich bitte Sie deshalb, nicht in parteipolitischen Streit zu verfallen, sondern die Landesregierung und speziell mein Haus bei der Bewältigung der vor uns liegenden EU-Erweiterung konstruktiv zu unterstützen. - Vielen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke Ihnen, Frau Ministerin Richstein. - Ich gebe das Wort noch einmal an die Fraktion der PDS, Frau Abgeordnete Große.

Ehe Frau Große vorn ist, möchte ich wieder Gäste im Landtag begrüßen, und zwar Schüler von der Realschule Spremberg. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Bitte schön, Frau Große.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich werde heute durch die Rednerliste in das Klischee gedrängt

(Klein [SPD]: Rednerinnenliste, Frau Große!)

- Rednerinnenliste, danke, Herr Abgeordneter -, dass Lehrerinnen immer das letzte Wort haben sollen und wollen. Ich werde das letzte Wort nicht reden. Zu dieser Angelegenheit werden wir in diesem Hause, denke ich, noch öfter reden. Wir haben uns vorgenommen, unsere Auffassung bezüglich der einzelnen Ressorts zumindest in Einzelbeiträgen deutlich zu machen. Ich möchte also nur auf den Komplex IV der Großen Anfrage eingehen, in dem es um die Erweiterung der Sprachkompetenz der Brandenburgerinnen und Brandenburger mit Blick auf den Beitritt Polens und das Zusammenwachsen der deutsch-polnischen Grenzregion geht.

Verehrte Frau Ministerin, bei aller Kritik an meiner Fraktion: Sie haben die Bühne von uns bekommen und konnten wie auch Herr Lenz und Herr Habermann

(Beifall bei der PDS)

noch einmal ausführlich auf die Probleme eingehen, die noch zu lösen sind bzw. die bereits gelöst wurden.

(Zuruf des Abgeordneten Klein [SPD])

Insofern können Sie uns wohl schon dankbar sein.

Bei einer gemeinsamen Sitzung, welche die PDS-Fraktion im vergangenen Jahr mit Regierungsvertretern der Nachbarwoiwodschaft Lubuskie durchführte, stellte ein polnischer Vertreter mit Bedauern fest, dass nach einer ihm vorliegenden Umfrage inzwischen 69 % der polnischen Bevölkerung die EU-Erweiterung begrüßen, dies in Deutschland aber nur 39 % tun.

(Kolbe [SPD]: Alles PDS-Mitglieder!)

Wir wissen, dass es unterschiedliche Ursachen für das zögerliche Verhalten der Deutschen und ebenso verschiedene Wege zum Abbau vorhandener Vorbehalte und Ängste gibt. Einer der entscheidenden Wege ist die Begegnung und dazu bedarf es der Sprache. Für die polnischen Bürger ist das ganz selbstverständlich; wir haben hierbei noch viel Arbeit zu leisten.

Wir können der Landesregierung auf dem Gebiet der Förderung der Sprachkompetenz wirklich keine Untätigkeit vorwerfen. Wir wissen auch, dass das auf den einzelnen Ebenen besonders schwer zu bewältigen ist, weil die Förderung der Bereitschaft, die polnische Sprache zu lernen, eben nicht nur eine Frage von Verordnungen und auch nicht nur eine vordergründig finanzielle Frage ist.

Die Antworten auf unsere Große Anfrage weisen zu Recht Erfolge aus. Es gibt hoffnungsvolle, heute schon benannte Ansätze. Ich füge hinzu: Errichtung von inzwischen sieben EuropaKitas, das Grundschulprojekt ist schon genannt worden, elf Schulen, in denen Polnisch als Fremdsprache gelehrt wird, fünf Standorte von deutsch-polnischen Schulprojekten und ein ganz kleines, zartes Pflänzchen, der bilinguale Unterricht.

Erfreulich ist auch, dass es inzwischen etwa 160 Schulpartnerschaften gibt. Dennoch bleibt der bittere Beigeschmack, dass es sich zunächst nur um Insellösungen handelt, die vor allem vom Engagement Einzelner abhängen, welches wir an dieser Stelle auch einmal ausdrücklich würdigen möchten. Im Rahmen dieser Insellösungen bemüht man sich auch selbst um schul- oder sogar länderübergreifende Vernetzungen. Was aber fehlt, ist ein unterstützendes Gesamtkonzept der Landesregierung.

Das brachte auch der Schulleiter des Karl-Liebknecht-Gymnasiums Frankfurt (Oder), einer UNESCO-Projekt- und Europaschule, in der Anhörung des Ausschusses für Europaangelegenheiten und Entwicklungspolitik zum Ausdruck. Ich zitiere:

„Kritisch ist anzumerken, dass das Land Titel vergibt, aber keine weitere Förderung dahinter steht. So war es zum Bei

spiel nicht möglich, dass auf Einladung des Europarates Vertreter der Europaschulen nach Brüssel fahren konnten.“

Das ist nur ein Einzelbeispiel, aber es zeigt, dass gerade angesichts der Haushaltslage ein Konzept vonnöten ist, mit dem Bestehendes gesichert und eben auch ausgebaut werden kann.

Die für den Bereich der deutsch-polnischen Schulprojekte vorgeschlagenen Mittelkürzungen um ein Fünftel der Gesamtsumme sind hier völlig kontraproduktiv.

Wir fordern die Landesregierung auf, eine Reihe bisher ungelöster Probleme endlich einer Lösung zuzuführen. Dazu gehört Folgendes: die Sicherstellung der Weiterführung erworbener Polnischkenntnisse beim Übergang von der Kita in die Grundschule und der dort erworbenen Kenntnisse in die weiterführenden Schulen;

(Beifall bei der PDS)

die Unterstützung eines verstärkten Schüleraustauschs an polnischen Schulen - bisher sind nur drei Schüler dorthin gegangen -; die Intensivierung der Ausbildung von Polnischlehrern einschließlich der Weiterqualifizierung polnischer Lehrer im Bereich Didaktik zur Sicherung des glücklicherweise steigenden Bedarfs; die Lösung des leidigen, heute von Herrn Lenz bereits angesprochenen Lehrbuchproblems, zum Beispiel durch die Aufnahme des Angebotes der Uni Wrocaw im Rahmen des SOKRATES-Programms.

Wir hoffen, dass es am Frankfurter Gymnasium im Interesse der Integration verstärkte Bemühungen darum gibt, die polnischen Schüler in Internaten oder auch bei Familien in Frankfurt (Oder) unterzubringen.

Herr Ministerpräsident - er ist nicht mehr da -,

(Minister Schönbohm: Ich vertrete ihn!)